Audiodafé
von Saha Morgenrot

 

Kapitel

Audiodafé

Eine Autorenplattform.de-Suizidanze aus der Reihe ‚Plastic Poetry’ von Saha Morgenrot.

Noch zehn Minuten. Dann ist alles vorbei. Die wird sich noch wundern, die Schlampe. Und ich gehe in die Geschichte ein. Popromane werden sie über mich schreiben!!! Ich ahne schon den Titel: Der kölsche McVeigh.
Diese kreischenden Like a Virgin Teenies, die keine mehr sind, werde ich der Music opfern. Und ihrer Gier nach Glamour und Happening. Ein Happening wird das ganz sicher! Und alle haben eine Karte bekommen. Nur ich nicht. Wie immer. Schon als Kind bin ich immer zu kurz gekommen. Immer ist mein Bruder bevorzugt worden. Mit neuen Klamotten, beim Taschengeld und beim Essen hat er auch immer mehr bekommen. Immer, immer. In jeder Hinsicht haben sie ihn bevorzugt. Sogar beim sexuellen Missbrauch von Onkel Rüdiger ist er mir vorgezogen worden. Immer. Und jetzt spielt er einen Popstar in einer Daily Soap, und mich haben sie nur als Co-Autor eingestellt.

Noch acht Minuten. Am besten stelle ich mich mal unauffällig in die Menge. Das sind ja mindestens fünfhundert Leute. Lass es tausend sein. Das Konzert fängt bald an. Das bezweifle ich. Dieses Konzert ist ja jetzt schon historisch. Stell ich mir mal vor: 80 Tote, 150 Schwerverletzte, und jede Menge fragmentierte Madonna-Devotionalien verstreut vor der Halle. BLÖD wird schreiben: Gibt es einen Gott?. Aber mir ist das scheissegal. Verdammt meine Tasche. Drei Kilo Madonna-CDs und Videos, acht Pfund Nägel und jede Menge Blow. Hoffe, das Ding geht wirklich in die Luft. Dann ist Schluss mit lustig... Into the grave, hahahaha.

Noch sechs Minuten. Erst in Kölle absagen, und dann vier mal in Berlin nödeln, versucht man dann da ran zukommen, ist auch schon alles weg. Dafür auch noch fett Kohle abzocken. She’s a Material Girl. Und dann noch nicht mal demokratisch verkaufen. Nur an Menschen aus der ersten Liga. Und ich bin wie immer in der zweiten. Immer in der zweiten Reihe. Und dann geht’s deeper and deeper. Sie werden meine demokratische Aktion kennen lernen. Eine Demo für Popkultur. Damit können sie sich ihre Love-Parade sonstwo hinstecken. Scheiss Management, Scheiss Max-Schmelinghalle, Scheiss-Madonna. Scheiss-Menschen. Scheiss-Berliner. Scheissescheissescheisse.

Noch vier Minuten. Langsam freu ich mich richtig. Ein großartiger Tag. Showtime in Showtown. Showdowntime. Schade nur, dass die schöne Sandra auch draufgeht. Bad girl, bad girl ... Sie hat mich noch nicht entdeckt. Kein Wunder, die Sau knutscht ja dauernd mit ihrem neuen Stecher. Wie konnte sie mich nur verlassen? Wegen dieses Scheiss-Aufnahmeleiters. Co-Autor ist ein viel kreativerer Beruf.

Noch zwei Minuten. Muss mich jetzt aber langsam auf meinen Blowjob konzentrieren. Kein schlechter Terminus für meine Mission. And they really deserve it. Schade, dass mein Chef nicht zu bewegen war. Er und Kleinmann, das wär’s gewesen. Kleinmann, dieser amorphe Speichellecker, Duckmäuser und Trittbrettfahrer in Personalunion. Auch ein passendes Ziel für ein Finale. Meine Ideen klauen und sie dann als seine verkaufen. Aber die bekommen auch noch ihr Fett weg. Werden sich am Montag wundern, wenn sie die Post öffnen...

One to go. Wahrscheinlich wird sie dieses Ereignis gleich in ihre nächste Show einbauen. Dieses Chamäleon. Alles schlachtet sie aus, jeden Trend riecht sie, sie ist einfach zu perfekt, und trotzdem liebe ich sie. Und ich hasse mich dafür. Sie muss dafür büssen. So ein Schwachsinn, was der Arzt sagt. Ich – ein Borderliner? Eher ein Visionär. Each man kills the thing he loves. Doch wie heißt es so schön?
Nothing really matters.

BOOM

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