Auf dem Nubbel gekommen
von Saha Morgenrot

 

Bajonett-Ulli hat einen schweren Tag hinter sich. Der Zoch hat ihn schon einige Kraft und zwanzig Kölsch gekostet. Ulli ist ja nun auch schon den fünften Tag auf Achse und noch immer nicht so richtig gebützt worden.

Er ist betrunken, was seiner Lüsternheit aber keinen Abbruch tut. Im Gegenteil. Vor allen Leuten hat ihm Schnaps-Ulla in seiner Stammkneipe einen Korb gegeben, und damit sind auch sämtliche Chancen auf einen Schuss im Veedel verspielt. Aber er hat sich geschworen, noch heute, am vorletzten Tag, irgendwo zu landen. Unglücklich nuckelt er als letzter Gast an einem abgestandenen Blutgeschwür. Da sieht er die Beine des Nubbels durch’s Thekenfenster schimmern. In seinen Augen sind das die schönsten Beine, die er seit langem gesehen hat, schöner noch, als die von Ulla. Er spürt das feurige Verlangen seiner Lenden und es ist ihm egal, dass der Nubbel nicht aus Fleisch und Blut besteht. Das hat ihn bei den anderen Plastikdamen, die ihn ab und zu besuchen, auch nie gestört.
Als der Wirt in den Keller geht, torkelt Bajonett-Ulli nach draußen, steigt auf den Stromkasten vor der Kneipe und hängt die mannsgroße Symbolisierung der karnevalistischen Verfehlungen ab. Auf eine Sünde mehr kommt es jetzt auch nicht mehr an, denkt er, während er die wehrlose Figur in den Hinterhof zerrt. Als er sich seiner Wolllust entledigt hat, legt er sein Opfer vor den Kneipeneingang.

Der Nubbel wird wohl am nächsten Tag an einigen Stellen nicht richtig Feuer fangen, aber das wäre dann auch egal, denn dann ist ja alles vorbei.

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