Mein kleiner Park
von Saha Morgenrot

 

Es ist zu heiß auf dem kleinen Balkon – viel zu heiß für diese Jahreszeit. Ein kleiner, alter, schwarz lackierter Stuhl, ein Wäschegestell, zusammengeklappt an der Außenwand, ein kaltes Getränk und der Blick auf einen kleinen Park. Meinen Park. Die Sicht teilweise verdeckt durch eine Gewerbefläche – Beton und Eternit.
Mein kleiner Park wird weiter bebaut, verbaut. Zwei große Kräne bewegen Pfeiler und Teile von Grundmauern durch die Luft und schneiden dort ein in die wenigen grünen Flächen der Stadt. Zerschneiden sie in der Luft.
Man kann noch nicht erkennen, was am Rande des kleinen Parks gebaut werden soll. Ein Wohnhaus, eine Lagerhalle, ein Veranstaltungssaal mit überhöhten Mietpreisen?
Früher gab es dort einmal einen Biergarten. Er wurde zum Zentrum des Stadtteils in den schwülen Sommermonaten. Davor eine Grünfläche. Grillende Kleinfamilien. Kleine plaudernde Grüppchen. Zu diesem Biergarten gehörte auch ein Restaurant. Es wurde abgerissen. Auf dem Gelände steht nun ein wenig genutztes Bürgerhaus.
Man hört die sich zurufenden Bauarbeiter. Kommandos. Vorsichtsmahnungen.
Ich kann noch die oberen Hälften der Bäume erkennen. In dieser Woche wurden auch die letzten von ihnen grün. Ich kann sie jetzt noch bewundern, von meinem kleinen Balkon im ersten Stock. In zwei Monaten wird von ihnen nichts mehr zu sehen sein – vielleicht auch erst in einem halben Jahr. Dann ist mir auch diese Sicht versperrt.


[Autorenlesung (mp3, 1,6 MB) hier]

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