Köln, Linie 13
von Saha Morgenrot
Köln, Linie 13
Eine Autorenplattform.de-Real-Inzidanze aus der Reihe „Plastic Poetry“ von Saha Morgenrot
27. Juni 2001
Seine Mütze in die verschwitzte Stirn schiebend fragt der KVB-Kontrolleur die alte Dame nach ihrem Fahrschein. Mit zittrigen Händen kramt sie in ihrer Kutzi-Handtasche und weist sich mit einer Seniorenkarte aus.
An diesem späten Sommerabend sitzt ein junger Mann gereizt in der Bahn. Einen schlechten Tag hatte er hinter sich. Der Chef hatte ihn bloßgestellt vor allen Kollegen, weil er mal wieder besoffen und zu spät zur Arbeit erschienen ist.
Ihm gegenüber ein Schwarzer, der in seinem Aktenkoffer kramt.
„Die Fahrscheine bitte.“
Der Schwarze blickt nicht auf und kramt weiter.
Ungeduldig trommelt der KVB-Kontrolleur mit den Fingern auf die Rückenlehne des Sitzes und fragt: „Hat Bimbo wieder mal kein Ticket?“
Der junge Mann gegenüber muß grinsen. Die nehmen das Schwarzfahren halt wörtlich.
In diesem Moment zieht der Schwarze sein Ticket aus dem Koffer mit den Worten:
„Bimbo ist Anwalt in Aachen und wird sich in Kürze bei Ihnen melden.“
4. September 2005
Nach jahrelangem Gang durch juristische Instanzen wurde auf der letzten Gerichtsverhandlung der junge Mann aus dem Zug erneut in den Zeugenstand gebeten, während der glatzköpfige Schöffe zur Rechten des Vorsitzenden Richters zum wiederholten Male eingenickt war. Der Richter setzt zur Verlesung des Urteils an.
Angespannt erwartet der dunkelhäutige Anwalt das Ergebnis der langen Verhandlungen in dem Fall „Rechtsanwalt Yoruba M. in eigener Sache gegen Sascha P., Angestellter des Öffentlichen Personennahverkehrs, namentlich der Kölner Verkehrsbetriebe, wegen Rassismus in Sprache und Handlung im öffentlichen Raum.“
Aus dem Gerichtsprotokoll:
„Weil sich der Angestellte des ÖPNV Sascha P. zum Zeitpunkt des Vorfalls schon außerhalb der Dienstzeit befunden, das heißt unautorisierte Überstunden absolviert hatte, wird die Klage in letzter Instanz abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.“