Gartenarbeit
von Michael Kuhrdt (mageku)

 

Gartenarbeit

Winnie ist ein ordentlicher Mensch und richtet damit mehr Schaden an in seinem Garten, als ihm bewusst ist.

>>Oh Gott! Schau dir das an! Er tut es wieder.<<
Gol neigte sich hinunter zu Gim und sträubte vor Entsetzen die Haare.
>>Ich weiß.<<, antwortete sie mit zitternder Stimme.
>>Ich kann nicht hinsehen.<<
Winnie hatte eine fette Forelle am Angelhaken und war dabei sie los zumachen. Im Käscher, mit dem er sie aus dem Bach geholt hatte, kämpfte sie wie eine Verrückte. Winnie drückte den Körper, knapp hinter dem Kopf, mit einer Hand in die feuchte Wiese und entfernte mit der anderen den Haken. Ein paar Mal schlug er mit dem großen Messer hinter ihren Kopf, um das Rückgrat zu brechen. Dann warf er den betäubten Fisch nach hinten in die Wiese, da er vergessen hatte einen Behälter mitzunehmen.
>>Die Dritte schon an diesem Morgen.<<, dachte Winnie.
>>Läuft gut, so gut wie schon lange nicht mehr. Bei dem Wetter eigentlich seltsam.<<
Er hatte die Rute in die Erde gesteckt und ließ die Schnur mit der künstlichen Steinfliege in der Strömung treiben.
Zurück gelehnt auf seinen Unterarmen, betrachtete er den blauen Himmel und sah dann wieder nach dem Schwimmer, der munter in der Strömung auf und ab hüpfte.
Plötzlich war er verschwunden.
Mit einem Griff hatte Winnie die Angelrute in der Hand und zog an, damit der Haken die feste Haut des Fisches durchbohren konnte.
>>Was bin ich doch für ein schlechter Angler.<<, grinste Winnie und begann die Leine einzuholen.
>>Sie kommt zu sich.<<, wandte Gim sich gequält an Gol.
>>Schau nur wie sie nach Luft schnappt. Die Augen treten ihr aus dem Kopf.<<
>>Ja und dieses Schreien >>Wasser, Wasser! Bitte helft mir! Ich sterbe!<<.<<
Der Grashalm und das Gänseblümchen sahen mit Grauen, wie die Forelle mit schlagenden Verrenkungen und hektischem Atmen, noch am Anfang ihres langen Todeskampfes, gegen das sichere Ende ankämpfte. Zwei ihrer Artgenossen, nicht weit entfernt, zuckten schwach, wenn sie aus einer Ohnmacht erwachten.
>>Klatsch!<<
Ein weiter Fisch landete auf der Forelle und begann sein qualvolles Ringen.
>>Yeah! Vier dicke Kerle in nicht mal einer Stunde. Das soll mir einer nachmachen.<<, sprach Winnie und öffnete ein Bier.
Er stürzte die Hälfte hinunter.
>>Zwei Gründe, weshalb Angeln so Spaß macht.<<, dachte er sich mit Blick auf die Dosen im Bach.
>> Fisch und kühle Getränke.<<
Er musste lachen, da ihn der Schluck fast schon betrunken gemacht hatte.
>>Ah! Was für ein Tag!<<, rief der Angler.
>>Erst mal ein Schläfchen und dann ab nach Hause.<<
Er trank den Rest aus und legte sich nieder.
Ein Stück weiter hinten ging das Sterben weiter.

>>Schatz! Schau was ich mitgebracht habe.<<
Winnie knallte die Forellen auf die Arbeitsplatte.
Eine Schnur durch die Kiemen hielt sie zusammen.
>>Gut! Aber wer soll das alles essen?<<
Carmen kam aus dem Wohnzimmer, indem sie gerade gestaubsaugt hatte, in die Küche und betrachtete den Fang ihres Mannes. Sie hatten sich bei einem Studienaufenthalt ihres Gatten in Salamanca kennengelernt und lebten jetzt in seiner Heimat in einem Reihenhaus, am Rande der Stadt.
>>Vorschlag!<<, sprach Winnie.
>>Zwei der Dinger machst du uns zum Mittagessen und die anderen friere ich ein.<<
>>Gut!<<, antwortete Carmen und ihreAugen glänzten gefährlich.
>>Dann mähst du den Rasen. Der Garten muss dringend in Ordnung gebracht werden.<<
>>Wenns sein muss?<<, stöhnte Winnie und zog erst gar nicht die Schuhe aus, sondern ging in die Garage um den Rasenmäher zu holen.
>>Kopf ab. Es ist wieder soweit.<<, flüsterte Leb.
>>Ich habs gehört.<<, hauchte Rum.
>>Wir haben keine Chance. Kaum den Winter überstanden geht es uns an den Kragen.<<
>>Ich kann nicht verstehen, warum sie uns das antun. Selbst Menschen müssen Schmerzen empfinden, wenn man ihnen den Arm abschneidet.<<
Leb schüttelte sein strohgelbes Köpfchen und sah auf Rum hinunter, die eine Etage tiefer still vor sich hin bangte.
>>Mach dir nichts vor. Menschen denken anders. Sie sprechen Fischen ein Schmerzempfinden ab. Primaten als Versuchstieren, ihren nächsten Verwandten, fügen sie unvorstellbare Leiden zu. Was meinst du, was sie von uns Pflanzen halten?<<
Rum flog der rote Kopf nach hinten, als Winnie den Rasenmäher anwarf.
>>Nichts!<<, brüllte Leb, um den Motorenlärm zu übertönen.
>>Es wird noch einmal einhundert Jahre dauern, bis sie auch uns als Einzelwesen begreifen.<<
>>Und was ist mit den wissenschaftlichen Arbeiten über Duft- und Giftstoffe, die unsere Verwandten aussenden um Fressfeinde zu bekämpfen?<<
Rum schwenkte zurück und sah dort wo Leb eben noch stand, nur Reste des Freundes.
Rum schaute nach oben und sah Winnie sich drehen.
>>Gleich ist es soweit.<<, dachte sie.
>>Unglaubliche Schmerzen und dann diese Mühsal wieder neu zu beginnen.<<
Rum schaute auf ihre Geschwister und die anderen Pflanzen auf der Wiese, die es wie sie noch vor sich hatten. Niemand sprach mehr, alles ließ bedrückt die Köpfe hängen.
Dann wurde es dunkel über Rum und fast gleichzeitig riss es ihr Kopf, Rumpf und Arme ab, die ein Stück weiter als Brei wieder zum Vorschein kamen.
>>Fertig!<<, rief Winnie zufrieden zum Küchenfenster hin, nachdem er den Rasenmäher abgestellt hatte.
>>Prima!<<, schallte es zurück.
>>Das Essen auch.<<
Schnell war der Tisch gedeckt auf der Terrasse und Carmen und Winnie ließen es sich schmecken.
>>Schön sieht der Rasen aus.<<, lobte Carmen, um ihren Gatten anzuspornen.
>>Das war erst der Anfang. Die Sträucher muss ich schneiden und das Unkraut entfernen. Ein guter Tag, um das zu erledigen.<<
Winnie blinzelte in die Sonne und Carmen lachte zurück.
So gefiel er ihr, voll Tatendrang und hilfsbereit. Aber es hatte auch andere Zeiten gegeben mit wilden Alkoholexzessen und nichtsnutzigen Tätigkeiten, wie Fernsehen oder Fußballspielen.
Carmen steckte sich einen Bissen zartes Forellenfleisch in den Mund und ließ den Blick schweifen. Der Garten war es, weswegen sie sich für das Haus entschieden hatten. Sie sah die Bäume und wusste, es war richtig. Alles wuchs prächtig, jetzt Mitte April und Winnie fand immer mehr Gefallen an der Natur und an ihr.
>>Wenn er nur nicht so grob wäre zu den Dingen seiner Umgebung.<<, dachte sie und betrachtete ihn interessiert.
>>Herrlich! Oder?<<
Winnie lachte sie an zeigte dabei seine weißen Zähne. Er war fertig mit Essen und begann wieder ein wenig schläfrig zu werden.
>>Nicht schlafen du Faulpelz! Du machst den Garten weiter und ich die Küche.
Emi kommt übrigens in den Ferien mit den Kindern.<<
Winnie freute sich genauso wie Carmen auf Esmeralda, ihre Schwester. Ein wenig Heimat tat seiner Frau gut.
>>In Ordnung!<<, sagte Winnie und stand auf, um die Astschere zu suchen.
Die Wochen flogen dahin und ein Tag war schöner als der andere.
>>Da seid ihr ja!<<, schrie Winnie und warf seine Arme um Emi. Während er den Tisch deckte, war Carmen zum Bahnhof gefahren, um ihre Schwester und die Kinder zu holen.
>>Loko, Ria! Alles klar?<<
>>Gar nichts ist klar, Winnie Puh!<<<, meinte Loko und sah dabei nicht glücklich aus.
>>Der Papa ist weg.<<
>>Ja, ausgezogen.<<, bestätigte Ria und nickte energisch mit dem Kopf.
>>Und jetzt?<<, fragte Winnie verblüfft Carmen, die die Treppe hinaufstieg, wo die Gästezimmer lagen.
>>Sie bleiben hier, erst einmal. Wir haben genug Platz.<<
>>Gut.<<, meinte Winnie und nahm den Ball aus dem Beet.
Loko war Real-Fan und ein Fußball sein ständiger Begleiter.
>>Du machst alles kaputt damit. Also spiel bitte woanders.<<
Winnie mochte Kinder. Aber Besuch oder für immer, waren doch zwei Paar Stiefel.
>>Die Blumen, schau doch die vielen Blumen!<<
Ria lief entzückt über die Wiese und fing an einen Strauss zu pflücken.
>>Bitte lass das!<<, rief Emi.
>>So leben sie länger und wenn du sie anschauen willst, geh in den Garten.<<
Carmen war glücklich ihre Schwester und die Kinder um sich zu haben. Sie konnte Spanisch sprechen und endlich verstand sie jemand.
Die Tage vergingen schneller als zuvor, da die Kinder alle Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Morgens half Winnie sie anziehen, abends brachte er die Kleinen ins Bett.
>>Und was ist mit Freizeit?<<, fragte er eines Tages seine Frau.
>>Wann haben wir Zeit für uns?<<
>>Das ist dein Leben.<<, antwortete seine Liebste.
>>Einmal entschieden, gibt es kein zurück.<<
>>Doch nicht für immer?<<, stöhnte Winnie.
>>Irgendwann reisen sie doch ab?<<
>>Wer weiß!<<, lachte sie fröhlich und nahm den großen Topf vom Herd.
Düstere Wolken brauten sich am Himmel zusammen, als Winnie in die Garage stapfte, um den Rasenmäher herauszuholen. Er musste nachdenken und das konnte er bestens bei eintönigen Tätigkeiten. Er rollte die Maschine auf die Terrasse, wo sich die Steckdose für das Elektrokabel befand.
Es klingelte und kurz darauf verbreitete sich Lärm im Hausflur.
>>Nein! Bitte nicht! Nicht Rasenmähen!.<<
Ria kam durch das Wohnzimmer gestürmt und fasste ihren Onkel am Arm.
>>Warum?<<, fragte Winnie.
>>Es ist Zeit. Das Gras ist zu hoch. Wir können kaum laufen auf der Wiese.<<
>>Aber die Blumen!<<, mischte sich Emi ein.
>>Alle wären weg!<<
>>Ja! Lass das. Komm lieber zu uns und trink einen Kaffee.<<, half Carmen ihrer Schwester.
Winnie zog den Stecker und fuhr zurück in die Garage. Dort setzte er sich auf einen Hocker.
>>Und jetzt?<<, fragte Loko, der den Ball fortwährend prellend ihm gefolgt war.
>>Was meinst du und jetzt?<<, raunzte Winnie.
>>Ich kann nicht Ballspielen im Garten und du darfst nicht mähen. Demnächst müssen wir im Sitzen pinkeln. Und was kommt dann?<<
Loko war schlau für sein Alter.
>>Wir werden Kinder kriegen und uns von Frauen verhauen lassen. Zufrieden?<<
Winnie brauchte Ruhe und kein Gespräch mit seinem Neffen.
Die ganzen Ferien verbrachte Emi bei ihrer Schwester. Auch die Überschwemmung bekam sie mit.
Ein Gewitter hatte die Stadt überzogen und der Regen prasselte ohne Unterbrechung. Bald stand der Garten unter Wasser und was noch schlimmer war, der Keller auch.
>>Wir müssen was tun.<<, meinte Winnie und rief einen Gärtner an.
>>Neu anlegen.<<, entschied er schließlich, als er den Rat des Fachmans mit Carmen diskutiert hatte.
>>Na gut.<<, willigte seine Frau ein.
>>Was sein muss, muss sein. Moos und harter Boden verhindern den Abfluss. Es wird weh tun in meiner Seele, ihn sterben zu sehen, den alten Garten.<<
>>Weh in der Seele?<<, wisperte Wak.
>>Es zerreißt uns den Körper!<<
Mit aller Kraft klammerte er sich an der Regenrinne fest und verfluchte den Tag, an dem er den Wald verlassen hatte.




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