Ich-AG
von Marc Herrmann

 

Wenn man, sagen wir so ungefähr 25 Jahre alt ist und jemanden kennenlernt. Man trifft sich desöfteren, das Ganze entwickelt sich so langsam und so weiter...
Ab wann weiss man dann, dass man zusammen ist? Dass man mit dem anderen in Zukunft Freud und Leid, das Bett, das Brötchen und die Fernbedienung (ich bin da grosszügig und efrauzipiert) teilt? Meine Schwester sagte mir mal ab dem ersten Mal Sex ist es dann todsicher. Also spätestens dann!
Ja??? Ist das so? Ich hätte gesagt nach dem ersten richtigen Kuss! Richtig??? Beides falsch, dann würde es ja keine One-Night-Stands geben.
Eigentlich ist man erst ein Team, wenn man das Ganze sozusagen per mündlichem Vertrag festgelegt hat. So blöd und unromantisch das erscheint. Man macht das doch ganz automatisch so. In Zeiten der One-Night-Stands und zwanglosen, offenen Beziehungen kann man gar nicht mehr so richtig sicher mit jemandem zusammen sein ohne es verbal festgelegt zu haben, ohne dass man es zugesichert bekommen hat. Als wenn man eine Versicherung abschliesst oder etwas bei ebay kauft. Man will etwas für seine Unterlagen haben. Nicht nur um den anderen später, falls erforderlich darauf festnageln zu können, sondern auch als Bestätigung für sich selbst. Man hat ein Abkommen getroffen und kann Bedingungen stellen, die Vertragserfüllung einfordern.
Und da beginnt das Problem. Einer von beiden fragt irgendwann. Einer fordert die Rückversicherung. Subtil formuliert, oder komplex verschachtelt, das hängt von der Kreativität des einzelnen ab. Man erzählt sich dann auch gerne, was man für den erfolgreichen Vertragsabschluss alles so voraussetzt und mitbringt und vergisst dann aber dabei gerne, wie üblich, das Kleingedruckte. Das muss dann eben der andere irgendwann während der gemeinsamen Zusammenarbeit selbst rausfinden. Spätestens dann kurz vor der Kündigung. Das ist im Normalfall nicht wie bei einem Beschäftigungsverhältnis Chef <-> Angestellter, eher wie bei gleichberechtigten Partnern. Eine Gbr. Sozusagen. Gut in manchen Fällen ist es auch tatsächlich Atze = Chef und Uschi = Angestellte.
Irgendwann wird es dann auf jeden Fall hässlich, nämlich dann, wenn man zum Kleingedruckten kommt. Das können profane dinge, wie schnarchen, Socken im Bett, Bier vor dem Fernseher, etc. sein, oder aber auch gerne Mal die gleichzeitige Beschäftigung einer anderen Angestellten / Partnerin, die man sich von Anfang an offengehalten, aber zu erwähnen vergessen hatte. Das führt dann in den meisten Fällen zur Vertragsauflösung und im Folgenden unvermeidbar zur Arbeitslosigkeit. Und dann gibt es nur drei Möglichkeiten.

1. Man ist enttäuscht, verzweifelt, bemitleidet sich selbst, versucht neuen Mut zu schöpfen und tingelt durch Talkshows, respektive befreundete Wohnzimmer um zu erzählen, wie toll es einem geht, ohne Verpflichtungen, mit offener Badezimmertür beim pinkeln und einem zweiten Fussbodenbelag aus Socken. Sollen die anderen mal machen, wenn sie meinen...Mir geht´s so viel besser!!!
2. Man geht mit fundierter Ausbildung und frisch erworbenen Kenntnissen, das Arbeitsumfeld betreffend spontan und vorschnell ein neues Beschäftigungsverhältnis ein. Versucht erst mal ohne notariellen Beistand dem Kleingedruckten mehr Aufmerksamkeit zu schenken, ist vorsichtiger, vorgewarnt, hat es leider nicht mehr ganz so einfach wie beim letzten Mal, gibt aber sein Bestes...Ende offen
3. Man gründet eine Ich-AG, trifft ich zwanglos mit Kunden und Lieferanten, Angestellte oder gleichberechtigte Geschäftspartner darf man per definitionem nicht haben. Schon gar keinen Geschäftsführer. Geschäftsführer ist man selbst. Man behält zwar die Möglichkeit im Auge eines Tages die Firma zu vergrössern, rechnet aber nicht umgehend damit.

Vielleicht die beste Möglichkeit. Man spart sich auf jeden Fall für´s Erste den Gang zum Arbeitsamt. Und mal ganz ehrlich, jeder, der schon mal beim Arbeitsamt, respektive einer Partnervermittlung war erinnert sich daran, wie im der Schweiss auf der Stirn stand, als die innere stimme flehte: „Bitte, alles, nur nicht schwer vermittelbar!“

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