TFT ist ungeduldig
von Marc Herrmann

 

Ein leeres Blatt... nein, ein leerer Bildschirm glotzt mich an! Leere Blätter gibt es im Jahr Zweitausendundsieben nicht mehr! Ein leerer Bildschirm also. Das ist gut. Gar nicht mal so schlecht wie es mir im ersten Moment vorkommt. Wenn man mit der Schreibmaschine ein bis zwei kümmerliche Zeilen auf ein Blatt schreibt, dann allerdings merkt, dass man lieber anders hätte anfangen sollen, dann ist es zu spät. Das Blatt ist vergeudet. Bei einem Bildschirm ist das anders. Man muss lediglich eine Taste lang genug drücken und schon findet man alles so blitzblank sauber vor, wie gerade eben erst, bevor man diese blöden Zeilen geschrieben hatte. Aber was wäre, wenn man den Wunsch, den Drang die ENTFERNEN Taste zu drücken ignorieren würde?
Wenn man einfach nur schreiben würde. Immer weiter. Und dann, wenn einem etwas nicht mehr gefällt würde man einfach einen neuen Absatz anfangen. Oder, noch besser, das bisher Geschriebene in eine Zwischenablage verschieben und einfach wieder mit dem weissen Bildschirm anfangen. So als wäre da vorher nichts gewesen. Vergessen, dass hier und da Zeilen auf einen warten, die ergänzt werden wollen. Die wollen, dass man sie zu etwas Sinngebendem zusammenfügt. Zu einem eigenständigen Text! Mit einer Aussage. Einem Sinn eben. Immer weiter schreiben. Und ganz am Ende, dann, wenn man meint man hätte alles geschrieben, alles gesagt und alles gedacht. Wenn man dann diese ganzen Zwischenablagen in Einem ausdrucken würde. In einem einzigen Text. Hätte man dann nicht alles zu sagende und zu denkende vor sich?! Auf einem ursprünglich weissen, geduldigen Blatt Papier?!
So als hätte man alle Schreibmaschinenanfänge aneinander geklebt, statt sie wegzuwerfen.
Ich will ehrlich zu mir selbst sein. Das tut niemand. Im Jahr Zweitausendundsieben liebt jeder die ENTFERNEN Taste!

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