Pause
von Marc Herrmann

 

Nichts bewegt sich. Es wird Frühling. Die Tage werden wieder länger, wärmer, man hat mehr Lust zu leben. Man weiß wieder was mit sich anzufangen. Einfach mal rausgehen. Die Sonne genießen. Ein Bummel durch die Fußgängerzone. Vielleicht irgendetwas kaufen. Ein Eis essen. In irgendeinem Cafe einen Kaffee trinken. Das Leben mögen.
Also in die Klamotten und raus. Fünfzig Meter gegangen und wieder umgedreht. Es ist ein Phänomen, dass man in Fußgängerzonen im Frühling scheinbar nur glückliche Paare trifft. Was machen die im Winter? Klar trifft man auch Single-Frauen. Die Sorte, die shoppen zu ihren größten Hobbys zählen und krampfhaft versuchen auf ihren hochhackigen Schuhen einen möglichst anmutigen Eindruck zu machen, während sie wie wahnsinnig SMS tippen. Mit dem Hintern wackeln nicht vergessen. Einer muss uns heute Abend noch die Cocktails finanzieren. Toll. Das wäre mal eine echte Alternative für mich.
Hi! Darf ich Dir deinen Caipi zahlen? Ich hab mir das so vorgestellt. Ich fülle dich hier ab, du zickst ein bisschen rum, unterhalten müssen wir uns nicht so viel. Dann zu mir, poppen. Morgen bist du dann bitte verschwunden, denn Abwechslung ist das halbe Leben.
Wo lernt man eigentlich Frauen kennen? Also wirklich Frauen, keine in die Jahre gekommenen Kinder oder Sechzehnjährige, die täuschend echt auf Mitte zwanzig geschminkt sind. In der Disco? Nein, nicht ich. In der Kneipe? Eher, aber auch noch unwahrscheinlich. Auf Partys? Treffer. Ist heute eine Party? Nein. Also, Bier mit dem Kumpel, Disco mit dem Mitbewohner. Die Frau für´s Leben kennen lernen ist für heute nicht vorgesehen.
Wieder zu Hause. An den Schreibtisch gesetzt und schnell die wichtigsten Regeln für den Tag auf einen Zettel gekritzelt.
1. Bis es dunkel wird die Fußgängerzone meiden.
2. Versuchen das Problem nicht mit übermäßig viel Alkohol zu bekämpfen.
3. Irgendwen anrufen, der einem von seinen Problemen erzählt. Das lenkt ab.
4. Keine alten Fotos angucken.
5. Keine mit irgendwelchen Erinnerungen verbundene Musik hören.

Den Zettel noch mal gesichtet. Als erstes werde ich wohl gegen Regel Nummer 2 verstoßen. Egal, Regeln sind dazu da gebrochen zu werden.
Es wird später. Es wird dunkler. Langsam gefällt mir der Tag. Vielleicht scheint Morgen nicht die Sonne und vielleicht fallen dieses Jahr Frühling und Sommer aus. Vielleicht gibt es den Weihnachtsmann wirklich und vielleicht bin ich bald Millionär und kaufe mir meine eigene Insel. Vielleicht wird irgendwann alles gut und vielleicht lerne ich heute Abend die Frau kennen mit der ich ewig zusammen sein werde.
Es ist 3 Uhr morgens. Zu Hause. Alleine. Ich bin besoffen. Ich falle in mein Bett und mache die Augen zu. Mein Bett dreht sich.
Habe ich je behauptet in meinem Leben würde sich nichts bewegen?

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