Das Feuerwerk
von Sabine Herzke (melody)

 

Max beschloss an Silvester 1988, seine Freunde mit einem großen Feuerwerk zu beeindrucken. Also kaufte er alle Läden leer, bis sich das Feuerwerk in seiner Garage bis unter die Decke türmte... alle Einwohner in der kleinen Stadt, die noch kein Feuerwerk bekommen hatten, waren verärgert und Max musste sich einiges anhören.
In der Stadt gab es eine Frau, in die Max sich heftig verliebt hatte, doch sie wusste das nicht. Er schwärmte still. Sie hieß Jenny und arbeitete im Blumenladen. Er war Briefträger und brachte ihr jeden Tag die Post in den Laden, schaffte es jedoch nie, ihr zu sagen, dass er sie liebte. Da stand sie dann in ihrem Farbenfeuerwerk aus Rosen und hundert anderen Blumen und er konnte immer nur die Post überbringen, ohne die Nachricht loszuwerden, die für ihn die wichtigste war.
Zwei Tage vor Silvester fasste Max sich ein Herz und schrieb ihr einen Brief. Bei der Unterschrift verließ ihn der Mut und er ließ sie weg, aber als er ihr die Post brachte, schmuggelte er seinen Brief unter die Rechnungen und Bestellungen.
Jenny hatte viele Freunde in der kleinen Stadt. Natürlich war sie schon zu einer Silvesterfeier eingeladen. Als sie den Brief las, fing sie an zu rätseln, wer von ihren vielen Freunden das gewesen sein konnte. Viele kannte sie noch aus der Schule, andere aus dem Sportverein. Max spielte Tischtennis, aber er gehörte nicht zu ihren engeren Freunden.
Er bereitete seine Feier vor. Großes Buffet, Musik, Partyraum.
Dann erwischte er an Silvester mittags zwei Jungs, die in Schubkarren Feuerwerk aus seiner Garage abtransportierten. Er sperrte sie in genau diese Garage, weil er sonst nicht wusste wo hin so schnell mit ihnen und rief die Polizei. Als die Polizisten eintrafen, staunten sie nicht schlecht und merkwürdigerweise war der jüngere von ihnen nicht auf die Bengel sauer sondern auf Max. Sie nahmen die beiden mit und übergaben sie den Eltern, die die Jungs für den Rest des Tages in ihre Zimmer sperrten und ihnen die Silvesterfeiern nur unter Auflagen erlaubten. Max schloss sicherheitshalber seine Garage ab.
Seine Freunde erschienen gegen sechs Uhr abends, man leerte das Buffet, trank, tanzte, hatte Spaß. Max wartete auf Jenny, aber die kam nicht. Sie wurden immer betrunkener, die Musik wurde lauter. Kurz vor Mitternacht öffnete Max die Garage und holte alles heraus - und stellte fest, dass zwei Schubkarrenladungen Raketen fehlten. Er war selber schon angetrunken und hatte keine Energie mehr, jetzt noch dem Diebstahl nachzugehen. Seine Freunde halfen das Feuerwerk in einer Reihe aufzustellen, so dass auch die Nachbarn aus der Straße was davon hatten, sofern sie nicht sowieso mitfeierten. Und dann fiel Max etwas auf. So betrunken war er nämlich doch nicht.
Es fehlten ein paar ganz bestimmte Raketen und Bodenfeuerwerke. Er machte seinem Ärger über die Bengels Luft und beschloss dann sich noch einen anzutrinken. Zwei Kumpels hatten sich bereit erklärt, das Feuerwerk zu zünden und so gab Max sich die Kante. Um Mitternacht knallte und zischte und pfiff es in allen Farben.
Sie fielen sich um den Hals und wünschten sich ein gutes neues Jahr und die Pärchen küssten sich, nur Max nicht, der noch immer auf Jenny wartete.
Als alles abgebrannt war, ungefähr um halb eins, beschlossen sie, einen Gang durch die kleine Stadt zu machen. Sie gingen durch ihre Straße, durch die Hauptstraße, durch die Fußgängerzone, und überall feierten die Leute. Sie bogen in die nächste Straße ab, aber dann wollte Max umkehren, weil sie direkt auf das Haus seines Erzfeindes aus Schulzeiten zugingen, der immer besser gewesen war und schneller und stärker und gegen den er bis heute eine Revanche im Tischtennis offen hatte.
Er drehte stur um, betrunken wie er war, und stieß mit zwei seiner Kumpels zusammen, die ihn gerad noch auffangen konnten, sie waren nicht weniger betrunken als er. Die Mädels unter den Leuten am Straßenrand überredeten Max weiterzugehen, guter Vorsatz für das neue Jahr, dieses Haus mal zu passieren. Also schwankte er weiter. Man hörte schon von weitem Gelächter und laute Musik. Und im Vorgarten wurde ein riesengroßes Feuerwerk abgebrannt.
Max fragte: „Wo-woher hatn der das Feuerwerk? D-das hab ich doch gekauft.“
Die anderen zuckten mit den Schultern. Sie wussten es nicht.
Sie kamen dem Haus immer näher und gerade, als er direkt davor stand und sich nur noch wundern konnte, zischte es, und im Vorgarten beim Nachbarn ging das nächste Feuerwerk hoch. Es waren die Sterne und Herzen, das rote und goldene Feuerwerk, das ihm gestohlen worden war. Max kamen fast die Tränen vor Wut. Das war das Feuerwerk, mit dem er Jenny überraschen wollte, die nicht einmal erschienen war.
Die Tür vom Nachbarhaus öffnete sich. Ein paar Leute kamen heraus. Max dachte, er war ein bisschen zu betrunken, weil das überhaupt nicht sein konnte, was er sah. Es waren sein Erzfeind Klaas, zwei von dessen Freunden, sein eigener alter Schulfreund Jens, dessen Frau Nina - und Jenny. Er blinzelte, weil er erst mal wieder einen klaren Blick bekommen musste. Am Haus war es dunkel, so dass er sie nicht sofort erkannt hatte und jetzt standen sich die beiden Gruppen gegenüber. Jenny lächelte ihn an und sagte: „Ich habe deinen Brief bekommen. Und er war so schön, dass mir da erst auffiel, wie sehr du mir gefallen hast, wenn du in den Laden gekommen bist. Ich weiß erst jetzt, dass ich dich liebe.“
Max schluckte und zog Jenny in die Arme. Sie küssten sich ausgiebig, bis der Beifall verebbte und sie sich langsam wieder voneinander lösen mussten. Jetzt fiel ihm sein Feuerwerk wieder ein. Klaas trat vor und erklärte alles. Er hatte wegen der ganzen Ärgernisse von früher ein schlechtes Gewissen. Jenny war seine Nachbarin (was Max nicht gewusst hatte) und als sie ihm gestand, dass sie Max liebe, beschloss er, etwas zu tun. Er beauftragte einen Kumpel, Max die Liebesfeuerwerke zu stehlen und der schickte die Bengel los. Er selber fuhr mit dem Auto in die Nachbarstadt und kaufte sich sein Feuerwerk dort.
Als Max, der jetzt fast wieder nüchtern war vor lauter Freude, sich umsah, erkannte er einen von Klaas Freunden. Klaas sah den Blick und bestätigte, dass das der Freund sei, der die Bengel wegen des Liebesfeuerwerks losgeschickt hatte. Max musste schlucken und ging dann zu ihm rüber.
Der Freund grinste entspannt. „Ich werde nichts sagen“, versprach er.
Da entspannte Max sich wieder. Der Freund war kein anderer als der jüngere der Polizisten, die die Bengel in seiner Garage erwischt hatten…

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