eine morbid depressive kurzgeschichte part 2
von Thomas Day (thomasd)

 

Die Erkenntnis

Das Erkennen der endlosen Lebenserwartung eines selbst, birgt nicht etwa die von manch einem erwartete Vorfreude auf ein, sich sämtliche Wünsche erfüllendes Leben, da man ja nicht um den Verlust des eigenen Lebens fürchten muss, sondern ein Entfachen eines sich ausbreitenden Buschfeuers, ein loslösen einer Lawine welche einen mit in den Abgrund reißt, da man sich der eigenen Existenz im Spiel der Zeit gewahr wird und das eben weil einem klar wird, dass man nicht um den Verlust des eigenen Lebens fürchten muss.
Ich habe bereits in frühen Jahren ein altes literarisches Werk, aus der Zeit der letzten verbliebenen Romantik, von einer in ihrer Eloquenz unerreichten Schriftstellerin gelesen, das sich mit der Thematik der Unsterblichkeit eines Menschen beschäftigte und in mir schon damals die Erkenntnis reifen ließ, dass die menschliche Existenz, mit all ihren Gefühlswelten nicht für eine übermäßige Lebensdauer ausgelegt ist.
In meinen ersten Jahren als Vampir habe ich die Welt bereist auf der Suche nach Liebe und Vertrauen, doch alles was man in den Herzen der Menschen finden konnte war Neid, Misstrauen und Habgier. Sei es nach Macht, Reichtum, Luxus oder dem Wunsch nach unerfüllter Liebe, welche man sich über die Anreichung von Gütern oder Macht bzw. Dominanz zu ergaunern versucht, ohne sich jemals dabei bewusst zu werden, dass das letztendliche Ergebnis nur eine Illusion ist.
Ein Trugbild, welches nur so lange zu scheinen vermag, bis die Protagonisten, durch das Erwachen des/der beschenkten, unterdrückten, verführten, gefangenen oder durch sonstige familiäre Zwänge gebundenen Insassen im Gefängnis der selbstauferlegten Einsamkeit ein Licht am Horizont entdecken welches sie magisch anzieht. Ein Licht mit einem Namen: „Hoffnung“.
„eine zuversichtliche innerliche Ausrichtung, gepaart mit einer positiven Erwartungs¬haltung, dass etwas Wünschenswertes in der Zukunft eintreten wird“
Man sagt: „die Hoffnung stirbt nie“. Ich kann ihnen sagen, dass diese Floskel, geboren aus einer Laune der Unterdrückten, in dem Moment ihre Wirkung verliert, in welchem die Thematik der Endlosigkeit ins Spiel kommt. Ich habe meine Hoffnungen bereits vor langer Zeit auf dem Friedhof der Propheten und Visionäre begraben und ihr seitdem keinen Besuch abgestattet.
Es war mir, in den schier endlos erscheinenden Momenten des Badens in Selbstmitleid, in welchen ich, schwelgend in Melancholie und Verachtung meiner Selbst die Momente eines Lebens Revue passieren ließ, das an diesen Punkt einfach keinen Raum mehr bereithielt für eine positive Erwartungshaltung, vergönnt an etwas Wünschenswertes, welches in der Zukunft eintreten wird, zu denken.
Der Gedanke an die Endlosigkeit eines Daseins birgt in sich erst ein mal das Problem des Begriffes Endlosigkeit. Die Menschen erwarten in ihrem Grundverständnis für alles ein Ende und/oder einen Anfang.
Sei es die Schöpfungsgeschichte, die Urknalltheorie, das Universum, das Leben, ja sogar die Zeit selbst mit ihren v.chr. , n.chr. , Steinzeit, Bronzezeit, oder wieder Paläolithikum-die „Altsteinzeit“-, oder „vor 5 Milliarden Jahren“, in 6 Milliarden Jahren, es wird immer von einem Punkt ausgegangen, an welchem alles begonnen hat, idealerweise vom Zeitpunkt Jetzt, aber dabei wird außer Acht gelassen, dass man bei der Betrachtung der Endlosigkeit kein Ende und in Bezug auf genau diese Themen wie Religion oder Entstehungsgeschichte auch keinen Anfang haben wird.
Man kann sich die Vorstellung der Endlosigkeit am Einfachsten durch die Visualisierung der Existenz einer übergeordneten Instanz klarmachen.
Wenn man sich gewahr wird, dass man bei der Betrachtung der Unendlichkeit des Raumes, die einfache Fragestellung : „Und was ist dahinter?“ das Gerüst sämtlicher wissenschaftlicher Theorien zum Einsturz bringen kann.
Egal was sich um unser Universum für ein „Vakuum“ befindet, es wird immer etwas dahinter geben. Und wieder dahinter und so weiter.
Wenn man sich vorstellt, wie zu Zeiten der Entdecker, die Meere dieser Welt bereist wurden, mit Seekarten die ein Ende der Erde hinter dem Horizont vermuten ließen und diese tollkühnen Menschen, nur mit der neugewonnenen Erkenntnis der Krümmung der Erde und der daraus resultierenden Hoffnung auf ein Land hinter dem Horizont bewaffnet, in diese „schier endlosen“ Weiten des Meeres segelten, auf welchem man für eine „schier endlose“ Zeit, einem Horizont entgegen fuhr welcher wochenlang keines ihrer Gebete gewahr machte. Ihre Hoffnung beruhte unter anderem auf dem Unverständnis der Endlosigkeit.
Also machen wir uns frei von dem Gedanken, dass hinter irgendeinem Horizont etwas „Anderes“ sein muss und fangen gar nicht erst an danach zu suchen. Auf die gleiche Weise verhält es sich mit der Zeit.
Es ähnelt einem in sich geschlossenen Kreislauf, da sich alles in allem und für immer befindet. Es gibt keinen Ort und keine Zeit, in welchen sich etwas verflüchtigen könnte, das nicht in sich ein Teil des Ganzen ist.
Und was wissen wir über geschlossene Kreisläufe? Energie geht nicht verloren. Und genauso verhält es sich mit der Energie des Lebens. Auch wenn diese, reduziert auf ihr Erdendasein, erlischt besteht für die in der Hülle des menschlichen Körpers festgehaltene Energie kein Entrinnen aus dem natürlichen Kreislauf dieses Vakuums.
Wir müssen uns nur von der menschlichen Vorstellung, „etwas besonderes“ in dieser Welt zu sein lösen und wir können erahnen, dass um es in Worte zu fassen eine Widergeburt nicht nur auf unsere irdischen Möglichkeiten begrenzt ist, sondern wir als alles und in welcher Energieform auch immer, wieder an diesem Kreislauf teilhaben werden, sei es als Teil eines Eismeteoriten, welcher 15 Millarden Jahre durch das Weltall rast bevor dieser bei seinem Aufprall auf einen Planeten, der zufällig seinen Weg kreuzt, die durch unser Ableben hinzugefügte Energie wieder freigibt und wir somit die Chance auf eine erneute Widergeburt in Form einer Gliederfüsslerpalme in einem anderen Universum, erfahren werden.
Die Tatsache, dass wir in unserer menschlichen Betrachtungsweise 15 Milliarden Jahre als eine extrem lange Dauer empfinden, verliert in dem Moment an Bedeutungslosigkeit, in welchem man sich die Fragestellung nach der Dauer einer Sekunde in der Ewigkeit beantwortet.
Eine Sekunde der Ewigkeit dauert eben ewig.
Wenn wir nunmehr wieder zurückkehren zu den Erfahrungen eines Lebens, welches die Errungenschaften seines Daseins immer tiefer in die Psyche des Wesens einbrannte und das in seiner Sensibilität schon von frühen Kindheitstagen stärker ausgeprägt war, als man es äusserlich vermuten mochte, so habe ich diese, die meinigen Stigmata derart verinnerlicht, dass ich teilweise instinktiv ein Verhalten an den Tag lege, welches mich von meinen eigentlichen Zielen immer weiter entfernt, gleichwohl mein Verstand mir stets mein Fehlverhalten vor Augen hält.
Ich habe begonnen, den Begegnungen mit den Menschen Auszuweichen, um der Gefahr der Animosität meines Gegenübers zu entgehen.
Und kehren wir zudem zurück zu den Grundprinzipien für Hoffnung, einer den Menschen stets antreibenden Kraft, mit schier übermenschlichen Fähigkeiten. Wie viele Errungenschaften der Wissenschaft oder Rekorde basieren auf dem Prinzip der Hoffnung gepaart mit dem Glauben an sich selbst.
Noch so ein Punkt. Glaube an dich selbst.
Ich habe einmal eine Frau getroffen. Sie war die Witwe eines Fischers, an einem Meer ohne Fische, einer dörflichen Gemeinschaft, die nur im Ganzen funktionierte und ein Ausreißen nicht gestattete, in einem Haus, von mir spöttisch Wartesaal auf den Tod bezeichnet und mit den Zukunftsperspektiven eines Schneeballs in der Sahara um die Mittagszeit.
Was diese Frau nicht hatte, war der Glaube an sich selbst.
Sie hätte früh nach dem Ableben ihres Mannes versuchen können, andere für ein Ausreißen zu begeistern, jedoch hätten sie die Existenz dieser kleinen Gemeinschaft riskiert. Der Gedanke an eine selbst herbeigeführte Rettung ihrer Selbst war für sie nicht vorstellbar.
Betrachten wir Sie über die Jahre unter der Vorstellung, sie hätte die Unsterblichkeit erfahren.
Bis Änderungen ihrer Umgebung einen Einfluss auf ihr Dasein nehmen können, hätten sich die bisherigen Erfahrungen, bei der für sie durchaus plausiblen Vorstellung, dass alles so bleibt wie es ist, derart in ihrer Psyche gewütet, dass der Verstand irreparable Schäden bekommen würde, welche wiederum einen direkten Einfluss auf ihre weitere Entwicklung nehmen würden.
Ähnlich verhielt es sich mit meiner Vorstellung von Hoffnung und dem Glauben an sich Selbst.
Ich hatte mich eine Weile beobachtet, als ich auf Reisen immer häufiger erkennen musste, dass der anfänglich noch häufige, wenngleich doch stets oberflächliche Kontakt mit meinen „Ex“-Mitmenschen immer weiter abebbte.
Die anfängliche Fragestellung „warum nur“ wurde schon bald offenbar.
Die Begegnung mit einem, jemandem selbst unbekannten Menschen, führt im Allgemeinen über einen unmittelbaren Augenkontakt, welcher sich ca, 0,5 bis 10 Meter vor dem Aufeinandertreffen ereignen muss, ansonsten hat der Verstand nicht mehr genug Zeit, bzw. benötigt detailliertere Informationen, als sich aus 20 Metern erkennen liessen, um die restlichen durch ihn ergänzten, bzw. „dazugedichteten“ visuellen Informationen in eine für das Gegenüber akzeptablen Form für eine Kontaktaufnahme zu bringen.
Wenn man sich nun selber dieser Form der Kontaktaufnahme beraubt, indem man seinem Gegenüber den benötigten visuellen Kontakt nicht bereitstellt, wird Dieses höchstens im Falle von selbstbezogenen Gründen eine Kontaktaufnahme in Erwägung ziehen. Sei es Mitleid, Habgier Hilfe oder ähnliches.
Ich musste, bei meinen stets zu Fuß zurück gelegten Reisen beobachten, wie ich immer wieder nach dem ersten visuellen Kontakt meines Gegenübers, bereits aus großer Entfernung eine Auswahl wagte, inwiefern diese Person mein Interesse wecken könnte oder nicht.
In Fällen der Abneigung blickte ich weg.
Bei sich anbahnendem Interesse meinerseits, blickte ich weg, um der mir doch so bekannten Gefahr des Ablehnens zu entrinnen.
Mit einiger Zeit verselbstständigte sich dieses Verhalten derart, dass ich selbst bei bewusstem Vorgehen dagegen, nicht in der Lage war mein Handeln bewusst zu beeinflussen.
Und das schlimme daran war, die Gleichgültigkeit, welche sich in mir breit machte.

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5348 Beiträge veröffentlicht!