Rosenbett-Eine fast wahre Liebesgeschichte
von oswald Traub (westham)

 

Das Rosenbett


Eine "fast" wahre Liebesgeschichte


Kapitel 1

Gerade habe ich mit Rhani, einer 38-jährigen Singalesin Schluss gemacht. Nein, eigentlich stimmt das nicht. Im Grunde genommen hat sie Schluss gemacht. Und das sehr mutig, per SMS. So brauchte sie mir zumindest nicht in die Augen zu blicken, wenn sie unsere mehr als ein viertel Jahr dauernde Liebe-war es eigentlich Liebe oder nur eine Liaison-beendete, den Schlussstrich zog unter etwas, das eigentlich noch gar nicht so richtig begonnen hatte. Die Buchstaben des Textes auf dem Handy-Display hämmerten in meinem Kopf. Er drohte zu zerspringen. "Hallo, Dieter", stand da zu lesen, "es tut mir sehr leid, aber ich ,möchte unsere Beziehung beenden. Wir leben einfach zu weit voneinander entfernt und keiner kann derzeit zum anderen ziehen. Ich möchte aber keine Beziehung eingehen, die sich auf zwei Tage in der Woche beschränkt. Ich möchte neben meinem Mann morgens aufwachen, spüren, dass er da ist. Ich möchte ihn immer haben, jeden Tag. Du bist ein lieber Kerl, ich bin sicher, du findest bald eine Frau, die zu dir passt. Rani". Lieber Kerl. Das Wort kenne ich. Hätte dort gestanden, du bist ein Looser, das hätte den Nagel eher auf den Kopf getroffen. Mit Ranhi kätte ich mir nach den unheilvollen Affären mit Loretta und Geta, beide in kurzer Reihenfolge und beide Rumäninnen, endlich eine gemeinsame Zukunft aufbauen können und wollen; aber sämtliche Hoffnungen zerstoben wie ein Sandhäufchen im Wüstenwind.
Aber der Reihe nach:

*

Gerade hatte ich mich hingelegt. Es war mir wichtig, etwas Schlaf zu finden, denn in den letzten Tagen war viel los in der Hostessenwohnung, in der ich mir als Fahrer ein paar Euro nebenher verdiente. Und nun, gerade in der für mich so wichtigen Einschlafphase, wurde ich aufgeschreckt. Hätte das Telefon nicht neben dem Bett gestanden, ich glaube kaum, dass ich rabgegangen wäre. "Hallo, Dieter". Die Stimme kannte ich. Sie gehörte Miriam, dem Star der Hostessenwohnung, die von Romina, einer Rumänin mit französischem Pass betriebenn wurde. Miriam war der Grund, warum ich bei Romina anheuerte. Ich wusste, dass bei Romina fast jede Schweinerei praktiziert werden musste und da ich Miriam sehr mochte, wollte ichz etwas auf sie aufpassen. "Kannst du kurz herkommen?" fragte Miriam. "Wir wollen dir etwas vorschlagen". "Ok, ich komme. Bin in zehn minuten vorne".
Verärgert wälzte ich mich aus dem Bett. Heute, wo im Gewerbe anscheinend total tote Hose war, wo ich einmal nicht mit einem späten Hausbesuch rechnen musste, wollte ich endlich einmal etwas Schlaf nachholen, Schlaf, der mir in den letzten Tagen sehr fehlte. Zum Glück war Rominas Laden nur zwei Gehminuten von meiner Wohnung entfernt; das war auch mit ein Grund, weshalb sie mich als Fahrer gewählt hatte-ich saß nicht ständig mit den Mädels in der Küche herum, war aber immer vor Ort. Obwohl ich eigentlich gerne bei Romina in der Küche herumgesessen wäre, vor allem an den Tagen, an denen Miriam vor Ort war.

An der Tür empfing mich Miriam, wie immer trug sie ihre langen Haare offen-heute war sie bekleidet von einem rosafarbenen Negligé, das mehr zeigte als es verhüllte. Miriam war ein phantastisch schönes Mädchen und schon bei Romina, seit sie achtzehn geworden war, also seit etwa zwei Jahren. Lange würde sie nicht mehr dort sein; sie war auf Methadon und hatte eine genehmigte Therapie, nur auf den Therapieplatz wartete sie noch. Ich liebte Miriam, jede im Etablissement wusste es; Miriam schien es auch nicht unangenehm zu sein, so konnte sie mich immer um den kleinen Finger wickeln, zum Beispiel wenn sie remanden suchte, der sie mitten in der Nacht nach Hause fuhr. "Endlich kommst du", fuhr sie mich an. "Los, komm rein, die Alte will mit dir reden". Ohne Gruß, Romina grüßte nie jemanden, deutete sie mir an, mich zu setzen. "D I E T E R, jeden Buchstaben meines Namens zog sie genüsslich in die Länge wie Kaugummi, "du willst doch schon lange heiraten?". Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. "Nun, ich habe eine Frau für dich". "Miriam, endlich", entfuhr es mir, "ich sage ja". "Sei nicht kindisch", blaffte mich Romina an. "Du und Miriam, was für eine Wahnvorstellung. Nein, deine Frau wartet drüben in einem der Zimmer. Miriam, hole sie bitte". Miriam stand auf, verließ dieb Küche und kam nach wenigen Sekunden mit einem hübschen, schwarzhaarigen Mädchen, vom Typ her aus einem Balkanstaat, zurück. Wortlos schmiegte sich die kleine an Romina, so, wie man sich eigentlich nur an eine Verwandte oder sehr gute Bekannte schmiegt. "Das ist Loretta", stellte Romina das Mädchen vor, "sie ist 20 und möchte arbeiten. Ihr Typ junges Mädchen ist sehr gefragt. Sie wird mir viel Geld bringen. Es gibt nur ein Problem. Deswegen ließ ich dich rufen. Sie ist Rumänin und hat nach Deutschland keine Bindungen. Das hei´sst, sie darf hier nicht arbeiten. Im Puff sowieso nicht. Deswegen suchen wir für sie einen Mann. Einen Deutschen. Dich".
Ich muss edagrestanden haben, wie vom Donner gerührt. WEas wollte Romina von mir? Ich sollte dieses Mädchen, das noch aussah wie ein Kind und während des ganzen Gesprächs nicht nur nicht einmal ein Wort sagte, sondern zudem auch verschämt wie ein Kind, das eine schlechte Note nach Hause brachte, zu Boden blickte, heiraten? Gehören dazu nicht immer noch zwei? Gehört dazu nicht immer noch erine Phase des Kennenlernens? Und etwas, das man Liebe nennt? Rominas Stimme durchschnitt die Stille, Die den Raum, in dem wir uns befanden, in ihrem Bann hielt. "Nun schau dir eden an, Miriam", spottete sie. "Der scheint ja wohl überhaupt nichts zu kapieren. Erkläre du es ihm. So vernarrt, wie er in dich ist, wird er es aus deinem Mund wohl eher kapieren". Miriam wandte sich mir zu. "Dieter, weisst du, was eine Scheinehe ist? Darauf läuft es hinaus. Romina fragte mich vorhin, ob ich jemanden wüsste, der dringend Geld brauche. Und da dachte ich an dich. Ich kenne doch deine Finanzlage. Rosig ist die nicht. Also, jetzt pass auf: Du heiratest Loretta, die Ehe muss drei Jahre halten. Dann kann sie Deutsche werden. In der Zeit, während sie mit dir verheiratet ist, kann sie hier atbeiten, bei Romina. Du weisst, ich gehe bald auf Therapie. Ob ich danach noch einmal arbeite, das weiss ich nicht. Romina braucht Mädchen, dass der Laden läuft. Und die Kleine hier hat es faustdick hinter den Ohren. Wenn sie ihrenb deutschen Pass hat, lebt ihr ein Jahr nachweislich getrennt, dann lasst ihr euch scheiden. Du bekommst dafür zehntausend Euro und hast zumindest für drei Jahre das, wovon du schon lange träumst, eine Frau." "Aber du weisst doch, dass ich nur dich liebe", widersprach ich. "Träum weiter", lachte Miriam mich aus. Verwirrt blickte ich von Miriam zu Romina, dann zub der Kleinen und wiederholte dies mehrere Male. Loretta begann zu lachen, löste sich von Romina und kam zu mir herüber. Lasziv setztev sie sich auf meinen Schoß, legte die Arme um meinen Hals und sagte in fast akzentfreiem Deutsch:" Heirate mich und mache mich zur Deutschen. Du wirst es nicht bereuhen". Zur Bekräftigung küsste sie mich mit ihren roten, wohlschmeckenden Lippen auf den Mund". Das Eis war gebrochen. Wenn dieses Mädchen, das nur halb so alt war wie ich meine Frau werden wollte, ich würde dem Vorhaben nichtb im Wege stehen. Gut, dann soll es eben so sein. Und einen Betrag guten Geldes sollte ich auch noch erhalten, was meinem Kontostand sicher guttun würde. "OK, ich mache es", sagte ich zu. "Na aqlso, warum nicht gleich so. Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen", spottete Eomina. "Pass auf. Morgen kommen Florin und Dumitru aus Rumänien. Wir treffen uns in meiner Privatwohnung. Lärchenweg 8 im Penthouse. An der Klingel steht mein französischer Name. Die Jungs kommen um acht. Du bist schon um halb da. So, wir machen Feierabend. Du fährst Miriam nach Hause".
Beim Hinuntergehen wartnte Miriam mich:" Dieter, ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell, ohne Überlegen ´ja´sagtest. Denke daran. Eine Scheinehe kann dir dreib Jehre bringen". "Das ist mir klar", entgegnete ich, "aber ich brauche das Geld. Und ich habe endlich, wenn auch nur auf Zeit, eine Frau".


*

Zum ersten Mal durfte ich Rominas edle Penthouse-Wohnung betreten. Und dies nicht nur als Fahrer, nein, ich war Gast der Hausherrin, was sie auch dafurch zum Ausdruck brsachte, dass sie mir, nachdem ich ihre Wohnung betreten hatte, sofort ein Getränk in die Hand drückte und eine Sitzgelegenheit anbot. "Du bist früh, aber das ist gut so", sprach sie mich an, "dann können wir noch einige Dinge besprechen. Also, Dumitru wird die eigentliche Verhandlung führen, er ist Lorettas Zuhälter, Florin ist nur sein Kumpel und er fungiert zugleich als eine Art Leib2wächter für Dumitru. Auch, wenn ihr Geschäftspartner werdet, sei vorsichtig. Florin ist leicht reizbar und das Messer sitzt bei ihm locker. Blicke ihm nicht in die Augen, beachte ihn am besten gar nicht. Die Verhandlungen führst du allein mit Dumitru. Er wird versuchen, dich aufs Glatteis zu führen. Sage nicht zu allem gleich ´ja´, was er dir anbietet. Er wird dir 6000 anbieten. Auf Raten. Gehe nicht darauf ein. Der Preis für eine Scheinehe im Rotlicht liegt derzeit bei 15. Das wird er aber nie zahlen. Verlange 10000 und bleibe hart. Das Geld willst du vor der Hochzeit, sonst platzt sie. Er muss darauf eingehen, er hat sonst niemandem. Loretta kann nicht ewig illegal arbeiten, bei mir sowieso nicht. Ich bin bei der Sitte zu bekannt. Er müsste eine neue Wohnung suchen. Dabei verliert er Zeit und Geld. Du hast die Trümpfe in der Hand. Ach, und noch etwas. Versuche nicht, Sex mit Loretta herauszuhandeln. Sie ist seine Er schickt sie zwar auf den Strich, aber das ist nur für Geld. Er liebt sie und er beziehungsweise Florin würde jeden töten, der sie auch nur berührt, ohne dafür zu bezahlen. Alles klar?"
Mir schwirrte der Kopf webgen der vielen Informationen. Um aber Romonas Redeschwall nicht noch länger ertragen zu müssen, nicht noch länger mit Informationen überfüttert zu werden, nicdkte ich einfach mit dem
kopf. Doch für weitereb Tiraden mit Rominas Tips und Hinweisen wäre es sowieso zu spät gewesen. Es läutete an der Tür.
Ohne zuvor die Sprechanlage zu betätigen, öffnete Romina die Tüe. Sie wusste, wer kam.Kaum zwei Minuten später standen zweei Männer, die nur Rumänen seinnkonnten, vor der Tür. Es mussten Dumitru und Florin sein. Auch wenn ich nicht gewusst hätte, welchem "Beruf" sie nachgingen, beide sahen genauso aus, wie man sich Zuhälter vom Balkan gemeinhinj vorstellt. Der eine, es musste Dumitru sein etwas kleiner und schmäöchtiger als der andere, Florin, der muskelgepackte Bodyguard, der sicher nicht zögern würde, auf einen einfachen Fingerzeig seines Chefs, sein Gegenüber mit der bloßen Hand zu erwürgen. Beide hatten die typische, geometrisch korrekte Nase der Balkanbewohner, beide hatten ihr Haar so nass gegelt, dass man befürchten musste, das Gel würde auf ihre billigen, schlecht sitzendem Anzüge triefen. Beide trugen Krawatten, die weder zu den Anzügen passten, noch bis nach oben hin geschlossen waren. Romina begrüßgte beide mit Wangenküsschen. Es entwickelte sich zwischen dem ungleichen Trio ein lang andauerndes Gespräch auf Rumänisch. Erst dann begann sich der kleinere der beiden, wie ich schon zu Beginn richtig vermutete, Dumitru, mir zu widmen. Mit weit ausgestreckter rechter Hand kam er auf mich zu. Ich erwiderte seine Begrüßungsgeste, nach dem erfolgten Händeschütteln umarmte der Zuhälter mivch und sprach in einem nur wenig akzentuiertem Deutsch: "Du musst Dieter sein. Danke, dass du Loretta und mir helfen willst". "Wo ist sie eigentlich?" wandte er sich an Romina. "Nebenan im Schlafzimmer. Sie wartet dort den Ausgang der Verhandlungen ab". Das ist gut so", lobte Dumitru. Die Kleine soll nicht erfahren, was hier besprochen wird. Das ist eine Angelegenheit zwischen uns Männern und dir, Romina". "Also, danke nocheinmal", wandte sich der Verbrecher erneut mir zu. "Helfen?", dachte ich, "Pustekuchen. Mich interessiert nur die Knete. Komm endlich auf den Punkt". Mit einer einladenden Geste forderte mich der mir sofort unsympatische Rumäne auf, mich zu setzen. Die ganze Sicherheit in seinen Handlungen bewieß, dass der Zuhälter nicht zum ersten Mal Gast in Rominas Penthouse war. "Also, kommen wir zum Geschäft", eröffnete er. Na endlich. "Romina hat ja schon mjit dir geredet, du wirst Loretta heiraten, drei Jahre ist sie deine Frau, dann wird sie Deutsche. Danach trennt ihr euch und lasst euch scheiden". Die ganze Sicherheit in seinen Worten, dasBestimmte in seiner Aussage ließ mich zu dem Schluss lommen, dassv der Rumäne es gewohnt war, Anweisungen zu erteilen, dass seine Worte Gesetz waren, Widerspruch gab es nicht. "Dafür zahle ich dir, nachdem alles vorbei ist, 6000 Euro". So hatten wir nicht gewettet. "Nein", schmetterte ich auf den Tisch. Man merkte dem Rumänen an, dass er dieses Wort aus einem anderen Mund als dem seinen, nicht kannte oder zumindest nicht kennen wollte. "Eine Scheinehe ist 15000 wert. Loretta wird in diesen Jahren für dich viel Geld verdienen. Und ich sitze mit im Boot". Er lächelte mich an, so wie man einen Todeskandidaten anlächelt, voller Kälte, zu Eis gefroren. Nach kurzer Zeit schlug er mir auf die Schulter und rief: "Du bist gut. Wenige haben mir bisher widersprochen und noch weniger haben das überlebt. Also gut. Zehn. Nach Abschluss der Dienstleistung". "Zehn sind OK. Aber sofort. Kein Geld, keine Ehe. Basta". "Soviel habe ich nicht", jammerte der Rumäne. "Ich biete dir an, 2000 vor dem Standesamt und dann monatliche Raten von 250". Das wäre ein schlechteres Ergebnis als das, welches ich mir vorgestellt hatte aber immer noch viel besser als sein Einstiegsangebot. Meine geöffnete Hand schnellte nach vorne, er schlug ein. "Noch etwas", zischte ich, "Wkeine 2000, keine Hochzeit. Keine Rate-Scdheidung. Dass wir uns klar verstehen. Ich wusste, er braucht mich; so konnte ich mir getrost leisten, ihm zu drohen. Lachend aber mit eisigem Unterton, schlug er mir auf die Schulter. "Hole Loretta", bat er Nadine.

*

Das bezaubernde Mädchen betrat den Hauptraum des Penthouses. "So, noch einige Sachen möchte ich klären", wandte sich Dumitru mir zu, während er das ihm hörige Mädchen packte und zu sich zog. "Du lässt die Finger von Loretta. Klar?" Es war keine Frage, es war ein Befehl. "Und sie wohnt weiter bei mir in Pforzheim". M it diesen Worten erhob sich Dumitru, steuerte auf die Tür zu, Loretta hinter sich herziehend. Florin, der während des ganzen Gesprächs kein Wort von sich hören ließ, folgte den beiden und schloß die Tür.

*

"Idiot", brüllte Romina mich an. "Du spinnst ja vollkommen. 15 hättest du bekommen können und zwar auf einmal und du Trottel gibst dich mit zehntausend auf Raten zufrieden". "Zehntausend sind für mich eine Menge Geld. Und wen ich das auf Raten bekomme, habe ich jeden Monat ein bisschen mehr Geld. Das reicht mir, sei sicher. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich die Kleine mag. Auch, wenn wir bislang kein Wort miteinander gewechselt haben". "Sag mal", giftete michz Romimna an. Dir braucht man nur irgend einen Rock vor die Nase zu stellen und schon verliebst du dich. Ist ja unglsaublich. Anscheinend kennst du die Gesetze nicht. Vonn Loretta hast du svchön die Finger zun lassen. Sie wird sowieso hauptsächlich bein Dumitru in Pforzheim leben. Und irgendwann ist sie weg. Dann schleppt er sie in irgendeinen Puff in Frankfurt, München, Hannover, was weiß ich. Und du hast dann die Probleme mit den Behörden. Und das, was du dann erleben wirst, dafür sind noch nicht einmal 15 genug. Und merk dir eins: Dumitru ist kein Gentleman, mit dem man Verträge schließt. Er ist ein Schwein". "Mag sein, entgegnete ich, "aber er will etwas von mir und ich etwas von ihm. Das eine regelt das andere. Ich werde verlangen, dass Loretta bei mir wohnt. Er muss darauf eingehen. Und wenn die Rate einmal nicht fließt, dann kommt eben die Scheidung. Dann verlieren sie alles". "Träum weiter", lachte Romona m8ich aus. Du weisst, dass der, der die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird. Und Dumitru bezahlt die Musik. Forderungen erkennt er keine an, dafür kenne ich ihn. Und Scheidung?" Ein Lachen kam aus Rominas Mund. "Wenn du das verduchen würdest... Hast du Florin gesehen? Genau gesehen? Er ist Dumitrus Kettenhund. Er würde mit keiner Wimper zucken, dich auf Dumitrus Befehl hin kalt zu machen. Im Moment nßützt du den beiden. Wenn du nutzlos wirst, bist du überflüssig. Mein Lieber, du sitzt ganz schön in der Tinte. Jetzt gehe rüberbin den Lsaden. Miriam wartet. Wir machen zu. Fahr sie nach Hause. Komm morgen um elf. Da sind die Jungs da. Es gibt viel zu besprechen.

*

Ich war pünktlich. Elf Uhr zeigte die große Uhr in der Küche. Keine zwei Minuten später läutete es. Die beiden Rumänen stanfden vor der Tür, Loretta im Schlepptau. Die beiden Zuhälter begrüssten mich mit Handschlag, Loretta l#ächelte mir schüchtern zu; die einzige Gefühlsregung, die sie mir bislang entgegen brachte. Ohne auf eine Einladung Rominas zu warten, man könnte geradezu annehmen, sie seien hier zu Hause, setzten sich die beiden Rumänen auf das kleine Sofa; Lorretta platzierte sich auf der Armlehne und legte verliebt ihren Kopf auf Dumitrus Schulter. Dieser begann: "Also, Loretta ist einverstanden mit dir als Ehemann. Jetzt kommen wir zum Geschäft: Zehntausend. Du bekommst eine Anzahlung ein-zwei Tage vor der Hochzeit. Loretta wird weiter bei mir wohnen. Bei dir werden nur ein paar Sachen sein: Zahnbürste, Kleider, getragene Unterwäsche-die ist ganz wichtig-und so weiter. Sie wird weiter bei Romina arbeiten, diesmal legal. Sol, jetzt wird es Zeit, dass du etwas arbeitest. Du rufst beim Standesamt an und machst einen Termin aus für euch beide. Lasst euch dort gemeinsam sehen, sie werden euch sagen, was ihr an Papieren braucht. Beeilt euch, ich will, dass Loretta so schnell wie möglich legal ist. Und noch etwas: So, wie du rumläufst, geht es nicht aufs Standesamt. Jeans und T-Shirt. Hast du keinen Anzug zu Hause hängen? Du musst schon etwas Eindruck erwecken". Eindruck. Diesen erweckte in erster Linie Dumitru mit seinem fast akzentfreien Deutsch bei mir. Er musste schon lange in Deutschland leben. Mit nutr kurzen Besuchen konnte man sich die deutsche Sprache nicht in dieser Grümdlichkeit aneignen. Dumitru erhob sich und ging in Richtungb Tür, gefolgt von seinen beiden Schatten Loretta und Florin.

*
Ich war mit Romina allein in der Küche der Hostessenwohnung. Miriam, nie ein Wunder an Pünktlichkeit, war noch nicht zugegen. Und Loretta, das eigentlich zweite Mädchen war mit den beiden Rumänen unterwegs. "So, das waes also", wqabdte sich Romina mir zu. "Jetzt hast du deine Seele gewissermaßen dem Teufel verkauft. Du soltest dich beeilen, alle Vorkehrungen zu treffen, die Ehe schnellstmöglich zu schließen. Ich kenne Dumitru und ich kenne seinen Schatten, Florin. Die beiden können sehr ungeduldig werden. Heute noch rufst du auf dem Standesamt an und machst einen Termin-da müsst ihr zusammen hin, du und Loretta. Und du wirst lachen, ich gebe Dumitru Recht. So, wie du herumläufst, kannst du wirklich keinen Staat machen. Immer Jeans und deine geliebten Band-T-Shirts. Hast dub keinen Anzug oder zumindest eine Kombination. Irgend etwas außer deinem Gammel-Look muss doch in deinem Schrank hängen. Jetzt gehwst du erstmal nach Hause und
Es war problematisch, das Standesamt wegen eines Termins zu erreichen. Kaum sollte man es glauben, wieviele Leute in Karlsruhe heiratswillig sind. Endlich, nach Stunden Warteschleife, auflegen und wieder Warteschleife tutete es. Ich war durch. Was sich aber schon durch die langdauernde Warteschleife ankündigte, wurde bestätigt. Der früheste Termin lag in zwei Wochen. Wie war das nochmal mit den ungeduldigen rumänischen Zuhältern? Ebenso schwierig wie die Terminierung beim Standesamt gestaltete sich die Suche nach etwas tragbarem. Doch die Siuche lohnte sich. Zwischen Jeans und meinen gekiebten T-Shirts hing sie einsam und verlassen: Meine alte schwarz-rote Kombination. Sie passtre noch.Das musste genügen.

*

14 Tage lang war Romina meine einzige Verbindung zu den Rumänen. Loreta bekam ich in dieser Zeit nicht zu sehen, die ZUhälter selbst machten sich ebenfalls rar. Romina kannte den Grund. Die beiden waren in Rumänien, Rominas Etablissement lebte von der Abwechslung. Miriam war das einzige feste Mädchen im Haus, Loretta sollte das zweite werden. Ansonsten wechselten die Mädchen alle zwei Wochen, ab und zu war Flaute, wie gerade zur Zeit, dann musste Miriam den Laden alleine schmeißen, was ihr als Vollprofi eigentlich keinerlei Schwierigkeiten bereitete. Ansonsten war Rominas Bordell voll mit illegalen. Und das war eben der Job der beiden Rumänen: Dafür zu sorgen, dass Rominas Laden brummte, dass immer genügend Auswahl vorhanden war, um die Lust der Freier zu befriedigen und Rominas Gier nach Geld. Die Mädchen waren gezwungen, wirklich alles zu tun, sie befanden sich in der Gewalt der Menschenhändler, ohne Verbindung zur Außenwelt, ohne Papiere, ohne Hoffnung. Die erste Anlaufstelle war immer Romina. Bei ihr wurden die Mädchen getestet und dann im ganzen Land verteilt. Romina hatte eine besonders perfide Art, die Mädchen zu behandeln. Offiziell hatte sie in dem Haus nur eine Wohnung gemietet. Eine zweite lief inoffiziell über einen Mittelsmann. In der offiziellen, anbgemeldeten Wohnung arbeitete Miriam und ab und zu einige weitere legale Mädchen. Auch Loretta, sobald sie legal ist, würde hier arbeiten. Die zweite Wohnung war für die Rumäninnen reserviert. Jedoch hielten sichb die Mädchen dort nie auf. Romina pferchte sie im Keller in einenn kleinen Verschlag, nach außen hien komplett mit Brettern vernagelt als Sichtschutz. Die illegalen Rumäninnen waren lediglich reserviert für Stammgäste. Laufkundschaft wurde abgefertigt in der offiziellen Wohnung. Stammgäste konnten sich das Mädchen ihrer Wahl aus einem Katalog aussuchen; es wurde aus dem Keller hochgebracht, in die zweite Wohnung, in der es bereits erwartet wurde und dem Stammgast zu Willen sein musste. Niemand, außer Romina, den Mädchen und Rominas Stammgäste wusste, was in der zweiten Wohnung geschah, doch des öfteren musste ich mitansehen, wie ein Mädchen aus der Wohnung tränenüberströmt nach unten geführt wurde.

*

Nachdem die 14 Tage beinahe vorüber waren, Romina, Miriam und ich saßen wiederv einmal wartend in der Küche, läutete das Telefon; ein Telefonat, das Romina auf rumänisch führte. Mit einem zufriedenen Gesicht legte sie den Hörer auf. "Das war Dumitru", erklärte sie mir, "er hat die deutsche Grenze passiert. Der Bus, der die Mädchen bringt, fährt in zwei Tagen los. Diesmal sind es drei. Das heißt, in vier Tagen fährst du zum Trefffpunkt. Es ist gut, dass alles reibungslos klappt. Frischfleisch belebt das Geschäft. Aber zuerst hast du morgen deinen Termin". Ich hasste den Begriff Frischfleisch. Es war die Art Roninas, sich so auszudrücken. Frischfleisch, so bezeichnete die Zuhälterin, und nichts anderes war sie, ihre neuen, bedauernswerten Zwangsprostituierten.

*

Mein Termin rückte näher, der Termin, der dafür sorgen sollte, dass meine Geldprobleme etwas gelindert werden würden. Dieser Termin stellte den ersten wichtigen Schritt in Richtung Scheinehe dar. Wenn dasv Standesamt die Anbahnung derv Eheschließung von Vornherein ablehnt, dann ist alles aus, ehe es begonnen hat. Alles muss reibungslos klappen. 8.30 sollten wir da sein, für meine Verhältnisse mitten in der Nacht.

Ich konnte nicht schlafen. Fragen über Fragen zermarterten mein Gehirn. Was wäre, wenn die Standesbeamtin uns die Anbahnung einer Scheinehe an der Nasenspitze ansieht? Ungleicher als wir konnte kein Paar sein. 25 Jahre lagen zwischen uns und ich war eher der untersetzte Typ, sie hingegen war etwa so groß wie ich, aber schlank, um nicht grazil zu sagen, das halblange schwarze Haar rahmte ein hübsches Gesicht ein: ja, Loretta war, im Gegensatz zu mir, eine Schönheit. Was wäre, wenn sie Fragen stellen würde: Wo haben wir uns kennengelernt, wie heißen ihre Eltern, in welcher Straße wohnt sie? Wir waren in keiner Weise vorbereitet.
Wohl lag ich im Bett, aber ich drehte mich von einer Seite auf die andere, doch je mehr ich versuchte, mich zum Schlaf zu zwingen, um so wacher wurde ich. Ich musste rsus, ein schnelles Bier würde, so hoffte ich, Wunder wirken. Aus dem schnellen Bier wurden zwei, daraus drei. Ich wusste nicht mehr, wieviel Alkohol meine Kehle hinunterlief, doch ich wollte Schlaf finden, nicht meinen Bierkonsum statistisch bearbeiten.

Irgendwann wachte ich auf. Das erste, was ich bemerkte, waren unbeschreibliche Nackenschmerzen. Das zweite warv ein Pochen im Kopf, das einmal kam und einmal ging. Mein Kopf war nach vorne gefallen, der Speichelrannte aus meinem halbgeöffneten Mund auf mein T-Shirt. Der Fernseher lief. Irgendein Frühstücksfernsehen auf irgendeinen Kanal. Langsam kroch die Erinnerung in mir hoch.
Es war, wenn ich meine Nackenschmerzen und das Pochen im kopf als Gradmesser der Erinnerung nehme, eine schmerzhafte. Ich versuchte, meinen Kopf so wenig zu bewegen, nur soweit, um das Chaos auf dem Tisch vor mir zu betrachten. Eine geöffnete, aber halbleere Flasche Bier breitete in der ganzen Wohnung den schalen Geruchb abgestandenen Gerstensafts aus. Mehrer leere Bierflaschen legten Zeugnis über die halbdurchzechte Nacht ab, deren Resultat die Schmerzenn in Nacken und Kopf waren.Langsam wurde mir einiges klar. Ich musstev irgendwann vor laufendem Fernseher eingeschlafen sein. Wie lange ich so geschlafen hatte, ich wusste es nicht und wenn ich ehrlich war, ich weolte es auch nicht wissen. Nur eines interessierte mich im Moment angesichts des anberaumten Termins heute morgen: Wie spät ist es? Habe ich meinen Terminversäumt? Hatte Loretta vor dem Standesamt auf mich gewartet und ich kam nicht? Rückartig wandte ich meinen Kopf zu der Küchenuhr. So ruckartig, dass die Schmerzen mich erneut an die durchzechte Nacht erinnerten. Der Blick auf die Küchenuhr beruhigte mich. Zwei Stunden blieben mir noch. Zwei Stunden, die ich nutzen musste, mich in einen ordentlichen Menschen zu verwandeln. Ich musste schrecklich aussehen.
Schrecklich war, wie ich, nachdem ich mich aufgerafft hatte, ins Bad zu gehen, im Spiegel bemerkte, noch untertrieben. Ein zweieinhalb-Tage-Bart, der mich eher verunstaltete als zierte, die Spuren vergangener Nacht waren klar in meinem Gesicht erkennbar. Hier würde keine Morgentoilette mehr helfen, sondern nur eine Komplettrenovierung.

Eine ganze Stunde verbrachte ich im Bad. Endlich sah ich einigermaßen repräsentativ aus. Glücklicherweise hatte ich meine rot-schwarze Kombination schon einen Tag zuvor bereitgehängt. Das Hemd hatte ich vergessen. Auch die Krawatte. Beides wollte ich erst heute morgen suchen; was in meinem Kleiderschrank-Chaos schon schwer genug gewesen wäre, es wurde noch erschwert durch meine Nackenschmerzen, die einfach nicht wegzubekommen waren. Nach einiger Zeit, mir kam es vor wie Stunden, wurde ich tatsächlich fündig. Ein weißes Hemd, nicht einmal sehr zerdrückt, kam zum Vorschein. Selbst eine passende Krawatte kam zum Vorschein, wenn auch nur die mit den lustigen Asterix-Comic-Motiven, aber egal-sie passte und die Zeit drängte.

Fast pünktlich erschien ich am vereinbarten Treffpunkt. Loretta war noch nicht da, erschien jedoch nach kurzer Wartezeit. Als sie mich erblickte, winkte sie mir freudig zu, die erste Gefühlsregung mir gegenüber, die ich an ihr bemerkte. Auch sie hatte sich entsprechend des Ereigtnisses herausgeputzt-dunkles Kostüm, weiße Bluse, dunkle Nylons und High-Heels. Wer uns so sah, musste wirklich an ein glückliches Brautpaar denken, ich und das Mädchen, das ich überhaupt nicht kannte, mit dem ich noch kein einziges Wort gewechselt hatte, das aber bald meine Ehefrau werden sollte.


Kapitel 2

Auf die Standesbeamtin schienen wir, trotz des frappierenden Altersunterschieds, einen guten Eindruck zu machen. Loretta sprach fast kein Wort, überließ das Reden mir. Ich wusste, es war besser so.Zu unserem Glück war das Standesamt an diesem Tag vollkommen überlastet, so dass die Standesbeamtin nur Zeit hatte für das übliche Prozedere, kurze Einführung und Aufstellung der benötigten Papiere. Während sich meine benötigten Dokumente im Rahmen hielten, so war doch für sie ein gehöriger Stapel an Unterlagen beizubringen. Dies sah nach langer und harter Arbeit aus. Doch immerhin, es wurden keine allzu großen bedrängende Fragen gestellt, die wir nicht hätten gemeinsam beantworten können; Frahgen der Standesbeamtin an Loretta nach Herkunft, Wohnort und ähnliches konnte sie in einem recht guten Deutsch beantworten. Eigentlich war das für mich eine Preniere. Erstmal konnte ich meine "Verlobte" zusammenhängende Sätze reden hören, bislang belief sich die Komnversation ihrerseits mir gegenüber lediglich auf ein kurzes ´Hallo´. Meine zukünftige Fraunkonnte also Deutsch; ein Deutsch, das auch über die übliche Bordellkonverstion hinausging. Gut, das< würde die Sache grundsätzlich erleichtern.
Kurze Zeit später standen wir wieder auf der Straße. "ZU Romina" meinte Loretta nur. Es war mir klar, dass Romina auf uns warten würde, wissen wollte, wie es gelaufen war. Doch nicht nur Romina erwartete uns. Dumitru und Florin, der große Schweiger, befanden sich ebenfalls in der Küche. Loretta lief auf ihren Zuhälter zu, warf sich in seine Arme und schmiegte sich verliebt an ihn. Irgendwie versetzte mir das Szenario einen kleinen Stich. Wenn es auch eine Scheinehe werden würde, so war es doch meine Verlobte, die Frau, mit der ich vier Jahre lang verheiratet sein würde. "Schau nicht so blöd", herrschte Dumitru mich an. Auch wenn Loretta mit dir verlobt ist und dich heiraten wird, denke immer dran, es ist nur ein Geschäft. Und wir beide, wir sind die Geschäftspartner. Sonst nichts. Loretta ist mein Mädchen. Und du lässt die Finger von ihr. Wenn ich irgendwie erfahre, dass du sie berührt hat, werde ich ungemütlich. Und du weisst, ein Wort von mir und Florin kann sehr unangenehm werden". Das war eine Drohung, die ich sehr wohl zu verstehen wusste. "Weiter", meinte Dumitru, "Loretta kommt mit mir nach Pforzheim. Wir werden einige Kleider von ihr bei dir lagern, Auch Zahnbürste, Parfums, was eben eine Frau so braucht. Du dürchwühlst morgens beide Betten, es muss aussehen, als hätten zwei Personen drin geschlafen. Gib mir den Zettel mit der Aufstellung der Papiere. Die müssen wir in Rumänien besorgen, in wenigen Tagen fliegen wir gemeinsam nach Bukarest. Kontakt halten wir über
romina, aber wir tauschen trotzdem unsere
handynummern aus. Rufe mich aber nur im Notfall an". Der Zuhälter und sein Bodyguard standen auf, gingen zusammen mit Loretta zur Tür und verließen grußlos die Wohnung.

*

Zwei ereignislose Tage vergingen. Romina, Mariam und ich saßen in der Küche des Bordells herum. Wir warteten. Jeder für sich und doch zusammen. Miriam wartete auf Gäste. Und auf Hausbesuche, die Monat für Monat spärlicher wurden. Kein Wunder, denn das Geld wurde knapp, auch bei den Kunden. Noch vor einem Jshr waren ein bis zwei Hausbesuche die Normalität. Besonders bei einem Top-Mädchen wie Mriam. Nun aber, alles wird teurer, vor allem die Lebenshaltung, ist fast niemand mehr bereit, 150 Euro für einen Hausbesuch hinzublättern. Darunter geht nichts, Hausbesuche starten beim Stundenpreis. Extras kosten zusätzlich. Plus Fahrgeld. Diesesn staffelt sich je nach Entfernung nochmals zwischen 20 und 50 Euro. Das Fahrgeld war mein lohn, nicht gerade üppig für die Fahrt, Warten, bis das Mädchen fertig ist und eventuelle Unterstützung als Bodyguard, wenn ein Kunde allzu aufdringlich wurde. Schon so manche Tür musste ich eintreten, schon so manchen Kunden zur Räson bringen. Ich wartete auch. Auf Hausbesuche und die Möglichkeit, etwas dazu zu verdienen, meine Pauschale als persönlicher Fahrer Rominas fiel mit 800 Euro nicht gerade üppig aus. Auch Romina wartete. Auf Gäste, auf Hausbesuche, eben auf alles, was ihr Geld brachte. Früher floss das Geld in Strömen, Miriam war nicht das einzige Mädchen, sie waren zu zehnt in zwei Schichten und jedes Mädchen brachte Romina zwei-bis dreihundert am Tag. Die Hälfte ihres Lohns. Doch die Zweiten sind schlecht geworden. Das merkt man zu allererst bei den Dingen, die man nicht notwendig braucht, beispielsweise beim Vergnügen, also auch bei der Prostitution. Heute kamen die Rumänen vorbei, sich zu verabschieden. Dumitru war der einzige, der redete, vornehmlich mit Romina. Die Gespräche zwischen beiden wurden auf Rumänisch geführt, was für mich wichtig ist, würde mjir Romina später schon übersetzen. Florin sprach wie immer kein Wort, Loretta hing wie üblich verliebt-schmachtend an ihrem Zuhälter. Nachdem sich die Rumänen nach Sofia verbschiedet hatten, man wollte so schnell wie möglich die Papiere besorgen, wandte sich Romina mir zu:"Morgen fährtst die nach Heilbronn". Mehr sagte sie nicht, aber dieser Satz barg für mich alle Informationen, die ich benötigte. Die neuen Mädchen treffen morgen ein. Frischfleisch, wie Romina sie bezeichnete. Und ich bin wie immer derjenige, der sie abholen sollte.

*

Der Anruf kam. Wie immer wurde er von Romina auf Rumänisch geführt. Mir war klar, was er zu bedeuten hatte, Romina bestätigte es mir. "Du kannst losfahren. Das Frischfleisch ist fast am Aufnahmepunkt. In einer Stunde sind sie da. Du fährst wie immer zum Rasthof Hardtwald, in Richtung Karlsruhe. Es ist diesmal ein Kleinbus, die Mädchen konnten mit Touristenvisum einreisen. Nimm deinen Kombi. Auch, wenn er nicht ganz sauber ist, was solls. Die Mädchenn haben Gepäck. Es sind drei. Und beeile dich". Wortlos verließ ich die Wohnung. Mit einem schlechten Gefühl startete ich den Motorb und fuhr los in Richtung Heilbronnn Ich wusste, ich mache mich wieder strafbar. Menschenhandel. Gut und gerne drei Jahre stehen darauf. Dazu kommen weitere drei wegen der Scheinehe, bei Strafzusammenfassung vier bis fünf Jahre, bei guter Führung etwa zweieinhalb. Weshalb eigentlich mache ich das? Nur wegen Miriam? Oder bin ich mittlerweile auch so skrupellos wie Romina? Geld bekomme ich von ihr kaum dafür. Bin ich schon so abgestumpft, dassves mir egal ist, was ich mache? Ich war dermaßen in Gedanken, dass ich fast die Abfahrt übersehen hätte. Mit einem gewagten Schlenker von der Überholspur, mit wütendem Hupen der Fahrer neben mir, die ich brutalst ausbremste, bedacht, schaffte ich die Ausfahrt dennoch. Ich war in Zeitverzug. Routinemäßig steuerte ich die andere Seite der Autobahn an, fuhr auf die Gegenraststätte und suchte. Da war er. Ein Kleinbus mit rumänischem Kennzeichen. Der Fahrer und sein Beifahrer sahen verwegen aus. Muskelbepackte Schlägertypen, denen ich, hätten wir nicht das gleiche Ziel und den gleichen Auftrag, lieber aus dem Weg gegangen wäre. So aber steuerte ich direkt auf sie zu. Ich streckte deim einen, man merkte ihm die Übermüdung von zwei Tagen Nonstop-Fahrt direkt an, auch roch er nach Scheiß und hatte einen ungepflegten Drei-Tage-Bart, meine geöffnete Hand entgegen und stellte mich vor:"Hallo, ich bin Dieter, der Fahrer". Mein Gegenüber ignorierte meine Hand, öffnete wortlos den Bus und ließ die Mädchen aussteigen. "Warum eigentlich", dachte ich mir, "sind Rumänen eigentlich immer so wortkarg? Selbst die Frau, die heiraten werde, hat mit mir noch keinen vollständigen Satz gewechselt. Ebenso stumm wie der Fahrer stiegen die Mädchen aus, zwei echte, anscheinend erfahrene Schönheiten und ein sehr junges, schüchternes Mädchen mit Brille, suchten ihr Gepäck zusammen und wechselten das Fahrzeug. Die junge, Nicoletta, wie ich später erfuhr, setzte sich neben mich auf den Beifahrersitz, ich glaubte, in ihren Augen, eine versteckteb Träne erkannt zu haben. Ich war mir nicht sicher, ob dieses Mädchen den Job so ganz freiwillig ausübt. Um die beiden anderen musste ich mir keine großen Sorgen machen, gleich nachdem ich losgefahren war, begannen sie herumzualbern und versuchten, mich anzumachen. Ihr Benehmen ließ mich ihre Herkunft vermuten: Straßenstrich.

Nachdem wir einige Kilometer gefahren sind, steuerte ich die nächstbeste Raststätte an, an der es einen McDonalds gab. Romina würde mir das Geld zwar, wie immer, nicht zurückgeben, aber ich wusste, die Mädchen sind zwei Tage durchgefahren, sie hatten Hunger. Und so war esv auch. Nach dem ersten Menue kam ein zweites und ein drittes. Während des Essens merkte ich, dass Nicoletta, im Gegensatz zu ihren beiden professionellen Gefährtinnen meine Nähe suchte. Gerne ließ ich es zu, wissend, mich speziell umdieses Mädchen kümmern zu wollen.
Nun war es an der Zeit, Romina zu verständigen. Ich wählte ihre Nummer und gab nur auftragsgemäß durch "Fahrgäste aufgenommen. Alles OK". Nun wusste Romina Bescheid, konnte den Kellerverschlag, der für die nächsten Wochen das Zuhause der Mädchen sein sollte, herrichten.

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Romina leistete ganze Arbeit. Bei unserer Ankunft war der Verschlag bereits hergerichtet. Drei Matratzen als Betten, eine Kerze als einzige Lichtquelle, das war es, was die Mädchen in den nächsten Wochen als ihre Heimat empfinden mussten. Es durfte kein Lichtschein aus dem Dunkel nach außen dringen,m kein Geräusch durfte Nachbarn, die in den Keller kamen, misstrauisch machen. Nadja und Elena, den beiden Vollprofis schien ihre neue Lebensumgebung nicht viel auszumachen. Nicoletta jedoch sah mich fragend an. Wortlos versuchte ich, ihr zu verdeutlichen, dass sie auch dort hineinmüsse, ich könnte selbst nichts daran ändern. Schwigend fügte sich das schüchterne Mädchen in sein Schicksal. Mir wurde schlecht, speiübel. So übel, wie mir jedesmalwurde, wenn ich für Romina eine neue Fuhre Menschenmaterials herangekarrt habe. Mädchen vom Straßenstrich, gut, sie wissen, was sie erwartet. Aber Mädchen vom Land, unschuldig und unverdorben, die nur versuchen, für ihre armen Familien etwas Geld zu verdienen und dafür ihren Körper und ihre Jugendhaftigkeit verkaufen, sie sind die Opfer im Geschäft. Sie würden gnadenlos untergehen, sie sind die Verlierer.

Ich wusste, was nun kommen würde. Romina würde mich zur Wochenzeitung schicken, mit immer denselben zwei Annoncen auf der Kontaktseite. Doch ich hoffte, es würde nur die eine sein. "Frischfleisch eingetroffen", ohne Telefonnumer, ohne Adresse. Diese menschenverachtende Annonce würde Rominas Stammgästen informieren, dass neue Mädchen eingetroffen sind. Doch es waren beide Annoncen, die sie schaltete. "Junges Küken eingetroffen". Das betitelte Nicoletta. In dem eigentlich nhichtssagenden Text wurden Pädophile und Sadisten informiert, dass ein Mädchen ihres Geschmacks bei Romina ist. Ich ahnte und wusste, Nicoletta würde die Hölle erleben.

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Vier Tage später, von meiner "Verlobten" gab es noch keine Nachricht, sie würde auch noch etwas auf sich warten lassen,. erschien die Wochenzeitung. Rominas Telefon stand nicht mehr still. Nicht das normale Telefon, über dessen Nummer Termine mit Miriam ausgemacht werden konnten, sondern Rominas Privattelefon. Diese Nummer besaßen nur ausgewählte Gäste. Gäste, die nicht in die angemeldete Wohnung kamen, sondern solche, die direkt in die illegale Wohnung gingen, für diese auch einen Schlüssel besaßen. Gäste, denen Romina traute, die das ganze Geschäft, auch die Bezahlung in dieser Wohnungt abwickelten. Ungesehen, auch von Romina. Was in dieser Wohnung ablief, war Romina egal, sie interessierte nur die korrekte Bezahlung. Nicolette wurde von Romina sehr oft in die angrenzende Wohnung geführt und nicht selten musste ich Schreie anhören, Schreie des Entsetzens und der Schmerzen. Ich hzätte einschreiten sollen, aber ich tat es nicht. Manchmal fragte ich mich, ob ich bereits auch so abgestumpft war wie Romina, der Vorwand, nicht einzuschreiten, weil ich Rominas Fahrer bleiben wollte, um Miriam zur Seite zu stehen, er beruhigte mich aber jedesmal, er gab mir ein reines Gewissen.

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Zwei Wochen dauerte der Hochbetrieb in der angrenzenden Wohnung. Zwei Wochen, die für Nicoletta wie eine Ewigkeit vfolrgekommen sein mussten. Den beiden anderen Mädchen schien das Ganze nichts auszumachen. Es war ihr Geschäft, sie waren Vollprofis. Als das Geschäft nachließ, beschloss Romina, die Mädchen abzugeben. Auch wurde ihr wieder der Boden zu heiß. Länger als drei Wochen am Stück wollte sie keine Illegalen bei sich haben. Zu groß warv das Risiko, zumal Romina beim Dezernat keine Unbekannte war und oftmals überraschenden Besuch erhielt. So war sie darauf bedacht, ihrev Weste schnellstmöglich wieder reinzuwaschen. Es begann also wieder das übliche Prozedere. Telefonate auf Rumänisch, bis sie nach einigen Tagen zufrieden lächelte:"Die Mädchen kommen morgen weg. Vor allem die Kleine. Mit der wird es mir viel zu heiß. Du fährst morgen auf der Autobahn Richtung Mannheim. Man wird dich auf dem Handy anrufen und zu einem Parkplatz leiten. Du bekommst einen Umschlag. Dann steigen die Mädchen aus. Nicht umgekehrt. Du bleibst im Wagen sitzen. Wenn die Transaktion beendet ist, fährst du los. Du blickst dich nicht um. Den Umschlag gibst du mir".

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Noch am selben Abend sollte die Transaktion stattfinden. Romina war sichtlich nervös, die Transaktion war höchstgefährlich. Nicht von unserer Seite aus, zwar war Romina dem Dezernat bekannt, aber es war höchst unwahrscheinlich, dass sie zu nachtschlafender Zeit eine Kontrolle haben würde, während welcher die Rumäninnen entdeckt werden konnten. Nein,die Gefahr ging von der anderen Seite aus, unsere "Geschäftspartner" waren Rumänen, wahrscheinlich ehemalige Secutitate-Mitarbeiter, die sich nach dem Fall des kommunistischen Regimes hier im Westen neue Betätigungsfelder aufbauten. Viele davon waren den Behörden schon bekannt, wurden überwacht und man wartete nur auf die passende Gelegenheit, loszuschlagen. Und was wäre eindeutiger, als eine Übergabe von Mädchen. Auch an mich waren daher höchste Anforderungen gestellt in Punkto Aufmerksamkeit und Wachsamkeit.
Unbemerkt wurden die Mädchen aus ihrem Verschlag nach oben gebracht. Ivh nahm erneut den Kombi. Zwar ist er schwerfäliger als der Sportwagen, aber ews gab keine andere Möglichkeit, allein schon wegen des zur Verfügung stehenden Platzes. Als die Mädchen ihre Habseligkeiten verstautvhatten, ging es los, für mich nur eine kurze, wenn auch gefährliche Tour, für die Mädchen in eine höchst ungewisse Zukunft.

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Als ich fast nicht mehr damit gerechnet hatte, kam der Anruf. Eine deutsch sprechende Stimme, wenn auch mit unüberhörbarem Akzent dirigierte mich zu einem verlassenen Parkplatz. Ich sollte dort warten und die Gegend überprüfen. Würde auch nur einFahrzeug dort stehen, solle ich einsteigen und weiterfahren. Die Stimme klang so, alsIch steuerte den nächstgelegenen Parkplatz an. Wir hatten Glück. Er war menschenleer. Die mir unbekannte Stimme gab mir erneut Befehle. Die Mädchen hätten, mit ihren Taschen, aus dem Wagen auszusteigen, ich solle Sitzen bleiben, die Augen geschlossen, den Kopf auf das Lenkrad gelegt. Ich hatte keine Gelegenheit zu fragen oder gar zu protestieren. Es war kakt und die Mädchen würden frieren. Doch ich wusste, ich muss der Stimme gehorchenm, wäre kmir mein Leben lieb. Ich folgte den Anordnungen der Stimme. Wenig später hörte ich Geräusche, die nur vin einem Fahrzeug stammen konnte, Es hielt direkt neben mir. "Nur keine Polizei oder zufällige Passanten", hoffte ich. Wer würde diesem seltsamen Szenario schon Vertrauen schenken. Und eine Erklärungt dafür würde mir nur sehr schwer einfallen. Jemand riss die Beifahrertür auf. "Gib das Romina", hörte ich jemanden sagen. Es war die Stimme aus dem Telefon. Sie hatte Gestalt angenommen. wobei es mir egal war, wie ihr Besitzer aussah. "Fahre los", wurde mir befohlen, "dein Job ist beendet. Schau dich nicht um", wurde mir gedroht", sonst schaust du dich nie mehr um. Ich verstand sofort, was diese Drohung sagen sollte. Ich ließ den Wagen an, löste die Bremse und ließ ihn erst einige Meter vorrollen. Ohne aufzublicken, legte ich den Gang ein und fuhr die ersten Meter auf gut Glück. Erst dann erhob ich den Kopf, gab dem Kombi die Sporen und raste auf die Einfädelspur der Autobahn.
Niemand folgte mir und knapp eine Stunde nach der Übergabe der Mädchen war ich zurück bei Romina. Der Umschlag, den ich ihr übegabe, enthielt, ich dachte es mir schon, ein Bündel Geld. Der Kaufpreis für die Mädchen. Nun wurde mir klar, Romina arbeitet als Verteilstelle illegaler Mädchen. Sie führt sie von den Balkanstaaten ein, testet sie und verbreitet sie an Interessenten aus dem Bereich der Zwangsprostitution. Eine einträgliche Geldquelle. Einträglicher jedenfalls als der Bordellbetrieb, den Romina zum Schein betrieb.

*

Die Tage verstrichen ereignislos. Einige Mädchen kamen, sie gingen aber auch wieder. Nur Miriam, sie blieb und mit ihr blieb ich auch.
Es war kurz vor Weihnachten, als der erlösende Anruf kam, der uns allen die Spannung nahm. Wie immer wurde er auf Rumänischb geführt. Romina übersetzte mir, was von Relevanz für mich war. Dumitru und Florin sind auf dem Weg nach Deutschland. Loretta würde mit dem Flugzeug kommen, da sie legal einreisen konnte. Sie bringt die Papiere mit. Der Zuhälter und sein Bodyguard holen sie vom Flughafen abb und bringen sie zu Romina. Ich sollte schnellstmöglich den Termin auf dem Standesamt machen. Ich wusste noch nicht, dass sich in den nächsten Wochen die Ereignisse überschlagen sollten.


Kapitel 3

Die Tage vergingen. Wieder saßen wir in der Küche von Rominas Etablissement und wartete. Jeder auf sein bestimmtes Ereignis und jeder auf seine Weise. Nur Miriams Warten hatte jeden Tag mehrmals ein Ende. Gäste-Kunden. Es gab Tage, da musste sie nicht warten, oftmals war sie dauergebucht. Ein Umstand, der Rominas Gesicht oft aufhellen ließ, partipizierte sie doch von Miriams Liebeslohn zu 50%. An guten Tagen konnte das beiden schon 500 Euro bringen, wovon ich auch partipizierte, denn mitunter gab es auch einen der dünn gesähten Hausbesuche.
Kurz nach den Weihnachtsfeiertagen läutete erneut das Telefon. Nicht das Haustelefon, das sowieso nur selten stillstand, nein, Rominas Privattelefon. Wieder eines der vielen Gespräche, die auf Rumänisch geführt wurden. "Sie kommen", wandte sich Romina mir zu, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, "die Jungs haben gerade Loretta vom Flughafen abgeholt. In zwei Stunden sind sie da". Eine freudige Nachricht, vor allem für mich. Je eher ich mit Loretta verheiratet sein würde, um so eher würde der Geldsegen aus Rumänien auf mich herunternieseln. Geld, das ich wirklich dringend würde brauchen.
Zwei Stunden später stoppte der BMW mit rumänischem Kennzeichen vpor dem NHaus. Sie stiegen aus, zu dritt. Florin war der erste, der die Wohnung betrat, gefolgt von Dumitru und meiner "Verlobten". Ganz anders als sonst schmiegte sie sich nicht an ihren Zuhälter, sondern kam auf mich zu:"Na, wie geht´s?", fragte sie mich. Ich schaute ungläubig. Der erste zusammenhängende Satz, den sie mit mir wechselte. Loretta erkannte die Verwunderung in meinen Augen. "Dumitru meint, wir beide sollten uns etwas anähern. Schließlich werden wir bald heiraten. Wir müssen uns jetzt zusammen sehen lsassen, insbesondere von deinen Naxhbarn, deinen Freunden und Verwandten. Wir heiraten bald und du musst mich schließlich allen vorstellen. Wir haben das bereits mit Romina abgeklärt. Du bekommst frei von ihr und Dumitru gibt dir Geld. Wir lassen uns überall ganz groß sehen, im Kino, im Resturant, der Kneipe und in Geschäften. Wir werden sehr verliebt sein", erklärte Lorettav mir in fast Akzentfreiem Deutsch. "Aber pass auf, fiel ihr Dumitru ins Wort", Finger weg von meiner Kleinen. Mehr als Händchenhalten und mal ein Küsschen auf die Wange ist nicht. Kein Kuss auf den Mund. Klar? Und die Hochzeitsnacht, die schminkst du dir auch ab. Höchstens, du bezahlst dafür". Er brach in schallendes Gelächter aus, wie jemand, der meinte, einen besoneders guten Witzb gemacht zu haben. Florin lachte mit, obwohl ich sicher war, dass er von dem ganzen kein Wort verstanden hatte. Nachdem sein Lachanfall beendet war, übergab mir Dumitru einen Umschlag. "Darin sind 500 Euro", erklärte er mir. Haut sie auf den Kopf, bringt sie unter die Leute. Aber lasst euch sehen und macht einen auf glücklich. Wann ist eigentlich der Termin?" "Am 10.", antwortete ich. "Vorher war nichts zu bekommen, das Standesamt hat zwischen den Jahren meist geschlossen". "Naja, das passt", sinnierte Dumitru. Dann ist sie gegen Ende März legal. Sie wird bei dir arbeiten, Romina", wandte er sich seiner Landmännin zu. Romina nickte zustimmend. "Ach, noch was, fast vergessen", Dumitru drehte sich zu mir, "du lieferst Loretta täglich um Punkt 22 Uhr hier ab. Sie verbringt die Nacht in meinem Bett".

*

Loretta und ich verlebten eine schöne Zeit. Ich stellte sie meinen Freunden und Verwandten als meine Verlobte vor, die ich bald heiraten möchte. Auch ließen wir uns überall als junges, verliebtes Paar sehen, ich nahm sie öffentlich in den Arm, küsste sie auf Wange, Stirn oder Nase, nur den Mund ließ ich, eingedenk der Warnung Dumitrus aus. Händchenhaltend liefen wir durch den Stadtteil, in dem ich mein ganzes bisheriges Leben verbrachte, begierig darauf, von so vielen Leuten wie nur möglich gesehen zu werden. Sehr wichtig waren die Nachbarn. Daher liefen wir am Tag mindestens zehn bis zweanzigmal die Treppen auf und ab, so lange, bis uns irgend jemand sah. Das Geld Dumitrus verhalf uns zu manch schönem Tag, wir sparten nicht, gaben einfach aus. Langsam aber sicher kamen wir uns näher, wir hielten Händchen nicht mehr pflichtgemäß, sondern, weil wir Händchen halten wollten. Loretta blühte richtig auf, ich wusste, sie befand sich im Zwiespalt der Gefühle. Oftmals ertappte ich Loretta dabei, wie sie vestohlen auf die Uhr schaute und dabei traurig wurde, angesichts der verstrichenen Zeit, dass sie bald wieder zurück musste. Dennoch lieferte ich sie jeden Tag pflichtgemäß um 22 Uhr bei Romina ab. Es kam, wie es kommen musste. Engumschlungen standen wir an der Straßenbahnhaltestelle. Ich küsste ihre Wangen, ihre Stirn, bis Loretta plötzlich keinen Kopf in die Hände nahm und mich küsste-auf den Mund. Ihre Lippen warenn leicht geöffnet, so weit, dass ihre feuchte Zunge den Weg nach draußen fand. Es benötigte nur eines leichten Drucks mit ihrer Zunge Auf meine Lippen, dass ich sie öffnete und ihrer Zunge Einlass gewährte. Es war wie eine Explosion. Unsere Lippen hielten zusammen, als wären sie immer schon zusammen gewesen. Unsere Zungen vollführten einen Tanz wie zwei umeinander werbenede Schlangen. Nachdem wir uns voneinandr gelöst hatten, sah sie mich verliebt an und fragte "Findest du mich attraktiv? Gefalle ich dir?" Völlig verstöert über Loretts urplötzliche Wandlung vom Eisklotz zur begehrenswerten Frau konnte ich nur ein leicht gestottertes ´ja, sicher´ hervorbringen. Schon wieder lag Loretta in meinen Armen. Ich spürte ihren heißen Atem in meinem Nacken, ihren begehreswerten, mädchenhaften Körper hatte sie eng an mich gepresst. Erneut ergriff Loretta die Initiative, erneut war sie es, die mich küsste, erneut suchte ihre Zunge nach meiner. Nach endlos langer Zeit, die jedoch viel zu schnell verging, lösten wir uns voneinander und mit einem vielsagenden Lächeln meinte Loretta: "Ich möchte jetzt nicht weggehen. Wir gehen zu dir. Ich muss mir doch meine zukünftige Wohnung ansehen. Eheleute wohnen für gemeinsam zusammen. Ich will weg von Dumitru. Er behandelt mich immer nur wie seine Hure. Du warst so lieb zu mir, obwohl ich dich schlecht behandelt habe. In den paar Tagen mit dir habe ich erkannt, dass man auch leben kann, ohne die Beine breit zu machen. Ich will raus aus dem Geschäft, ich will mit dir zusammen sein. Also los, zeig mir unsere Wohnung. Vor allem das Schlafzimmer.

*

Auf dem Weg zu mir nach Hause schmiegte sich Loretta eng an mich, so eng, wie ich sie bislang nur an Dumitru geschmiegt sah. Ihr Verhalten zu mir hatte sich von einer Sekunde auf die andere komplett gewandelt.Von unahbar-abweisend hin zu hingebungsvoll-verlangend, ja verführend. Nicht, dass ich ihren jugendhaft-erotischen Körper spüren konnte, nein, ich musste ihn spüren. Loretta schaffte es, mich schon auf dem kurzen Fußweg in Stimmung zu bringen. Ich wusste nun, dass sie-vorerst zumindest-ausschließlich am Schlafzimmer interessiert war, die anderen Räume konnten warten.
Nachdem ich die Tür hinter uns geschlossen hatte, fielen wir übereinander her, zwei ausgehungerten LÖwen gleich, die sich über eine saftige Gazelle hermachten. Auf dem Weg ins Schlafzimmer versteuten wir unsere Kleider auf dem Boden, vollkommen egal, was wo landete, wir begehrten einander und es sollte zwischen uns geschehen. Jetzt, hier und heute.
Engumschlungen fielen wir auf das große achteckige Bett, unsere Lippen vereinigten sich zu einem langen, innigen, heißen Kuss, Unsere Zungen vollführten einen heißen Tanz, gleich zweier vereinigungswilligen Nattern. Ich bedeckte ihr Gesicht mit heißen, innigen Küssen, meine Geliebte ließ es, schwer atmend, geschehen. Endlich hatte ich mein Ziel erreicht, die empfindsamste Stelle ihres Körpers. Willig breitete Loretta ihre Beine aus, wissend was da bkommen würde. Mit meiner Zunge erforschte ichnihre empfindsamste Etelle, begleitet von wohligem,lustvollem Stöhnen. Oftmals zuckte ihr Körper, erstbleicht, dann immer stärker, zusammen, bis sie ihn nicht mehr unter Kontrolle hatte. Lauthals forderte sie das, was ihr geben wollte, aber nicht sofort. Ich wollte ihren Höhepunkt so weit hinauszögern wie nur möglich. Mehrmals hatte ich sie kurz davor und brach ab, ließ ihre Erregung abklingen, um sie weiter zu steigern in ungeahnte Sphären. Erst dann, als ich es für richtig hielt, schenkte ich ihr die Erlösung, einen Höhepunkt, den sie lauthals hinausschrie.

Engumschlungen lagen wir noch zusammen. Ihre Lippen hingen an meinen, sie saugte sich am mir fest und spielte mitn ihrer Zunge in meinem Mund. Ich streichelte ihren begehrenswerten Körper. Plötzlich löste sie ihre Lippen von meinen. "Dieter", sagte sie urplötzlich, "wenn wir verheiratet sind, dann muss ich doch z6u dir ziehen. Schon wegen der Kontrollen?" Sie fragte mehr, als dass sie feststellte. "Ich wil zu dir ziehen. Und ich will bei dir bleiben. WEg von Dumitru. Die Tage mit dirb zählten zum Schönsten in meinem Leben. Ich habe dich schlecht behandelt, aber du warst gut zu mir. Ich habe gemerkt, ich kann auch leben, ohne die Beine breit zu machen. Ich wil raus. Nicht mehr auf den Strich gehen. Ich will deine Frau werden und bleiben. Aber bitte lasse Dumitru nichts davon merken. Wenn er Lunte riecht, bricht er alles ab". Ich sah eine kleine versteckte Träne in einem Auge und wischte sie ihr weg. Der anschließende Kuss sagte mehr als tausend Worte. JA.

Vereinbarungsgemäß lieferte ich Loretta wieder bei Romina ab. Jeden Tag. Bis zu dem Tsg an dem das Verhängnis über uns hereinbrechen sollte.

*

Vor vier Tagen war der große Moment. Das Standesamt hat unsere Papiere angenommen und akzeptiert. Noch etwa sechs Wochen, dann würden wir unseren Termin vereinbaren können. Loretta hatte ich seit daher nicht mehr gesehen. Gr9oße Sorgen machte ich mir keine, ignorierte die schwarzen Wolken am Horizont. Plötzlich läutete das Telefon. Das Verhängnis sollte seinen Lauf nehmen.

*

"Hallo,Dieter", drang aus der Muschel an meineb Ohren, "kannst du mich abholen? Hier ist eine Kontrolle". Sofort war ich auf hundertachtzig. Etwas Schlimmeres hätte nicht passieren dürfen. KOntrolle, das heißt, das Sittendezernat schaut nach dem Rechten. Eumänien wae damals noch kein EU-Land, was wiederum bedeudet, dass man, könnte man Loretta nachweisen, dass sie gearbeitet hat, schwerste Mittel gegen sie, bis hin zur Ausweisung, anwenden würde. "Ich komme sofort", schrie ich ins Telefon, ließ den Hörer fallen und lief los. In zwei MInuten war ich am Ziel. Hier war wirklich großer Bahnhof angesagt. Vor der Tür stand ein imposanter Kleiderschrank in Zivil, auf dessen Stirn fast schon das Wort "Kripo" geschrieben stand. Er überragte mich um zwei Köpfe und seine Schultern waren die eines Preisboxers. Hier gab es kein Voebeikommen. "Was wollen Sie hier?", herrschte er mich an. "Meine Verlobte ist da drin", antwortete ich, wissend, gerade einen Fehler gemacht zu haben. "Ihre Verlobte? Dann geben Sie mir einmal ihren Ausweis", befahl er mir. "Kann dann ja nur diese illegale Rumänin sein. Oder sind Sie mit der Chefin verlobt?" Der Kleiderschrank lachte herzhaft über seinen eigenen Witz, während er meine Personalien aufnahm. Dass ich mich als Lorettas Verlobter ausgab, war nicht nur ein Fehler, sondern ein seht großer. Was sich nun anschließen könnte, wurde mir klar. Zumindest ein Ermittlungsverfahren wegen Zuhälterei. Im Normalfall drei Jahre. Hatte dieser lapidare Satz soeben dazu beigetragen, mein Leben hzu zerstören? Nachdem der Türsteher meine Personalien aufgenommen hatte, gestattete er mir, Rominas Wohnung zu betreten, ich sollte mich aber beim Einsatz.leiter, Herrn Teufel melden. Das war anscheinend dieser Mittfünfziger mit graumeliertem Haar, der gerade Loretta verhörte. Als ich gerade das Zimmerb betrat, riss sie sich von ihm los, rannte auf mich zu und fiel mir um den Hals. "Dieter", schluchzte sie, "ich habe nichts gemacht". "Meine Verlobte macht keine Angaben", erklärte ich dem Einsatzleiter, "zuerst werden wir uns mit einem Anwalt beraten". "Das ist ihr gutes Recht", entgegnete mein Gegenüber, "aber wir nehmen sie mit zum Erkennungsdienst. "In etwa zwei Stunden können Sie sie abolen". Zusammen mit Loretta verließen die Veamten des Sittendezernats das Etablissement. "Gut dass die anderen Mädchen weg sind", drang aus der Richtung der Sitzgarnitur an meine Ohrn, "sonstb hätten wir wirklich Probleme gehabt". Es war Romina, die ich in den ganzen Wirren übersehen hatte. "Probleme faben wir auch so", entgegnete ich. "Ach was", fuhr sie mir über den Mund. "Die Kleine war in Straßenklamotten, nicht geschminkt, nicht frisiert. Wie soll sie sich so einem Gast vorstellen? Pass auf, wir sind beide Rumäninnen. Wir kenmnen uns von der Heimat her und sie hat mich nur besucht. Übrigens lebte sie früher in einem Nachbardorf von mir. In zwei Stunden gehst du zu den Bullen und holst sie ab. Wenn dieser Teufel eine Story will, erzähle ihm diese". Rominas Worte beruhigten mich etwas, wenn auch eine gewisse Restnervosität übrig blieb.

*

Zwei Stunden später, wie von Romina befohlen, stand ich an der Pforte des Präsidiums und äußerte den Wunsch, den Einsatzleiter zu sprechen. Man ließ sich Zeit, eine gfür mich endlos erscheiende Wartezeit, obwohl es nur eine halbe Stunde war. Endlich öffnete sich die Sikcherheitstür, man ließ mich eintreten; ein Uniformierter erwartete mich. Dieser führte mich durch einen endlos erscheinenden Korridor, gesäumt von unzähligen Türen, die größtenteils geschlossen waren. Endlich waren wir da. Dezernat IV-2-Sexualdelikte stand an der schweren Glastüre zu lesen. Hauptkommissar Teufel. Wir waren beil Leiter des für uns so verhängnisvollen Einsatzes angelangt. Der Uniformierte klopfte an und wir betraten das Büro. Es hätte ein Büro auch aus einem anderen Amt sein können, Finanzamt oder Stadtverwaltung. Nichts deudete darauf hin, dass wir uns im Büro eines der leitenden Beamten des Sittendezernats befanden. An einer Wandbefand sich ein Quartalsplaner, mehrere Postkarten mit verschiedenden Urlaubsmotiven hingen mehr oder weniger daneben; auf dem Tisch ein Rechner mit klobigem Bildschirm und die, zumindest,wenn man dek Klischee der Fernsehermittler Glauben schenken durfte, die unvermeidliche Tasse dampfenden Kaffees. "Gut, dass Sie kommen", eröffnete mir Teufel grußlos. "Das erspart mir, Sie einzubestellen. Ich möchte Ihnen gleich ein paar Fragen stellenh, es stehtn Ihnen frei, sie zu beantworten oder sich zunächst mit einem Anwalt zu beraten. Fragen, die Sie belasten, müssn Sie nicht beantworten".Ich kam mir vor, wie im Fernsehkrimi. Fehlte eigentlich nur noch Harry, der den Wagen holen sollte. Zu Teufel gewandt forderte ich:"Zunächst einmal möchte ich wissen, was mit meiner Verlobten ist. Wann kann ich sie sehen und mitnehmen?" Das können Sie morgen. Sie wird hier übernachten, weil beim ED um diese Zeit niemand mehr da ist. Jetzt zu Ihnen. Belehrt habe ich Sie gerade. Gut. Wir werden der Staatsanwaltschaft den Verdacht der Förderung der Prostitution gegen Sie mitteilen; das heißt, es wird ein Ermittlungsverfahren fegen Sie geben. Dazu hätte ich gleich einige Fragen. Wollen Sie antworten?" ´Förderung der Prostitution. Also Zuhälterei. Na toll´, dachte ich. "Nein, ich werde bei diesem schweren Vorwurf zunächst keine Fragen beantworten", entgegnete ich. "Ich möchte mich zunächst mit einem Anwalt beraten, der dann Kontakt mit Ihnen aufnehmen wird". Das ist Ihr gutes Recht. Sie können dann gehen. Kommen Sie morgen um zwölf. Dann können Sie Ihre Verlobte wieder abholen.

*

In Rominas Terminwohnung herrschte gedrückte Stimmung. Die Polizei war abgerückt,der Fleischberg stand nicht mehr vor der Tür. "Sag mal, " keifte Romina mich an, nachdem ich die Tür geschlossen hatte", bist du von allen guten Geistern verlqassen? Stellt sich der Herr vor die Bullen und erzählt mit stolzgeschwellter Brust, mit Loretta verlobt zu sein. Hast du sie abgeholt? Ist sie wieder frei? Weisst du übrigens, was jetzt mit dir passieren wird? Die Bullen werden dich durch die Mangel drehen." Mariam, die bislang eher teilnahmslos dagesessen hatte, wie immer verführerisch-bezaubernd, in ihrem lavendelfarbenen Negligee, ergriff das Wort:"Romina, keife Dieter doch nicht so voll. Er hat es doch nur gut gemeint und wollte Loretta helfen. Wenn es auch ein großer Fehler war, wie er es gemacht hat. Was Romina meint, Dieter, ist, dass man nun gegen dich ermitteln wird. Zuhälterei, Förderung der Prostitution, was auch immer-du weißt, dass darauf mindestens drei Jahre stehen. Und du bist der Hauptverdächtige". "Ich weiß. Teufel hat es mir schon unter die Nase gerieben", antwortete ich. Um zwölf kann ich sie abholen. Der Erkennungsdienst arbeitet nur tagsüber, sie musste dort übernachten. Und ich nehme mir einen Anwalt. Harald, einen Kumpel, wir kennen uns von früher vom Fußball". "Mach das. Wenn du sie raus hast, bringe sie her. Die Jungs kommen", wandte Romina sich mir zu. Dumitru ist der Hauptidiot. Aber er ist fein raus, steckt nicht in der Sache drin. Er hats ie zum Arbeiten hergechickt. Er will Geld sehen, die Kleine ist ihm völlig egal. Ich sagte ihm, er solle noch warten, bis alles bei euch beiden klar ist, aber er wollte partout nicht auf mich hören. Jetzt haben wir den Salat. Pass auf, wenn die Bullen fragen: Loretta und ich, wir kennen uns aus Rumänien und haben uns hier zufällig wiedergetroffen. Sie hat mich nur besucht. Außerdem war sie weder geschminkt noch frisiert. Sie trug Straßenkleider. Wie hätte sie sich so den Gästen vorstellen sollen? Das müssen die auch kapieren".
Ich brummte nur ein ´Mhm´ vor mich hin, stand auf und verließ gedankenverloren die Wohnung.


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Punkt zwölf. Erneut stand ich an der Pforte des Polizeipräsidiums, der Pförtner erinnerte sich noch an mich. "Zu Herrn Teufel, richtig?", stellte er eher fest als dass er fragte. Noch ehe ichb zustimmend nicken konnte, hatte er den Hörer in der Hand und meldete mich an. "Es dauet noch etwa eine halbe Stunde", wandte sich der Pförtner mir zu. "Sie können dann noch einmal wiederkommen oder kurz im Warteraum Platz nehmen". Ich entschied mich für den Warteraum, wenngleich dieser das Ambiente einer Bahnhofsvorhalle hatte. Doch schließlich war ich hier, um Loretta abzuholen, nicht, um iknnenarchitektonische Gutachten abzugeben. Einige Magazine lagen herum, zefleddert und wohl schon desöfteren aus purer Langeweile gelesen; in der Hauptsache etwa ein halbes Jahr alte Spiegel.
Tatsächlich, nach einer halben Stunde öffnete sich die Tür zum Warteraum, gefolgt von Loretta trat Teufel ein. "So", begann er, "hier bringe ich Ihnen Ihre Verlobte zurück. Wir werden das Ganze an die Ausländerbehörde abgeben. Sie werden dann von dort hören, ich denke, der Herr Sommer wird sich der Sache annehmen. Und Sie halten sich bitte für mich zur Verfügung. Es kann durchaus sein, dass ich noch Ihre Aussage brauche. Sie können gehen". Grußlos wandte er sich um und verließ das Zimmer.

*


Ich ging mit Loretta direkt zu Romina. Die beiden Rumänen erwarteten uns bereits. Ungeachtet der von Florin ausgehenden Gefahr sprang ich auf den völlig verdutzten Dumitru zu, ergriff ihn mit beiden Händen am Hals, drückte zu und schrie ihm ins Gesicht:"Ihr Idioten, was habt ihr gemacht?". Weiter kam ich nicht. Der plötzliche Schmerz war übermächtig. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Boden, eine klebrige Flüssigkeit war über meinen Kopf auf das bislang noch weiße Hemd geflossen. Zweifelsohne war es mein Blut, welches aus der klaffenden Platzwunde am Hinterkopf geflossen war. Florin hatte ganze Arbeit geleistet. Er stand noch immer mit gespreizten Beinen über mir, denSchlagring triumphierend in der Hand. Erst auf einen Befehl seines Chefs gab der Schläger seine Position auf, steckte den Schlagring ein und setzte sich in einen Sessel, nicht ohne die Situation weiterhin misstrauisch zu beobachten. "Ich warne dich", eröffnete mir Dumitru, "berühre mich nie mehr, wenn Florin in der Nähe ist. Du siehst, er versteht sein Handwerk. Wir haben also ein Problem?b Los, rede!". "Wenn es nur ein Problem wäre, dann wäre es ok. Es ist der Super-GAU. Wieso schickt ihr Idioten Loretta arbeiten? In wenigen Wochen wären wir verheiratet gewesen, alles hätte ok sein können. Wenn wirv jetzt Pech haben, wird sie ausgewiesen, Romina und ich haben schwerwiegende Anzeigen zu erwarten". "Das ist dein Problem", blaffte mich Dumitru an, "sieh zu, wie du da raus kommst. Was gedenkst du, jetzt zu tun?" "Ich warte ab, was von der Behörde kommt. Zunächst muss Loretta sofort zu mir ziehen. Mit Sack und Pack. Sie muss bei mir wohnen, wenn die Behörde kontrolliert. Dann warte ich ab, bis ich weiß, wie der Vorwurf lautet. Wir nehmen uns einen Anwalt. Ich kenne einen guten. Der kostet aber Geld". Das sehe ich ein. Du bringst Loretta sofort zu dir. In drei Stunden sind ihre Sachen bei dir. Geld bringe ich mit. Reichen 500 vorerst?" "Ich denke schon", erwiderte ich. Bis dann". Loretta stand auf und wir verließen die Hostessenwohnung. "Bereits im Hausflur legte Loretta ihre Hand auf meine Schulter. Ich drehte mich um und spürte plötzlich ihre warmen, weichen Lippen auf meinen. "Danke", sagte sie, an mich geschmiegt, "dass du mich bei Dumitru herausgeholt hast. Er hat mich gezwungen, zu Romina zu gehen. Er hat mir Schläge angedroht. Es würde schon keine Kontrolle kommen, sagte er. Ich will bei dir bleiben. Du bist lieb. Nicht so wie Dumitru. Ich will nicht mehr auf den Strich gehen". Erneut nahm ich Loretta in den Arm:" Ich werde kämpfen. Für dich. Für uns. Bis zum letzten Blutstropfen. Das schwöre ich dir".


Kapitel 4

Nach wenigen Minuten kamen wir in meiner Wohnung an. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, legte Loretta ihre Arme um meinen Hals, schmiegte sich an mich und berührte meinen Mund mit geöffneten Lippen. Nur zu gern erwiderte ich ihren Kuss. Loretta versuchte, mich ins Schlafzimmer zu ziehen, doch ich blockte ab:"Wir müssen jetzt vernünftig sein. Dumitru wird bald kommen und deine Sachen bringen. Dann sollte er uns in keiner verfänglichen Situation entdecken". Und angesichts meiner immer noch schmerzenden Platzwunde ergänzte ich:"Und ich habe keine Lust, erneut mit Florins Schlagring Bekanntschaft zu machen". "Ja, du hast Recht", verstand Loretta, "Florin ist zu gefährlich. Er ist der Pitbull Dumitrus. Ich habe schon einmal gesehen, wie er, nur auf eimnen Befehl Dumitrus hin, jemandem alle Knochen im Leib gebrochen hat. Du hast Glück gehabt, dass du nur die Schlagverletzung hast. Aber dich brauchen diebeiden ja noch".

Die Rumänen ließen lange auf sich warten, nach fünf Stunden endlich läutete es an der Tür. Sie waren es. Bepackt mit zwei großen, zum Berstenn gefüllten Reisetaschen kamen sie die Treppe hoch. "So, hier sind Lorettas Sachen", schnaufte Dumitru nach Luft japsend. "Ich habe noch einen Termin, wir gehen gleich wieder. Wir telefonieren. Und hier ist der Umschlag mit den 500 für den Anwalt"."Moment", hinderte ich ihn am Gehen. "Eines fehlt noch. Ich brache ihren Reisepass. Wir werden bald aufs Amt müssen, da sollte sie ihn vorlegen können". "Stimmt, ja, da hast du ihn". Dumitru merkte nicht, dass er durch diese Aktion Loretta die Freiheit wiedergabg, jedenhfalls für den Moment.War sie durch den einbehaltenen Reisepass an ihren Zuhälter gefesselt, so konnte sie sich im Moment frei bewegen, könnte sogar das Land vertlassen, könnte zumindest in diese Länder reisen, die rumänische Papiere ohne zusätzliche Visa akzeptieren. Grußlos zogen die Rumänen die Tüe zu, Loretta und ich waren allein. "Hier, dein Reisepass", lächelte ich ihr zu. "Nunh komm endlich ins Schlafzimmer", drämgte Loretta. "Ich will mich bedanken".

Loretta zog mich nicht aus, nein, sie riss mir die Kleider förmlich vom Körper. Endlich landeten wir im Bett: Loretta war eine Professionelle, doch das ließ sie mich nicht spüren. Es war ein Erlebnis wie mit einer Freundin, nein, Loretta wurde gerade jetzt zu meiner Freundin, nein, Verlobten. Unsere Heiratsabsichten waren ernst, Loretta und ich waren ein richtiges Brautpaar, wir wollten so schnell wie möglich weg von Dumitru und seinem Schläger. Nur die beiden Rumänen glaubten noch an eine Scheinehe.

*

Irgendwann, wir lagen immer noch eng aneinandergekuschelt im Bett, läutete das Telefon. Wir beachteten es nicht, doch das Läuten war so penetrant, dass ich schließlich nachgab und abnahm. "Hier Ausländeramt, mein Name ist Sommer", drang eine unsympatische Stimme aus dem Hörer. Ich lade Sie und Ihre Verlobte für morgen, zehn Uhr, in mein Büro vor. Sie soll bitte ihre persönlichen Ausweispapiere mitbringen. Ist Ihre Verlobte der deutschen Sprache mächtig?" Ich bejahte. "Gut, dann brauchen wir keinen Dolmetscher zu stellen". Die Verbindung wurde unterbrochen. In diesem Moment merkte ich, jetzt gehen die Schwierigkeiten richtig los.

*

Nervös klopften wir an Sommers Bürotür, keion ´Herein´ oder ähnliches forderte uns auf, die Tür zu öffen. Ich tat es dennoch. IM B+üro saß ein Mittvierziger mit brünettem gekräuseltem Haar, gebeugt über eine Akte. Als er uns in der Tür erblickte, schnarrte er uns an"Habe ich etwas von ´Herein´ gesagt? Schließen Sie dit Tür, warten Sie draußen, bis ich Sie auffordere". Ein schlechter Einstand bei dem Beamten, der über das Wohl und Wehe Lorettas, wahrscheinlich über ihren Verbleib in Deutschland zu entscheiden hatte. Grausam langsam verging die Zeit. Ich hatte den Eindruck, es vergingen Stunden, aber es waren lediglich Minuten, bis das erlösende `Herein` ertönte. "Haben Sie einen Termin?", fragte Sommer leicht süffisant. Ja, antwortete Loretta, mein Name ist Constantinescu. Sie hatten mich einbestellt". "Aha", erinnerte sich Sommer, "Und wer, wenn ich fragen darf, sind Sie?", wandte er sich an mich. "Ich bin ihr Verlobter", antwortete ich, leicht eingeschüchtert, ob der Kälte, die von Sommer ausgeht. "Soso, sie sind also gewissermaßen zur Unterstützung mitgekommen", raunzte er mich an. Na, ob das hilft, wage ich zu bezweifeln. Na gut, mir soll es egal sein. Also, Sie wissen ja, was man Ihnen vorwirft. Sie wurden bei einer Kontrolle des Sittendezernats in einem stadtbekannten Bordell angetroffen, das dafür bekannt ist, immer wieder einmal illegale Rumäninnen zu beschäftigen". "Aber ich...", weiter kam Loretta nicht. Erneut schnauzte Sommer sie an: "sagen Sie einmal, warum unterbrechen Sie mich. Ich bin es, der jetzt redet. Sie haben später Zeiz sich zu äußern, obwohl das an der Sachlage nichts ändern wird. Also: Es wird Ihnen vorgeworfen, in Deutschland illegal der Prostitution nachgegangen zu sein. Der Fall wurde mir von derb Kriminalpolizei zur Entscheidung vorgelegt. Gut. Hier haben Sie etwas zu schreiben. Sie verlassen jetzt mein Büro, schreiben mir zehn Gründe auf, die Ihr Verbleiben in der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen. Dann werde ich entscheiden". Er überreichte Loretta Kugelschreiber und Papier, wir standen auf und verließen das Büro. Gerade als wir das Büro verließenh, öffnete sich auch die Tür zum einige Meter weiter befindlichen Festsaal und ein Brautpaar samt Hochzeitsgesellschadt trat heraus und bevölkerte den Flur des Amtsgebäudes. Eine groteske Situation. Wir kämpftenh hierbum unsere Liebe und unsere gemeinsame Zukunft und einige Meter weiter verlebten zwei uns völig unbekannte Menschen gerade die schönste Zeit ihres Lebens. Ich merkte, wie der Klos in meinem Hals immer größer wurde, durfte aber vor Loretta keine Schwäche zeigen. Ich riss mich von meinen Gedanken los und setzte mich zu Loretta. Gemeinsam versuchten wir, sticdhhaltige Gründe für Lorettas Entlastung zu finden und nach einiger Zeit dachten wir, diese zu Papier gebracht zu haben. Erneut klopftenwir an Sommers Bürotür, der uns, ebenso kalt und unfreundlich wie zuvor zum Eintreten aufforderte.
Loretta übergab ihm das Papier. Es scherte Sommer keinen Deut, was da geschrieben stand. Ohne sich groß damit zu beschäftigen, strich er einen Grund nach dem anfderen durch; jedesmal sagte er nur ´unzutreffend´. Als er geendet hatte, wandte Sommer sich Loretta zu:"Sie sehen, es gibt keine Gründe fürb Ihren Verbleib in der Bundesrepublik. Dass Sie beide heiraten wollen, wie Sie so schön anführen, kann kein Grund sein, die Interessen der Bundesrepublik zu schädigen. Geben Sie mir Ihren Reisepass". Loretta kam dem Befehl, und nichts anderes war es, nach. Sommer suchte eine leere Seite, plazierte genau in die Mitte einen Stempelabdruck und schrieb in den Stempel etwas hinein. Danach gab er Loretta das Reisedokument mit den Worten "Ich habe Ihnen hier eine Duldung von vier Wochen eingetragen. In den nächsten Tagen erhalten Sie die Ausweisungsverfügung. Diese geben Sie an der Grenze ab. Sie erhalten eine Einreisesperre von fünf Jahren für alle Schengen-Staaten" zurück. Sommer ließ keine weiteren Einwände gelten. Doch eines war mir klar. Die Ausweisung Lorettas warv schon vor dem ganzen Affenzirkus beschlossene Sache. Alles andere war nur dazu geeignet, Loretta zu quälen. Welch ein Sadist musste Sommer sein?

*

Bereits als wir Sommers Büro verließen, schmiegte Loretta ihren vor Angst bebenden Körper an meinen. Eng umschlungen traten wir den kurzen Nachhauseweg an, schweigend. Lorettas stumme Tränen liefenn ihre Wange hinunter, wechselten zu meiner. Ich versuchte, ihre Tränen zu trocknen, es gelang mir nicht. Ich fühlte die Traurifkeit, die sie beschlich, die Wut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Nein, dieses zerbrechliche, schwache Wesen, es durfte nicht ausgewiesen werden, ich würde für Loretta, ihre Interssen und um unsere Liebe kämpfen. Es blieben und noch vier Wochen. Sobald wir zu Hause sind, würde ich Harald anrufen.

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Harald und ich kannten uns von früher vom Fan-Club. Doch während ich sehr lange, zu lange dabei blieb, klinkte er sich rechtzeitig aus, studierte Jura und leitet derzeit eine gutgehende Anwaltskanzlei. Harald würde uns helfen können. Das Vorzimmer konnte ich mir schenken. Ich hatte seine Privatnummer und war in der Lage, sofort einen Termin zu bekommen.
Harald saß uns gegenüber und hörte unserer Geschichte aufmerksam zu. Nachdem wir geendet hatten, fasste Harald unsere Geschichte schweigend gedanklich zusammen. "Ich habe noch einige Fragen an euch", wandte er sich danach an Loretta und mich. Zunächst zu dir. Ich darf doch ´du´ sagen?", fragte er Loretta. Sie nickte stumm. "EDu warst in dieser Wohnung nicht irgendwie als Prostizuierte erkennbar? Ich meine geschminkt, aufreizend gekleidet oder ähnliches?" Loretta verneinte. "Bist du in Rumänien oder sonst irgendwo als Prostizuiete aufgefallen?" "Nein, das heißt doch.n Ich war mit Dumitru in Spanien. Als uns das Geld ausging, habe ich mich an ein paar Touristen herangemacht und wurde von der Guardia ertappt. Es gab aber keine hinreichenden Beweise und sie mussten mich gehen lassen". "Hmm, sinnierte Harald. Das ist blöd. Wenn das aktenkundig wurde, kann es der Behörde reichen. Das müssen wir umgehen. Gut, deine Duldung läuft in 29 Tagen ab. Das heißt, in knapp vier Wochen erhebe ich bei der Behörde Einspruch gegen deine Ausweisung. Da du das Verfahren nicht von Rumänien aus betreiben kannst, beantrage ich ebenso die Verlängerung deiner Duldung. So gewinnen wir einen weiteren Monat. Ich brauche einen Gebührenvorschuss. Wieviel könnt ihr bringen?" "Reichen 500?, rfragte ich. "Das passt. Meine Sekretärin gibt euch meine Bankverbindung. Machts gut. Ich melde mich", entließ uns Harald.

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Loretta und ich verlebten die kommenden vier Wochen wie im Paradies. Fernab vonihrem Zuhälter blühte meine Geliebte sichtlich auf. Wir verbrachten jede Minute desv Tages zusammen, viele Stunden davon gemeinsam im Bett, wobei an Schlaf nicht zu denken war, und machten beide einen großen Bogen um Rominas Etablissement. Einen Tag vor dem befohlenen Auswreisungstermin erhielten wir einen Brief der Ausländerbehörde; ich öffnete ihn mit zitternden Händen. Es war die ersehnte Verlängerung der Duldung. Harald hatte ganze Arbeit geleistet. Unserem jungen Glüfck wurde ein weitererb Monat geschenkt.

Doch wie so oft, Erfolge werden durchz Rückschläge getrübt. Harald verlor seine Einsprüche bei der Ausländerbehörde und beim Regierungspräsidium. Beide Instanzen bestätigten die Ausweisungsverfügung. Es blieb noch der Gang vor das Verwaltungsgericht, gleichzeitig verbunden mit einer weiteren, letztmaligen Verlängerung der Duldung. Ein weiterer, vielleicht aber auch letzter Monat, der uns blieb, angesichts desv Damoklesschwertes der Ausweisung, dessen dünner Faden immer mehr an Substanz abnahm.

*

Die FRumänen waren zurück. Ihr erster Weg führte natürlich sofort zu Romina, die auch gleich Loretta und mich einbestellte. Ich wusste, nun hieß es, vorsichtig zu sein. Dumitru durfte nicht merken, dass Loretta und ich uns nähergekommen sind, dass Loretta aus dem Geschäft aussteigen möchte und bei mir bleiben. Jedes Wort, jede Bewegung konnte verräterisch sein. Ich wollte Loretta nicht an ihren Zuhälter verlieren. Und ich wollte auch keinerlei neue, schmerzhafte Bekanntschaft mit Florin und seinem Schlagring machen. Würde Dumitru etwas bemerken, nur den gerinsten Verdacht hegen, ein Zeichen zu Florin würde reichen, um um schmerzhaftere und langwierigere Verletzungen davonzutragen als die verhältnismäßig kleine Platzwunde aus unserem ersten Aufeinandertreffen. Ich wusste nicht, wo uns die beiden Rumänen erwarten würden, direkt bei Romina oder kämen sie uns entgegen; es war Vorsicht angesagt, sobald wir unsere Wohnung verließen. Wir verzichteten schweren Herzens auf den üblichen langen Kuss, es wäre verräterisch gewesen, hätte ich Spuren von Lorettas Make-Up im Gesicht oder auch nur Duftspuren von ihrem Parfum an mir.

Die Rumänen erwarteten uns in Rominas Terminwohnung. Als Loretta Dumitru erblickte, stürmte sie sofort auf ihn los, begrüßte ihn mit einem langen Kuss und legte verliebt ihren Kopf auf seine Schulter. Ich wusste, sie spielte Theater, eine Rolle, und diese Rolle spielte sie gut. Die Rumänen schienen keinen Verdacht zu hegen. "Ich habe bereits von Romina efahren", eröffnete Dumitru das Gespräch, "dass der Anwalt uns weitere vier Wochen verschaft hat. Das Geld scheint gut angelegt zu sein. Ich hoffe, er wird uns auch im Gerichtssaal bald gute Dienste leisten. Ich möchte, dass mein Mädchen bald wieder arbeitet und Geld verdient". Ich zuckte innerlich zusammen, ließ mir aber nichts amnmerken. Kein Muskel zuckte. Hatte doch Loretta endlich gelernt, dass es anderes gibt, als das Rotlicht, dass man leben kann, ohne die Beine breit zu machen. Ich spielte das Spiel weiter:" Ja, in etwa drei Wochen ist der Termin. Er muss noch während der Duldungsfrist stattfinden, Da Loretta die Klägerin ist, nicht ich und sie muss die Möglichkeit haben, den Prozess von hier aus zu führen. Natürlich könnte der Anwalt den Prozess auch ohne ihre Anwesenheit führen. Er ist ja bevollmächtigt. Aber ihre Anwesenheit wäre schon von Vorteil, vor allem bei hoheren Instanzen". Ich wusste noch nicht, dass ich mit dieser Äußerung einen großen Fehler gemacht hatte, einen Fehler, der die Beziehung Lorettas zu mir kippen lassen könnte. "Gut", ergriff Dumitru erneut das Wort, "ihr beide spielt weiter auf verliebt, wir werden sehen, was der Prozess bringt, ich erwarte eine Erfolgsmeldung. Und du weisst Bescheid, Hände weg von meiner Kleinen. Ich dulde nichts, was über öffentliches Händchenhalten und gelegentliche Umarmungen hinausgeht. Sonst hast du ein Problem. Selbstverständlich bejahte ich dem Zuhälter, dass zwischen uns nichts, aber auch gar nichts vorgefallen ist und wir sogar immer noch in getrennten Betten schlafen. Misstrauisch vernahm der Zuhälter meine Worte, doch sein MInienspiel ließ keinen Rückschluß auf sein Misstrauen zu.

*

Die Tage vergingen, Loretta und ich verlebten eine glückliche, soegenfreie Zeit. Vergessen war der Besuch bei Romina, vergessen waren die Fragen und Äußerungen Dumitrus. Vergeswsn, zumindest verdrängt war der bevorstehende Gerichtstermin, der über Wohl und Wehe von Lorettas Bleibeberechtigung in Deutschland entscheiden würede. Dafür war Harald zuständi, wir verließen uns völlig auf ihn. Es war die schönste Zeit meines Lebens, nachts mit Loretta engumschlungen einzuschlafen, morgens zu spüren, sie ist da, liegt neben mir, ihren Kopf nah an meine Schulter gelegt. Alle Sorgen waren vergessen, verdrängt, gehörten in eine andere Welt. Wir befanden uns in unserer Welt, einer Traumwelt, fernab von der realen. Doch die reale Welt war es, die uns einholen sollte, die reale Welt, in der sich, während wir noch im Sonnenschein unserer Traumwelt lachten, lebten und liebten, dunkle Wolken zusammenzogen, Wolken, die Gewitter und Unwetter ankündigten.

*

Gerade hatte ich Abschied von Miriam genommen, ein Abschied, der mir noch vor einigen Wochen schwergefallen wäre. Miriam war meine große, unerreichbare Liebe, bis Loretta in mein Leben trat. Endlich hatte sie es geschafft-ihr Therapieplatz war genehmigt und der ihres Lebensgedährten, Matthias ebenfalls. Er sollte ihr zwei Wochen später folgen. Ihre Nachfolgerin bei Romina war bereits eingetroffen, Sonja, eine 22-jährige Portugiesin. Leicht solariumsgebräunte Haut, langes, lockiges Harr, ein Traum von einer Frau. Ich hätte mich sofort zun ihr hingezogen gefühlt, hätte es nicht Loretta gegeben. Gerade als Romina uns miteinander etwas näher bekanntmachen wollte, schrillte mein Handy. "Dieter", lomm bitte sofort nach Hause. Etwas Schreckliches ist passiert". Es war Loretta. Ihre Worte alarmierten mich. Ohne Gruß stürmte ich aus der Wohnung, rannte, als wäre der Leibhaftige hinter mir her, die wenigen hundert Meter nach Hause. In der Wohnung fiel mir nichts auf, außer Loretta, die gerade dabei war, ihre Koffer zu packen. Als sie mich erblickte, kam sie auf mich zu, tränenüberströmt und legte ihren Kopf an meine Schulter:"Dumitru war hier. Wir müssen nach Rumänien. Er sagt, sein Vater wäre gestorben, er müsse edie Beerdigung organisieren und sich um seine Mutter kümmern. Es dauere lange Zeit, bis er wieder zurückkommt, zu lange und ich soll mitkommen. Ich möchte hier nicht weg, nicht weg von dir, aber wie soll ich ihm das sagen?" Wie vom Donner gerührt, stand ich da. Fragen zermarterten meinen Kopf. Stimmt die Geschichte, die uns Dumitru auftischte? Hatte er bemerkt, dass Loretta und ich ihn hintergehen und zieht sie ab. Ich hätte vieles gegeben, die Antwort auf meine Fragen zu erhalten. "Wann kommt Dumitru?", fragte ich Loretta. "In knapp einer Stunde", antwortete meine Geliebte. Zu wenig Zeit also die uns blieb, gebührend voneinander Abschied zu nehmen.

Nach nicht einmal einer halben Stunde stand Dumitru vor der Tür. Nachdem ich ihn einließ, tischte er mir dieselbe Geschichte auf, die mir Loretta erzählte. Doch je öfter ich die Geschichte hörte, um so weniger schenkte ich ihr Glauben. Ich versuchte, zu retten, was zu retten war. "Du weisst", eröffnete ich ihm, in wenigen Tagen ist der Prozess. Loretta müsste als Klägerin hierbleiben, ihn zu führen. Wenn sie ihn verliert, darf sie fünf Jahre nicht nach Deutschland einreisen". "Ich weiß, aber du hast neulich bei Romina gesagt, der Anwalt kann den Prozess in Abwesenheit führen. Er ist bevollmächtigt. Ich verlasse mich aufb ihn". Dumitru nahm Lorettas Koffer an sich und ihrem Zuhälter völlig ergeben verließ Loretta die Wohnung. Ich war allein. Die große Liebe meines Lebens entschwand in eine ungewisse Zukunft.

Kapitel 5

"Vollidiot", blaffte Romina mich an als ich ihr das vorgefallene erzählte. "Weisst du, was passiet ist? Nein, das weißt du nicht, du verliebter Gockel. Du hast zu offen mit der Kleinen rumgemacht. Ihr seid gesehen worden. Und zwar von einem Rumänen, der Dumitru kennt und weiß, dass die kleine seine Hure ist". "Aber wir sollten doch auf verliebt machen wegen der Leute und den Ämtern", fiel ich ihr ins Wort. "Ja, aber nicht so. Ihr habt einfach zu glücklich gewirkt. Sowas kann man nicht schauspielern. Ihr habt euch zu sicher gefühlt. Mist, ich hätte die Kleine gern wieder bei mir gehabt, wenn ihr verheiratet gewesen wärt. Sie hat mir gut Geld gebracht, so als unschuldiger kleiner Teeny. Und zusammen mit Miriam war sie ein perfektes Duo. Alles aus. Dumitru hat mir alles erzählt". Warum hast du mich nicht gewarnt?", fragte ich vorwurfsvoll?" "Wie kann einer nur so bescheuert sein wie du? Als Dumitru mit mir geredet hat, habe ich ihn davon abgehalten, dir Florin zu schicken. Du weisst, dass mit diesem Gorilla nicht zu spassen ist. Wir hatten ein Abkommen. Er lässt Florin außen vor und ich sage dir nicht, dass er die Kleine abzieht." "Dann sollte ich dir eigentlich dankbar sein?", stellte ich fest. "Ja, das solltetst du", bejahte Romina. "Und jetzt sollten wir Bilanz ziehen. Die Kleine ist weg, Miriam ist weg, beides ist deine Schuld. Miriam hatte ich im Griff. Sie bekam ihr Zeug von mir, immer so viel, dass sie arbeiten konnte. Aber du musstest ja den edlen Retter spielen, sie überzeugen, dass sie ja auf Therapie geht. Die Kleine ist auch wegen dir abgezogen worden. Nur Sonja ist noch da. Aber ich sage dir gleich, von der lässt du die Flossen weg. Ich hätte dich schon damals rausschmeißen sollen, als du das erste Mal hier warst. Irgendwie habe ich gerochen, dass du Ärger bringst. Aber was ich damals vergessen habe, kann ich jetzt immer noch nachholen. Los raus, hau ab. Ich will dich hier nicht mehr sehen". Wie ein geprügelter Hund verließ ich die Wohnung. Wissend, dass sich mein Leben innerhalb dreier Stunden grundlegend geändert hatte.

*

Als ich meine Wohnung betrat, beschlich mich das Gefühl, sie sei dunkel, leer und kalt. Loretta, die in den letzten Wochen zur Sonne meines Lebens geworden war, die mich jedesmal, wenn ich nach Hause kam, mit einem langen, tiefen kuss begrüßte, sie war nicht mehr da. Abgezogen von ihrem Zuhälter, weil wir beide nicht vorsichtig genug waren, uns zusicher fühlten, uns von der Sonne unseres Glücks hatten blenden lassen. Miriam, mit der ich bislang über salles hatte reden können, sie war auf ihrer Therapie. Romina hat mich rausgeworfen, gut, ich kannte Romina. In ein paar Tagen würde sich alles wieder eingerenkt haben. Es war der Verlust Lorettas, der mich dermaßen schwermütig werden ließ. Ich erinnerte mich der drei Flaschen Wodka, die im Küchenschrank standen. Also ging ich in die küche. öffnete den Schrank und sie lachten mich an. Hier stand die Lösung meines Problems. Zumindest kurzfristig. Im Rausch vergisst man seine Probleme. Alle. Was danach kam, das war momentan nicht relevant. Ich goss mir einen großen Schluck ein und genoss das wohlig, warme Gefühl, das mich beschlich. Waren da wirkich Probleme? Ganz sicher war ich mir nicht mehr. Schon beim nächsten Schluck machte ich mir nicht mehr die Mühe, den Umweg über das Glas zu wählen. Ich nahm ihn direkt aus der Flasche. Es tatb so gut. Meine probleme, eben noch gegenständlich, wurden zu einem Vorhang, einem Nebel, der sich mit jedem Schluck auflöste, bis er, wie durch einen Windhauch zerstob.

*

Ich öffnete meine Augen. Das grelle Morgenlicht blendete mich, ich musste meine Augen erst noch einmal schließen, um sie ganz allmählich an das Licht des Tages zu gewöhnen. Mein Kopf und mein Nacken schmerzten. Ich war am Tisch eingeschlafen, die leere Flasche Wodka und das halbgefüllte Glas vor mir stehen. Meine Erinnerungen kamen zurück, gegenständlicher denn je. Loretta, sie war nicht mehr da. Erneut beschlich mich das Gefühl des Schmerzes, der Verzweiflung, der Einsamkeit. Erneut ging ich zum Küchenschrank, holte, fast schon mechanisch, die nächste Flasche der glasklaren Flüssigkeit heraus, öffnete sie und setzte zum
Schluck an.

*

Die Tage vergingen. Ich verließ die Wohnung nur, um Nachschub zu holen. Schon beim morgendlichen Aufwachen gab ich mir den ersten Schluck. Längst hatte ich aufgehört, ein Glas zu benutzen, trank direkt aus der Flasche, pur und unverdünnt.
Mein Tag hatte einen geregelten Ablauf, trinken, Rausch ausschlafen, weitertrinken. Längst hatte ich jeden Sinn für die Realität verloren, eine grausame und sinnlose Realität. Meine Scheinwelt nahm mich immer mehr gefangen, engte mich ein, aber dasIch wusste nicht, wie lange ich mich in meiner eigenen Welt aufhielt, waren es Stunden, Tage oder Monate. Es schien, als stünde die Zeit still. Doch der Moment kam, an dem mir der Alkohol nicht mehr das gab, was ich von ihm wollte. Stets musste ich die Dosis erhöhen, um das von mir gewünschte Resultat zu erreichen, meinen Rausch. Ich wusste, es wird Zeit für etwas anderes. Und ich wusste, wo ich dieses andere bekomme. Oftmals, wenn sie gon Romina nichts mehr bekam, schickte Miriam mich zu einem Mann, den sie den Russen nannte. Ich wusste nicht, ob er Russe, Ukrainer, Usbeke oder was weiß ich, war, für mich war er der Russe. Er gab mir immer ein kleines Briefchen mit, ich wusste genau, welcher Art der Inhalt war. Und genau deswegen wollte ich den Russen aufsuchen.

*

Ich hatte Glück. Obwohl ich für Miriam lange nicht mehr beikm Russen war, erkannte er mich am Telefon sofort. Er nannte mir Ort und Termin unseres Treffens. Er war pünktlich, das lobe ich mir. Als ich ihm jedoch erklärte, dass ich nicht wegen Miriam komme und ihm von der begonnenen Therapie erzählte, zeigte er sich doch etwas enttäuscht, fragte aber dennoch nach meinen Wünschen. "Gut", meinte er schließlich, "ich glaube, ich habe das Richtige für dich. Und ich mache dir ein gutes Angebot. Ich will mich sowieso von dem Zeig trennen. Diazepam, also Valium. Das haut dich um. Nimm zwei davon und du schläfst acht Stunden wie ein Baby. Kein Kopf hinterher wie beim Alkohol. Ich gewbe dir meinen gesamten Restbestand. Weil ich das Zeug sowieso loswerden will, sagen wir 200 Stück für 200". Wir wurden handelseinig und er versprach mir, die Tabletten in der nächsten halben Stunde zu bringen. Er hielt Wort. Sowohl bei der Lieferzeit als auch bei der Menge. Sicherheitshalber verstaute ich meinen Kauf in der Jackentasche und sah zu, schnell nach Hause zu kommen.
Neugierig probierte ich das Mittel sofort aus, nahm aber gleich zu Beginn sicherheitshalber die doppelte Dosierung, als die vom Russen empfohlene und legte mich ins Bett.

*

Nach langem, traumlosem Schlaf wachte ich erholt auf. Zum ersten Mal seit langem konnte ich iedrr einschlafen, kein Alkohol musste meinen Schlaf fördern, endlich wieder war der Schlaf erholend, das Aufwachen belebend. Kein schwerer Kopf vom zuviel genossenen Wodka, keine schweren Augenlieder, keinerlei körperliche Auswirkungen, wie noch vor kurzem durch den zuviel genossenen Wodka. Dennoch, die Flasche stand da, lächelte mich an, als wolle sie sagen "Trink mich". Und ich trank. Wieder und wieder. Schon nach kurzer Zeit verlor ich völlig die Kontrolle über mich. Alkohol und Valium, wild durcheinander genommen, bestimmten meinen Tag.Es war mir egal, was ich gerade nahm, ich wollte nur eines: benebelt sein, die Welt um mich herum vergessen. In den Spiegel blickte ich schon lange nicht mehr. Ich musste schrecklich aussehen. Nein, ich musste nicht schrecklich aussehen, ich sah schrecklich aus. Das wusste ich auch ohne beweiserhebende Blicke in den Spiegel. Seit Tagen hatte ich mich nicht mehr rasiert. Ebenso lang hatten die Haare weder Kamm noch Bürste gesehen. Wie meine Augen aussehen mussten, das konnte ich an den Liderschmerzen erahnen. Ich musste ein Bild des Jammers sein, nein, ich war ein Bild des Jammers.
Erneut hatte ich den ganzen Tag einen Cocktail aus Wodka und Valium zu mir genommen. Erneut bestand mein Tag aus Trinken und Schlafen. Ich war auf dem besten Wege, ein Wrack zu werden-seelisch und körperlich. Doch es war mir egal. Was sollte ich noch auf dieser Welt-durch meine eigene Dummheit, meine Unvorsichtigkeit Dumitru gegenüber hatte ich Loretta verloren, das einig Wichtige in meinem Leben. Mein Leben war sinnlos geworden. Warum eigentlich lebe ich überhaupt noch. Zwischen zwei Schluck aus der Wodkaflasche fasste ich den folgenscheren Entschluss, meinem Leben, so sinnlos wie es geworden war, ein Ende zu setzen. Ich kramte die verbliebenen Valium-Schachteln hervorund drückte sämtliche Tabletten heraus. Es waren genügend der in dieser Dosierung todbringenden Arzneimittel, mehr als genügend. Erneut griff ich ert zum Wodka, ehe ich fast einhundert Valium-Tabletten in Wasser auflöste. Ich trank den todbringenden Cocktail, er schmeckte bitter, es sollte der letzte Geschmack sein, den ich in meinem verkorksten Leben schmecken sollte.

*

Ich öffnete die Augen. Das grelle Licht schmerzte mich; in einer schnellen Reaktion schloss ich die Lider, um sie langsam, nach und nach wieder zu öffnen. Ich kannte den Raum nicht, in dem ich mich befand. Weiße Wände, weiße Decken, irgendwie steril wirkend. Ich begann, meinen Körper abzutasten, meine Hände berührten Drähte, Leitungen und Elektroden. Um mich herum entdeckte ich Gestalten, weißgekleidet, an meinem Bett stehen. Ich denke, rs war einb Bett, da ich lag und nicht stand oder mich in einer anderen Körperhaltung befindend. Die Augen erneut geschlossen aufgrund der starken Lichteinwirkung und der daraus resultierenden Schmerzbeeinträchtigung, musste ich mich ganz auf meinen Hörsinn verlassen. Zu gerne hätte ich gewusst, wo ich mich befand. Wortfetzen drangen an mein Ohr: "Herr Doktor, er ist aufgewacht".

*

´Herr Doktor´, also war ich in einer Arztpraxis oder einer Klinik. Nun schmeckte ich auch einen ekelhaften, kohleähnlichen Geschmack in meinem Mund. Ich wusste für alles keine Erklärung. Was war geschehen? Wie kam ich hierher? Wie lange bin ich hier? WSieso habe ich einen solch gr0ßen Filmriss? Weshalb fehlen mir einige wichtige Stunden in meinem Leben?
Eine Person in einem weißen Kittel trat an mein Bett. Es musste ein Bett sein, in dem ich lag. Mit ruhiger Stimme erklärte er mir:"Sie befinden sich hier auf der Intensivstation des Städtischen Krankenhauses. Sie wollen sicher wissen, wie Sie hierherkommen und was passiert ist? Das ist verständlich. Ihr Nachbar unter Ihnen hat die Polizei gerufen. In Ihrer Wohnung würde jemand die gesamte Einrichtung zu Kleinholz verarbeiten. Die Beammten ließen die Tür öffnen und fanden Sie in hilflosem Zustand. Die leeren Valium-Schachteln sprachen ein klares Bild. Der Notarzt wurde gerufen. Anscheinend hatten Sie im Halbrausch, dem Cocktail aus Valium und Alkohol in Ihrer Wohnung randaliert, ehe die Wirkung der Valium-Überdosis Sie ruhiggestellt hat. Wir rechnen mit einer Dosis von mehr als einhunderet Einheiten, eigentlich eine tödliche Dosis, doch Sie wurdem rechtzeitig gefunden. Ihnen wurde eine Kohlelösung verabreicht um die Wirkstoffe der Pdychopharmaka zu neutralisieren. WSir mussten Sie vier Tage im künstlichen Koma halten. Sie bleiben noch zwei Tage hier zur Beobachtung, dann überstellen wir Sie in die Psychiatrie. Das ist der normale Ablauf bei Suizidpatienten". Suizidpatient-so langsam kamen meine Erinnerungen zurück. Richtig-ich wollte nicht mehr leben, mein Leben war trostlos und auswegslos. Ich hatte eine Überdosis genommen und nur durch einen Zufall wurde ich entdeckt-ein Zufall, der mein Leben rettete oder sollte ich eher sagen, zum Weiterleben verdammte? Wenn ich so überlegte, eher das letztere.

*

Zwei Tage vergingen, zwei Tage, in denen ich tatenlos im Krankenhausbett verbrachte, umgeben von Maschinen mit hell erleuchteten Displays, Monitoren und Bildschirmen, die akribisch genau jeden Herzschlag, jede Atembewegung, alles, was ich tat und machte, anzeigten und aufzeichneten. Es waren aber auch zwei Tage ohne meinen geliebten Freund, den Wodka. Ich zitterte, hatte Schweißausbrüche, ließ es mir aber nicht anmerken. Ich wolte nur eines, ich wollte raus hier. Und hätte ich Anlass gegeben, festzustellen, dass ich auf Entzug war,eine längere Verweildauer, sei es hier in der Klinik oder der Drogenentzugsstation, wäre unumgänglich gewesen.

Endlich, die zwei Tage vergingen. mein Zittern wurde weniger. Schweißausbrüche bemerkte ich keine, zumindest weniger. Ichb hatte mich an den Entzug gewöhnt, sehnte mich aber edennoch nach einem Schluck aus der Flasche.
Dann kamen sie. Sie waren zu dritt, der Stationsarzt begleitet von zwei grobschlächtigen Männern, die in jedem Animierclub hätten als Türsteher anfangen können. Der Arzt befreite mich endlich von den Sensoren, schaltete die Monitore ab. "So", eröffnete er mir. "Von uns aus sind Sie entlassen. Wir haben Ihr Leben gerettet, Sie stabilisiert. Mehr müssen wir nicht für Sie tun. Sie weren nun in die Psychiatrie überstellt, das normale Prozedere bei Suizidkandidaten. Die beiden Pfleger werden Sie begleiten.

*

Psyciatrie. Das Wort hämmerte in meinem Kopf. Was sollte ich hier? Ich bin nicht verrückt, gut, ich hatte versucht, mich umzubringen, wollte meinem Leben ein Ende setzen. Mein Leben, über das ich mir die Freiheit nahm, selbst, aus eigenen freien Stücken zu entscheiden, ob ich es beenden oder weiterführen wollte. Und es war meine eigene, freie Entscheidung, darüber zu entscheiden, es beenden zu wollen. Doch dafür in die Psychiatrie zu müssen, das wollte mir nicht in den Sinn. Doch alle Argumente zählten nicht. Von keinen Worten war mein Gegenüber zu überzeugen. Die beiden Kleiderschränke links und rechts von mir nahmen mich mit zum bereitstehenden Fahrzeug, das mich die wenigen Kilometer zur Psychiatrie bringen sollte.

*

Schon die Eingangshalle hatte für mich etwas bedrohendes, ungemütliches. Die Wände schienen mich zu erdrücken, die Atmosphäre nahm mir die Luft. Ich glaubte,ein Lachen zu hören, ein erschrckendes, diabolisches Lachen, das mir sagen wollte "Jetzt haben wir dich. Hier bleibst du, hier kommst du nie mehr raus. Ich rang um Atem, glaubte, der Schweiß beach mir in Strömen aus. Ich glaubte mich alleine, von der Welt verlassen. Stumm stand ich neben meinen Begleitern, die den Charme von Gefämgniswärtern versprühten. Gerne wäre ich einfach aufgestanden und hinausgegangen, alles vergessend, verdrängend. Doch war ich mir sicher, so einfach wäre das nicht gewesen. Meine Begleiter hätten garantiert nichts unversucht gelassen, mich wieder hierher zu bringen.
Lange Zeit standen wir so da, schweigend nebeneinander, der eine een anderen beobachtend. Endlich öffnete sich die Tür; eine nicht unattrakktive Mittzwanzigerin kam auf uns zu. "So", begann sie, "Dr. King hat nun Zeit für sie. Folgen Sie mir bitte. Unter normalen Umständen wäre ich dieser Aufforderung liebend gerne nachgekommen, hier jedoch hatte ich das Gefühl, direkt in die Verdammnis geführt zu werden.
Dr. King, der Oberarzt der Klinik, saß hinter seinem Schreibtisch. Er musste Ende derv fünfzig sein, Halbglatze und Brille. "Setzen Sie sich", lud er mich ein, "danke, meine Herren. Sie können gehen, ab jrtzt haben wir die Verantwortung für den Patienten". Patient. Das Wort ließ mich erschaudern. Es war snscheinend schon entschieden. Ich weürde länger hierbleiben müssen. "Herr Doktor", richtete ich das Wort an ihn, "ich kann hier nicht leiben. Lassen Sie mich gehen, von mir aus unter Auflagen. Aber ich will hier nicht bleiben". "King sah mich mit bohrendem Blick an. "Raus wollen Sie? Das zu Ende bringen, was diesmal nicht geklappt hat? Sie sind hier als Suizid-Patient. Sie haben versucht, sich das Leben zu nehmen. Sie sind äußerst gefährdet. Wir sind dazu da, Sie zu schützen. Vor sich selbst. Sie sind nicht freiwillig hier, sondern wurden eingewiesen. Daher bleiben Sie zunächst einmal bei uns. Wir haben das Recht, Sie drei Tage zur Beobachtung hier zu behalten. Danach muss ein Richter die weitere Unterbringung in der Psychiatrie anordnen, sofern keine Entlassungsgründe vorliegen. Die drei Tage bleiben Sie hier. Dann sehen wir weiter. Sie kommen auf die geschlossene Station. Man wird Sie gleich abholen. Solange warten Sie hier". Ich merkte schon, King war nicht der Mann, der Einwände oder Widersprüche zulässt. Sein Wort war hier Gesetz. Es blieb mit also vorerst nichts übrig als zu warten.

Nach enflosem Warten, zumindest kam es mir so vor, klopfte es an der Tür, zwei Männer, überraschenderweise in Zivil tratenherein. Nach kurzem Gespräch mit King baten Sie mich, mitzukommen. Nur wenige Meter von Kings Büro entfernt befand sich die geschlossene Station. Nach Betreten der Station schloss sich die Tür hinter mir und wurde sofort verriegelt. Ich merkte, ich saß in der Falle.

*

Zunächst musste ich im Stationszimmer das Aufnahme-Prozedere über mich ergehen lassen, ehe ich ein Zimmer zugewiesen bekam. Das Zimmer war bereits belegt, drei von den vier Beten waren bezogen, was mich zu der Erkenntnis kommenn ließ, zumindest nicht alleine im Zimmer den Tag verbringen zu müssen, sondern mit drei weiteren Leidensgenossen.
Mein Bett wurde bezogen und man ließ mich alleine. Die Stunden vergingen, niemand kam. Keiner meiner drei Mitbewohner, kein Arzt, kein Pflegepersonal. Endlich, nach Stunden, öffnete sich die Tür, drei Männer traten schweigend ein, es konnte sich nur um meine drei Leidensgenossen handeln. Ich versuchte, mich vorzustellen, jedoch nahm keiner der drei Notiz von mir. Es war, als wäre ich KLuft für die drei, die anscheinend bis zum Stehkragen vollgepumpt mit Medikamenten waren. Ich beschloss, etwas zu schlafen, wurde jedoch schon nach kurzer Zeit wachgerüttelt. "Aufstehen, Zeit für die Medikamente", hörte ich, noch leicht schlaftrunken, eine männliche Person, wahrscheinlich einen Pfleger, sagen. Ich wolte keine Medikamente nehmen, lehnte dies gegenäüber dem Pfleger strikt ab. So ruhiggestellt wie meine drei Mitbewohner, den gsnzen Tag unter Einwirkung von Beruhigungsmitteln, das konnte ich mir nicht feststellen. "Doch", korrigierte er mich. "Sie müssen. Zu Ihrer eigenen Gesundheit. Sie haben so viele Benzodiazepine genommen, dass wir eine Abhängigkeit annehmen müssen. Wir müssen Sie in Zusammenarbeit mit der Drogenstation herabdosieren. Benzos sind gefährlich, ein kalter Entzug könnte schwerwiegende Folgen haben. Wir beginnen mit 5 Valium. Jeden Tag wird die Dosis halbiert, jeden Vierten Tag erhalten Sie die Dosis des Vortags. Nach einer Woche sind Sie auf Null". Nach einer Woche. Das klang so, als ob über mein Verbleiben hier schon entschieden wurde. Ich musste hier raus. Koste es, was es wolle.
Ich nahm meine Tabletten. Eine Wirkung spürte ich nicht. Zu sehr hatte ich mich an die Medikamente gewöhnt. Doch was kam danach? Würde ich andere Medikamente bekommen? Aponal oder Remergil, um micht ruhig zu stellen? Um den ganzen Tag im Tran zu verbringen. Ich musste handeln, solange ich noch Herr meiner Sinne war.

Harald-er müsste mir helfen. Er war mein Anwalt. Er würde einen Weg wissen. Glücklicherweise hatte ich meine beiden Handies behalten dürfen. Und Haralds Privatnummer hatte ichb gespeichert.
Harald war nicht wenig erstaunt, von mir zu hören. "Na endlich, sag mal, wo steckst du eigentlich. Seit Tagen versuche ich, dich zu erreichen. Handy ist aus, am Festnetzt meldet sich die Mailbox". Harald ließ mich nicht zu Wort kommen. "Ich habe gute Nachrichten. Ich habe die Klage gewonnen. Ihr könnt heiraten, dieb Papiere musst du schon im Briefkasten haben. Die Ausweisung wird für ein Jahr zurückgenommen". Nachdem Harald geendet hatte, erklärte ich ihm:"Danke, Kumpel, aber es ist zu spät. Loretta hat das Land verlassen. Ich bin in der Psychiatrie, Selbstmordversuch. Mir ist die ganze Situation über den Kopf gewachsen. Kannst du mich hier rausholen?" "Mist", entfuhr es Harald. "Kann man dich nicht eine Minute alleine lassen. Nein, ich hole dich dort nicht raus. Bleibe ein paar Tage, komme zur Besinnung. Sofern die Klinik ein Urteil erwirkt über längeren Verbleib, lasse ich das prüfen. Aber erstmal bleibst du dort."
Ich merkte, von nun an war ich auf mich allein gestellt.

*

Die erste Nacht war grauenhaft. Ich bekam kein Auge zu. Sobald es dunkel wird, scheint man in der Psychiatrie aufzuwachen. Ein Geheul und Gejammere, der Flur wurde als Rennbahn benutzt. Ich wusste, würde ich hier längere Zeit bleiben müssen, ich würde unweigerlich selbst verrückt werden. Ich musste hier raus. Und plötzlich kam mir die Idee.

Ich hatte meine beiden Handies dabei. Die Rufnummern waren gespeichert als Dieter 1 und Dioeter 2. Dieter 2 wurde nun umbenannt in Loretta. Ich merkte aber, ich müsse mich beeilen. Der Akkuzustand beider Handies war besorgniserregend, ein Ladegerät hatte ich nicht dabei. Nunnkam es darauf an, dass beide Handies noch einige Minuten funktionierten. Auf dem umbenannten Handy schrieb ich eine Nachricht und sandte sie an Dieter 1. Es klappte. Kurz bevor der Akku von Handy 2 den Geist aufgab, konnte ich noch senden. "Hallo, Dieter", stand auf dem Display, "wo bist du? Ich suche dich überall. Unsere Hochzeit steht bevor und du bist unauffindbar. Bitte melde dich. Ich liebe dich. Loretta."

Als King am frühen Morgen die Klinik betrat, bat ich um einen Termin, zeigte ihm die gefälschte SMS. Ich hoffte, er würde sie für echt halten und reagieren, wie es in meinem Sinn stand. Würde er den Schwindel aufdecken, hieß das im Gegenteil unweigerlich 6 Monate Psychiatrie. King blickte mich fragend an. "Sie wollen heiraten? Können Sie das beiweisen?" "Ja" antwortete ich, hoffend, das Schreiben des Standesamts, das mir Harald angekündigt hat, im Briefkasten zu finden. "Gut", beendete King das Gespräch. "Ich schicke Sie mit Begleitung nach Hause. Sie bringen mir Ihre Beweise. Wenn es stimmt und Sie mir einwandfrei einen Eheschließungstermin nachweisen können, dann lasse ich Sie übermorgen, wenn auch mit Bedenken, gehen. Sobald Uhr Begleiter Zeit hat, lasse ich Sie rufen". Erleichtert verließ ich Kings Büro. Mein Plan schien zu funktionieren. Nun liegt es nur noch an der Schnelligkeit des Standesamtes.

*

Zwei lange Stunden musste ich warten. Es schien, als würde die Zeit stillstehen. Es wurde mir immer klarer, wenn diese Aktion scheitert, wenn vom Standesamt kein Schreiben im Briefkasten wäre, die Folgen wären mit Sicherheit fatal.
Endlich wurde ich abgeholt. Erneut war es einer dieser wandelnden Kleiderschränke, mit denen ich nicht unbedingt einen Streit vom Zaun brechen wollte. Endlich waren wir am Ziel. Sofort steuerte ich auf den schon überquellenden Briefkasten zu. Inmitten eines Wusts von Werbung, Rechnungen und Mahnungen wurde ich fündig. Ein Schreiben vom Standesamt. Mit zitternden Fingern öffnete ich den Umschlag. Er enthielt, was ich suchte. Die Anberaumung unseres Eheschließungstermins. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Der Kleiderschrank gestattete mir sogar noch, hochzugehen in die Wohnung. Ich brauchte etwas persönliche Wäsche und vor allem das Handy-Ladegerät. In der Wohnung traf mich der Schlag. Ich musste gewütet haben wie ein Berserker. Klar, dass unter mir alles auf mich aufmerksam wurde. Klar, dass man die Polizei gerufen hatte, musste man doch annehmen, dass bei mir etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
Nachdem ich alles nötige zusammengeklaubt hatte, machten wir uns auf den Weg zurück in die Psychiatrie, eine Hoffnung reicher, diesen Ort bald verlassen zu dürfen.

King zeigte sich verständnisvoll. "Gut", meinte er. "Ich will Ihrer Eheschließung nicht im Wege stehen. Morgen können Sie nach Hause gehen". Erleichtert verließ ich das Büro des Chefarztes.

*

Mein erster Weg führte mich zu Romina. Außer ihr und Sonja befand sich niemand in der Wohnung. Haarklein berichtete ich ihr, was vorgefallen war. Plötzlich läutute mein Handy. Die Nummer hatten nicht viele, nur Romina und die Mädels. Miriam konnte es nicht sein, während der Entgifzung ist Kontaktsperre nach außen. Also könnte es eigentlich nur...aber das war unmöglich. Oder doch? Loretta? Nervös kramte ich das Mobiltelefon heraus und meldete mich, gespannt, wer sich am anderen Ende der Verbindung befand. "Hallo, Dieter", hörte ich eine mir nur allzu vertraute Stimme. Tatsächlich, es war Loretta. "Ich muss schnell machen. Dumitru schläft gerade. Er hat mich nach Spanien geschleppt, Toledo. Es ist schlimmer als bisher. Er zwingt mich wieder, auf den Strich zu gehen. Ich werde sogar geschlagen. Bitte, hol mich hier raus". "Loretta, ich mache alles, was ich tun kann. In den nächsten zwei Stunden fahre ich hier los. Wir haben den Prozess gewonnen. Du kannst wieder nach Deutschland einreisen. Wir müssen nur ihn loswerden. Ich habe unterwegs Zeit zum Überlegen. Wohin in Toledo soll ich kommen?" "Das sage ich dir, wenn du da bist. Bitte beeile dich". Die Verbindung brach ab. "Romina", wandte ich mich der Zuhälterin, und nichts anderes war sie, zu, "Ich habe Kontakt zu Loretta. Sie und Dumitru sind in Spanien, in Toledo. Sie will, dass ich sie abhole. Ich brauche einen Mietwagen. Meiner schafft es nicht mehr, so, wie ich ihn treten muss". "Du spinnst", giftete Romina mich an. "Was glaubst du, machen Dumitru und Florin mit dir, wenn sie davon Wind bekommen? Und in Spanien hilft dir keiner." "Ist mir egal. Ich hole Loretta dort raus. Wir beide haben einen Termin, d3en ich ungern verpassen möchte". Mit zwei schnellen Schritten verließ ich die Wohnung. Nach zwei Telefonaten hatte ich bei einer Autovermietung Glück. Man reservierte mir einen Golf TDI, genau das richtige für mein Vorhaben. Klein und schnell, aber doch unauffällig. Und vor allem trug er ein Hamburger Kennzeichen. Bei einem Karlsruher Nummernschild wäre die Entdeckungsgefahr zu groß gewesen. Ich durfte keine Zweit verlieren. Außer zum Einkauf zweier Straßenkarten, einer Flasche Cola sowie einer Tüte Chips reichte die Zweit nicht. Wie geplant war ich nach knapp zwei Stunden Vorbereizungszeit auf der Autobahn.
Sehr weit kam ich voerst nicht. An der nahgelegenen Grenze zu Frankreich, die eigentlich offen sein sollte, wurde verstärkt kontrolliert, auf beiden Seiten. Zwar wurde die Kontrolle schnell passiert, aber eine Stunde Zeitverlust musste ich in Kauf nehmen. Endlich konnte ich frei fahren. Der Golf bekam die Sporen, ich holte alles heraus, was er hergeben konnte. Urplötzlich läutete das Handy:"Dieter, bist du auf dem Weg?" Es war ;Loretta. "Ja, ich bin schon in Frankreich". "Danke", freute sie sich. "Bitte rufe du mich nicht an. Es wäre zu gefährlich, wenn Dumitru davon Wind bekommt. Ich rufe dich an, immer, wenn ich kann". Natürlich war ich einverstanden. Immer noch raste ich über die nächtlichen frantösischen Autobahnen in Richtung Paris, nur unterbrochen von zwei Tankstops.
Erneut läutete das Handy. Es sollte ein Anruf werden, der eine sehr schnelle Wende herbeiführen solte. "Loretta?", meldete ich mich erfreut. "Nein, Dumitru", hörte ich die Stimme des Zuhälters aus der Freisprechanlage. "Du Drecksack. Ihr wolltet mich hintergehen. Loretta war so blöd, deine Numer nicht zu löschen. Florin kümmert sich gerade um sie. Willstb du zuhören? Dumitru wechselte das Zimmer. Es war schrecklich, was ich über das Handy hören musste. Schreie erfüllt von Schmerz und Schrecken. Es war Lorettas Stimme. AQnscheinend war Florin gerade dabei, Loretta zu vergewaltigen. Ich war machtlos. Trenntren uns doch noch viele hunderte Kilometer. Und selbst, wenn ich schon in Spanien, sogar in Toledo gewesen wäre, ich wusste nicht, wohin ich sollte. Loretta wollte mich lotsen, wenn ich angekommen wäre. Ich versuchte, Dumitru zu drohen. Er lachte nur. "Hör zu", drohte er mir, "wenn Florin mit der Kleinen fertig ist, und ihre Wunden verheilt sind, wird sie wieder auf den Strich gehen. Für mich. In Spanien. Du wirst sie nicht finden. Und selbst, wenn du uns in Spanien finden solltest, Florin wird ab jetzt immer in ihrer Nähe sein. Wenn du ihr zu nahe kommst, wird er erst sie, dann dich umbringen. An Loretta bin ich nicht interessiert. Sie ist nur eine von vielen Huren. Aber weil du mich zusammen mit Loretta hintergehen wolltest, hast du meinen Stolz gekränkt. Niemand hintergeht mich, klar. Wer weiß, vielleicht verkaufe ich sie dir in ein paar Jahren, wenn sie für mich nutzlos geworden ist. Ich brauche keinen Klotz am Bein". Die verbindung brach ab. Sofort wählte ich Lorettas Nummer erneut, doch das Handy war aus. Es sollte nie mehr eingeschaltet werden. Ich wusste, wir hatten veroren. Loretta und ich. Es würde keine gemeinsame Zukunft für uns geben. Entmutigt wendete ich den Wagen und lenkte ihn zurück Richtung Grenze.

Kapitel 6

"Das hätte ich dir gleich sagen können", giftete Romina mich an. "Du bist doch nicht gant helle. Fährt der Herr einfach Richtung Spanien und denkt, dort seine Angebetete auf einem Silbertablett serviert zu bekommen. Aber jetzt weisst du endlich, dass mit rumänischen Zuhältern nicht zu spassen ist. Was solls. GTehe erst mal heim und schlaf dich aus. In drei Tagen kommt ein neues Mädchen. Italienerin. Ich ruf dich an. Wir machen dann wieder Hausbesuche. Mit zwei Mädchen geht das. Und tu mir einen Gefallen. Bau keinen Mist. Wenn du eine Frau willst, dann besorge ich dir eine. Klar?" Ich wusste, Romina widerspricht man nicht. Grußlos verließ ich die Wohnung.

Drei Tage später, endlich hatte ich mich einmal richtig ausgeschlafen, läutete das Handy. Auf Loretta zu hoffen, hatte ich mir schon abgewöhnt. Sie hatte ich wahrscheinlich für immer verloren. Es war Romina, die anrief. "Dieter, komm sofort her. Ich sage dir nur ein3es:z-u-c-k-e-r-s-ü-ß." Die verbindung wurde wioe so oft durch Romina, grußlos abgebrochen. Ich wusste, bei Rominas Anruf handelte es sich um keinen Wunsch, sondern um einen Befehl. Keine fünf Minuten später stand ich in der Wohnung. Und da saß sie: Langes schwarzes Haar, südländischer Typ, leicht gebräunte Haut und Augen, tief wie Seemn, tief genug, darin zu ertrinken. Die dezent geschminkten Lippen lächelten mich an. Vielleicht war ihr Typ etwas zu sehr zigeunerhaft, aber das war, wenn überhaupt, der einzige Makel. "Dieter, das ist Carmen", stellte Romina vor, sie wird ab heute hier arbeiten". Ich war sprachlos. Noch selten hatte ich eine so perfekte Schönheit gesehen. Und sie saß mir gegenüberb und lächelte mich an. Ich schaffte es nicht, meine Augwn von ihr zu lassen, hzoffend, meine Augen wären meine Hände. Ich war nicht fähig, auch nurb ein Wort zu sprechen. Ich hätte bemerken müssen, dass die Italienerin mit Romina rumänisch sprach, doch ich bemerkte es nicht.
Nach ewig langer Warte-und Schweigezeit schaffte ich es doch endlich, zumindest ein ´Hallo`herauszubekommen. Carmen lächelte mich weiter nur an, einige Zeit saßen wir uns wortlos gegenüber, bis Carmen die Initiative ergriff. Sie stand auf-jede ihrer Bewegungen war geballte Erotik-setzte sich auf meinen Schoß und legte ihren Arm um mich. Der Duft ihres glänzend schwarzen Haares erfreute meine Nase, ich bwephrte ihre samtweiche Haut. Carmen war der erotische Wahnsinn auf zwei Beinen. "Hallo, Dieter, schön ich kennenzulernen", begrüßte sie mich. "Ich habe schon viel von dir gehört". Ich war fasziniert von dieser Frau, völlig hingerissen. "Dieter", wandte sich Romina mir zu, "ich habe eine Überraschung für dich. Carmen kann hier nicht wohnen, da schon Soja hier ist. Zu mir kann sie auch nicht, ich habe bereits Besuch. Sie wird eine Zeitlang bei dir wohnen. Aber ich weiß, wie es bei dir im Moment aussieht. Du gehst jetzt zu dir nach Hause, beseitigst die Spuren deines nächtlichen Aussetzers und machst klar Schiff. Dann holst du Carmen ab. Sie wird erst morgen anfangen zu arbeiten". Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen. Carmen, diese Traumfrau sollte bei mir einziehen. "Aufräumen, klar, nstürlich" stotterte ich. Beim Verlassen der Wohnung lächelten Carmen und ich uns zu.

Meine Wohnung bot wirklich ein grausames Bild. Nichts war mehr an seinem Platz. CDs, Kleider, alles lag irgendwie auf mehreren großen Haufen, ich wusste, es würde viele lange Stunden dauern, bis es hier wieder einigermaßen wohnlich ist. Doch ich wusste, was die Belohnung für die Mühen sein würde, die ich mir auflade-Carmen, die Traumfrau würde bei mir einziehen.

*

Stunden später meldete ich Romina klar Schiff. "Das glaubst du doch selbst nicht", misstraute sie mir, "aber gut. Du nimmst jetzt Carmens Gepäck und fährst es zu dir. Sie kommt gleich mit. Was noch zu machen ist, wird sie dir sagen". Wie mir gehwißen, trug ich Carmens Koffer inmeinen Wagen, sie folgte mir. In meiner Verblendung ahnte ich nicht im geringsten, wen ich mir ins Haus holen würde.

*

Carmen war entsetzt. Was ich für sauber und ordentlich gehalten hatte, schien für sie das reinste Chaos zu sein. "Was soll das hier? Wie sieht das hier aus?", giftete sie mich an. "Hier soll ich wohnen? Soll ich hier etwa putzen? Ich sage dir, was zu tun ist und du machst das dann. Wenn hier sauber ist, dann bleibe ich. Ergeben fügte ich mich in mein Schicksal, wollte ihr aber zunächst das Schlafzimmer zeigen, das ich ihr allein überlassen wollte. Für meinen Teil wollte ich mich zunächst auf die Schlafcouch zurückziehen. "Hier fängst du an", befahl Carmen mir. "Wenn ich hier schlafen soll, musst du vorher Staub wischen, Fenster putzen, saugen. Und räume einen Schrank leer. Ich muss meine Kleider irgendwo hinhängen können. Lange Stunden später entsprach das Schlafzimmer Carmens Vorstellungen. "Und so", ordnete sie an, machst du in den nächsten Tagen jedes Zimmer. Ich will kein Stäubchen mehr auf dem Boden oder sonstwo sehen". Ich garantierte Carmen, ihre Wünsche zu erfüllen.

In den nächsten Tagen wurde ich zu Wachs in Carmens Händen. Jeder Wunsch, den die bezaubernde Italienerinn äußerte, wurde von mirv sofort erfüllt. Die Wohnung sah aus, wie aus dem Ei gepellt. Täglich wischte ich Staub, täglich war der Sauger im Einsatz. Im Bad wimmelte es von frischen Fläschchen und Flacons, Kosmetikartikel Carmens, die ich genau nach ihren Wünschen eingekauft hatte. Es war für mich selbstverständlich, noch immer meine Nächte auf der Schlafcouch zu verbringen, Carmen das große Schlafzimmer alleine zu überlassen. Insgeheim hoffte ich jeden Abend, sie würde diesen Zustand von sich aus beenden, bedrängen wollte ich sie nicht. Doch es war jeden Abend das selbe. Carmen verabschiedete sich ins Schlafzimmer und ich durfte erneut mit der Schlafcouch Vorlieb nehmen. Jeden Morgen begrüßte ich sie mit Frühstück ans Bett, jeden Morgen lag eine frische Rose, täglich eine andere Farbe, auf dem Tablett. Jeden Morgen dankte Carmen es mirb mit einem Lächeln, ein Lächeln, das mich hoffen ließ, endlich am Abend von ihr ins Schlafzimmer eingeladen zu weden. Doch wie so jeden Abend wurde ich enttäuscht, jede Nacht durfte ich allein verbringen. Die Schlafcouch war mein nächtliches Zuhause geworden.

*

"Dieter", umgarnte Carmen mich nach dem Frühstück, "hast du etwas dagegen, wenn mich ab und zu Freundinnen besuchen und für ein paar Tage bleiben? Platz haben wir ja genügend".Erfreut stimmte ich zu, spielte auch etwas mit dem Hintergedanken, es zu schaffemn, dass die jeweilige Freundin die Schlafcouch zugewiesen bekommt und ich endlich den Platz einnehmen könnte, derb mir meiner Meinung nach zusteht. Doch oftmals läuft eine Sache eben nicht so, wie man es sich vorstellt. Es begann ein ständiges Kommen und Gehen. Carmens Logiergäste wechselten so schnell, wie ich pflege, mein Hemd zu wechseln. Länger als zwei Tage war kein Mädchen bei uns. Immer wurden sie abgeholt. Immer von derselben Person. Einn Mann, Mitte dreißig mit ständigem Dreitagebart. Irgendwie erinnerte er mich fatal an Florin, den Gorilla Dumitrus. Auch wechselten die Mädchen und Carmen recht selten einge Worte, bei manchen schien es sogar den Anschein zu erecken, sie hätten Angst vor ihr. Undv wenn geredet wurde, war es stets so, dass Carmen der dominante Teil der Unterhaltung war. Mir hätte etwas auffallen müssen, aber ich verdrämgte es. Vieles hätte mir auffallen müssen. Aber in meiner verblebdeten Verliebtheit verdrängte ich es.

*

"Liebling, setzt dich zun mir" forderte Carmen mich eines Tages auf, als ich ihr wieder einmal das Frühstück ans Bett brachte. Liebling hatte sie mich noch nie genannt. Sollte ich nun etwa endlich am Ziel meiner Träume sein? Würde sie mich endlich auffordern, die Nacht bei ihr, mit ihr im selben Bett zu verbringen? Oder wollte sie etwa gleich, dass wirb übereinander herfallen, uns gegenseitig die Kleider vom Leib reißen und unserer Lust freien Lauf lassen? Gespannt, mit einigem Bauchkribbeln sezuze ich mich neben sie. "Liebling", begann sie, währebd sie ein Croissant in den Kaffee tunkte und genussvoll ein Stück davon abbiss, "ich habe eine Bitte an dich. Auf meinem Haus in Italien lastet eine Hypothek von zehntausend Euro. Das Haus soll jetzt versteigert werden, das will ich nicht. Gibst du mir das Geld?" Verführerisch lächelte Carmen mich an, mit einem Augaufschlag, der Carmens ganze erotische Ausstrahlung nur noch verstärkte.

Zehntausend Euro. Ein Unding. Wo um alles in der Welt sollte ich einmal so eben zehntausend Euro locker machen. Mein Dispo würde noch einmal zweitausend hergeben, mehr nicht. Fehlen immer noch achttausend. Achttausend haben und nichthaben. Ich wusste nicht, ob die Verzweiflung in ihren Augen in diesem Moment gespielt war oder echt. Nur eines wusste ich: Ichb hatte mich in Carmen schon im ersten Augenblick unseres Kennenlernens verliebt und ich wollte ihr helfen, koste es, was es wolle.

*

Es war an der Zeit, meine Bonität zu prüfen. Schlechte Schufa-Einträge hatte ich keine. Das müsste ich wissen. "Achttausend wollen Sie?", fragte mein Gegenüber. Er trug das übliche Banker-Outfit, unauffällioger Anzug, weißes Hemd, Schlips und die obligatorische Rundbrille. Im Bankenbereich müssen Sehfehler wohl eine weit verbreitete Berufskrankheit sein; in der Kreditabteilung meiner Hausbank sah ich zum momentanen Zeiztpunkt jedenfalls keinen Mitarbeiter ohzne Sehhilfe. "Ja, wenn es meine Bonität noch hergibt. Ich möchte demnächst heiraten, dafür brauche ich das Geld. Und zuvor fliegen noch einige Möbel raus. Meine Zukünftige hat ihre eigenen Vorstellungen, wie unsere Wohnung auszusehen hat", log ich ihm vor. Schmunzelnd meinte er: "Zunächst einmal meinen herzlichen Glückwunsch. Ja, die Frauen, das kenne ich auch. Als meine Lebensgefährtin zu mir zog, hat sie auch erst einmal die ganze Wohnung umgekremprelt. Wir sind also Leidensgenosssen. Aber was wären wir ohne die holde Weiblichkeit? Nichts". Zustimmend nickte ich ihm zu. "Gut", meinte er "ich werde sehen, ob ich die achttausend locker machen kann". Mit diesen Worten stand er auf und ging in das Büro des Abteilungsleiters. Zähflüssig wie Sirup floss die Wartezeit auf der Uhr. Nach Stundenlangem Bangen, zumindest kam es mir so vor, real vergingen höchstens dreißig Minuten, öffnet3e sicdh diev Tür, der Sachbearbeiter kam mit einem Läfcheln heraus und setzte sich mir gegenüber. "Sie haben die achttausend. Und zwar zu den besprochenen KOnditionen". Erleichtert fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich würde Carmen einen sehr großen Gefallen erweisen können.

*

Als ich aufschließen wollte, fand ich die Wohnungsrür verschlossen vor. Auf dem Tisch lag ein Zettel:"Dieter, ich bin arbeiten. Carmen". Sie war also bei Romina. "Eigentlich keine schlechte Idee", dachte ich. In letzter Zeit hatte ich RRomina und ihr Etablissement schmählich vernachlässigt, Zeit wieder einmal vorbeizuschauen. "Schau an, wer sich da wieder einmal blicken lässt", begrusste Romina mich schnippisch. "Ich dachte schon, der Herr ist sich zu fein für den Puff geworden. Oder kommst du nur wegen deiner Herzallerliebsten und gar nicht wegen mir?" Romina versuchte die Andeutung eines Schmollmundes, was ihr aber nicht so ganz gelingen wollte. "Carmen isgt auf dem Zimmer. Seit sie da ist, läuft der Laden wieder. Nicht sooo gut wie mit Miriam und der Kleinen, aber das kommt noch. Aber gut, dass du da bist. Ich will mir im Industriegebiet wtwas anschauen. Wahrscheinlich ziehen wirb um. Hau ab und hol den Wagen. Zeit ist Geld". So kannte ich Romina. Anordnungen treffen, war ihr nicht fremd. Auch diese plötzlichen Entschlüsse, das war typisch Romina. Einen gutgehenden Laden aufgeben für eine Idee, hopp oder topp. Romina würde sich nie ändern.

*

Knapp eine Stunde später stoppte ich den Mondeo vor der angegebenen Adresse. Es schien als würden wir erwartet. Mit ausgestreckter Hand steuerte der vor einem heruntergekommenen Haus wartende Mann, anscheinen Türke, schätzungsweise Mitte vierzig auf uns, vielmehr auf Romina zu. "Hallo, Romina", seine Gestik überschlug sich fast vor SWchleimigkeit, "schön, dass du da bist. Hier ist das Anwesen". Objektiv betrachtet handelte es sich um kein "Anwesen", es war einfach eine heruntergekommene Bruchbude am hinteren Rand eines Industriegebiets. Es war fraglich, ob sich hier wie man so schön sagt, Fuchsv und Hase gute Nacht sagen, da bestimmt nicht einmal diese beiden sich hzierher verirren würden. Kemal, so wurde mir der Türke von Romina vorgestellt, schleimte weiter. "Es sieht von außen etwas unscheinbar aus, aber warte nur, bis du es von inneg gesehen hast. Genau auf deine Bedürfnisse abgesteimmt. Komm herein". Übertrieben gestikulierend forderte Kemal Romina auf, einzutreten. Uns empfimng ein Desaster. Eine Messi-Wohnung war aufgeräumt dagegen. Das, was in einer Wohnung eigentlich Zimmer hätten sein sollen, sie waren, Müllhalden gleich, vollgestopt mit Krempel, Gerümpel, Unrat und Müll. Und der Müll war es, der dieser Bruchbude seine eigen, eigentümliche Geruchsnote verlieh. Kurz gesagt, es stank. Es stank so sehr, dass sich mir fast der Magen imdrehte. Doch ich war nicht alleun. Auch bei Romina erkannte ich den starken Willen, diesen Ort so schnell wieder zu verlassen. Doch Kemal, an den Gestank wahrscheinlich schon gewöhnt, nötigte uns dazu, hierzubleiben, die gesamte obskure Wohnungsbesichtigung bis zum Ende mitzumachen. Insgesamt führte er uns durch drei Zimmer, eines im gleichen desolaten Zustand wie die anderen. Hier würden LKWs benötigt werden, das ganze Gerümpel wegzukarren. Der Raum, den er als Küche bezeichnete, hatte sicher auch schon seit Jahren keinerlei Benutzung im Rahmen seiner Bestimmung erlebt. Das Bad und die Zoiletten, sie lebten. Silberfischchen, Weberkrechte, Schaben, sie bevölkerten beide Räume in Massen. Ich sah Romina nur an und wusste, sie war am Rande der Hysterie. "Kemal", brüllte sie ihn an, "warum stiehlst du meine Zeit? Warum zeigst du mir diese Bruchbude. Du weisst, was ich vorhabe. Ich will hier einen Puff eröffnen. Den edelsten und exklusivsten der Stadt. Und was du mir hier zeigst, ist eine Ruine. Abgerissen gehört so etwas und als Sondermüll entsorgt. W"ie sollen sich hier die Mädchen wohlfühlen? Und die Gäste? Das Ambiente muss stimmen, denn nur zufriedene Gäste kommen wieder. Du siehst doch, wie das hier aussieht. Alles vermüllt. Die Tapeten hängen von den Wänden. Von Kücke, Toilette und Bad ganz zu schweigen. Sag mal, willst du dich über mich lustig machen?" "Kemal, erschrocken zurückgewichen vor Rominas Wutausbruch, gewann langsam seine Fassung wieder. "Romina", schleimte er, "lass mich nur machen. Morgen rücken meine Leute an und bringen diese Kleinigkeit in Ordnung. In vier Wochen kannst du hier einziehen. Versprochen". Das wollen wir mal sehen", argwöhnte Romina und ließ Kemal grußlos stehen. Wir stiegen inden Mondeo und ließen Kemal zurück.

*

Am Abend holte ich Carmen bei Romina ab. "Ich habe zu Hause eine gute Nachricht für dich", machte ich sie schon auf dem Weg neugierig. Carmen drängte, es ihr gleich zu sagen, doch ich blieb stur. Keine Information, bis wir zu Hause am Tisch sitzen. Dabei beließ ich es.

Ich machte es spannend. So schnell wollte ich nicht mit der Sprache rausrücken. Doch irgendwie schien es mir, Carmen wusste schon, oder ahnte es zumindest, was ich ihr sagen wollte. Die knisternde Spannung, die in solch einem Augenb,lick die Luft fast zum Platzen brachte, sie fehlte.
Doch nun sollte sie eds erfahren. Wortlos legte ich einen prall gefüllten Umschlag auf den Tisch. Carmen sah mich nur an. "Nimm ihn und öffne ihn", forderte ich Carmen auf. Zögerlich griff Carmen nach dem Umschlag und öffnete ihn. Ich sah das Glitzern in ihren Augen. "Was ist das?", fragte sie. "Die Lösung deiner Probleme", antwortete ich. Damit kannst du das Haus retten", "Danke", meinte Carmen nur und steckte das Geld ein.

Noch nie hatte ich mich so sehr verspekuliert. Carmen machte keinerlei Anstalten, mich an diesem Abend ins Schlafzimmer zu bitten. Wie immer zog sie sich alleine zurück, wie immer blieb mir nur die Schlafcouch. Wenn ich Carmen heute nicht bekommen sollte, nach all dem, was ich gerade für sie getan hatte, wann denn dann?

*

Die Nacht verging und ich begrüßte Carmen wie jeden Morgen mit dem Frühstück am Bett und mit frischen Rosen. "Dieter", meinte Carmen, setz dich zu mir. "Ich weiß, du warst gestern enttäuscht. Es ist schön, was du für mich getan hast. Ich danke dir sehr. Aber, was wäre gewesen, hätte ich dich gestern ins Bett geholt? Es würde so aussehen als hättest du mich gekauft. Und nur, weil ich eine Hure bin, heißt das nicht, dass ich mich kaufen lasse. Bei mir muss es sich langsam entwickeln. Lass mir Zeit und ich werde dir sagen, wenn ich bereit bin". Zur Bestätigung hauchte Carmen einen leichten Kuss auf meine Wange.

*

"Dieter", meinte Romina, nachdem ich die Tür des Etablissements hinter mir geschlossen hatte, heute brauche ich dich den ganzen Tag. Und heute abend gebe ich dir einen Spezialauftrag. Einen Auftrag, der dir Spass machen wird".

Wir, vielmehr Romina, hatten viel vor. Zunächst stand eine Kontrolle bei Kemals Bruchbude an. Und, oh, Wunder, er hatte Wort gehalten, wie das emsige Treiben verriet. Eine Schuttmulde stand vor dem Anwesen, diese zeigte sich schon gut gefüllt mit Teilen des Unrats, der aus dem Haus getragen wurde. Zufrieden stieg Romina wieder zu mir in den Mondeo. WSo, wir haben viel vor", trieb sie mich an. "Hier wird in vier Wochen tarsächlich der neue Laden entstehen. Ich muss raus aus der Rheinstraße. Die Miete dort treibt mich in den Ruin. Wir müssen den Laden einrichten. Fahr los in alle Möbelhäuser der Stadt. Und ich habe dir ja gesagt, heute abend bekommst du einen Spezialauftrag. Das wird deine Belohnung für den Stress heute". Erfolglos versuchte ich, genaueres über den Spezialauftrag herauszufinden. Doch wenn Romina einmal für sich beschlossen hatte, zu schweigen, so war sie unmöglich davon abzubringen. So auch heute.

"Sind die verrückt geworden? Dieter, wo schleifst su mich hin?", geiferte Romina herum. "Fünfhundert Euro, nur für ein Bett? Und ich brauche drei davon. Das macht eins fünf. Dann habe ich noch keinen Schrank, keine Teppiche keine Tapeten an der Wand. Und die Küche. Kemal will auch Geld sehen. Ihr treibt mich alle in den Ruin". Romina war kaum zur Ruhe zu bringen. Drei Möbelhäuser hatten wir schon abgegrast. Nirgends waren Einrichtungen zu finden, die Rominas Wünschen entsprachen: edel, dem Verwendungszweck angepasst und dazu noch billig. "Los, raus hier, giftete sie mit hochrotrm Kopf. Fahr mich zum Türken in die Südstadt.
Nach wenigen Minuten kamen wir bei ihm an, den Romina als den "Türken" bezeichnete. Nun, als ich das Geschäftsschild erblickte, verstand ich: "Möbel-Basar. Möbel Second-hand, Entrümpelungen, Haushsaltsauflösungen". Romina schien hier sehr bekannt zu sein. Man begrüßte sie freundlich, fast wie eine alte Freundin. Anscheinend hatte sie dort ihre gesamte Wohnungseinrichtung erstanden. Harun, so hieß der "Türke", kannte die Wünsche seiner Kundin. Nach nicht allzu langer Zeit schien der Abstecher in die Südstadt von Erfolg geprägt. Die Zimmer, der Kontaktraum und die Küche waren vollstaändig eingerichtet. Zu einem Spottpreis gegenüber denen der Möbelhäuser. Wohl Second-hand, doch ich wusste schließlich, wer zu Romina kommt hat eigentlich keine Augen für die Möbel. "Siehst du, Dieter, ich sags doch immer", freute sich Romina, "wer sucht der findet. Jetzt heißt es nur noch warten, in einem Monat sind wir aus der Rheimnstraße draußen und ziehen ins Industriegebiet. Mein großer Wunsch. So, und nun zu deinem Spezialauftrag". Romina griff in ihre Geldbörse und fischte drei braune Scheine hervor. "Hier hast du Geld. Du gehst spionieren. Im Industriegebiet West hat ein neuer Puff aufgemacht. Etwas ganz großes. Nennt sich FKK-Club. Ich will wissen, was das ist. Du gehst rein, mischst dich etwas unters Volk und nimmst dir ein oder zwei Mädchen. Das hast du dir verdient. Morgen will ich deinen Bericht haben. Ach so, der Laden nennt sich Kormoran Island. Los hau ab und schau dich um". Mit diesen Worten verabschiedete sie mich.

*

So etwas hatte ich noch nie gesehen. Als Gast oder Fahren bin ich seit langem im PaySex-Bereich unterwegs gewesen, aber einen solchenn Club gab es noch nie. Ich schätzte die Gesamtfläche auf gut und gern 1000 Quadratmeter und das war nur das Erdgeschoss. ImmObergeschoss sollte es nach der Auskunft der Dame an der Kasse die entsprechenden Zimmer geben. Etwa 20 splitternackte Mädchen verschiedener Nationalitäten tummelten sich an der großen Bar. Etwa ebensoviele Männer waren anwesend, nur mit einem um die Hüften geschwungenen Handtuch bekleidet. Irgendwie kam für mich keine Bordell-Stimmung auf, es kam mir eher vor wie eine große Party. Kein Verstcken der Männer voreinander dass ja keiner den anderen sieht oder erkennt wie in Rominas Etablissement oder den anderen Wohnungen, die ich kannte. Nein, man legte es sogar darauf ab, gesehen zu werden, redete und flirtete mit den Mädchen und immer einmal zwischendurch verließ ein Pärchen den Raum; keine Frage, wohin man verschwand. Ich wusste, hier war gerade die größte Revolution im Gange, die der PaySex jemals erlebte. Und ich konnte daran teilnehmen. Noch wusste ich nicht, dass diese FKK-Clubs nach und nach das ganze Land überschwemmen würden und ich wusste auch noch nicht, dass das Clubvirus gerade dabei war, mich zu infizieren.

*

Das Gefühl, zum ersten Mal in einem solchenb Club zu sein, ünberwältigte mich. Zwar war der Eintritt ziemlich hoch, doch es wurde hierfür so einiges geboten. Getränke, kaltes und warmes Buffet, Sauna, Pool, Whirlpool, Fitness-Raum, Kino-alles war im Preis inbegriffen. Kaum hatte ich an der einladebden Bar Platz genommen, sprach mich ein bezauberndes, schwarzhaariges Mädchen mit unverkennbar osteuropäischem Akzent an: "Hall, ich bin Paula aus Polen. Darf ich mich zu dir sezuen?" Wer konte auf diese Frage schon nein sagen. Lange Zeit unterhielten wir uns über Gott und die Welt, gerade so, als wären wir alte Freunde, die sich nach langem wiedergesehen haben. Ich vergaß völlig, dass icheigentlich in einem Bordell war. Die Zeit mit der hübschen Polin ging vorbei wie im Flug. Kein Druck wie bei Romina: kommen-Mädchen wählen-Zimmer-raus. Dieses Schema schien es hier nicht zu geben. Nach langen Gesprächsrunden und viel Lachen kam dann doch die obligatorische Frage: "Wollen wir aufs Zimmer gehen?". Nur zu gerne bejahte ich diese Frage der Osteutropäerin. "Gern, ich komme gleich, muss nur schnell Geld holen". "Das brauchst du nicht", klärte Paula mich auf. Bei uns wird hinterher bezahlt". "Ihr habt aber viel Bertrauen in die Gäste", bemerkte ich. "Und eine gute Security", lachte Paula.
Einen Stock höher lagen die Zimmer. Ich kam kaum heraus aus dem Staunen. Es waren nicht einfach zweckmäßig eingerichtete Zimmer, wie man sie in Laufhäusern oder WEohnungen vorfand, nein, jedes Zimmer hatte sein eigenes Thema und war danach eingerichtet: Office, Jail, Darkroom, Barbie´s oder Marylin´s Room. Jedes Zimmer war seinem Thema nachempfunden.
Wir gingen in dasNoch zweimal ging ich an diesem Abens aufs Zimmer. Rominas Geld war schon bei Paula verbraucht, aber was sollte es. Ich war gefangen vom Ckubvirus, wusste, es ist nicht das letzte Mal, dass ich hier gewesen bin.

*

Romina keifte mich an:"Was sagst du da? Was geht dort vor? Weißt du, was das heißt? Ich kann meinen Laden zumachen und betteln gehen, wenn das herauskommt. Zwanzig Mädchen? Alle nackt? Kein Zeitdruck und billiger als bei mir bei gleichem Service? Das ist mein Untergang", jammerte sie. Carmen stand plötzlich im Zimmer:" Was ist bei euch los?", fragte sie. "Es hört sich ja an, als ob die Welt untergehe?" "Es ist auch so", jammerte Romina weiter. "Dieser Kerl ist gerade dabei, meinen Laden kaputtzumachen. Er war in diesem Großpuff im Industriegebiet. Zwanzig Mädchen, alle nackt. Und Preise, da komme ich nicht mit. Los, Dieter, haub ab. Geh nach Hause. Ich will dich heute nicht mehr sehen. Und nimm Carmen mit. Ich schließe für heute".

Zu Hause angekommen bahm Carmen mich in den Arm:"Dieter, ich hatte noch gar keine Gelegenheit, mich zu bedanken, dass du mir mit dem Geld geholfen hast". Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange. Es war noch nicht viel, aber ich betrachtete es als einen Anfang. Das Eis schien gebrochen. Dennoch, auch diese Nacht musste ich wieder mit meinem Bett vorlieb nehmen; wie gerne wäre ich gerade heute einer Einladung Carmens in Schlafzimmer gefolgt.

*

Es war früh am Morgen, als das Telefon läutete. "Dieter, komm sofort zu mir". Ich wusste, wem diese Stimme gehörte. Romina. Schon so früh am Morgen. "Und bring Carmen mit. Sie hat um zehn einen Hausbesuch. Und danach musst du mich fahren". Jeder Protest meinerseits wegen der frühen Uhrzeit wurde von Romina im Keim erstickt. Wenn sie sich etwas in den kopf gesetzt hatte, gabe es kein Wenn und Aber. Immerhin, sie lud uns zum Frühstück ein. Und ich freute mich auf den Abend. Ich wäürde mir frei nehmen und wieder in den Club gehen.

*

Eine halbe Stunde später saßen Carmen und ich in Rominas Privatwohnung. Sie erklärte uns die Modalitäten des Hausbesuchs. Danach sollte ich Carmen zurück in die Hostressenwohnung bringen und dort Romina auflesen. Sie wollte unbedimngt persönlich erfahren, wie weit die Arbeiten im Industriegebiet gediehen waren.

*

Ich wartete schon fast eine Stunde auf Carmen. So langsam wurde ich unruhig. Carmen war normalerweise pünktlich und verlässlich. Unter Pünktlichkeit jedoch verstand Carmen etwas völlig anderes. Sie verstand darunter, eine Buchung von einer Stunde nach höchstens fünfzig Minuten zu beenden. Somit müsste sie jeden Moment aus der Tür kommen, grinsend in den Wagen steigen und das eingenommene Geld präsentieren. Doch sie kam nicht, was nicht ihre Art war. Meine Unruhe steigerte sich. Hätte der Kunde verlängert,wüsste ich es. Carmen hätte sicher angerufen. Ein Anruf kam nicht. Auch Carmen kam nicht. Die Tür des Bungalows vor dem ich wartete war und blieb verschlossen. Alarmsirenen schrillten in meinem Kopf. Hier stimmte etwas nicht. Mittlerweile war die Stunde überschritten. Weit überschritten. Ich ahnte, Carmen war in Gefahr. Ohne groß zu überlegen sprang ich aus dem Wagen, ging die paar Meter zur Eingangstür des Bungalows und klingelte. Keine Resaktion. Alarm. Carmen ist in Gefahr. Ich ahnte es nicht, ich wusste es. Schnelles Handeln war angesagt. Die Tür, vielmehr ihr Schloss würde meinem Gewicht nicht lange standhalten. Ich ging zehn Schritte zurück. Anlauf. Mit einem schweren Schmerz in der Schulter landete ich an der Tür. Sie gab keinen Milimeter nach. Ich verdrängte die schmerzende Schulter, nahm erneut Anlauf, landete erneut an der Tür. Ein erster Erfolg zeichnete sich ab. Das Schloss knirschte leicht. Wieder nahm ich Anlauf, das Knirschen wurde lauter. Mit letzter Kraft rin erneuter Anlauf, mit lautem Krachen sprang die Tür auf. Ich befand mich im Eingangsbereich des Hauses. Wo sind die Schlafzimmer? Eile war angebracht. Im Regelfall sind sie oben, aber hier gab es kein oben. Verzweifelt riss ich einige Türen auf. Endlich-das Schlafzimmer. Was ich dort sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Carmen lag gefesselt und geknebelt auf dem Bett. Zwei Männer mit Latexmasken standen um sie. Carmen musste in eine Falle gelaufen sein. Mit zwei Männern hatte sie, hatten wir nicht gerehnet. Sie müssen sie schnell überwältigt und in ihre hilflose Lage gebracht haben. Fast mit Schaum vor dem Maul stürmte ich auf die beiden zu. Meine Hand schmerzte von dem Faustschlag, den ich dem ersten verpasste. Er reichte nicht ganz, um ihn zu Boden zu strecken, doch bis er die Wirkung des Schlages verdaut hätte, könnte ich mit dem zweiten, etwas kleineren widmen. Meine Hände feuerten ein Stakkato von Schlägen in sein Gesicht, als hätte ich einen Punching-Ball vor mir. Schon nach wenigen Schlägen wurden meine Hände feucht. Ein Blick in sein Gesicht verriet mir, wovon. Mein Gegenüber blutete aus mehreren Wunden. Doch das besänftigte mich nicht in meiner Wut. Ungeachtet der Gefahr, die von dem zweiten ausging, da er seinen Treffer verdaut zu haben schien, feuerte ich meine Schläge weiter in die blutige Masse, die einmal ein Gesicht war. Endlich hatte ich Wirkungstreffer erzielt. Mein Gegenüber kippte nach hinten weg und schlug hart auf dem Boden auf. Mit einer kurzen Drehung wandte ich mich dem zweiten zu, der gerade auf mich losstürmen wollte. Doch ein geschickter Schlag mit der Handkante in Richtung Adamsapfel setzte ihn außer Gefecht, er fiel um wie ein frisch gefällter Baum. Es galt, keine Zeit zu verlieren. Ich löste Carmens Fesseln, dankbar fiel sie mir um den Hals. Ich drängze zur Eile, nur hinaus, solange ich die Lage unter Kontrolle hatte. Erst als wir im Wagen saßen und davonrasten, spürte ich, wie ich außer Atem war.

*

Einige Straßen weiter brachte ich den Mondeo zum stoppen. Carmen zitterte am ganzen Körper. Als sie merkte, dass der Wagen hält, schmiegte sie sich eng an mich uns fing hemmungslos an zu weinen. Erst einmal machte ich nichts, ließ die Situation so, wie sie war. Endlich begann Carmen mit tränenerstickter Stimme zu reden:"Ich verstehe nicht, wie das passierenn konnte. Ich habe mir die Wohnung angeschaut, alle HZimmer, so, wie ich das immer mache. Da war kein zweiter Mann. Als ich mit dem ersten imBett lag, stand der zweite plötzlich im Zimmer. Sie nahmen mir das Geld wieder weg, haben mich vergewaltigt und wollten mich töten. Du kamst genau im richtigen Augenblick". Carmen drückte . Ich wusste, heute könnte ich Erfolg haben, aber ich war keiner, der solch eine Situation ausnützt. So beschloss ich, auch, oder gerade heute, wieder allein ins Bett zu gehen.

*

"So eine Drecksau", entfuhr es Romina. Sie war kaum zu beruhigen. "Was glaubt der, wer er ist? Will mein Mädchen vergewaltigen. Nimmt mir mein Geld weg. Was ist das für eine Type?". Es war typisch für Romina, selbst imn dieser Sitzuation, in der Carmen weinend, wie ein Häufchen Elend in derb Zimmerecke sitzt, zuerst an ihr Geld, das ihr durch die Lappen ging, denkt. Ich ging zu Carmen, nahm sie in den Arn und versuchte, sie zu trösten, ihre Tränen zu trocknen. "Romimna, Carmen arbeitet heute nicht mehr", ordnete ich an, "wir gehen nach Hause, sie muss sich von dem schweren Schock erholen". "Gut, aber du kommst sofort zueück", befahl sie. "Wir haben noch eine Menge zu erledigen. Ich ging zu Carmen, half ihr aus dem Sessel und wie hilfesuchend hakte sie sich sofort bei mir unter. Carmen zeigte sich auf den wenigen Metern bis nach Hause entmutigt und fast gebrochen.nImmer wieder liefen ihr dieb Tränen in Sturzbächen die Wangen hinab. Endlich hatten wir die Wohnung erreicht. Ich brachte Carmen sofort ins Schlafzimmer, half ihr aus den Kleidern und legte sie ins Bett. "Schlaf erst einmal", bat ich sie. "Vielleicht kannst du so vergessen. Ich bleibe bei dir, bewache deinen Schlaf". Dankbar nickte Carmen. Ich setzte mich auf einen Stuhl neben dem Bett, nahm ihre Hand und streichelte ihr schwarzglänzendes Haar. Nach kurzer Zeit schlief sie ein. Schon kurz darauf läutete das Telefon. "Wo bleibst du?", keifte Romina. "Ich hatte dir gesagt, du kommst sofort zurück. W"ir hab3e noch viel zu erledigen heute". Ich wusste, Romina war nicht zu beruhigen, ehe ich vor ihr stand. Schweren Herzens ließ ich Carmen zurück und beeilte mich, zu Romina zu kommen.

*

"Na wndlich kommst du", giftete Romina mich an. "Los, komm, wir haben noch eine Menge zu tun. Die Mädchen können auch einmal allein in der Wohnung bleiben". Romina ließ mir nicht einmal die geringste Zeit zu antworten, stand auf und zog ihren Mantel an. Ich wusste, Widerspruch oder Einwände ließ sie sowieso nicht gelten. Widerstandlos ging ich mit ihr hinaus und zog die Tür hinter mir ins Schloss.

Auf der Baustelle im Industriegebiet herrschte emsiges Treiben. Längst waren die Müllberge aus den Zimmern abgetragen, die Schuttcontainer verschwunden. Zufrieden lächelnd betrachtete Romina die Fortschritte. Kemal, der unsere Ankunft bemerkt hatte, kam mit ausgebreiteten Armen auf Romina zu, die beiden begrüßten sich wie alte Freunde. Längst vergessen war der Zwist wegen des ursprünglichen Zustands des Hauses, für Romina zählte sowieso nur eines: die tremimngerchte Fertigstellung der Hostessenwohnung. Kemal lud uns ein, die Fortschritte im Inneren des Hauses zu begutachten. Schon von außen konnte man sehen, wie in der letzten Woche geaebeitet worden ist. Die angestoßene graue Fassade wurde ersetzt durch einen einladenden, hellblauen Anstrich, einladend-auffordernd einzuteten, aber durch nichts den Wahren Bestimmungscharakter des Hauses verratend. Dienerisch hielt Kemal und die Tür auf. Ich glaubte meinen Augen nicht trauen zu können. Tatsächlich waren die Müllhalden verschwunden, eifrige Maler waren gerade damit beschäftigt, den vergilbten Wänden neue Anstriche zu verpassen. Die Wohnung, vor einigen Tagen noch abstoßend dunkel erstrahlte in einem neuen Licht ansteckender Helligkeit.
Kemal versicherte uns, die Wohnung bis zum besprochenen Termin in perfekt rebovietem Zustand zu übergeben. Zufrieden verabschiedete sich Romina von ihrem Geschäftspartner und befahl mir, in die Südstadt zu fahren, zum Türken, wie sie ihn nannte. Es schien der richtige Zeitpunkt gekommen, die passenden Möbel für die Wohnung zu besorgen. Drei Schlafzimmer, die Küche und den Empfangsraum galt es, einzurichten. Zweckmäßig aber doch so stilvoll, dass die Gäste sich wohlfühlen und, und das war für Romina und die Mädchen besonders wichtig, wiederkommen.

*

Wer Romona kannte, wusste, sie hat eine ganz bestimmte Art zu verhandeln, sie konnte feilschen wie ein Basarhändler, Nicht einmal der Türke war ihr gewachsen. Romina schaffte es, den Gesamtpreis um fast 3000 Wuro zu dtücken und als Bonus kostenlose Anlieferung zu erhalten. In Gelddingen war sie einfach ein Phänomen. ZUfrieden fuhren wir zurück in die Hostessenwohnung und ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen. Carmen, noch vor Stunden in Tränen aufgelöst war da, bezaubernd wie noch nie, gekleidet in einem Hauch von Seide, der mehr zeigte als er verhüllte. "Hallo, Dieter", kam Carmen auf mich zu, legte ihre Arme um mich und hauchte einen Kuss auf meine Lippen, "mach dir keine Sorgen. Mir geht es wieder gut. Danke für das, was du für mich getan hast. Ich habe mitbRomina geredet. Hausbesuche mache ich keine mehr. Und du solltest dir einen Tag frei nehmen. Bist ja öfter hier als ich. Geh schon, mach dir einen schönen Tag. Bis heute Abend". Carmen gab mir noch einen Kuss mit auf den Weg und ich schloss die Tür hinter mir.

*

Einen Tag frei. Ohne Rominas Wünsche, Befehle und Gekeife. Fast fühlte ich mich befreit. Was sollte ich mit diesem Geschenk anfangen? Plötzlich spürte ich es wieder. Dieses Kribbeln im Bauch, die gespannte Aufregung. Und dieses Kribbeln sagte mir nur eines, nein, es sagte mir nichts, es befahl mir: Geh in den Club, deinen Club. Vergnüge dich, mach dir einen schönen Tag. Wie von Geisterhand gezogen, geschoben, setzte ich michn in den Mondeo, startete und gab Gas. Ich kannte mein Ziel, das Industriegebiet vor den Toren der Stadt. Den Club.

Ich legte mich in die flache Seite des Pools, schloss die Augen und genoss einfach. Die Atmosphäre, das Flair des Clubs, nie hatte ich so etwas kennengelernt. Plötzlich spürte ich einen leichten Tritt an meiner Schulter. Ich öffnete die Augen und glaubte einer Sinnestäuschung zu erliegen. Prof stand vor mir. Das gibt es doch nicht. Prof, wegen seiner leicht dozentenhaften Art so genannt, der Sänger meiner früheren Band und mein bester Kumpel, er war vor über 12 Jahren nach Süsamerika ausgewandert, er war es leibhaftig. "Das gibts doch nicht", entfuhr es mir. "Du bist zurück? Nur zu Besuch oder bleibst du?" "Vorerst bleibe ich", entgegnete er. "Muss einige familiäre Dinge erledigen, dann sehen wir weiter. Aber sag mal, wo wir uns gerade sehen: In acht Wochen steigt in Morecombe das jährliche Festival. hundertzwanzig Punk-Bands. Ich fliege rünber. Kommst du mit?" Begeistet sagte ich zu. Punk, die Revbolution der Musik 1977 hatte mich nie losgelassen. Prof hatte es eilig, er musste noch einige Dinge erledigen und verabschiedete sich. In den nächsten Tagen wollten wir die Einzelheiten klären.

*

Um Mitternacht holte ich Carmen vei Romina ab. Sie sollte nicht alleine nach Hause gehen, auch, wenn es nur ein paar Meter waren. Zu Hause angelangt, nahm sie mich in den Arm: "Liebling". So hatte sie mich noch nie genannt. "Ich habe eine Bitte an dich. Ich werde in nächster Zeit Besuch vnb Freundinnen bekommen. Sie bleiben ein paar Tage hier. Sie können doch bei uns wohnen?" Erfreut sagte ich zu, glücklich, einige Freundinnen der Frau, die ich liebe kennenzulernen. Nichtwissend, was auf mich zukam, tappte ich in die Falle und ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen.

*

Schon zwei Tage später trafen Carmens erste beiden Freundinnen ein. Es wurde engt in der Wohnung. Schlafplatz stand ausreichend zur Verfügung, eine von Carmens Freundinnen konnte noch zu ihr ins große Bett, die zweite musste mit der Schlafcouch Vorlieb nehmen. Eines jedoch gab mir etwas zu denken. Es war kein Italienisch, wie sich die Mädchen unterhielten. Irgendwie meinte ich Sprachfetzen dessen herauszuhören, wie sich Romina und Loretta unterhielten. Diese beiden jedoch waren Rumäninnen. Wieso nur unterhielten sich Carmen und ihre Freundinnen auf Rumänisch? Doch nur zu schnell verscheuchte, verdrängte ich die trüben Gedanken. Viel wichtiger war es, dass Csrmens Freundinnen da waren, dass Carmen Besuch aus der Heimat hatte.
Der Besuch dauerte nur zwei Tage, die Mädchen wurden vonn ihrem Onkel abgeholt. Italiener. Endlich wurde mjir klar, wieder einmal das Gras wachsen gehört zu haben, Probleme in etwas hineininterpretiert zu haben, wo es keine gab.
Prof kam vporbrei. Wir einigten uns sehr schnell, dass er die Organisation des ganzen übernimmt, da er die ganzen Adressen kennt, um Tickets,Flug etc zu buchen.

*

Carmen und ich waren wieder allein. Doch auch heute und in den folgenden Tagen kam ich ihr nicht näher. Das Schlafzimmer war noch immer verbotene Zone für mich, ich durfte es nur betreten, um Carmen das Frühstück ans Bett zu bringen. Ich war schier am Verzweifeln. Warum konte ich dieser wundervollen Frau nicht näherkommen. Warum verschloss sie sich mir gegenüber dermaßen? Fast wäre ich bereit gewesen, ihr Geld anzubieten, dass sie sich mir öffnete. Doch diese Gedabken verwarf ich ebenso schnell, wie sie auftauchten. Nur zwei Tage später hatte Carmen erneut Besuch. Zwei ebenfalls sehr hübsche Mädchen von schätzungsweise neunzehn oder zwanzig Jahren. Erneut unterhielten sich die Mädchen in der Sprache, die für mich Rumänisch war, doch irgendwie kam es mir so vor, als würde Carmen in den Gesprächen als Wortführerin fungieren und den Mädchen Befehle oder Anweisungen erteilen. Erneut wurden die Mädchen von einem Onkel abgeholt, ebenfalls Italiener.

*

Einige Wochen ging dieses Spiel. Carmen erhielt Besuch vgon zwei Freundinnen, die immer relativ jung waren, jedenfalls wesentlich jünger als Carmen. Es wurden zumeist heftige Gespräche geführt, in denen Carmen als Wortführerin hervortat. Und zumindest eines war auffällig, die gewählte Sprache war mit Sicherheit rumänisch, nicht itsalienisch. Und nach wenigen Tagen wurden die Mädchen von einem Onkel abgeholt; es musste viele Onkels der Mädchen in Deutschland genben und ich war der Ansicht, einige der Onkels mehrmals gesehen zu haben. "Mach dir keine Gedabken", beruhigte mich Carmen, als ich sie darauf angesprochen hatte. "Ich bin Italienerin, du hast ja meinen Ausweis gesehen. Aber meine Familie hat ihre Wurzeln in Rumänien und ich habe dort noch viele Freundinnen". Ich ließ es dabei bewenden, sei es, dass ich zu feige war, Carmen mit weiteren Fragen zu belästigen, sei es, dass diese Auskunft mir genügte. Aber beruhigt war ich nicht.

*

"LÖieblimng", umgarnte mich Carmen eines Tages, die Besuche der Freundinnen waren verebbt wie sie begannen, nurplötzlich, "ich muss für eine Weile bei dir ausziehen. Romina muss für einige Wochen nach Rümänien und ich soll auf ihre Wohnung aufapassen". Noch vor einigen Tagen hätte mir dies einen großen, schmerzhaften Stich versetzt. Aber nun, bei Carmen kam ich sowieso nicht weiter, noch immer schliefen wir in getrennten Betten und zudem stand Morcombe vor der Tür, war es mir im Grunde sogar recht, von Carmen einige Zeit getrenntb zu sein. Noch am selben Tag zog Carmen bei mir aus und hütete Rominas Wohnung.

Kapitel 7

Mittwoch. Mit gepacktem Rucksack stand ich am Bahnhof, wartete auf Prof und den Zubringer, der uns zum Flughafen bringen sollte. Prof kam mir entgegen, fast schien es, die Zeit wäre stehengeblieben; es war wie 1977, unser ersterb Trip nach London, die Revolution der Musik mitzuerleben, die Punk hieß. Ein weiter Weg lag vor uns. London-Stanstead und dann mit dem Zug fast quer durch England, Richtung Blackpool. Doch es sollte sich lohnen, was noch vor uns lag.
Morecombe, es war der Gipfel dessen, was ich in meiner lang3en Zeit in der Punk-Szene erlebt hatte. Der Veranstalter bhatte nicht übertrieben, die Creme der noch existierenden alten Bands war leibhaftig vertreten. Manche der alten BGruppen reformierten sich gerade für dieses Fewstival, nur, um nach all den Jahren wieder vor ihren alten Fans spielen zu dürfen. Am Schlusstag, Prof und ich tranken gerade unser Abschiedsbier in Fred´s Bar regte sich mein Hangy. Carmen sandte mir eine SMS. "Hallo, Dieter", las ich, "ich bin zurück nach Rumänien. Danke, Carmen".

Der Schock saß tief, groß war die Desillusion. Hatte ich bislang noch gehofft, Carmen würde, nachdem Romina zurückgekehrt ist, wieder bei mir einziehen, so wusste ich nun, dass sie einen Schlussstrich für immer gezogen hatte. Aber warum Rumänien. Carmen war doch Italienerin, wenn auch, wie sie selbst sagte, mit rumänischen Wurzeln. Ich sollte es erfahren. Und ich sollte auch erfahren, was so in meiner Wohnung vorgegangen ist, in den Stunden, in denen ich nicht zu Hause war. Es sollten allesamt schmerzliche Erfahrungen werden.

*

Romina bat mich, sofort nach meiner Rückkehr tz ihr zu kommen. Normalerweise bittet sie mich nie, zu sich zu kommen, sie fordert mich auf, zitiert mich in die Terminwohnung. Diesmal bittet sie mich, zu kommen. Was nur ist in Romina gefahren. Gespannt läutete ich an der Tür, sie bat mich herein. Es hat sich viel getan, in den paar Tagen, in denen ich weg war. Romina stellte mir Lera vor, unverkennbar eine Russin, die, nach Rominas Aussage alles anbot. Und Marina, eine Transsexuelle. Marina kannte ich schon, sie und Romina waren alte Freundinnen. Nach dem Umzug ins Industriegebiet sollten noch zwei weitere Mädchen kommen. Romina wollte zum Start der neuen Adresse keine Fehler machen. Nachdem sie mir die Mädchen vorgestellt hatte, und mir ihre weiteren Pläne erklärte, bat5 sie mich, ihr in eines der leeren Zimmer zu folgen. "Setz dich, Dieter", forderte sie mich auf. "Einfach auf das Bett. Ich muss dich endlich aufklären, was Carmen so getrieben hat. Hast du ihr Geld gegeben?". "Ja", antwortete ich. "Zehntausend. Sie wollte damit ihr Haus vor der Zwangsversteigerung retten". "Idiot", zischte sie mich an. "Meinst du, davon auch nur einen Cent wiederzubekommen? Carmen war eine gewiefte Heiratsschwindlerin. Gerade habe ich es erfahren. Achmed, der Araber vom Telekomladen und Peter, ein Gast, sind auch auf sie hereingefallen. Zehntausend. Warum fragst du mich nicht, ehe du so einen Mist baust. Wollen wir nur hoffen, dass nichjt nochb etwas nachkommt. Hoffen für dich. Pass auf. Morgen haben wir hier geschlossen. Der Möbelwagen kommt, übermorgen eröffnen wir unter der neuen Adresse. Du machst morgen frei. Schau mal, gefällt es dir?" Romina zeigte mir die Kontakte-Seite dr Wochenzeischrift. ´Große Neueröffnung. 30% Rabatt am Eröffnungstag auf jeden Service. Kaltes Buffet inclusive´. Romina wollte mit einem Knaller die neue Adresse einführen. "Tolle Annonce", lobte ich ihre Initiarive, drehte mich um und verließ die Wohnung. Toll. Morgen ein ganzer Tag frei. Es würde ein Clubtag werden.

Zu Hause angekommen musste ich mich erst einmal setzen. Der Verlust hinterließ tiefe Spuren in mir. Nicht der Verlust des Geldes. Das hätte ich noch verschmerzt. Nein, es war der Verlust Carmens. Trotz, dass ich nie mit ihr zusammen war, liebte ich sie. Selbst in diesem Moment, an dem mir klar war, dass Carmen mich nach Strichnund Faden betrogen hatte, ich konnte sie nicht hassen, liebte sie noch immer. Ich hoffte sehr, nicht noch weitere Enttäuschungen in Bezug auf Carmen erleben zu müssen. Doch ich ahnte schon, dass das, was mir Romina bislang auftischte, noch nicht die ganze Wahrheit sein konnte.

*

Ich erwachte mit einem nervösen Bauchkribbeln. Heute war mein freier Tag. Schon um elf würde ich vor dem Club stehen und ihn erst wieder verlasssen, wenn man mich hinauswerfen würde.
Das Clubfieber hatte mich fest gepackt, ich würde sogar fast sagen, die Clubsucht. Es war einfach etwas völlig anderes als das, was ich bislang kennengelernt hatte. In Laufhäusern sucht man sich ein Mädchen, geht mit ihr aufs Zimmer, danach sieht man sich wohl nie mehr. Auch Terminwohnungen sind im Prinzip wie Laufhäuser; manche haben wohl ein höheres Ambiente, manche Wohnungenwerden auch zu Stammadressen für einige Zeit, aber es gibt eben doch auch nur den schnellen Sex. Doch dieser Club, er war eine Revolution. Hier konnte man sich wohl fühlen. Gut, er kostet Eintritt. Aber dafür hat man den unbegrenzten Tagesaufenthalt uns alle Leistungen frei. Pool, Sauna, Essen, Getränke, Kino, Fitnessraum. Und mein Clubtag heute sollte ein richtiger Wellnesstag werden.
Schon zu Beginn zog mich eib blondes Mädchen in seinen Bann. Sie bemerkte mein Interesse und kam zu mir, legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel. Anna aus Litauen, weie ich erfuhr. Lange Zeit saßen wir da, redeten über alles mögliche, vergaßen die Zeit um uns herum, bis endlich sie die Initiative ergriff und nach dem Gang aufs Zimmer fragte. Nur zu gerne sagte ich zu. Eine volle Stunde verbrachte ich mit der bezaubernden Litauerin, eine Stunde, die Appetit auf mehr machte. Doch ich war auch zur Wellness gekommen, Pool, Sauna und Massage wurden ausreichemd genossen.


*

Sichtlich erholt fand ich mich am neuen Morgen bei Romina ein. Ihr neues Etablissement konnte sie nicht mehr zu Fuß erreichen, ich musste sie fahren. Kaum betrat ich Rominas Penthouse-Wohnung, bemerkte ich sie schon. Die gespannte Erregung, die Nervosität vor dem ersten Tag. "Dieter, das musst du sehen", schwärmte Romina mir vor. "Ich habe schon viele Puffs gehabt, aber dieser ist der Gipfel. Wenn das keine Goldgrube wird, will ich nie mehr einen Puff leiten. Die zwei Mädchen sind schon dort, zwei neue kommen heute auch noch. Jetzt müsste Miriam da sein. Sie würde sich dumm und dämlich verdienen. Los, lass uns fahren".

Romina hatte nicht zu viel versprochen. Das alte, früher schuddelig wirkende Haus glänzte mit einer völlig neuen, einladenden Fassade. U/nd drinnen ging es weiter. Nichts von dem Schutt und Gerümpel war übrig. Kemals Leute hatten ein völlig neues Haus geschaffen. Helle, einladende Anstriche an den Wänden, komplett neue Böden; der Türke, ich wusste immer noch nicht, wie er eigentlich hieß, hatte ebenfalls pünktlich geliefert, alle Zimmer waren eingerichtet. Auch Lera und Marina waren da. Keine Spur aber von den anderen Mädchen. Mittlerweile wurde es elf Uhr. Romina schloss die Tür auf und eröffnete das reichhaltige Buffet. Nur eines fehlte noch neben den zwei anderen Mädchen. Gäste. Romina schien enttäuscht. Hatte sie doch mit einem Schlussverkaufsähnlichen Andrang gerechnet. Doch ließ sie sich ihre Enttäuschung nicht anmerken. Noch nicht. Der Tag war ja noch lang und vor sechhzehn Uhr lief das Geschäft auch in der alten Wohnung schleppend. Doch so sehr Romina auch hoffte, das Geschäft lief nicht an. Nur einige alte Stammgäste kamen, fielen wie ein Schwarm Heuschrecken über das Buffet her und gingen wieder. Rominas Laune verschlechterte sich zusehends. Es war besser, ihr momentan aus dem Weg zu gehen, wollte man nicht einen Orkan aus Beschimpfungen und Verwünschungen über sich ergehen zu lassen. Langsam wurde allen klar, dass die Eröfnung der neuen Wohnung floppte. Romina fing an zu jammern, beschuldigte die Mädchen, dass ihr Typ nicht gefragt sei und wünschte sich jetzt, sofort neue, bessere Mädchen. Rominas Laune wäre besser gewesen, hätte sie gewusst, dass die beste von allen schon bald bei ihr auftauchen würde.

*

Einen Tag später, Rominas Laune hatte wieder den Normalpegel erreicht, nahm sie mich mit in eines der leerenn Zimmer. "Dieter", eröffnete sie mir, "ich habe lange mit mir gekämpft, ob ich dir das sagen soll. Aber gut, du sollst die Wahrheit über Carmen erfahren".

*

Gespannt setzte ich mich, endlich würde ich erfahren, was mit Carmen, die für mich stets undurchschaubar und mysteriös war, wirklich ist. Die Sekunden, bis Romina endlich mit der Sprache herausrückte, wurden zu Ewigkeiten, Ich hing an ihrem Lippen, bis sie endlich begann: "Also, Dieter", zog sie das Gespräch in die Länge, "wie du dir sicher denken kannst, Carmen ist keine Italienerin, sondern Rumänin. Du wunderst dich sicher, dass sie so Hals über Kopf abreiste. Ihr wurde hier einfach der Boden zu heiß. Deswegen zog sie auch zu mir. Sie wollte untertauchen. Das mit den Zehntausend bei dir, das konnte ich nicht verhindern. Carmen ist Heiratsschwindlerin, und zwar eine ganz gewiefte. Ich selbst bekam es erst kützlivh heraus. Dann habe ich sie rausgeschmissen. Außer dir hat sie in der Stadt noch zwei andere Männer auf dem Gewisen, wenn sie überhaupt eines hat. Aber die hat sie richtig ausgezogen. Das mit dir waren im Vergleich dazu Peanut. Hake es als Lehrgeld ab. Tut mir leid, ich wusste es nicht". Ich wusste nicht warum, aber ich glaubte Romina. "Was ist mit den Mäfchen? Ihren Freundinnen, die kamen und gingen wie in einem Taubenschlag?"
"Davon weiß ich nichts", versicherte mir Romina. "Aber ich habe einen Verdacht. Wenn der sich bewahrheitet, könntest du ein Problem bekommen. Aber ehe ich es nicht sicher weiß, sage ich nichts darüber. Nur noch eines: In den Tagen, an denen du weg warst, glaubst du, ich habe nicht bemerkt, dass du ständig in diesen Club gehst, glaubst du, da hat sie gearbeitet? Nein, sie war bei dir zu Hause und hat es sich von mehreren Rumänen so richtig besorgenn lassen. Deine Adresse wurde in gewissen Kreisen sehr hoch gehandelt. So, das wars soweit. Ich glaube, dich bis jetzt genügend schockiert zu haben. Geh nach Hause und verdaue das erstmal. Ich weiß, die Wahrheit tut manchmal weh." Ohne Widerrede stand ich auf und verließ die Wohnung mit gesenktem Kopf. Es tatb weh, sehr weh. Ich hatte Tränen in den Augen, verlängerte meinen Heimweg durch einige Umwege. Ich glaubte, von den Leuten angestarrt und ausgelacht zu werden. Dike Zehntausend, gut, die konnte ich verschmerzen. Aber die Enttäuschung, von der Frsu, die ich liebte, dermaßen hintergangen zu werden, die Enttäuschung war riesig.

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Die Tage vergingen, wurden zu Wochen und Monaten. Die Mädchen bei Romina kamen und gingen, aber der Laden wollte einfach nicht richtig anlaufen. Rominas Laune sank von Tag zu Tag. Ichb versuchte, mich nicht allzuoft bei ihr und den Mädchen aufzuhalten, hielt mich zu Hause auf Abruf auf, sollte einmal ein Hausbesuch kommen, doch es kam so gut wie keiner. Romina war gerade dabei, ihren guten Namen zu zerstören. Eines Tages, Romina war wieder am Keifen, schon die Fliege an der Wand störte sie, läutete es an der Tür. Wie so oft öfnete Romina selbst. Kaum hatte sie sie Tür geöffnet, hörte ich einen spitzen Schrei. Unverwechselbar, es war Romina. Der Schrei artikulierte sich, wurde zu Worten. "Miriam? Du? Was machst du denn hier? Komm herein. Ich freu mich, dich zu sehen". Verblüfft starrte ich Miriam an. Fast drei Monate war sie auf Therapie in einer geschlossenen Einrichtung, keinerlei Kontakt nach draußen war erlaubt. Und nun stand sie vor mir. Völlig überraschend. Ich wollte etwas sagen, bekam aber kein Wort heraus. Stumm fiel ich ihr um den Hals, drückte sie an mich und genoss es einfach, ihren begehrenswerten Körper nah an meinem zu spüren. Miriam, meine heimliche Liebe-sie war zurück. Nachdem ich meine Fassung wiedergewonnen hatte und Miriam wieder losließ, begann sie:"Ja, ich bin wiederb zurück. Clean und geheilt. Warum ich mich nicht gemeldet habe? Ich wollte euch überraschen und wenn ich mir Dieter so ansehe, ist mir die Überraschung gelungen. He, Romina, was ist los? Ich bin es wirklich. Morgen fange ich wieder an, wenn es recht ist. Dieter, holst du mich morgen zu Hause ab? Sagen wir, um zehn?" Ich brachte einige unverständliche Worte heraus, was sich für Mriam wie ein "Ja" angehört haben muss und so war es auch gemeint.

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Punkt zehn stand ich vor dem Haus, in dem Miriam wohnte. Nichts hatte sich geändert. "Schön, Dieter, dass du da bist", begrüßte Miriam mich. "Ich habe mit dir´etwas zu besprechen, was Romina nichts angeht". Während ich den Motor startete und losfuhr, begann Miriam, mir ihr lange gehegtes Vorhaben zu erklären. "Also, pass auf. Ich möchte mich selbstständig machen. Hab einfach keinen Bock mehr, mitb Romina zu teilen. Ihren Laden benutze ich als Sprungbrett, ich muss wieder meinen alten Bekanntheitsgrad erreichen. Dann startev ich mit Hausbesuchen. Wenn ich genügend Geld zusammen habe, eröffne ich meine eigene Wohnung. Und jetzt kommst du ins Spiel: Romina darf nichts von den Hausbesuchen wissen. Dazu brauche ich einen verschwiegenen Fahrer. Dich. Ich kann dir dafür nicht viel bieten, aber ich komme einmal in der Woche zu dir nach Hause für eine Stunde. Ist das ok für dich?" "OK", schrie ich heraus. Nein, es ist nicht ok. Es ist der Oberhammer. Das Ziel meiner Wünsche. Ich bin dabei". Überglücklich lenkte ich den Wagen zur Seite, umarmte Miriam und drückte ihr einen dicken Kuss auf die Wange. Außer mir vor Freude startete ich den Motor und lieferte Miriam bei Romina ab.

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Romina setzte ihre gesamte Hoffnung in Miriam, nicht wissend, dass sie, die bislang ihre Mädchen nur benutzt hatte, nun von Miriam benutzt werden sollte.

Schon einen Tag später bekam ich eineen Auftrag von Miriam. Ich sollte unbedingt ihre Werbung im Kurier plazieren. Natürlich war klar, unter ihrem bekannten Namen konnte sie ihr zweites Standbein nicht aufbauen; Selbst, wenn Romina mit Blindheit geschlagen worden wäre, wäre sie uns auf die Schliche gekommen. Und diesem Ärger wollten wir uns dann beide doch nicht aussetzen. Wir einigten uns auf den Text"Jana, 19 Jahre, blond und tabulos besucht dich zu Hause, im Hotel oder Büro. Kontaktaufnahme nur per SMS". Auch war klar, dass Miriam nicht unter ihrer bekannten Handynummer inserieren durfte, natürlich hatte Romina diese im Kopf.

Es wurde Freitag. Bislang lief Rominas Laden so wie bisher. Mäßig. Von Miriams Anwesenheikt nahm noch niemand so richtig Notiz. Nur ein paar Stammgäste wussten von ihr. Aber heute kam der Kurier heraus. Wir warteten gespannt, dass er im Briefkasten landete. Nicht nur Romina war gespannt, wie ihre neue Werbung, in der sie Miriam erstmals seit langem wieder anpries, plaziert war, auch Miriam wüsste nur allzugerne, wie ihre Werbung als Jana ankam.
Endlich hörten wir das typische Scheppern des Briefkastendeckels. Ich eilte hinunter, um die Wochenzeitung heraufzuholen. Es gab nur eine Seite, die uns interessierte, die erotische Kontakte-Seite. An Rominas strahlendem Gesichtsausdruck erkannten wir, dass ihre Werbung blendend plaziert sein musste. Und das war sie auch, gleich links oben. Eine bessere Plazierung gibt es nicht. "Schau mal", meinte Romina zu mir. "Da ist eine neue Annonce". Romina musste sie finden, hatte sie doch alle Anzeigen der rubrik im Kopf. "Irgend so ein junges Ding bietet Hausbesuche an. Die Annonce ist nicht unprofessionell gemacht. Jana nennt sie sich. Ich wüsste gerne, wie die Annonce läuft. Vielleicht rufe ich sie auch an und biete ihr an, bei mir zu arbeiten". Erschreckt griff Miriam zu ihrem Handy, bereit, es sofort auszuschalten, wenn Romina begann, zu wählen. Zu offensichtlich wäre es gewesen, hätte Miriams Handy auf Rominas Kontaktversuch mit Jana angeschlagen. Doch Rominas Vorhaben würde jäh vom Telefon unterbrochen. "Ja, Miriam ist wieder da", hörte ich sie sagen. "Es ist besser, wenn du einen Termin ausmachst. Du weisst, wie zugebucht sie immer war. Gut, ich sage es ihr". Mit diesen Worten legte Romina den Hörer auf und wandte sich Miriam zu. "Es geht los. Der Kurier ist verteilt", freute sie sich. "Das war Roland. Termin auf 16 Uhr, eine Stunde. Halte dich bitte für ihn frei". "Mach ich", versicherte Miriam.

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Der Tag verlief erfolgreich für Miriam und Romina. So efolgreich,dass Miriam es sich leisten konnte, eine Stunde früher Feierabend zu machen. "Romina", meinte Miriam noch beim Abschied, "ich komme morgen erst um vier. Ich muss noch einige Sachen erledigen. Kannst du mir Dieter ausleihen?" "Gut, er soll dich fahren. Aber wenn ich ihn brauche, rufe ich ihn an. Dann musst du sehen, wie du vorankommst".
Als wir unten angelangt waren, strahlte Miriam mich an. "Weisst du, warum ich morgen erst um vier komme? Wir haben zwei Hausbesuche. Einen um zwölf, einen um zwei. Ich brauche dich als Fahrer." Sie drückte mir einen dicken Schmatz auf den Mund. "Pas auf", meinte sie danach zu mir. "Am Sonntag arbeite ich nicht. Da komme ich zu dir. Du sollst deine Anzahlung von mir bekommen". Miriam hielt also Wort. Unter Anzahlung verstand sie sicher die erste Stunde mit ihr. Endlich sollte ich von meiner Traumfrau das bekommen, von dem ich schon so lange träumte".

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Der Freitag verlief ganz nach meinem Geschmack. Dank Miriams Eigeninitiative konnte ich endlich wieder fahren. Hausbesuche, ein willkommenes Zubrot für mich, da ich je nach Entfernung bezahlt werde können hier am Tag schon einige Euro zusätzlich anfallen, aufgrund Rolminas Situation waren bei ihr in letzter Zeit jedoch keine zu fahren. Und heute gleich zwei für Miriam. Der Ärger wäre groß.würde Romina etwas davon mitbekommen. Doch Miriam legte gleich für sich klar: Termine, die über ihr Handy hereinkommen, gehören ihr. Nur Temine, die sie über Romina
Beide Hausbesuche verliefen zufriedenstellend und ereignislos. Pünktlich kehrten wir zu Romina zurück. "Wo bleibt ihr denn?", empfing sie uns schon ungeduldig. "Seit der Annonce im Kurier steht das Telefon nicht mehr still. Kindchen, du bist für heute ausgebucht", teilte sie Miriam strahlend mit. "Dank dir läuft der Laden wieder". Romina hatte Recht. Miriam kam den ganzen Tag kaum aus dedm Zimmer, die Gäste gaben sich die Klinke in die Hand, endlich war Miriam wieder da. Auch nach ihrer Auszeit zog sie jeden Mann magisch an, mit ihrer jugendlich-lasziven Art konnte sie jeden Mann um den Finger wickeln. Miriam war und ist ein Phänomen. Und noch etwas hatte Miriam erreicht: Erstmals war Romina,angesichts des florierenden Geschäfts, rundum zufrieden. Noch zufriedener wurde Romina, als Miriam ihr eröffnete, am morgigen Samstag, eigentlivh entgegen ihrer Gewohnheiten, zu arbeiten. Ich befürchtete schon, sie würde auch den Sonntag dranhängen, den Sonntag, der eigentlich für mich reserviert war, aber Mitiam zerstreute meine Bedenken schnell. Nur eine Bitte hatte sie an mich: Samstag und Sonntag standen erneut zwei private Hausbeduche an, Hausbesuche, die sie wieder als Jana machen würde. Und ich solle sie fahren. Eine Bitte, die ich Miriam gerne erfüllen wollte.

Der Samstag verlief wie der Freitag. Miriam war dauergebucht, hatte aber mich Romina schon besprochen, zwei Stunden früher Feierabend hzu machen. Zähneknirschend akzeptierte Romina.
Auf dem Heimweg, wie immer "verdonnerte" Romina mich dazu, Miriam zu fahren, nahm sie noch den Hausbesuch, der auf 23 Uhr terminiert war, mit.

Endlich war es soweit. Sonntag, Der Tag der Tage. Mein Sonntag. Pünktlich um zehn stand ich vor Miriams Wohnungstür, genauergesagt, der Tür ihrer Eltern, bei denen sie noch immer lebte. Miriam sah zum Anbeißen aus. Weißer Lackmini, dazu passende Stiefel und die schwarzen halterlosen, die ich so sehr an ihr schätze. Dazu das passende Oberteil; der Lippenstift genau hierzu abgestimmt. Das blonde, schulterlange Haar trug sie offen. "Los, fahren wir", forderte Miriam mich auf; sie ging voraus zum Wagen und wackelte kokett mit ihrem Po. Ein erhebender Anblick und ich freute mich schon auf das, was noch kommen sollte. Doch zunächst hatte Miriam für mich eine schlechte Nachricht. "Dieter", begann sie, "zuerst muss ich noch etwas Geld verdienen. Wir fahren jetzt zuerst unseren Hausbesuch. Keine Angst. Danach kommst du dran. Ich habe sich nicht vergessen". Also fuhr ich Miriam zuerst zu der Adresse, die sie mir nannte. Ein alter Bekannter von ihr, von dem wir wussten, dass er die vereinbarte Stunde nie überschritt. Eine Stunde also noch, sie war es, die mich von meinem Glück trennte. Zählflüssig wie Sirup verging diese Stunde. Ich wartete im Auto auf Miriam, blickte alle zwei Minuten auf die Uhr, in der Hoffnung, die Stunde sei vergangen. Endlich öffnete sich die Tür. Strahlend kam Miriam auf mich zu. "Los, jetzt zu dir", forderte sie mich auf.


*

Miriam stand vor mir. Wie lange schon habe ich sie begehrt, sie mit stiller Schwärmerei bedacht, eine Schwärmerei, die sich unaufhaltsam steigerte in Liebe. Eine schmachtende, unerfüllbare Liebe. Klar hätte ich Miriam Geld geben können, sie hätte sich kaufen lassen, mir hingegeben für eine Stunde oder mehr. Aber das war zu billig. Ich wollte mir Miriams Liebe nicht kaufen, sie nicht für Sex bezahlen, sie nicht als Ware behandeln, als eine Hure.
Doch nun stand sie vor mir, lächelte mich an, als wollte sie sagen: "Hier bin ich. Ich bin nur für dich da. Nimm mich". Es waren nur drei Schritte, die uns trennten. Oft trennten uns nur drei Schritte, aber bis heute waren diese für mich unüberbrückbar. Doch heute nicht. Zitternd vor Glück setzte ich einen Fuß nach vorn, den zweiten und dritten. Ich konnte ihren Duft riechen, den Duft ihrer parfümierten Haut, den Duft ihrer langen blonden Haare. Ich legte meine Arme um ihren begehreswerten Körper und zog Miriam an mich. Sanft, um sie nur nicht zu zurbrechen. Nichts sollte mir diesen wunderbaren Augenblick nehmen. Ich spürte ihren Atem an meinem Hals als sie ihren Kopf an meine Schulter legte. Ihr Atem streifte meine Haut, als sie ihren Kopf wieder erhob, mich anlächelte und ihren Mund zum Kuss öffnete. Unsere Lippen trafen sich, es war wie eine Explosion der Sinne. Ihre Zunge erforschte meinen Mund, ihre Haände meinen Körper. Miriam presste sich eng an mich, ich konnte den Druck ihrer kleinen, festen Brüste spüren. Meine Hände wanderten über ihren Rücken, ihren ganzen Körper. Unsere Lippen schienen wie verschmolzen, verschmolzen zu einem langen, nicht enden wollenden Kuss. Ich wagte nicht, Miriam zusammen mit mir auf das Bett fallen zu lassen, stand einfach nur da und genoss den Augenblick des Glücks. Endlich ergriff Miriam die Initiative, ließ sich auf das Bett fallen und zog mich mit sich. "Zieh mich aus", lud sie mich ein, "ich möchte dir gehören". Mit zitternden Händen begann ich, Miriam von ihren Kleidern zu befreien, sie tat das gleiche bei mir, wenn auch um einiges professioneller. Ich begann, mit meinen Lippen Miriams Körper zu erforschen, küsste ihre weichen, wohlgeformzen Brüste und glitt immer tiefer. Esndlich kam ich dort an, wo Miriam für meine Zärtlichkeiten am empfindsamsten ist und ich ließ sie spüren, wie sehr ich sie liebe. Es dauerte nicht lange und ihr Körper wurde von einem Höhepunkt erfasst, den ich, so intensiv, noch nicht erleben durfte. Ich verhartte noch eine Weile, bis endlich Miriam mich bat, nach oben zu kommen. Zärtlich legte sie ihre Lippen aujf meine und revanchierte sich für das eben erlebte mit einem langen, liebevollen Kuss. Miriam war die perfekte Geliebte. Sie verstand es immer, den richtigen Moment der Aktivität zu kennen, aber auch die passive Rolle verstand sie meisterhaft. Unsere Körper vershmolzren in ihrer Erregung, ich wusste nicht, wie lange wir so dalagen, gegenseitige Zärt.lichkeiten austauschten; waren es Minuten, Stunden oder Tage. In Miriams Armen versank die Welt um mich herum, das Universum verschwand im Nichts. Es gab nur noch uns beide.Endlich war der richtige Zeitpunkt gekommen, uns zu vereinigten und gemeinsam erlebten wir das Schönste, was Mann und Frau zusammen erleben können.

*

Ich war glücklich, so glücklich wie noch nie. Endlich durfte ich mit der Frau zusammen sein, die ich so sehr liebte. Und ich musste Miriam nicht dafür bezahlen, so wie all die anderen, nein, sie gab sich mir so hin, aus freien Stücken. In diesem Moment hätte ich alles für Miriam getan und ich wusste, immer wäre ich bereit, alles für sie-für Miriam, meine große Liebe zu tun.
Erschöpft lagen wir nebeneinander, ihr Kopf ruhte an meiner Schulten, sanft streichelte ich über ihr langes, blondes Haar. Dass Miriam nicht sofort aufstand, hinausging unter die Dusche, sondern bei mir liegenblieb, das bestärkte mich in meinem Wissen, dass Miriam gern mit mir zusammen war, dass das gerade erlebte nicht das Herabspulen eines Programms, wie für ihre Kunden, war, sondrn, dass Miriam auch etwas für mich fühlte-Liebe konnte ich nicht erwarten, doch ich wünschte mir, dass es zumindest irgendeine Art von Zuneigung war.

*

Die Tage vergingen. Miriam war jeden Tag in Rominas Terminwohnung, jeden Tag war sie ausgebucht. Zeitweilig sah ich sie nur, wenn sie aus einen Zimmer kam und ins nächste ging, von einem Gast zum wartenden anderen. Die anderen Mädchen, mittlerweile, da der Laden durch Miriam lief, waren es drei, beneideten sie, aber auch sie profitierten durch Miriams Anwesenheit, da viele Gäste, die eigentlich wegen Miriam kamen, auch einmal bei einem anderen Mädchen hängen blieben. Es war nicht immer leicht, Miriams Nebenverdienst mit Rominas Wohnung unter einen Hut zu bringen, doch irgendwie klappte es immer. Am Sonntag wollte Miriam wieder zu mir kommen, mir wieder meine Belohnung bringenfür die Dienste, die ich ihr geleistet habe. Doch irgendwie schien uns Romina einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen. "Dieter, Miriam", zitierte Romina uns zu sich, "ich habe mit dem Wochenende ein Problem. Ich muss dringend weg und die drei Rumäninnen lasse ich hier nicht allein. Ihr wisst achon, zur Zeit finden auch an Wochenenden Kontrollen statt. Die Mädels bekommen frei. Sie dürfen sich nur dann hier aufhalten, wenn ich auch da bin. Aber der Laden muss laufen, offen sein, auch am Wochenende. Miriam, du musst Samstag und Sonntag arbeiten, Dieter passt auf dich auf. Wenn du einen Gast hast, wird unten zugeschlossen, Dieter lässt sich nicht blicken. Und Dieter-Hände weg vom Telefon. Lass es einfach klingeln, es hört schon wieder auf. Klar?" Enttäuscht nichte ich ihr zu. Es war Miriam, die mich wieder aufbaute, indem sie ihre Arme um mich legte und mir versprach:"Keine Angst. Dann machen wir es eben hier. Am Wochenende ist sowieso kaum was los".

*

Wie von Romina beschlossen, waren Mariam und ich allein in der Terminwohnung. nein, allein, das war eigentlich nicht das korrekte Wort. Es gab ein reges Kommen und Gehen, auch am Wochenende war Miriam stark gefragt, auch, wenn sie keine Termine hatte. Ich glaube, kein Mann kann sich mitiams Zauber entziehen, und wer schon einmal mit ihr auf dem Zimmer war, konnte sich nur schwerlich ihrem zauber entziehen. Bis zum Abend sah ich Miriam kaum. Sie schaffte es, sobald sie mit einem Gast fertig wsr, den nächsten zu haben. Bis zum Abend müsste sie so ein ertägliches Sümmchen erarbeitet haben. In einer ruhigen Minute setzte sie sich zu mir und meinte:"So, Dieter, für heute mache ich Schluss. Jetzt bist nur noch du dran. Unten habe ich zugeschlossen, uns wird niemand stören. Jetzt bekommst du deine verdiente Belohnung für die Woche. ihre Lippen suchten meine und fanden sie schließlich. Als unsere Lippenpaare zu einen verschmolzen spürte ich das in meinem Mund, was ich so sehr liebe, ihre Zunge. Ihr Körper presste sich gegen meinen, ich konnte ihre kleinen, wohlgeformten Brüste spüren. Gerade wollte ich ihren BH, das einzige, was ihre Oberweite verdeckte, öffnen, da läutete das Telefon. Wäre es das Geschäftstelefon gewesren, Miriam hätte es ignoriert, aber es war ihr Handy. Widerwillig ließ ich sie heraus aus meiner Umarmung; Miriam nahm das Handy und meldete sich. "Ja, ich kann sofort kommen", antwortete sie nach kurzer Zeit. Die Honorare kennst du ja. Zu deiner üblichen Adresse. Ok, sagen wir in deier halben Stunde". Miriam legte auf. Aus den Wortfetzen erkannte ich, dass sie gerade einen Hausbesuch per sofort vereunbart hatte. Das war es wohl dann mit unserem Schäferstündchen. "Tut mir leid, Dieter", entschuldigte sie sichz, "aber das ist ein früherer Stammgast. Wenn ich den wieder gewinnen könnte. Du kommst dann später dran. OK?" "Klar", antwortete ich mit einem dicken Klos im Hals. "Kein Problem. Arbeitest du für Romina oder auf eigene Rechnung?" "Der Termin kam über mein Handy. Also auf meine Rechnung. Romina ist weg, sie wird nichts merken", stellte Miriam klar. "OK", forderte ich sie auf. "Lass uns fahren".

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Es war ein weiter Hausbesuch, doch war ich der Ansicht, Miriam kennt den Weg genau. Zielsicher lotste sie mich über die Autobahn, zielsicher fand sie die passende Ausfahrt. Wir warenin der Pfalz. Eine Gegend, in der ich mich nicht auskenne, schon gar nicht nachts. Dorf um Dorf reihte sich aneinander, lediglich verbunden durch einige Kilomwter Landstraße, zumeist surch waldige Gebiete. Doch nach wie vor lotste mich Miriam mit nahezu schlafwandlerischer Sicherheit. Irgendwann, mittlerweile hörte ich auf, mich über Miriams Ortskennntnisse zu wundern, bat sie mich, anzuhalten. "Die Villa dort drüben ist es. Hör auf, dich zu wundern. Das ist ein alter Kunde, ich war schon oft hier, mit dem Fahrer vor dir. Er hat mich zufällig über meine Annonce wiedergefunden. Ich gehe jetzt rein. Es kann länger dauern als eine Stunde. Beunruhige dich nicht, wenn ich mich nicht melde. Es ist alles ok". Miriam stieg aus dem Wagen aus und verschwand im Dunkel. Die Zeit verging. Aus einer Stunde wurden zwei, Müdigkeit beschlich mich, doch ich durfte nicht einschlafen. Ich war der Garant für Miriams Sicherheit, musste hellwachbund reaktionsschnell bleiben, auch wenn Miriam mich beruhigte. Endlich läutete das Handy. Doch nicht Miriam war es, die am anderen Ende der Verbindung war. "Dieter, Romina hier", keifte sie unverkennbare Stimme meiner Chefin aus dem Handy.

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Romina war völlig in ihrem Element. Ohne Pause keifte sie weiter:"Was ist eigentlich los bei euch? Seit einer Stunde versuche ich, anzurufen. Keiner geht ans Telefon". Ihre Stimme überschlug sich schier. "Wehe, die Abrechnung stimmt morgen nicht. Ich werde sie überprüfen. Wenn ihr mich hintergeht, werdet ihr das zu spüren bekommen. Alle beide". Mist, Romina schien etwas gemerkt zu haben. Klar, sie hat einen siebten Sinn, wenn es um ihr Geld geht. Ich wusste nicht, wann Miriam von ihrem Hausbesuch zurückkommt. Hier jedoch saß ich auf glühenden Kohlen, einerseits konnte ich Miriam nicht erreichen, andererseits war es geboten, so schnell wie möglich zurückzufahren, nicht, dass Romina womöglich noch auf die Idee käme, noch in ihrem Etablissement vorbeizuschauen. Sie würde es leer vorfinden, Miriam und ich sind ausgeflogen. Romina musste beruhigt werden, glaubwürdig beruhigt.
"Mach mal halblang", entgegnete ich Romina, Miriam ist auf Zimmer. Hat einnen Dauergast. Mittag war nicht so viel los. Und du weisst, dass ich Telefonverbot habe. Wer also hätte abnehmen sollen? Hier ist alles ok, verlass dich drauf". "Hast ja Recht, ich war nur etwas nervös", entgegnete Romina schon etwas gelassener. "Ich weiß ja, dass ich mich auf euch beide verlassen kann. Ok, ich komme dann morgen wieder. Miriam soll abrechnen und meinen Anteil einfach in der Kasse lassen. Ich hole es dann, wenn ich zurück bin". Romina hatte meine Geschichte geglaubt. Dieses Problem wäre also beseitigt. Nun müsste nur noch Miriam endlich zurückkommen. Trotz, dass Romina vorerst beruhigt ist, wir müssten so schnell es geht zurückfahren. Bei Romina konnte man einfach nicht sicher sein.

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Endlich war es soweit. Die Beifahrertür öffnete sich und Mariam setzte sich neben mich. "Endlich", begrüßte ich sie hektisch, startete denn Motor und gab Gas. "Romina hat abgerufen. Eventuell hat sie etwas bemerkt. Wir müssen schnell zurück". "Keine Angst", beruhigte Miriam mich. "Die heutigen Einnahmen stimmen. Das ist das Wichtigste für Romina. Dann gibt sie schon Ruhe".

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Romina würdigte den Zwischenfall keiner weiteren Bemerkung. Die nächsten Tage und Wochen verliefen ereignislos, fast langweilig angesichts der Wirren der vergangenen Tage. Miriam verbrachte den Hauptteil ihrer Tage bei Romina, ab und an musste sie es schaffen, einen Hausbesuch auf eigene Rechnung unterzubringen und mich zugleich bei Romina loszueisen. Es war mir nicht ganz klar: Merkte Romina wirklich nichts oder machte sie nur gute Miene zum bösen Spiel, um ihr bestes Mädchen, ihr Zugpferd nicht zu verlieren. Nur am Sonntag, dav arbeitete Miriam nicht. Sonntag war imer noch ihr Ruhetag, zumindest für Romina. Und Sonntag war auch der Tag, an dem ich Romina nicht zur Verfügung stand. Sonntag war unser tag, der Tag, an dem Miriam und ich uns trafen. Der Tag, an dem ich glückich war. Glücklich, mit dem Mädchen zusammen zu sein, das ich liebe. Längst hatte Miriam aufgehört, auf die Uhr zu schauen. Aus der vereinbarten Stunde zärtlicher Zweisamkeit wurden schon einmal zwei oder drei.
Aus den Wochen unserer Zweisamkeit wurde ein Monat, zwei, drei. Irgendwann, ich weiß nicht mehr wann, jedenfalls war es einer unserer Sonntage meinte Miriam beim Anziehen: "Dieter, ich muss dir etwas sagen. Morgen platzt bei Romina eine Bombe. Ich werde ihr eröffnen, dass ich aussteige. Zumindest bei ihr. Was ich dir jetzt sage, behöltst du bitte für dich. Ich habe fünftausend gespart. Das ist mein Einstandsgeld in die Selbstständigkeit. Morgen unterschreibe ich den Vertrag für meine eigene Wohnung. Zwei Mädchen habe ich schon, sie fangen in zwei Wochen an. Bis dahin arbeite ich allein. Willst du bei uns als Fahrer anfangen, wenn es richtig läuft?" Erfreut sagte ich zu. Aber ich wollte nicht erst dann anfangen, wenn es richtig läuft, nein, ich wollte sofort mit Miriam wechseln. Romina, das sollte zukünftig nur noch Vergangenheit, Schnee von gestern sein.


Kapitel 8

"Was?" brüllte Romina. Sie fiel aus allen Wolken. "Du willst aufhören? Das kannst du doch nicht machen. Du weisst, der Laden steht und fällt mit dir". "Ja, Romina", entgegnete Miriam. "Ich mache meinen eigenen Laden auf. Mein großer Traum. Und Dieter nehme ich mit. Ich werde einen Fahrer brauchen". Romina blickte mich mit wutverzerrtem Gesicht an:"Verräter" zischte sie nur. "Los. geht". Das Gekeife war nicht mehr auszuhsalten. Alle beide. Packt euren Krempel und hat ab. Ich kann euch nicht mehr sehen".
Raus waren wir. Es war nicht Rominas letztes Wort, dafür kannte ich sie. Vorerst aber war ich froh über den Rauswurf. Ich konnte Miriam helfen, ihre Wohnung zu einem Kracher, einem Knaller werden zu lassen. Es war sicher viel zu erledigen, eine Menge zu besprechen. Der erste Weg, nachdem uns Romina hinausgeworfen hatte, führte uns zu mir. "Sorry", meinte Miriam, als die Wohnungstür ins Schloss gefallen war, "dass du wegen mir deinen Job bei Romina verloren hast". "Was für einen Job?", fragte ich sie, "bei einem Job wird man bezahlt und das wurde ich von Romina schon lange nicht mehr. Das Geld von dir für deine Hausbesuche, das hat mich über Wasser gehalten. Ab jetzt fahre ich für dich. Romina, das war einmal. Du wirst einen Fahrer brauchen, schließlich wirst du den ganzen Tag in deinem neuen Laden bleiben, ganz klar. Du weirst keine Erledigungen machen können. Werbung, Einkaufen. Und ich denke, dass du auch Hausbesuche anbieten wirst. Also brauchst du einen Fahrer". "Stimmt. Deshalb wollte ich dich ja mitnehmen", bestätigte Miriam. "Also. Willkommen im Team". "Top", freute ich mich. "Also fahre ich ab heute für.....wie soll dein Laden eogentlich heißen?". "Weiß noch nicht. Irgend etwas französisches habe ich mir vorgestellt". "Maison d´amour", schoss es mir durch den Kopf. Miriam war begeistert. "Das ist es. Los, lass uns hinsitzen und die Werbung entwerfen". Miriam und ich waren Feuer und Flamme.

*

Es gab viel zu tun, die folgenden Tage waren voll belegt mit Arbeit. Miriams Werbung wurde konzipiertb und geschaltet, die Wohnung musste eingerichtet werden. Man merkte es Miriam an, sie konnte es kaum erwarten, selbstständig zu sein. Zunächst wollte sie alleine in der Wohnung arbeiten, nach und nach aber weitere Mädchen anwerben, um sich mittelfristig nur noch auf die Leitung der Wohnung zu konzentrieren. Mittenin die Borbereitungen schrillte mein Handy. Ein anruf, den ich zwar erwartete, nit dem ich jedoch nicht rechnete. "Dieter, leg nicht auf", schnarrte Rominas Stimme aus dem Telefon. "Ich brauche dich. Du musst für mich einen Hausbesuch fahren". "Du hast vergessen, dass ich nicht mehr für dich arbeite", stellte ich klar. "Miriam ist jetzt mein Boss. Und so sowieso nicht. Hast du nicht etwas vergessen?" "Ja", antwortete Romina kleinlaut. "Es tut mir leid, dass ich so reagiert habe. Entschuldigt bitte mein Verhalten". Es war das erste Mal, diese Worte aus Rominas Mund zu hören. Miriam grinste und nickte mir zustimmend zu. "OK, Romona, diesen Hausbesuch fahre ich dir noch. Aber denk dran, dass ich ab Freitag für die Konkurrenz fahre".

*

"Dieter", begrüßte Romina mich, "ich habe nicht nur den Hausbesuch. Du musst mir helfen. Der Türke ist nicht der Vermieter der Wohnung. Er ist auch nur Mieter, er hat mir die Wohnung nur weitervermietet. Und der Vermieter, König, will mich raushaben. Kann er das?" "Warum will er dich raushaben?" fragte ich. "Er sagt, er will keine Prostitution in seinem Haus". "Kann er. Sonst noch was?" "Naja, ich habe zwei Monate die Miete an den Türken bezahlt. Ich dachte ja, er ist der Vermieter. Und er hat sie nicht an König bezahlt. Jetzt soll aber alles bezahlt sein". Ich runzelte die Stirn. "Du hängst als Untermieterin am Hauptmietvertrag. Wenn König den kündigt, bist du auch draußen. Das hätte er können wegen dem Mietrückstand. Durch die Bezahlung geht das bicht mehr. Das mit der Prostitution lass mal meine Sorge sein. Da bekomme ich dich raus. So, jetzt schick mir mal das Mädel für den Hausbesuch." Ich war keineswegs überrascht, Rominas neue Mädchen zu sehen. Allesamt Rumäninnen, allesamt illegal. Eines der Mädchen stand auf und kam zu mir. Sie war es, die den Hausbesuch machen sollte.

`*

Der Hausbesuch verlief problemlos. Zwei Stunden später war ich wieder bei Miriam, die gerade letzte Hand an die Wohnungseinrichtung legte. Alles fertig, in zwei Tagen sollte die Eröffnung sein. "Dieter", Miriam legte verführerisch ihre Arme um mich.
"Wir sind mit allem fertig. Du hast mir so sehr geholfen. Ich gebe dir einen Bonus. Los, lass uns zusammen die Wohnung einweihen".

*

Die Stunden vergingen, aber sie vergingen zähflüssig. Man merkte Miriam und mit die gespannte Erwartung an. Endlich war es Donnerstag Abend. Die ersgten Exemplare des Kurier wurden ausgeliefert. Miriam war kaumzu halten vor lauter Nervosität. Sie riss mir die Anzeigenzeitung förmlich aus der Hand, blätterte sie durch, bis sie auf die Kontakte-Seite stieß. "Schau dir das an", jubelte sie. "Schau, wo wir stehen". Wir hatten es geschafft. Unsere Annonce war die erste, links oben. Die grafische Umsetzung meines Entwurfes geschah hervorragend. Unsere Annonce war die bestgestaltete der ganzen Anzeigenseite, sie musste auffällig genug sein. Doch irgend etwas missfiel mir. Die Annonce war hervorragend gestaltet, über der Text ließ sich nichts negatives sagen, schließlich hatte ich während meines Studiums Werbung und Absatzwesen als Hauptfach belegt, dennoch wusste ich, dass hier und da noch einige Kleinigkeiten zu feilen wären, kleine Verbesserungen wohl, aber notwendige. Ich nahm Miriam in den Arm, küsste sie auf die Stirn und meinte nur:"Gratuliere, Kleines. Die Anzeige wird einschlagen wie ein Kracher. Man wird sich an dich erinnern; es ist egal, wo du arbeitest, deine Gäste kommen. Wenn es sein muss, auch an den Nordpol". Und wie wenn es meine Worte unterstreichen wollte,m läutete Miriams Handy. Der erste Gast; der erste Termin.

Miriams erster Tag wurde ein großer Erfolg. Sie verlegte sich darauf, heute nur auf Termin zu arbeiten, anders wäre der große Andrang nicht zu bewältigen gewesen. Auch so kam Miriam nicht aus dem Zimmer, sie war voll durchgehend beschäftigt. Gleich wurde mir klar, was die erste Änderung der Annonce sein musste. Miriam brauchte Mädchen, zumindest zwei, um den gigantischen Ansturm bewältigen zu können. Es war unbeschreiblich, auf welche Resonanz Miriam stieß, welchen Ansturm ihre Annonce auslöste.
Weit nach Mitternacht verabschiedete Miriam ihren letzten Gast. Zeit, Tageskasse zu machen. Es war unglaublich. 1500 Euro lagen auf dem Tisch, die Einnahmen eines einzigen Tages. Überglücklich bemerkte Miriam, dass sie erstmals, seit sie im Gewerbe arbeitete, mit niemandem teilen musste.

*

Um dem großen Ansturm Herr zu werden, beschloss Miriam, erstmals auch am Wochenende durchzuarbeiten. Samstag, meist ein völlig ruhiger und belangloser Tag, er wurde zum Hammer. Die Freitags-Einnahmen wurden noch übertroffen, auch der Sonntag brachte ansehnliche Ergebnisse. Innerhalb dreier Tage hatten wir es geschafft, Miriams "Maison dámour" nicht nur gegen die Konkurrenz zu behaupten, nein, wir waren auf dem Weg zur lokalen Spitze. Die gesamte folgende Woche zeigte ähnliche Ergebnisse. Das Telefon stand nicht still. Miriam konnte weiterhin lediglich feste Termine vergeben. Gelegenheitsbesucher nusste sie abweisen, sofern sie keinen Termin vereinbaren konnten oder wollten. Wieder warteten wir darauf, dass es Freitag wurde. Wieder riss mir Miriam den Kurier förmlich aus der Hand. Ihre Annonce war um einige Stellen nach rechts gerückt, befand sich nunmehr in der Mitte dr Kopfzeile. Eine ähnlich gute Ausgangsposition für die kommende Woche. Doch eines war es, das uns wichtig war. Die Änderung im Text. "Dringend Verstärkung gesucht". Neue Mädchen mussten kommen. Miriam brauchte Zuwachs, um dren Ansturm zu bewältigen. Möglichst auf der Stelle.

*

Der Ansturm auf Miriams Maison ließ nicht nach. Längst hatte ich es aufgegeben, auf Hausbeduche zu warten, Miriam konnte keine vereinbaren, die Zeit reichte einfach nicht. Einige Tage saß ich bei Romina herum, wir diskutierten ihr rechtliches POroblem und ich machte ihr klar, dass sie sehr eng an den Hauptmietvertrag gebunden sei; König müsse nicht Romina selbst kündigen, sondern einfach dem Hauptmieter; geschähe dies, wäre Rominas Vertrag ebenfalls nichtig. Und eiknen eigenen Mietvertrag mit König zu bekommen, das schiede wohl aus.
Während der Tage, an denen ich bei Romina saß, musste ich mir ständig ihre Klagen anhören. König, der Club im Industriegebiet, ich gebe zu, lange war ich nicht mehr dort und wenn Miriam micht nicht braucht, gegen einen Abstecher dorthin hätte ich nichts einzuwenden, und vor allem Miriam, ihr Weggang schmerzte Romina am meisten. Schließlich war Miriam Rominas Top-Star und nun machte sie ihrer ehemaligen Chefin solch große Konkurrenz, dass bei ihr fast gar nichts lief. Romina jammerte, dass sie, gehe die Situation so weiter, bald schließen müsse, dann hätte sich die Sache mit König auch erledigt. Doch ich wusste, Romina wäre nicht Romina, würde ihr nicht doch die rettende Idee kommen.
Gedankenverloren verabschiedete ich mich von Romina und machte mich auf den Heimweg. Zu Miriam wollte ich erst am späten Abend gehen, wenn es Zeit war, sie nach Hause zu fahren. Ein Anruf auf cdem Handy schreckte mich aus meinen Gedanken: "Hallo Dieter", hörte ich Miriam, "gute Neuigkeiten. Weisst du, wer für mich arbeiten will?", fragte sie freudig. "Anne, meine frühere Freundin wird morgen anfangen. Ich freu mich voll", jubelte sie. "Gratuliere, das ist schön für dich", antwortete ich nachdenklich. "Ich komme dann heute abend wie immer". Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl. Ich kannte Anne, wusste, in welcher Szene sie sich bewegte. Irgendwie erkannte ich schon jetzt die dunklen Wolken am Horizont, die sich über mir und Miriam zusammenzogen. Wolken, die ein schweres Unwetter ankündigten, das uns bald erreichen sollte, Regen und Sturm über uns abladend. Ich würde der erste sein, der mit der neuen Situation Bekanntschaft schließen würde.

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Immer noch gedankenverloren kam ich zu Hause an. Ich sah meine Nachbarin kaum, stolperte fast über sie und bemerkte sie erst, als sie mich ansprach" "Du, Dieter, nach dir haben vorhin ganz komische Leute gefragt". "Komische Leute?", echote ich fragend. "Wie sahen die denn aus?" Naja", antwortete sie. "Er in Jeans und so ner Schimanki-Jacke. Ungepfelgt und unrasiert. Sie gepflegt, halblange brünette Haare und ein recht elegantes Kostüm. Eigentlich gehören sie vom Typ her überhaupt nicht zusammen". Ich ahnte, nein, ich wusste, wer das nur sein Konnte. Kripo. Es konnte, nein, musste Kripo sein. Was wollen die von mir. Die Sache mit Katja ist doch gegessen. Sie hat das Land verlassen. Ich habe mir auch nichts zuschulden kommen lassen. Komisch.

Ich sollte es gleich erfahren, weshalb nach mir gefragt wurde. Ich wollte meine Wohnungstür aufschließen; Ich musste aber den Schlussel nur einmal, statt wie gewohnt dreimal umdrehen. Ich war mir aber sicher, ich hatte abgeschlossen. Das Schloss war offen. Entgegen meiner sonstigen Art war die Tür nur zugezogen, nicht verschlossen. Vorsichtig öffnete ich die Tür. Da sah ich sie. Sie waren zu dritt; einen kannte ich. Mein Vermieter, mit dem ich schon lange per du war. "Komm rein, Dieter und erschrick nicht", begrüsste er mich. "Es ist alles ok". Bei ihm standen die beiden Leute, auf die die Beschreibung meiner Nachbarin zutraf. Hatte ich mich also nicht getäuscht? Wer sonst, außer der Kriminalpolizei könnte zusammen mit meinem Vermieter in meiner Wohnung stehen und mir diesen zugegebenermaßen etwas bizarren Empfang bereiten? "Die-vermutlicherweise-Polizistin kam auf mich zu. "Dürfen wir uns vorstellen? Kripo Mannheim, Sittendezernat". Sie hielt mir ein rosafarbenes Papier unter die Nase. "Wir haben einen Hausdurchsuchungsbefehl. Keine Angst, wir ermitteln nicht gegen Sie. In der Sache betrachten wir Sie als Opfer, bestenfalls Mittel zum Zweck. Die Ermittlungen richten sich gegen Ihre ehemalige Mitbewohnerin. Wir suchen Hinweise zu ihrem jetzigen Aufenthaltsort. Die Staatsanwaltschaft hofft, durch diese Aktion einige Schritte in der Sache weiter zu kommen. Die Durchsuchung ist von langer Hand geplant; Ihr Hausbesitzer wurde über alles informiert und öffnete uns die Tür. Hätten wir die Tür aufbrechen müssen, wären vermeidbare Kosten entstanden". Erst einmal musste ich mich setzen. Also stimmte meine Vorahnung. Kriminalpolizei. Ich war überrascht, verwirrt. Schließlich kommt man ja nicht jeden Tag nach Hause und steht vor einem solchen Empfangskomittee. "Leider konnten wir nichts finden, wir sind hier auch fertig", fuhr sie fort. "Können Sie uns Hinweise geben, die uns weiterhelfen?" "Leider nein, seit sie ausgezogen ist, haben wir glüklicherweise keinen Kontakt mehr. Sie hat mich um einiges an Geld erleichtert. Fragen Sie. Ich werde alles so gut beantworten, wie ich kann. Ich möchte gerne mit ihnen kooperieren". "Das ist schön", freute sie sich. "Dann kommen Sie doch bitte in einer Stunde aufs Präsidium. Sie werden dort erwartet".

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Ich kannte das Präsidium bereits. Von der Sache mit Katja. Es ist immer ein etwas unangenehmes Gefühl, hier zu stehen, vor dem Glaskasten der Abmeldung zu warten. Lange stehen musste ich nicht. Die zugegebenermaßen nicht unattraktivev Kriminalpolizistin holte mich persönlich ab.
Das Sittendezernat befand sich im ersten Obergeschoss. Einmal den Flur durch, ganz hinten. Ich kannte mich aus, schließlich lag die Sache mit Loretta noch nicht allzulange zurück. Die Polizistin, deren Namen ich immer noch nicht kannte, bat mich, in ihr Büro bzw das Büro, das sie kurzfristig benutzt, einzutreten. Eigentlich waren dir Büros immer gleich eingerichtet. Ein Schreibtisch, zwei Stühle und ein Computer, auf dem vestimmt immer das gleiche Textprogramm geladen war. Standard eben. Seltsamerweise, immer befand sich auch die gleiche Zimmerpalme in den Büros. Gerade so, als hätte sie es in Massen im ausverkauf gegeben. Und genauso wie in allen anderen Amtsstuben, die ich bislang kennen lernen durfte, der gleiche Wandschmuck: ein Kalender und ein Sammelsurium an kitschigen Urlaubskarten. Ich bin sicher, hätte man die Karten herumgedreht, man würde überall den gleichen vielsagenden Satz finden: "Viele Grüße aus XXX sendet dir XXX". Und natürlich, wie in jedem Büro durfte auch eines nicht fehlen: eine Tasse dampfenden Kaffees auf dem Schreibtisch. Aber schliwßlich waren wir ja nicht gekommen, um über das Interieur deutscher Polizei-Büros zu unterhalten, sondern über Carmen.
Und die Unterhaltung, das konnte ich jetzt noch nicht wissen, würde es in sich haben, vor allwm für mich. Ich plauderte alles aus, fast alles. Dass ich vermutete, Carmen sei Italienerin, aufgrund ihres Passes, nun aber wusste, dass sie Rumänin ist. Wiev lange sie bei mir wohnte, was ihre Tagesgewohnheiten waren. Langsam aber sicher erhielt meine Gesprächspartnerin ein genaues, persönlichres Bild Carmens. Nun kamen direkte Fragen. "Hat Carmen, lassen wir es zunächst bei diesem Namen, öfter weiblichen Besuch gehabt, wenn ja, wie kam der Besuch zu ihr, wie ging er wieder?" Das war ein Stich ins Wespennest. "Weiblichen Besuch hatte sie desöfteren, wie die Mädels kamen, weiß ich nicht. Angeholt wurden siw immer von einem Onkel". Und dieserOnkel hatte südländischen Typ?" "Genau", antwortete ich. "Und was mir auffiel: Manche der Mädchen schienen den gleichen Onkel zu habem. Jedenfallsv kam es mir so vor". "Mhm", meinte sie. "Das bestätihgt unsere Annahmen und rechtfertigt auch das Ermittlungsverfahren. Sie haben uns sehr geholfen. Jetzt kann ich Siev über unser sauberes Früchtchen aufklären. Dass sie Rumänin ist, wisen Sie ja. Ihr richtiger Name ist Iona Dumitrescu. Egal, welchen Namen Sie kennen, dieser ist der definitiv korrekte Name. Sie hat Sie benutzt. Fur sie waren Sie ein Zwischenlager. Die Freundinnen, die ´zu Besuch´ kamen, wurden von ihr illegal eingeschleust, bei Ihnen gewissermaßen geparkt und bei Gelwgebheit, also so schnell wie möglich an die Mafia im Rhein-Main-Gebiet verkauft. Sie sind für uns allerdings kein Mittäter, auch Begünstigung fällt aus; Sie sind nur das Opfer. Sie ist auch mit ihrem Neffen unterwegs, dieser Neffe fungiert als ihr Komplize und Liebhaber. Überall, wo sie auftaucht hinterlässt sie beträchtliche finanuielle Schäden"-. Das wars. Mit einem Schlag wurde mir bewusst, dass ich das Geld, das ich ihr gab, abschreibenn konnte. Was ich noch nicht wusste-dies war nur einn kleiner Teil des Schadens, den Carmen bei mir verursacht hatte.

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Das Maison suchte ich erst am Abend wieder auf, als es Zeit wurde, Miriam nach Hause zu fahren. Selbst den Clubbesuch, den ich für heute fest eingeplant hatte, verschob ich auf unbestimmte Zeit. Irgendwie musste ich meine Gedanken ordnen, den Kopf freibekommen. Zu viel hatte sich heute ereignet, zu viel musste ich heute erfahren. Carmens Besuch, die sogenannte Freundinnen waren illegale, wahrscheinlich sogar Zwangsprostituierte. Die verschiedenen Onkels, die sie abholten-Mafia. Meine Wohnung, sie wurde ein Treffpunkt des organisierten Verbrechens, die Mafia ging bei mir ein und aus und ich bemerkte es nicht einmal. Erst jetzt wurde mir klar, in welch einer Gefahr ich schwebte, worauf ich mich, unwissend, wie ich war, eingelassen hatte. "Was ist los mit dir?" fragte Miriam besorgt, als sie zu mir in den Wagen stieg. "Du bist so still und nachdenklich. So kenne ich dich überhaupt nicht". "Ach nichts", versuchte ich sie zu beuhigen, wusste aber nicht, ob ich es schaffte. "War nur ein langer Tag und ich bin etwas müde. Mariam schien sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben. Jedenfalls wechselte sie schnell das Thema. "Du, Dieter", meinte sie mit freudiger Stimme, "stell dir vor, Anne fängt morgen definitiv bei mir an. Endlich habe ich ein zweites Mädchen, muss keine Gäste mehr wegschicken. Die anderen beiden, Paris und Betty, die sich beworben haben, nehme ich kommende Woche auf Probe rein. Dann wird der Laden so richtig laufen". "Toll, freu mich für dich", murmelte ich gedankenverloren. Der Weg kam mir heute länger vor als an anderen Tagen, irgendwann jedoch hatte ich Miriam endlich bei sich zu Hause abgesetzt. Auch der Rückweg, die Freude auf mein Bett, endlich etwas Schlaf zu finden nach diesem ereignisreichen Tag, wollte in mir keine freudige Stimmung aufkommen lassen. Anne, ausgerechnet Anne musste sie ins Maison holen. Ich kannte Anne, kannte ihre Drogenvergangenheit, die auch ihre Gegenwart war. Die Wolken am Horizont, sie kamenn immer näher, wurden bedrohlicher. Ich meinte schon, die ersten Winde zu spüren, die ersten Regentropfen, ein schweres Unwetter ankündigten, das sich über unseren Köpfen zusammenbraute.

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Anne war da. Sie sah gut aus, nicht so, wie man sichb jemand vorstellt, der schon seit Jahren Heroin komnsumiert. Ihr Gesicht war gepflegt, makellos. Annev war, wenn sie auch schon weit jenseits der Dreißig ist, immer noch eine atemberaubende Schönheit, eine Frau, nach der sich die Männer auf der Straße umdrehen. Ihrb kurzer Rock, der knapp unter dem Po endete, betonte ihre langen, wunderschön geformten Beine, die durch Annes High Heels zum echten Blickfang wurden. Ihr Topb stellte verführerisch ihre Brüste zur Schau, nicht billig oder provozierend, sondern einfach aufreizend anregend. Anne konnte es sich leisten, ihre Arme sehen zu lassen, schließlich hing sie nicht an der Nadel, sondern konsumierte die Droge durch die Nase. Alles in allem: Anne wusste, mit Kleidern zu spielen wie mit den Männern, viele schon lagen auf Knien vor ihr, viele gaben schon allesb und würden es immer wieder tun, nur, um in Annes Nähe zu sein.
Ich hätte Miriam beglückwunscht, Anne für sich gewonnen zu haben, wüsste ich nicht von der Bedrohung, die ihre Anwesenheit für Miriam bedeuten würde. Ich machte gute Miene zum bödemn Spiel, umarmte Anne und küsste sie; ein betörender Duft erlesensten Parfüms kitzelte meine Nase. Miriam und Anne gingen zusammen in die Küche, tratschten wie wenn sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen hätten. Ich merkte, ich war überflüssig, verabschiedete mich wortlos und schloss die Tür. Ich wusste, heute würdeb im Maison nichts mehr gehen und freute mich über einen freien Tag. Ein Tag, den ich plante, komplett im Club zu verbringen.

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Es gab immer neues im Club zu entdecken, insbesondere neue Mädchen. Fast kam es mir so vor, als würde alle zwei Wochen die weibliche Belegschaft komplett ausgetauscht werden. Polinnen, Ukrainerinnen, Tschechinnen, der gesamte ehemalige Ostblock war vertreten. Und die Clubleitung hatte eine neue Idee: Bis zum Sommer solte ein riesiges Außengelände fertiggestellt sein, Liegewiese, Pool, Außensaunen und Grillhütte. Noch drei Monate bis dahin, ich wusste, auf diesen Sommer könnte ich mich freuen.
Doch noch war es nicht soweit. Noch hatten wir Winter. Zumindest kalendarisch, jedoch hatten die derzeitigen Temperaturen nichts mit dieser Jahreszeit zu tun. Aber was sollte ich mich heute um Temperaturen kümmern? Ich war zurück im Club, hatte einen ganzen Tag zur Verfügung. Miriam war im Maison beschäftigt. Anne, auch, wenn ich sie nicht sehr mochte, war bei ihr. Die beiden hatten sich sicher viel zu erzählen. Mein Tag war gerettet. Ich war im Club.

*

Seit langem hatte ich wieder einen Tag für mich alleine. Ich liebte Miriam, ich liebte sie abgöttisch, aber schon seit einiger Zeit hatte ich meinen Bonus nicht mehr gekommen. Den letzten Tag hatte ich noch gut in Erinnerung, es war der Tag, an dem wir das Maison einweihten. Deshalb war ich im Club, redete ich mir ein. Um mir das zu hölen, was ich momentan von Miriam nicht bekam. Dass ich aber versuchte, fast jede freie Minute im Club zu verbringen, dass ich, wenn ich den Club aufsuchte, versuchte, bei Öffnung zu kommen und zu gehen, wenn man mich am frühen Morgen rauswarf, dass ich begann, eine Clubsucht zu entwickeln, das bemerkte ich nicht. Ich wollte es nicht bemerken.

Pflichtbewusst wollte ich heute den Club doch schon etwas früher verlassen, Miriam musste nach Hause gefahren werden. Endlich wieder konnte ich Miriam sehen, von ihr erfahren, wie ihr Tag verlaufen war, erfahren, was mit Anne war, wie sie sich eingeführt hatte. Und morgen sollten die anderen beiden Mädchen kommen. Paris und Betty. Es würde voll werden, in dr kleinen Küche des Maison, in der die Mädchen darauf warteten, bis männliche Gäste kamen, um sich ihnen vorstellen zu können.
Doch gerade als ich mich umziehen wollte, fiel mein Blick auf das Handy. Eine Nachricht von Miriam:´Hallo, Dieter, du musst mich heute nicht abholen. ich ziehe noch etwas mit Anne um die Häuser. Ich werde im Maison schlafen´. Die Freude über die gewonnenen Stunden im Club überschattete meine Bedenken. Bedenken, die ich haben müsste, wenn Miriam mit Anne zusammen war, Bedenken ob der Vergangenheit der beiden, wobei ich wusste, dass Heroin nicht nur Annes Vergangenheit, sondern auch noch ihre Gegenwart war.


Kapitel 9

Auch in den nächsten Tagen bekam ich Miriam nicht zu Gesicht. Ihr Leben schien sich nur noch um Anne zu drehen. Keinen Abend sollte ich sie nach Hause fahren, keinen Morgen abholen. Sie verbrachte ihre Tage nur noch im Maison. Längst waren Paris und Betty eingegtroffen, doch ich kannte sie noch nicht. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten hatte Miriam mir die beiden Mädchen noch nicht vorgestellt. Ich wusste nicht, was im Maison abläuft, schon seit Tagen flossen keinerlei Informationen zu mir. Ich wusste nicht, ob ich einfach den Kopf in den Sand steckte, indem ich mir einredete, alles sei in Ordnung.

Die Tage an denen ich von Miriam keine Nachrichten, keine Neuigkeiten bekam, vergingen, Bald war es eine Woche, bald länger. Soweit es meine Barschaft zuließ, verbrachte ich die Tage im Club. Bis eines Tages, gerade wollte ich mich wieder auf den Weg ins Industriegebiet machen, das Handy klingelte. Aufgeregt begann Miriam, ließ mich kaum zu Worte kommen:"Dieter, du bist doch im Forum?" "Ja gut, was heißt im Forum?", fragte ich. Angemeldet bin ich nicht. Ich lese nur". §Das reicht", relativierte Miriam. "Wirf deinen Rechner an. Ein Gast sagte mir, ich habe zwei negative Berichte. Wenn das stimmt, kann ich hier zumachen. Das Forum ist mächtig".

Die Berichte waren nicht nur negativ, sie waren erschreckend. Miriam wurde nicht erwähnt, sie drehten sich um Paris und Betty. Schlechtr Srvice, Unterservice, Kundenabzocke. Mit das Schlechteste, was über eine Terminwohnung geschrieben werden konnte. Vom Forum, das war klar, würde niemand mehr kommen. Vielleicht nicht gerade nie mehr, aber doch für lange Zeit. Einen guten Ruf kann man schnell verlieren, einen schlechten behält man lange. Miriam musste reagieren, sofort reagieren, wollte sie das Maison retten.
Paris und Betty müssen raus, sofort. Am besten, wenn sie gar nicht mehr kommen. Das wurde telefonisch erledigt. Novh nie hatte ich Miriam, die zarte, so in Rage erlebt. Noch nie hatte ich Miriam schreien, fast brüllen gehört wie bei den Telefonaten mit den beiden Mädchen. Der erste Schritt war getan. Doch die schlechte Presse, das schlechte Forum, es blieb. Miriam musste nun voll und ganz auf die Laufkundschaft setzen. Sie verstand es glänzend, Laufkunden zu Stammgästen zu machen, doch müssten diese erst einmal kommen. Auf Anne, auch wenn ich sie nicht mochte und sie am liebsten auch nicht mehr im Maison sehen wollte, konnte Miriam sich servicetechnisch verlassen. Anne bezeichnete sich selbst als Hure aus Leidenschaft.
Die Werbung musste geändert werden. Ich schlug Miriam vor, und der Vorschlag traf auf Zustimmung, in der Werbung eine Anwesenheitsliste zu veröffentlichen und darauf hinzuweisen, Paris und Betty seinen nicht mehr da. Der Entwurf der Werbung ging sofort zum Kurier. Der Freitag würde zeigen, was die Werbung, von der das Wohl und Wehe des Maison abhing, bringen würde.
Miriam bat mich, ein paar Tage nicht zu kommen, Hausbesuche mache sie derzeit sowieso keine und sie wolle allein über die Zukunft des Naison nachdenken. Im Maison würde sie auch übernachten. Schweren Herzens angesichts der Allgegenwart von Anne sagte ich zu.

*

"Dieter, komm schnell her!". Annes Stimme aus dem Telefonhörer klang hektisch, panisch, aufgeregt. "Was ist los?", fragte ich. "Komm", brüllte Anne in den Hörer. "Ins Maison. Ich weiß nicht, ob etwas passiert ist. Ich stehe draußen und komme nicht rein. Der Schlüssel steckt von innen". "Bin gleich da", bestätigte ich. Miriam, was ist mit Miriam. Ich befürchtete das Schlimmste.

*

Mit quietschende Reifen hielt ich vor dem unscheinbaren Haus in der Lessingstraße. Das Haus, in dem es eine unscheinbare Wohnung gab, eine Wohnung vie viele, aber es war Miriams Wohnung, das Maison. Ich drückte den Aufzugsknopf. Der Aufzug brauchte wieder viel zu lange. Endlich hielt er an. Ich drückte den Knopf ins vierte OG. Ratternd setzte sich der Aufzug in Bewegung. Nicht wissend, aber ahnend, was mich erwarten würde, fuhr ich nach oben.
Die Fahrzeit nach oben erschien mir endlos lang. Esndlich hzielt der Aufzug, endlich konnte ich aussteigen. Einmal links, einmal rechts musste ich gehen. Doch hätte ich den Weg nicht gewusst, ich müsste nur dem Klopfen und Schreien nachgehen. Anne stand vor der Tür, hämmerte wie eine Besessene dagegen. Um unnötige Aufmerksamkeit der Nachbarn zu vermeiden nahm ich Anne und zog sie zuerst weg von der Tür. "Beruhige dich", forderte ich Anne auf. "Was ist los?", wollte ich wissen. "Miriam ist da drin und macht nicht auf", antwortete sie. "Ich hoffe, sie hat nicht zuviel genommen". Schlagartig wurde mir wieder bewusst, welche Gefahr Anne, ihre Abhängigkeit und ihre Kontakte in die Drogenszene für Miriam bedeudeten. Meine schlimmsten Befürchtungen schienen sich bewahrheitet zu haben, meine Ängste, sie schienen real und gegenständlich zu werden. Anne hatte Miriam mit Drogen versorgt. Ob es nur ein einmaliger Ausrutscherv war oder ein ernstzunehmrnder Rückfall, das würde sich herausstellen. Um Anne wollte ich mich später kümmern. Miriam hatte Priorität.
Einen Schlüssel zum Maison hatte ich keinen. Miriam wollte mir einen geben, aber sie kam noch nicht dazu. Ich wollte die Tür nicht eintreten, erstens wäre es nicht im Sinne Miriams gewesen, Aufsehen zu erwecken, zweitens wäre die Tür, aber zumindest das Schloss bei der Aktion beschädigt worden. Ein Schlüsseldienst fiel aus, ich wollte so wenig Zeugen und Publikum haben wie möglich. Mit der Scheckkarte, das müsste funktionieren. Jedenfalls funktionierte es immer in den Filmen, die ich sah. Ich setzte meine Bankkarte knapp über dem Schloss an und zog durch. nichts. Auch der zweite Versuch schlug fehl, ebenso der dritte. Ich wusste nicht, wieviele Versuche ich unternahm, doch irgendwann schaffte ich es. Die Tür öffnete sich. Miriam lag auf dem Bett. Sie schien zu schlafen. Doch es war kein Schlaf, das wusste ich. Neben ihr lag boch das kleine Stückchen Alufolie, das noch vor kurzem den Stein beherbert hat. Ihre Untensilien lagen noch in dem Zimmer. Löffel, Zitronensäure, Sieb. Die Kerze brannte noch, die Spritze lag neben dem Bett. Miriam hatte es nicht geschafft, clean zu bleiben. Die ganze Arbeit mit Miriam, zwei Jqahre, bis sie sich endlich zum Entzug und zur Therapie entschloss, alles vergebens. Die Therapie, all die Disziplin und Selbstbeherrschung während ihr und danach, ebenfalls alles vergebens. Was ich hier sehen musste, war kein Rückfall. Miriam war zurück bei ihrer Droge. Und die Schuldige-Anne-stand beben mir.

*

Ich blickte Anne an, wortlos. Sie musste es merken, was meine Stummen Blicke sagen wollten. Am liebsten hätte ich Anne den Hals zugehalten, zugedrückt, immer stärker, so lange, bis kein Widerstand mehr von ihr zu spüren gewesen wäre. Hätte ich Anne getötet, hier und jetzt, kein Mensch hätte es mir verübeln können. "Das ist dein Werk", zischte ich sie an. "Ich wusste es, aber Miriam wollte dich einfach hier haben. Was suchst du noch hier. Gehe deines Weges, du hast schon genug Unheil angerichtet. In fünf Minuten will ich dich hier nicht mehr sehen. Nie mehr". Anne merkte, wie ernst es mir in diesem Augenblick war. Wortlos stand sie auf, drehte sich um und ging.

*

Miriam lag auf dem Bett. Ihr Atem ging leicht und rhytmisch. Sie hatte eine hohe Dosis genommen, wahrscheinlich eine sehr hohe. Vermutlich hatte sie siese an ihre früheren Dosen ihrer aktiven Zeit angelehnt. Nun aber, da sie schon längere Zeit clean ist, war eben diese Dosis zu viel. Allerdings war sie nicht viel zuviel, keine Überdosis. Tun für sie konnte ich nichts, nur einfach sasitzen, neben igr, warten, bis sie aufwacht.

Es dauerte lange Stunden, draußen ging bereits die Sonne unter, endlich kehrte Leben in Mariams Körper ein. Sie kam zurück. Zurück von ihrer Traumwelt in die Realität. Sie öffnete die Augen. Erstaunt blickte Miriam mich an. "Du?", fragte sie nur. Wortlos beugte ich mich zu ihr, nahm sie in den Arm. Miriam sollte spüren, auch ohne Worte, dass ich ihr keine Vorwürfe machen wollte, dass ich da war, für sie, um ihr wieder zu helfen. Erwas Salziges benetzte meine Wange. Tränen, vereinzelte Tränen aus ihren wunderschönen blauen Augen. "Verzeih mir", flüsterte Miriam. "Ich war schwach. Ich weiß, was du in den letzten zwei Jahren für mich getsn hast. Und ich habe alles zertört. Zwei Jahre in einer Sekunde derSchwäche". "Nichts hast du zerstört, Miriam", beruhigte ich sie, "Gar nichts. Du hast eingesehen, einen Fehler gemacht zu haben, das ist wichtig. Ich kann mir denken, wie es passierte. Es war Anne. Sie kamj, legte das Braune vor dich hin. Du hast gekämpft. Mit dir. Aber du hast verloren. Das kann passieren. Deswegen trägst du wieder deine Ärmelschoner. Deswegen wolltest du immer im Maison übernachten. Ich dränge dich nicht. Komm zu mir, wenn ich dir helfen soll und ich helfe dir. Das weisst du. Wir sind den Weg schon einmal gegangen, wir gehen ihn wieder. Ohne Fragen, ohne Bedingungen. Wenn du HZeit brauchst, lass dir Zeit". "Ichz brauche keine Zeit", entgegnete sie. Danke, dass du mir wieder hilfst. Besorge mir einen Arzt. Gleich morgen. Und...Darf ich zudir ziehen? Meine Eltern sollenn mich so nicht sehen, nicht nach dem Rückfall. Ich will mit dir zusammenleben, als WG. Ich nehme die Schlafcouch, die im Esszimmer steht. Sag schon ja, los". Ich war perplex. Miriamj, meine große Liebe, sie wollte zu mir ziehen. Mein Herz machte einen Freudensprung. Miriam und ich. Zusammen in einer Wohnung. Sie würde da sein, wenn ich aufwache. Sie würde da sein, wenn ich einschlafe. Und ich würde für sie da sein. Für immer. Überglücklich sagte ich zu.

*

Wir wollten keine halben Sachen machen. Die Rettung des Maison war zweitrangig. Primär ging es, gerade jetzt, darum, Miriam zu helfen. Miriam sollte sich ausruhen, es ging ihr sichtlich schlecht und ich wollte jetzt schon losziehen, ihr einen Arzt zu besorgen, der sie substitutionieren sollte. Wir schalteten schon frühzeitig den Anrufbeabtworter ein, das Maison war heute geschlossen.

Es war schwieriger, einen für Miriam geeigneten Arzt zu finden. Erfolglos graste ich sämtliche substitutionierenden Ärzte ab, die mir bekannt waren. Alle hatten ihr Kontingent bereits erreicht oder überschritten. Nun gab es nur noch die Drogenberatung als letzte Alternative.
Glücklicherweise konnte ich sofort einen Termin bekommen, da ich Dringlichkeit vorgeben konnte. Könnte man Miriam in ihrem frühen Stadium des Rückfalls schon helfen, schlimmeres würde verhütet.
Das Gespräch mit dem Drogenberater, er bedauete natürlich sehr, dass ich alleine bei ihm war, ohne Miriam, verlief schnell. Eigentlich handelte es sich nur um den kurzen Austausch einiger Informationen über Niriam auf der einen, gegen Adressen von infragekommenden Ärzten auf der anderen Seite. Doch mehr wollte ich auch nicht. Adressen von Ärzten, die Imstande waren, Miriam zu helfen. Zu helfen, wegzukommen von den Drogen. Für immer.

Es war keine allzugute Nacht für Miriam. Da sie wusste, heute nacht bereits erste Entzugserscheinungen zu haben, wollte sie noch nicht mit zu mir kommen, das wollte Miriam erst dann, wenn sie völlig gefestigt ist, zumindest aber im Programm war. Diese Nacht wollte sie erneut im Maison verbringen, doch diesmal sollte ich bei ihr bleiben.

*

Die erwarteten Entzugserscheinungen blieben aus. Dennoch beeilten wir uns. Mariams Sachen, die sie im Maison zwischengelagert hatte, kamen zu mir. Wir mussten uns sputen, um den Termin beim ersten Arzt auf der Liste nicht zu verpassen.
Die Praxis in der Südstadt machte einen guten Eindruck. Selten fühle ich mich in einer Wrztpraxis wohl, hier war es der Fall. Die Faebe an den Wänden, die Einrichtung, alles erweckte einen warmen, angenehmen Eindruck.
Miriam war nun schon fast 30 Minuten im Sprechzimmer des Arztes. Endlich öffnete sich die Tür. Miriam kam heraus, aber nicht freudenstrahlend, wie ich es mir erhofft hatte, eher nachdenklich, in sich versunken. "Fährst du mich bitte zur Apotheke?", fragte sie. "Natürlich", enrgegnete ich. "Was ist?". "Sage ich dir draußen".
Endlich im Wagen löste sich meine Spannung. "Hier bleibe ich nicht", begann Miriam. "Subutex. Su weißt, das vertrage ich nicht. Methadon bekomme ich hier nicht. Eines nehme ich jetzt. Gegen den Affen. Mehr nicht. Wir müssen uns weiter umsehen".
Miriam besorgte das Mittel aus der Apotheke, kehrte zurück in die Praxis und machte gute Mine zum "bösen"Spiel. Erneut schloß sich die schwere Eisentür hinter ihr. Erneut musste ich lange warten. Sehr lange, zu lange. Endlich öffnete sich die Tür zum Sprechzimmer erneut. Miriam kam heraus. Leichenblass. Gruß-und kommentarlos verließ sie die Praxis, ich folgte ihr. "Ich wusste es. Subutex kann ich nicht. Kaum genommen, drehte sich mir der Magen um. Ich habe ihm den ganzen Boden vollgekotzt. Bitte, rufe die nächste Praxis an. Dr. Seeburger, eine Ärztin. Wir könnten sofort zum Vorgespräch kommen.

*

Miriam musste alleine hineingehen. Mir war der Zutritt zur Praxis verwehrt, so wartete ich im Auto. Erneut verging eine unendlich lange Wartezeit. Gerade war ich etwas eingenicikt, als sich die Beifahrertür öffnete. "He, was isdt mit dir los?", fragte eine freudenstrahlende Miriam. "Sie nimmt mich. Heute bekomme ich nichts, wegen der Sache mit dem Subutex. Aber ab morgen bekomme ich mein Metha. Das, was ich wollte. Sie wird mich zuerst nicht allzu hoch dosieren, bis wir die richtige Einstellung gefunden haben. Das wird einige Tage dauern, aber die Seeburger macht einen guten Eindruck. Du musst mich halt jeden Morgen herfahren". "Kein Problem. Mache ich gerne. Wohin jetzt? Ins Maison oder zu mir?" "Zu uns", berichtigte mich Miriam. "Das Maison hat heute Betriebsruhe".

*

Es wurde Morgen. Miriam war schon früh wach, weckte mich schon fast eine Stunde vor ihrem Termin. Man merkte ihr an, dass sie einen leichten Entzug hatte. Doch ichb wusste, diese eine Stunde würde sie auch noch überstehen.

Endlich war die Stunde vorbei. Pünktlich betrat Miriam die Praxis, ich wartete im Wagen. Nach nur wenigen Minuten kam sie heraus. Freudenstrahlend, glücdklich, gelöst. "Alles klar", strahlte Miriam. Methadon, 3 ml. Das reicht mir nicht, wir erhöhen jeden Tag um 0,2. Solange, bis die Einstandsdosierung reicht. So, jetzt ins Maison.", bestimmte sie. "Wir müssen den Laden retten". Miriam stieg ein; ich startete den Wagen.


Kapitel 10

Das Maison befand sich in einer desolaten Lage. Die Berichte im Forum zeigten Wirkung, dasb Telefon, das in den Anfangswochen nicht still stand, es läutete kaum mehr. Einige Laufkunden kamen noch, Quickie-Gäste, mit denen das Maison in keiner Weise zu finanzieren war; selbst Stammgäste, die ausschließlich Miriam buchten, blieben aus. Schon nach einigen Tagen wurde mir klar, das Maison war nicht zu halten. Die Einnahmen deckten hochgerechnet nicht einmal die horrenden Mietkosten, geschweige denn Rücklagen und Lebenshaltung. Gut, um letzter brauchte Miriam sich derzeit nicht zu kümmern, sie wohnte bei mir, irgendwie schafften wir es auch, über die Runden zu kommen. Ich war bereit, alles für Miriam zu tun, ich war einfach glücklich, mit ihr zusammen zu wohnen. Glücklich, wenn sie morgens an meinem Bett stand, mich aufweckte, oft viel zu früh, um sie zum Arzt zu fahren, ihre tägliche Methadon-Ration abholen, damit sie wieder einen Tag schmerzfrei leben konnte. Glücklich, mit ihr zusammen frühstücken zu können, sie danach zum Maison zu fahren, in einen weiteren hoffnungsvollen Tqag hinein, eder dann doch wieder in einer Enttäuschung endete. Jeden Abend holte ich sie ab, jeden Abend legte sie ihren Kopf an meine Schulter, erzählte mir, dass wieder und wieder nicht lief, außer eben ein oder zwei Quickie-Gäste. Stundenservice, davon konnte Mitiam nur träumen.
Vorzuwerfen hatten wir uns nichts. wir bastelten an ihrer Werbung, drehten und wendetenn jedes Wort, bis es passte, feilten an der Grafik, bis sie perfekt war, nichts half. Das Maison war tot, es befand sich wohl noch im Todeskampf, aber sein Ende war abzusehen. Es sollte schnell kommen, sehr schnell.

*

Wieder einmal weckte Miriam mich auf. Wieder einmal viel zu früh, aber sie hatte Schmerzren. Der Entzug. Ich wusste nicht, war es ein gutes Zeichen oder ein schlechtes, aber ich beschloss, es als gutes Zeichen zu sehen. Miriam hatte nicht immer Schmerzen, nur zu bestimmten Tagen, nämlich den ersten Tagen, nachdem ihre Dosis gesenkt wurde und ihr Körper sich erst an die Herabsetzung gewöhnen musste. So war es für mich ein gutes Zeichen.
Wieder einmal kamen wir von der Ärztin nach Hause, mit frichem Brot und Wurst für das Frühstück, wieder einmal saßen wir am Tisch und ließen uns es schmecken. Wieder einmal läutete es an der Tür. Einmal, zweimal. Die Post. Obwohl es mir seltsam vorkam. Seltsam früh für die Post. An nichts denkend lief ich hininter Richtung Briefkasten, als mir ein Mann in Postjacke entgegenkam. "Haben Sie aufgemacht", schnauzte er mich an. Ehe ich mich über den neuen Ton bei der Post aufregen konnte, erblickte ich eine zweite Person hinter ihm, die ich kannte, aber nicht der Post zuordnen konnte. Riebes, Drogenfahndung. "Was will die Drogenfahndung von mir", dachte ich noch.

Es war tatsächlich die Drogenfahndung. Riebes kannte ich. Er war voll in Ordnung, eigentlich mehr Mensch als Bulle. Die anderen waren mir noch nicht bekannt, derjenige, derb ineder Postuniform auftrat, war der Einsatzleiter, Heller. Insgesamt waren sie zu acht. Riebes machte sofort Bilder von der Wohnung; Heller hielt mir ein rosa Stück Papier unter die Nase. Die Legitimation des Besuchs gewissermaßen. Verdacht des Besitzes von Betäubungsmitteln und des gewerbsmäßigen Handels in großen Mengen. Gegen Miriam und mich zugleich. Und schnell wurde mir klar, dass Hellers Leute keinen Spass verstehen. Rücksichtslos wurden die Schränke ausgeräumt. Alles, was sich je in den Schränken befunden hatte fand sich nach und nach auf dem Boden wieder. Hilfesuchend blickte ich zu Riebes, er konnte nur hilflos mit den Schultern zucken. Hätte er den Einsatz geleitet, klar auch er hätte suchen müsen, Schränke ausräumen, aber ich bin mir sicher, bei Riebes wäre sanfter mit Miriams und meiner Habe umgegangen worden. Doch er bedeudete mir, dass diese Aktion zu großn für ihn war; Heller stand inder Hierarchie der Drogenfahndung um einige Stufen über ihm. Schließlich ging es bei der Anzeige gegenunsv um den Handel in großen Mengen, also zumindest im halbe-Kilo-Bereich. Unschwer, zu erraten, von wem die Anzeige nur kommen könnte. Eine nette kleine Erinnerung an Anne. Mittlerweile war die Aktion im ganzen Haus bekannt. Mehrere Türen waren einen Spalt geöffnet, damit man ja alles mitbekam.
In unserer Wohnung ging die Aktion unvemittelt weiter, der Ermittlungserfolg gleich Null. Bis endlich Heller selbst etwas hinter der Schlafcouch hervorkramte. In Miriams Koffer befanden sich Spritzen, Einwegspritzen, blutverkrustet und benutzt. Ganz klar Spritzen, die schon vor langer Zeit benutzt waren, von Miriam nur noch nicht entsorgt wurden. Ein erster Ermittlungserfolg, wie Heller es darstellte. Doch welcher Art sollte der Erfolg sein? Suchte man einen Dealer oder einen Junkie? Selbst wenn diese Spritzen von Miriam inn jüngster Zeit benutz worden wären, so ergab sich aus ihnen kein Hinweis auf eine Dealertätigkeit von Miriam oder mir, lediglich einen Hinweis auf Konsum von Heroin. Widersinnig, hieraus eine Dealertätigkeit zu konstruieren. Doch es war klar. Die Wohnung war sauber. Der erste Drogenhund war verschlissen, er fand nichts. Die Zeit lief der Einsatzgruppe davon, man musste etwas zählbares mitbringen. Egal was, hauptsache, es gab etwas vorzuweisen. Die Laune der Ermittler verschlechterte sich von Minute zu Minute. Es war nichts zu finden, wo man doch unbedingt etwas finden hätte müssen. Ein zweiter Hund wurde angefordert. Mittlrtweile fand mann in Miriamws Geldbeutel eine kleinere Summe Bargeld. Nicht allzuviel, der Betrag befand sich weit unter 100 Euro. Auch das Geld wurde beschlagnahmt unter der Begründung der szenetypischen Stückelung. Die Begründungenh Hellers wurden immer grotesker, mann konnte ihm die Panik direkt ansehen. Eine achtköpfige Einsatzgruppe ohne Erfolg; Heller sah sich schon im Büro seines Vorgesetzen, den Misserfolg erklärend.
Endlich war das groteke Schauspiel beendet. Kein Schrank, dessen Inhalt nicht auf dem Boden versteut lag. Nichts befand sich mehr an dem Platz, an dem es vor dem unliebsamen Besuch war. Mit ihrer geringen Ausbeute, einigen gebrauchten Spritzen und etwas Bargeln, in "szenetypischer Stückelung" zog die Einsatzgruppe wieder ab, nicht ohne die Ankündigung von Miriam und mir, morgen erscheinen zu wollen und eine Erklärung zu verlangen.

Die Wohnung sah erschreckend aus. Alles, aber auch alles, was Miriam und mir gehörte, lag auf dem Boden. Kein Hemd war mehr gefaltet, keine Hose oder Jacke hing mehr auf dem Bügel. Sämtliche CDs aus den ganzen Racks lagen auf dem Boden. Vorher mühsam nach Interpreten und Stilrichtunhgen sortiert, lagen sie nun quer übereinander. Allein sie wieder zu ordnen, würde Tage in Anspuch nehmen. Miriam stand kurz vor dem Nervebzusammenbruch.

*

Einen Tag später erschienen Miriam und ich wie bestellt bei Heller. Die büros der Einstzgruppe befanden sich nicht im Polizeipräsidium, sie waren ausgelagert im neuen Behördenzentrum, das in der ehemaligen französischen Kaserne eingerichtet wurde. Es dauerte einige Zeit, in dem weitläufigen aber doch verwinkelten Areal den passenden Bürokomplex zu finden. Doch endlich, nach langer Suche hatten wir Hellers Büro. Sehr zufrieden sah er nicht aus. Wahrscheinlich hatte er sein Gespräch mit seinem Vorgesetzten schon hinter sich, hatte ihm erklären müssen, weshalb die sorgfältig vorbereitete Aktion ein solcher Misserfolg wurde, weshalb acht Beamte und zwei Hunde aufgewandt werden mussten, der einzige Erfolg aber in siebzig Euro angeblichem Drogengeld bestand und einigen gebrauchten Spritzen; Spritzen, die sowieso keinen Rückschluss auf Drogenhandel zuließen, wenn überhaupt, dann höchstens auf Drogenkonsum. Peovokativ freundlich begrüssten wir Heller, warteten nicht, bis er uns eine Sitzgelegenheit anbot; wir setzten uns einfach. Ohne auf eine Begrüßung Hellers zu warten, präsentierten wir ihm eine Aufstellung beschädigter Gegenstände mit der Frage, wie er sich den Ersatz oder die Reparatur der Gegenstände vorstelle. Doch wir rechneten nicht mit Hellers extrem schlechter Laune. "Ersatz?", brüllte er uns an. "Wieso Ersatz? Sie handeln mit Drogen", manifestierte er, "und ich werde es beweisen. Und wenn es das letzte ist, was ich mache. So, und jetzt sind Sie beide erstmal ruhig. Sie sind hier wegen Ihrer Aussage. Ich stelle die Fragen, Sie antworten. nicht umgekehrt. Immerhin bin ich hier der Leiter der Ermittlungsgruppe". `Naja´, dachte ich für mich. `noch so einige Misserfolge und es hat sich ausgeleitet. Aber man wird für dich sicher irgendwo eine Straße finden, in der su den Verkehr regeln kannst´. Frech grinste ich ihm ins Gesicht.

Wichtigtuerisch ließ Heller eine Schreibkraft kommen, diktierte den üblichen Kopf des Protokolls und wandte sich an uns. Er eröffnete uns pflichtgemäß den Grund und Sinn des Verhörs nur um dann zu erfahren, dass wir beide, Miriam und ich, die Aussage verweigerten. Unsere Aussageverweigerung war nicht sehr dazu angetan, Hellers Gesamtzustand zu verbessern. Mit hochrotem Kopf, förmlich nach Luft schnappend, starrte Heller uns an, gerade so, als hätte er zwei Geister vor sich. Es schien so, als wäre ihm solch ein Verhalten noch nie vorgekommen. Miriam und mir bereitete es eine helle Freude, den Chef der Ermittlungsgruppe solchermaßen aus der Fassung zu bringren.
Als Heller seine Fassung wiedergefunden hatte, schnauzte er uns an:"Was bilden Sie sich eigentlich ein? Wo, denken Sie, sind Sie hier eigentlich? Gestern platzte eine lang geplante Aktion. Nichts haben wir gefunden? Wissen Sie eigentlich, wie ich jetzt vor meinen Vorgesetzten dastehe? Und nun sitzen Sie da und verweigern noch dazu die Aussage. Wollen nicht kooperieren. Ich sage Ihnen etwas. Ich werde Ihnen nachweisen, dass Sie mit Drogen handeln. Im großen Stil. Und dann fahren Sie ein. Alle beide. Und wenn es das letzte ist, was ich tue". Mit zornesrotem Kopf, fast nach Luft schnappend, stand Heller vor uns. Es hatte den Anschein, er würde gleich kollabieren. Nun aber wollte ich ihm den Rest geben. "Nun passen Sie mal auf", begann ich ruhig und gelassen. Wenn wir die Aussage verweigern wollen, dann machen wir das. Das ist unser gutes Recht. Außerdem, was können wir dafür, dass Sie nichts gefunden haben. Es gibt nichts zu finden. Nicht einmal Eigengebrauch. Kapieren Sie das endlich. Sie werden nie mehr etwas finden, weil es nie mehr etwas zu finden gibt. Klar? Und wenn Sie jeden Tag kommen, die Bude auf den Kopf stellen. Und wenn Sie uns jeden Tag observieren. Von mir aus 24 Stunden am Tag. Wann geht das endlich in Ihre verbohrte Birne rein? Dann rechtfertigen Sie sich mal schön vor Ihren Vorgesetzten. Wünsche Ihnen schon mal viel Spass beim Verkehr regeln. Und in den nächsten Tagen geht Ihnen eine Liste zu, was bei mir alles beschädigt wurde. Erklären Sie dann das mal Ihren Vorgesetzten. So. Und jetzt gehen wir". Miriam und ich standen auf und ohne auf Hellers Bejahung zu warten, verließen wir den Raum, Heller zurücklassend, verunsichert und verärgert. Ich war sicher: So sprang mit Heller noch keiner um in dessen Büro. Auch ohne von Heller die Auskunft bekommen zu haben, die wir eigentlich wollten. Eines war uns klar. Die Anzeige-dahinter konnte nur Anne stecken.

*

Tage vergingen. Aus Tagen wurden Wochen. Jeden Tag wurde uns mehr bewusst: Das maison war endgültig nicht mehr zu retten. Das Forum war mächtig. Schlechte Kritiken wurden nie verziehen. Die Kunden blieben aus. Die Stammkunden wurden weniger, blieben bald ganz weg. Laufkundschaft gab es zwar noch, aber sie reichte kaum aus, die täglichen Ausgaben zu decken. Längst hatte Miriam Schulden beim Vermieter; sie konnte die Miete nicht mehr aufbringen. Längst ging der Vermieter dazu über, die Miete täglich abzuholen; oft waren die Mietkosten das einzige, was Miriam verdient hatte. Oft nicht einmal das. Oft musste der Vermieter unverrichteter Dinge wieder gehen, ohne die Tageseinnahmen, weil es einfach keine gab. Er bot Miriam an, den Vertrag aufzulösen, bot ihr einen Platz an in seinem angeblich florierenden Edelbordell. Doch Miriam wollte nicht. Immer noch hoffte sie, das maison wieder zum Laufen zu bringen. Sie hoffte jeden Tag. Und jeden Tag hoffte sie vergebens.

*

Wieder einmal fuhr ich Miriam ins maison. Wieder einmal verabschiedete ich sie mit einem Kuss, wünschte ihr viel Erfolg. Ich wendete den Wagen und fuhr zurück. Doch ich kam nicht weit. Schon wenige Minuten nachdem ich Miriam vor dem maison abgesetzt hatte, läutete das Handy. Es war Miriam, die mich mit aufgeregter Stimme bat:"Dieter, komm bitte zurück und hole mich ab. Ich stehe unten und warte auf dich". Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich bei ihr war. "Was ist los?", fragte ich Miriam. "Nichts", lachte sie. "Ich bin rausgeflogen. Das maison existiert nicht mehr". Ich öffnete die Tür, ließ Miriam einsteigen und fuhr erst einmal davon. Miriam begann zu erzählen. "Klaus war in der Wohnung. Er erwartete mich und hatte ein anderes Mädchen dabei. Wahrscheinlich eines aus seinem Edelpuff. Er sagte mir nur, ich solle meine Sachen packen und abhauen. Ihm reiche es jetzt, dass die Miete nicht pünktlich gezahlt wird. Das neue Mädchen ist meine Nachfolgerin. Wir einigten uns darauf, dass ich sofort gehe und er mir dafür die Mietschulden streicht. Dieter, stell dir das vor. Ich bin das maison los, diesen Klotz am Bein. Und den ganzen Mietrückstand. Ich hätte das maison nie mehr hochbekommen. Ich habe schon mit Tanja gtelefoniert. Ich kann morgen bei ihren Bienen anfangen. Vorerst auf halb-halb-Basis. Später vielleicht auf Tagesmiete. Dieter, was bin ich erleichtert". Ich hielt an, nahm Miriam in den Arm und küsste sie. Erstmals seit langem durfte ich sie wieder küssen. Zum ersten Mal, seit wir zusammenlebten. Ich hoffte, dass Miriam heute abend in mein Zimmer kommen würde. Heute sollte sie wieder mir gehören.

*

Wir hatten viel zu besprechen, der Tag verging wie im Fluge. Doch ich wurde enttäuscht. Miriam erwähnte mit keinem Wort, dass sie heute nacht in meinem Bett schlafen wolle. Zusammen mit mir. Enttäuscht lag ich in meinem Bett, versuchte, Schlaf zu finden. Plötzlich öffnete sich langsam die Tür. Miriam stand im Zimmer. Sie sah atemberaubend aus. Miriam trug das Business-Outfit, das ich so sehr an ihr liebe, dazu eine weiße Blusr, scharze Halterlose und High Heels. Das lange blonde Haar hatte sie hochgesteckt. Ein Hauch von Kaschmir lag in der Luft. Miriam sagte nicht viel, nur ein Wort: "Überraschung". Einem Engel gleich schwebte sie auf mich zu, legte sich völlig angezogen neben mich und berührte sanft meine Lippen mit ihren. Ich liebte den Geschmack ihrer Lippen, doch heute hatte sie noch einen besonderen Lippenstift aufgelegt, einen Lippenstift, der den süßen Geschmack ihrer Lippen intensivierte, vertärkte. Ich schaffte es nicht, meine Lippen von ihren zu lösen, sie waren wie festgeklebt. Meine Zunge erforschte ihre Mundhöhle, meine Hände ihren begehrenswerten Körper. Zu lange hatte ich auf diesen Moment verzichten müssen, zu lange durfte ich nur darauf hoffen, davon träumen. Nun, da es endlich wieder so weit war, wollte ich diesen Moment auskosten, den Kelch des Glücks austrinken bis zur Neige.

Sanft berührte ich ihren Körper, streichelte ihn durch den Stoff der Kleider hindurch. Ich wollte sie nicht ausziehen, genoss den Reiz einer völlig angezogenen Frau neben mir, ihr Körper, obwohl ich ihn kannte, jeden Quadratzentimeter von ihm, übte in dieser Art einen ganz bes
onderen Reiz auf mich aus. Miri
am bemerkte es, sie spürte, wie sehr mich diese Situation stimulierte. Sie ging auf das Spiel mit ein, spielte die unnahbare Lady, ließ nur vereinzelte Berührungen zu, längere Streicheleinheiten oder gar Küsse verweigerte sie mir. Sie jedoch stimulierte mich weiter, trieb mich in einen Zustand der Extase, einen Zustand, aus dem ich mich nicht befreien konnte, in dem ich gefangen war, gefangen in den süßen Fesseln der Lust. Es dauerte nicht lange und Miriam hatte mich über den Zustand der bloßen Erregung hinausgetrieben; sie bescherte mir das Glücksgefühl der Entspannung auf eine Art, wie es mir noch kein Mädchen beschert hatte.
Glücklich nahm ich sie in den Arm, küsste sie liebevoll für das soeben Erlebte. Miriam versank in meinen Armen, ihre Lippen suchten die meinen, ihre neugierige Zunge unternahm weitausgedehnte Expeditionen in meinem Mund. Ich hätte alles dafür gegeben, diesen Augenblick auszukosten bis in alle Ewigkeit, einen Augenblick, der so nie wieder kommen würde.

*

Miriam fühlte sich wohl bei Tanja. Zwar musszte sie wie so üblich, Tanja als Betreiberin der Terminwohnung die Hälfte abgeben, aber endlich verdiente sie wieder Geld. Nicht so viel, wie zu Anfangszeiten des maison, aber genügend, sich einige Wünsche erfüllen zu können und sogar etwas zur Seite legen zu können.
Jeden Morgen fuhr ich Miriam zur Ärztin, jeden Morgen bekam sie ihr Methadon. Sie war weit weg von der Droge, sehr weit weg. Ihre Methadondosis wurde schrittweise reduziert und der Tag, an dem sie erstmals ohne die Ersatzdroge auskommen würde, er rückte mit jeder weiteren Herabdosierung einen Schritt näher. Jeden Tag frühstückten wir zusammen, jeden Tag fuhr ich sie zu Tanja und holte Miriam abends wieder ab. Doch mit Fortschreiten der Tage musste ich sie immer weniger abgholen. Die Nächte, die Miriam in der gemeinsamen Wohnung verbraxhte, sie wurden immer weniger. Ich wusste, Drogen sind nicht im Spiel, nicht so, wie es passierte, als Anne noch im maison war. Die Gründe sollte ich sehr bald erfahren, gleich, nachdem Miriam mit einem mir unbekannten ein Wochenende in Tschechien verbringen wollte. Sie stellte ihn mir als Johannes vor, einen guten Gast schon aus dem Maison, der sie nunmehr bei Tanjas Bienen wiedergefunden hatte.

Drei Tage vergingen. Miriam und Johannes kehrten aus Tschechien zurück. Miriamwirkte verändert; sie war glücklich, als das traurige Kapitel maison beendet war, sie war auch glücklich zusammen mit mir. Aber heute wirkte sie überglücklich, ich bemerkte auch, dass ihre Finger, ihre Hände immer wieder die Nähe von Johannes suchten. "Dieter", wandte Miriam sich an mich, "wir müssen mit dir reden. Jöhannes und ich sind uns auf der Tschechien-Reise nahe gekommen, sehr nahe. Du weisst, er ist ein alter Gast, aber seit diesem Wochenende bedeudet er mehr für mich. Ich bin hlücklich über die Freundschaft, die sich zwischen dir und mir entwickelt hat, aber für Johannes empfinde ich einfach mehr. Wir wollen heiraten, bereits morgen ziehen wir zusammen. Sei bitte nicht enttäuscht. Du wirst immer mein bester Freund bleiben.Und ich weiß, dass wir beide immer füreinander da sein werden. Auch du wirst irgendwann die Richtige finden, eine Frau, die zu dir kommt und bleibt. Und es wird keine aus dem Millieu sein." Mit einem ziemlichen Kratzenn im Hals nickte ich ihr zu, unfähig, einen klaren Satz herauszubringen. Ich wollte nicht, dass Miriam meine Tränen sah, versuchte, sie so gut es ging, zu unterdrücken. Miriam und Johannes, der immer noch keinen Ton von sich gab, gingen hinaus, begannen ihr eigenes Glück aufzubauen, in dem ich keinen Platz mehr hatte. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, begann ich, mein Leid, meinen Schmerz hinauszuschreien, die Tränen liefen in Sturzbächen aus meinen Augen heraus.

Kapitel 11

Bereits einen Tag später holte Miriam ihre Sachen ab. Johannes wartete unten, er wollte mir nicht zu nahe kommen. Er ahnte wohl, wie es derzeitb um mich bestimmt war. Miriam verabschiedete sich mit zwei Wangenküssen, beendete so das glücklichste Jahr für mich seit langem. Wir wollten Kontakt halten, das war klar, glücklicherweise lag die gemeinsame Wohnung der beiden nur wenige Minuten von meiner entfernt.
Erneut schloss sich die Tür hinter Miriam. Diesmal für immer. Die Wände meiner Wohnung hatten plötzlich etwas Bedrohendes, Beämgstigendes für mich. Wieder war ich allein. Miriam würde nicht wiederkommen, nicht mehr mit mir frühstücken, nicht mehr überraschend zu mir ins Schölafzimmer kommen, mit mir zu schlafen. Mir wurde bewusst, was ich verloren hatte. Doch ich wusste, jetzt war nicht der geeignete Moment, durchzudrehen. Es wäre der geeignete Moment gewesen für Alkohol, derv geeignete Moment, mich sinnlos zu betrinken, mich zuzuschütten bis zur Bewusslosigkeit. Doch das wäre kein Ausweg gewesen, eine Flucht, die nach dem Nüchternwerden beendet wäre, durch die Rückkehr in die reale Welt. Nein, ich wollte nicht fliehen, die Situation nicht verdrängen, mich ihr stellen. Dennoch, ich musste raus aus der Wohnung, um nicht durchzudrehen, zu scheitern an der Situation. Ich wusste, was zu tun war. Einen Ort gab es, an dem ich Ablenkung, Abwechslung finden würde. Der Club.

*

Ein Jahr bin ich nicht mehr hiergewesen. Nichts hatte sich geändert, die Mädels an der Kasse erkannten mich sofort wieder, das Ehekenpersonal war dasselbe wie vor einem Jahr, die Einrichtung der Zimmer ebenfalls. Nur das Wichtigste im Club hatte sich geändert, die Mädels. Ich hatte eine Menge Geld gespart innerhalb des letzten Jahres, hochgerechnet über 5000 Euro, Geld, das ich innerhalb des vergangenen Jahres in den Club gebracht hätte aber nicht habe. Bub würde ich die 5000 in den Club bringen, nach und nach. Der Club sollte langsam aber sicher zu meiner Zweitwohnung werden, berechnet man die 14 Stunden Öffnungszeit des Clubs, verbrachte ich täglich mehr Zeit dort als zu Hause.

*

Mittlerweile kannte man mich im Club sehr gut. Sowohl die Lady an der Kasse , die mich bicht mehr nach der Schuhgröße für die Badelatschen frsgen musste, auch die Mädels an der Theke, die mir schon ohne zu fragen mein Apfelschorle hinstellten. Auch einige der Mädels kannten mich schon, setzten sich zu mir,ohne gleich nach dem obligatorischen Zimmergang zu fragen, redeten mit mir, scherzten, lachten. Ich fühlte mich zu Hause im Club, meine Wohnung, mein eigemtliches Zuhause, wurde meine Zweitadresse, nur noch genutzt zum Schlafen und Wäsche waschen. Im Ckub hatte ich alles, Getränke, nette Unterhaltung und auch ein vorzügliches Restaurant. Saunagänge, der Pool, alles im Preis inbegriffen, Kino, Fitnessstudio; ich hatte wirklich keinen Grund, mich zu beklagen. Wenn sie mich nicht ständig besvchleichen würde, in den wenigen Stunden, die ich zu Hause verbrachte. Einsamkeit, harte, brutale Einsamkeit, die mich traf wie ein Keulenschlag, sobald ich die Tür hintrer mir schloss. Einsamkeit, derb ich nichtb entrinen konnte, die mich gefangen hielt, in ihren Klauen, brutal zudrückte, mich zu ersticken drohte. Entkommen konte ich ihr nicht, der Club hatte geschlossen, schlafen konnte ich nur selten, ich saß da, grübelte nach über meine Situation. Es könnte so nicht weitergehen, das wurde mir bewusst. Etwas musste sich ändern, es war schön im Club, keine Frage, aber so schön es im Club war, umso schrecklicher war es an dem Ort, der eigentlich mein Zuhause sein sollte, mir aber von Tag zu Tag fremd, fürchteinlösend wurde, den ich nur nochb grau und schwarz wahrnehmen konnte. Sollte ich mein Leben an die Wand gefahren haben, solte ich mich durch meine Eskapaden selbst dazu verdammt haben, ein Leben in Einsamkeit zu führen, das Leben, welches ich außehalb des Clubs führte. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass es so sein solte. Noch war Zeit, es zu ändern. Eine Frau musste her. Keine mehr aus dem Rotlicht. Eine gestandene Frau meines Alters, die auf mich wartete, wenn ich nach Hause kam. Keine der gestylten, aufgetakelten Nymphchen von wie sie angaben 18 Jahren, aber auch schon weit jenseits der 25 waren. Nein, ich wollte einfach raus, raus aus allem, zwar noch den Club genießrn, nicht mehr so intensiv wie derzeit, aber ich wollte dazu etwas anderes, wichtigeres. Ich wollte wieder ein helles, einladendes Zuhause haben. Ich wollte eine Frau.
Wie Schuppen fiel es mir von den Augen. Früher hatte ich sie mir desöfteren belustigt angesehen, darüber gelacht, mich amüsiert und lustig gemacht. Heute erschienen sie mir wie ein Geschenk des Himmels. Die Kontaktanzeigen im Teletext. Gleich heute nacht, nach dem Clubbesuch wollte ich mich auf die Suche machen, auf die Suche nach einer, meiner künftigen Frau.

*

Im Club begrüßte mich Larissa aus der Ukraine mit einen lieben Schmatzer. Sie und Pilar aus Spanier, mit Brille und Sekretärinnen-Typ waren derzreit meine erklärten Favoritinnen. Nicht nur beim Zimmergang, immer öfter sah man mich mit einem der Mädels an der Bar oder flanierend in einer der Sitzecken. Beide wussten, bei mir brauchen sie nicht zu baggern. Der Zimmergang, oft auch mehrere oder über sie Standardhalbestunde hinaus, würde kommen, war mit diesen beiden obligatorisch. Insgeheim bezeichnete ich beide als meine Clubehefrauen, aber eben nur Club.
Larissa war ein rothaariger Feger, schulterlange, leicht gelockte Haare, ein Typ, auf den Männer fliegen. Ein Vulkan im Bett, bei larissa musste selbst ich an meine Grenzen gehen. Auch Pilar, schwarzhaarig und der erwähnte Sekretärinnen-Typ verlabgte mir einiges ab, ich flog auf sie, besonders dann, wenn sie die schwarzen Haare zum Knoten band und die Brille auflies.
Heute jedoch war ich irgendwie nicht bei der Sache, die Mädchren mussten es auf dem Zimmer bemerkt haben, ich absolvierte unser Beisammensein fast statisch, lustlos, dachte nur an zu Hause, den Teletext und die Verwirklichung meiner Idee.

*

Meine Hoffnungen, wenn es denn welche waren, wurden brutal zerstört. Ich hoffte nicht, dass bei meinem ersten Einstieg in den Teletext-Kontaktmarkt gleich gewissermaßen ein Engel vom Himmel kommt um mich glücklich zu machen. Das wäre übertrieben gewesen. Dennoch, auch sehr wohlwollend betrachtet, keine der Damen, die zur Zeit annomncierten, trifft auch nur im geringsten mein Interesse. So deilussionierend hatte ich mir die Texstseiten nicht vorgestellt. So blieb mir eben vorerst wieder nur der Club mit anschließendem Blues an dem Ort, der einmal mein Zuhause war, den ich derzeit jedoch nur als Behausung ansah, als Schlafgelegenheit zwischen zwei Clubbesuchen. Ich wagte nicht, mir vorzustellen, was geschehen würde, ist erst einmal mein erspartes aufgebraucht.
Einen Versuch jedoch wollte ich starten. Wenn schon keine ansprechenden Damen im Angebot sind, warum sollte ich mich nicht selbst anbieten? Einen Versuch war es wert.

*

Larissa wartete schon im Club auf mich. Wie immer fiel sie mir um den Hals, küsste mich und rieb ihren begehrenswerten, bis auf einen um die Hüften geschunhgenen Schal, nackten Körper an meinen. Diese Begrüßung sollte Wirkung zeigen. Kurzerhand nahm ich Larissa an der Hand und führte sie nach oben in eines der Themenzimmer.
Larissa war einfach ein sexuelles Inferno, ein Vulkan, der immer kurz vor der Eruption stand. Keine sexuelle Spielart, die sie nicht kannte und perfektionierte. Ich war wirklich gerne mit ihr auf dem Zimmer, nicht nur die übliche halbe Stunde, wir schauten nicht auf die Uhr, vereinbarten keine feste Zeit, wir gingen einfach nach oben, vergnügten uns miteinander; beim Heruntergehen nannte mir Larissa ihren Preis, den ich ohne zu murren bezahlte. Ich wusste, manchmal war Larissa sehr großzügig sich gegenüber, was sie aber bei unserem nächsten Treffen wieder relativierte.
Es würde für lange Zeit mein letzter Besuch im Club sein. Doch das wusste ich im Moment noch nicht. Es war bislang wie immer. Larissa war bei mir und ich vergaß die Zeit, die Welt um mich herum.

*

Zu Hause angekommen traute ich meinen Augen nicht. Ich hatte eine Reaktion in meinem Postfach im Kontaktmarkt. Nervös, es war schließlich die erste Kontaktanzeige, die ich aufgab, öffnete ich die Nachricht. Es hatte tatsächlich geklappt. Tatsächlich-eine Antwort. Sollte ich endlich einmal Glück haben, das Glück, eine Frau zu finden, die endlich einmal nicht aus dem Millieu stammt, einfach eine Frau, mit der ich zusammen einschlafen und aufwachen kann, spazieren gehen, die mich abends zu Hause erwartet, eine Frau, mit der mich keine Probleme erwarten, zumindest micht in der erlebten, gewesenen Form, eine Frsu, deren Anwesenheit mich endlich aus dem Rotlicht würde herausbringen, meine Vergangenheit endlich Vergangenheit sein lassen würde. Noch war es nicht soweit. Es wsr ja erst eine Antwort. Eine einzige und ich hatte sie noch nicht einmal gelesen. Aber es war ein Anfang, ein Indiz, dass es klappen könnte, klappen würde, ein neuer Anfang nach dem Ende.

Was ich lesen durfte, wenige Zeilen nur, es erfüllte mich mit Freude. Gier schien sich jemand wirklich für mich zu interessieren, jemand schien auch selbst daran interessiert sein, die eigene Einsamkeir zu beenden, selbst wieder lachen zu wollen, vielleicht auch eine Enttäuschung oder einen Schicksalsschlag vergessenh zu wollen.
Rhani hieß sie, konnte ich den Zeilen entnehmen. Singalesin, 43 Jahre alt. Jajaja, Rhani, deine Zeilen habe ich gelesen. Ja, ich will dich kennenlernen, Ja, ich will.

*

Rhani bat mich, sie kurz anzurufen, wenn ich ihre Zeilen gelesen habe. Nichts auf der Welt, was ich lieber tun würde. Ich stürzte geradezu zum Telefon, wählte ihre Nummer, hatte sie am Apparat. Eine sehr sympatische Stimme, die an mein Ohr drang. Rhani schien eine nette, lebenslustige Frau zu sein, die auch vom Alter her perfekt zu mir passen würde. Ich kannte sie noch nicht, wusste nicht, wie Rhani aussah, wer sie war, wie sie war. Auch sie kannte mich logischerweise nicht. Auch ich hätte ihr unglaubliche Geschichten auftischen können, mich interessant, unwiderstehlich zu machen. Aber was würde das bringen? Nein, ich versuchte, bei Rhani so herüberzukommen, wie ich wirklich war. Dasselbe erhoffte ich mir von ihr. Ein kurzes Telefonat hätte es sein sollen. Nach über einer Stunde hatte ich immer noch den Hörer am Ohr. Rhani war anscheinend die Frau, die ich schon lange gesucht hatte. Mit ihr konnte ich über Gottb und die Welt reden, herrlich lachen und herumblödeln. Rhani-ein Glücksgriff schien sich abzuzeichnen. Wir verabredeten und auf Mittwoch. Das würde in drei Tagen sein.

*

Kaum konnte ich esv erwarten, bis es Mittwoch wurde. Endlich, nach langsam, zähflüssig zerrinnenden Tagen wurde es Mittwoch. Nervös, nein, zum Zerreißen gespannt wartete ich auf dem Bahnsteig auf den Nahverkehrszug, der mir die Frau bringen würde, die mein Leben änderte. Endlich fuhr er ein,öffnete seine Türen und spuckte eine riesige Menschenmenge aus. Wie sollte ich in diesem Gewühl einen Menschen finden, von dem ich nicht wusste, wie er aussah, den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Verzweifelt ließn ich meine Blicke schweifen, ich wollte sie nicht übersehen, verlieren, noch ehe ich sie gewonnen hatte. Langsam leerte sich der Bahnsteig, noch hatte ich sie nicht gesehen. Plötzlich stand sie vor mir, eine schöne Frau, Anfang 40, asiatischer Einschlag mit leicht dunkler Haut. So stellt man sich eine Singalesin vor, das musste sie sein. "Rhani?", fragte ich schüchtern. Sie nickte mehr, als dass sie antwortete, bestätigend, zustimmend. Ich nahm sie in den Arm, zögernd, schüchtern, küsste sie zur Begrüßung auf die Wangen und überreichte die mitgebrachte Rose. Rhani war da, endlich. Seit Jahren die erste Frau an meiner Seite, die keine Beziehungen zum Rotlicht hatte.
Die Chemie zwischen Rhani und mir schien sofort zu stimmen. Jedenfalls suchte sie sofort meine Nähe, auch mir war sie nicht unsympatisch. Wichtig war es nun, nichts falsch zu machen. Ich kannte mich bei Frauen, die nicht dem Millieu entstanden nicht aus. Was für Vorlieben haben sie? Über welche Themen sollte man reden? Was soll man unternehmen? Fragen über Fragen, die mir jetzt, da Rhani da war, durch den Kopf gingen. Sicher hätte ich mir diese Fragen auch schon vorher stellen können. Jetzt, da es zu spät war, jetzt erst stellten sich die Fragen. Jetzt, da ich sie mir nicht mehr selbst beantworten konnte. Etwasv unverfänglich würde es wohl sein, ihr die Stadt zu zeigen. So würde ich zumindest über den ersten Tag kommen, mich erst einmal mit etwas retten, das man ja wohl auch so macht, mit einer Ortsfremden. Wir setzten uns in den Wagen und fuhren los. Onsgeheim hoffte ich, dass die Stadt so viele Sehenswürdigkeiten aufweisen würde, um Rhani für den ersten Tag zu beschäftigen. Danach würde ich genügend Zeit haben, ein Programm zu schnüren, mich mit Rhani zu beschäftigen, ohne Angst, in irgendwelche Fettnäpfchen zu treten.

Es standen uns nur fünf Stunden zur V erfügung für unser erstes Treffen. Rhani zeigte sich sehr interessiert an den Sehenswürdigkeiten meiner Stadt, wenn sie sich auch zunächst äußerst distanziert zeigte, versuchte, mögliche Körperkontakte schon im Keim zu unterbinden. Ich respektierte es, versuchte, ihr nahe zu sein, aber vermied es, ihr zu nahe zu kommen.
Völlig unvermittelt ging dann der erste Schritt von ihr aus. Rhani hakte sich bei mir ein, ihr Körper näherte sich meinem, bis wai ganz eng Seite an Seite nebeneinander gingen. Sollte es wirklich so schnell gehen? Sollte ich wirklich so schnell Glück haben, mein Glück gefunden haben?
Wir beschlossen, den Tag bei einem Getränk in einer Gaststätte ausklingen zu lassen. Rhani taute mehr und nehr auf, begann zu erzählen, privates, über sich, ihre beiden Töchter, ihre Lebensumstände, ihren verstorbenen Mann. Ihn schien sie zu vergöttern, er war immer noch ihr Lwbensmittelpunkt, das musste ich schnell feststellen. Jeden anderen Mann, also auch mich, würde sie immer und immer an ihm messen. Ich ahnte und wusste, dass hier Schwierigkeiten, große Schwierigkeiten auf mich zukomen würden.
Als wir die Gaststätte verließen, geschah etwas für mich nicht planbares und vorhersehbares. Rhanbi bat mich, sie nach Hause zu fahren. Sie wolle noch etweas mit mir zusammen sein. Sollte ich schon einen weiteren Schrit gemacht haben, ihre Gunst zu gewinen? Gerne willigte ich ein.


*

Längere Zeit saßen wir mehr schweigend als redend nebeneinander. Keinem fiel ein Thema ein, über das geredet werden konnte, und wenn doch, so machte weder Rhani noch ich den Anfang. Schon befürchtete ich, auch den Rest der Fahrt schweigend, fast peinlich schweigend verb ringen hzu müssen, bis endlich Rhani das Wort fand:"Dieter", begann sie völlig unvermittelt, "fahre bitte am nächsten Parkplatz raus. Ich muss dich erwas fragen, was mir sehr wichtig ist". "Gern", entgegnete ich, "soweit ich weiß, ist in fünf Kilometern der nächste". Erneut Schweigen, nur das Geräusch des Motors, der leise, aber doch merklich vor sich hinschnurrte, war zu hören. Endlich erreichten wir den Parkplatz. Ich parkte den Wagen, hing an ihren Lippen, wollte wissen, erfahren, was sie mich fragen wollte. "Dieter§, begann sie, "ich habe begonnen, dich zu mögen. Aber bitte, sag mir eines. Sag es mir ehrlich. Bin ich die einzige. Gibt es in deinem Leben, deinem Herzen eine andere. Und...wirst du immer ehrlich zu mir sein?" Das was es. Mustergültig spiele Rhani mir den Ball zu. Direkt in den Lauf. Ich musste den Ball nicht mehr stoppen. Nur noch anvisieren und abziehen. Eine mustergültige Torvorlage. Ich beugte mich zu ihr, nahm Rhani in den Arm. Schweigend sah ich sie an, lächelte ihr zu. Mei Zeigefinger wischte über ihre Lippen, zeichnete deren Konturen nach. Ich näherte mich mit meiner Stirn der ihren. Endlich, als die Spannung kaum zu überbieten war, als ich wusste, meine Chance war gekommen, begann ich:"Ich verspreche dir, nein, ich schöre dir, es gibt in meinem Leben keine andere, in meinem Herzen ist nur Platz für dich. Ich werde immer ehrlich sein zu dir". Meine Lippen näherten sich ihren, sie verschmolzen zu einem langen, zärtlichen Kuss. Ich wusste, ich hatte gesiegt. Das Gefühl, zu erleben, wie Rhani meinen Kuss erwiderte, es gab mir die Gewissheit: Rhani und ich, wir beide sind ein Paar. Ab jetzt für immer und alle Ewigkeit. Glücklich löste ich meine Lippen von ihren, näherte mich wieder ihrem Gesicht, hauchte noch einen Kuss auf ihre Nase, einen Kuss auf ihre Lippen. Glücklich startete ich den Wagen, legte den Gang einund fuhr los. Ihre Hand suchte die meine. wir hielten uns fest, so fest, als würden wir befürchten, dass der andere, sobald wir uns loslassen, davonschweben würde in die blauen Weiten des Himmels, davonschweben würde für immer.

Wir waren am Ziel. Ich parkte den Wagen vor Rhanis Haus, wild küssend verabschiedeten wir uns voneinander. Ich ließsie nicht gerne gehen, weg von mir, aber ich wusste, schon in drei Tagen würden wir uns wiedersehen. Ich winkte Rhani zu, blickte ihr nach, bis die Tür sich schloss, startete den Wagen, fuhr nach Hause-glücklich.

*

Ich weiß heute noch nicht, welcher Teufel mich ritt, am Tag danach wieder in den Club zu gehen. Ich hatte eine Freundin, was sollte ich im Club. Ich redete mir ein, mich verabschieden zu wollen, hoffte, die Mädchen zu treffen, die mir so schöne Stunden bereizet hatten. Kaum hatte ich an der Kasse meinen üblichen Obolus entrichtet, stand sie auch schon vor mir, ihre rotblonde Mähne war unverkennbar-Larissa. Wir verabredeten uns, sofort nach dem Duschen zusammen aufs Zimmer zu gehen, ein Fehler, der mein Leben, mein neues Glück nachhaltig gefährden sollte. Doch das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Der Sex mit Larissa war wunderschön. So schön wie immer, vielleicht mit einem Sahnehäubchen obendrsauf. Es war das letzte Mal, das war mir sicher und so liebte ich Larissa heute-wie zum letzten Mal.
Wir schauten nicht auf die Uhr, ließen uns einfach fallen, gaben uns völlig unserer Lust hin, es gab keine Zeit für uns, kein Drängen, nichts. Erst Stunden später verließen wir, völlig geschafft, das Zimmer. Es wren mehr als zwei Stunden, sicher deren drei, doch Larissa berechnete mir nur zwei. Ein Abschiedsgeschenk, ohne es zu wissen.

*

Ich war glücklich. In den nächsten Tagen traf ich Rhani noch zweimal. Immer näher kamen wir uns. Es war keine Freundschaft mehr, immer mehr entwickelte dich zwischen Rhani und mir eine Liebe, eine tiefe, intensive Liebe. Drei Wochen vergingen so. Der Club hatte für mich seine Bedeutung verloren. Das Date mit Larissa, es schien tatsächlich der Aussstieg aus dem Clubleben, dem PaySex gewesen zu sein.

Wieder einmal, wie so oft kam Miriam zu mir zu Besuch. Wieder einmal, wie so oft, leistete sie mir beim Frühstück Gesellschaft. Wieder einmal, wie so oft saßen wir da, redeten über vieles, Gott und die Welt. Plötzlich verspürte ich einen stechenden, ziehenden Schmerz an einer sehr intimen Stelle. Ich sagte Miriam nichts davoln, stand aber auf, um auf die Toilette zu gehen, nachzuschauen, was es mit diesem Schmerz auf sich hatte.

Ich erschrak. Was ich sah, ließ mir das Blutv gerinnen. Ein Eiterherd. Genau auf der expomiertesten Stelle, die ein Mann haben konnte.
Erschrocken stürzte ich geradezu aus dem Bad. Miriam, sie kannte sich in diesen Dingen aus. Ein Pilz, wo konnte ich mir einen Pilz eingefangen haben. Bitte, lass es nur ein Pilz sein. Ich zeigte Miriam die Stelle und sie konnte mich beruhigen. "Keine Angst, Dieter, du hast dir einen Pilz eingefangen. Ist nichts schlimmes. Du gehst in die Apotheke und holst dir dagegen ein Mittel. in drei Tagen ist das weg". "Aber ich treffe morgen Rhani", brach es aus mir hervor. "Und ich denke, morgen wird es passieren. Sie hat schon Andeutungen gemacht, morgen mit zu mir zu kommen. Was, wenn sie das sieht?". "Das wäre nicht so gut. Versuche, euer erstes Mal hinauszuzögern. Das darf sie nicht sehen. Warst wieder im Club, hm?", grinste sie. Mein Nicken war mehr als eine Bestätigung.

*

Der Zug hielt an. Wie immer stand ich, bewaffnet mit einer Rose, auf dem Bahnsteig. Rhani stieg aus dem hintersten Wagen, lächelte mich an. Glücklich nahm ich sie in den Arm, küsste sie. Heute war Rhani schöner als bei unseren vorherigen Dates, so schön wie nie zuvor. Ich wusste, mekte sofort, heute müsste ich stark sein, der Verduchung, die vor mir stand, zu widerstehen, sie durfte den Pilz nicht sehen. Er war eine Geschlechtserkrankung, wenn auch eine eher harmlose, aber sein Vorhandensein sprach eine deutliche, eine zu deutliche Sprache. Nein, heute könnte ich mit Rhsni nicht intim werden.
Rhani begrüßte mit mit einem langen, zärtlichen Kuss, drückte ihren begehrenswerten Körper an mich. Ein deutlicheres Signal hätte sie mir nichtv geben können. Alle ihre Sinne schrien nach mir; meine nach ihr, aber heute, zumindest heute müsste ich der Versuchung, die in diesem Moment einen Namen bekommen hat, widerstehen. Ich begann, den Tag zu verfluchen, an dem mich der Teufel dermaßen ritt und mich in den Club zog. Hätte ich damals dieser Versuchung nicht nachgegeben, so könnte ich es heute. Aber heute, nein, das dürfte nicht sein.

Wir wollten ins Kino gehen, das hatten Rhani und ich schon beim letzten Mal vereinbart. Nun, angresichts der Tagessiruation, erschien mir dieser Platz geeignet, einen Teil unserer gemeinsamen Zeit verstreichen zu lassen, überlegend, wie ich das unvermeidlich erscheinende vermeiden wollte. Doch ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Rhani ließ mir keine Zeit zum Überlegen, keine Zeit zum Nachdenken. Kaum hatten wir unsere Sitze eingenommen, kuschelte sie sich an mich. Sie wartete nur, bis endlich das Licht ausging. Kaumm saßen wir im Dunkeln, spürte ich ihre vollen, samtweichen Lippen auf meinen, ihre Zunge bahnte sich ihren Weg in das Innere meiner Mundhöhle. Diese Frau ging aufs Ganze, wusste, was sie will. Sie griff nach meiner Hand, plazierte sie so, wie sie es wollte, ihre Hand erforschte meinen Körper. Zunächst war ich etwas überrascht von Rhanis Überfall, mit allem hatte ich gerechnet, doch damit nicht. Vergessen waren alle Überlegungen, ich gab es auf, Rhanis Liebkosungen anwehren zu wollen, zu sehr gefangen war ich in Rhanis Zärtlichkeiten. Längst erwiderte ich ihre Küsse, streichelte Rhani dort, wo sie es wollte. Unsere Zungen vollführten einen Tanz, vergleichbar dem Liebestanz zweier Nattern. Wir vergaßen die Menschen um uns herum, der Film war sowieso nebensäcglich. Es gab nur noch uns beide, zumimndest für diese Minuten, die Augenblicke der Lust. Dennoch, Rhani durfte nichts merken von meiber Geschlechtskrankheit, es durfe nicht zum Äußersten kommen.
Das Licht ging an, riss uns aus unserer Zweisamkeit, ließ uns die Menschen rings um uns herum in dem zur Hälfte gefüllten Kino wahrnehmen. Doch was scherten uns die Menschen. Wir, Rhani und ich, wir hatten uns. "Los, zu dir", flüsterte Rhani mir ins Ohr. Der Augenblick, vor dem ich Angst hatte. "Zu mir können wir nicht", log ich, "ich habe gerade die Handwerker zu Hause, die mein Bad neu fließen. Die ganze Wohnung ist ein Trümmerhaufen. " Ich sah die Enttäuschung, die Rhani beschlich, doch sie akzeptierte meine Ausrede. Glücklicherweise kam ihr nicht die Idee, ein billiges Hotelzimmer zu buchen. So hatte ichb gesiegt. Zumindest für heute. Bei unserem nächsten Treffen, da war ich mir sicher, wäre der Pilz nicht mehr da. Meine ganze Hoffnung galt der Salbe, die Miriam mir empfohlen hatte.
Während der Heimfahrt wechselte Rhani kein Wort mit mir. Ich erkannte die Enttäuschung, die ihr ins Gesicht geschrieben stand. Nach einem flüchtigen Kuss zum Abschied meinte Rhani nur:"Sorge dafür, dass dein Bad nächste Woche funktioniert".

*

Vier Tage waren vergangen, seit ich den Pilz entdeckt hatte. Er war unverändert, eher noch größer geworden. Miriam betrachtete die Stelle mit großer Sorge, meinte nur:"Das ist kein Pilz. Irgend etwas anderes. Ich habe so meine Befürchtung. Am besten, Dieter, du gehst sofort zum Arzt".
Meine Hausärztin besah sich die Stelle, meine mit sorgenvollem Gesichtsausdruck nur: Wenn es das ist, wofür ich es halte, bin ich nicht dafür zuständig. Sie gehen jetzt sofort zum Urologen. Ich rufe inzwischen dort an und sorge dafür, dass Sie sofort drankommen".
Meine Hausärztin leistete ganze Arbeit. Mein Urologe erwartete mich schon, führte mich sofort ins Behandlungszimmer. "Na, wo drückt denn der Schuh", bwgrüßte er mich leutselig. "Es ist nicht der Schuh", versuchte ich zu scherzen, "es ist eigentlich etwas höher. Ich denke fast, ich habe einen Tripper". "Der Facharzt betrachtete sich sotgenvoll die Stelle und meinte abschließend nur:"Nein, die haben keinen Tripper". Man hörte förmlich den Stein, der mir vom Herzen fiel. Doch es sollte zu früh sein, für die Entwarnung. Noch hatte der Arzt nicht geendet. "Sie haben eine siphyllis". Das saß.Siphyllis. Ich hatte mich nicht verhört. "Mann, wo hast du dich denn wieder rumgetrieben?", fragte er mich weiter und endlich wieder in dem unter uns schon lange geltenden vertrautem Du. Ich erzählte ihm vom Club. Das mit der dreiwöchiogen Inkubationszeit könnte auch hinkommen. Ich musste mir die Krankheit bei Larissa eingefangen haben. Nun war guter Rat teuer. Zwar verschrieb mir der Arzt ein schnellwirkendes Antibiotikum, doch mit drei Wochen musste ich schon rechnen. Und nächste Woche würde Rhani wiederkommen, erneut einen Frontalangriff auf mich starten, dem ich liebend gerne nachgegeben hätte, aber nicht konnte. Nun war guter Rat wirklich teuer, in einer Preisklasse, die ich mir wirklich nicht leisten konnte.

*

Erneut musste ich Rhani belügen, ich schwindelte ihr am Tag vorb unserem geplanten Treffen etwas von einer Krankheit vor, schwere Grippe. Ich spürte den leichten Unterton in ihrer Stimme, ein Timbre der Enttäuschung, als sie mir gute Besserung wünschte.
Ständig, fast im Stundentakt erhielt ich SMS von ihr, es schien, als traute sie mir nicht, wollte mich überwachen, kontrollieren. Tage ging es so. Ich wünschte mir, endlich einen Fortschritt immeiner Krankheit zu erkennen, er war zwar ersichtlich, jedoch nicht in dem erwünschten Rahmen. Schon jetzt zeichnete sich ab, dass ich in der nächsten Woche immer noch grippekrank sein müsse.
Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich. Erneut musste ich Rhani belügen. Wortlos legte sie den Telefonhörer auf. Ich ahnte, was gleich kommen würde, kommen müsste. Es kam. Lange brauchte ich nicht zu warten. Das gewohnte SMS-Signal, wie so oft in dieser Woche. Doch es war keine Liebesbotschaft von Rhani. Die SMS war zwar von Rhani, aber der Inhalt war das unvermeifliche, endgültige. Rhani zog den Schlussstrich.

Kapitel 12

Einige Zeit verging, seit ich begonnen habe, euch das alles zu erzählen. Die Siphyllis verheilte, etwa eine Woche nach Rhanis unheilvoller SMS verheilte sie völlig. Im Club sah mich niemand mehr, ich versuchte, den Laden, den ich beschuldigte, mir mein Glück genommen zu haben, nicht mehr. Ich hatte mich mehr auf Hostessenwohnungen verlegt, entdeckte den asiatischen Typ Frau. Glücklich jedoch war ich nicht. Der Platz neben mir in meinem geräumigen Doppelbett, der Platz neben mir am Frühstückstisch, er war leer. Die Einsamkeit nahm immer mehr Gestalt an, sie umarmte mich, wurde zu meinem Lebensinhalt. Allein zu sein, es ist eine Heimsuchung, eine Strafe, das Schlimmste, was man sich nur vorstellen kann. Ich wollte es ändern, aber wie. Gut, ich hatte meine Besuche in den asiatischen Hostessenwohnungen, doch war es das, was ich wollte? Sex, meist anonymer Sex in Wohnungen, deren Mädchen ständig wechselten, zu denen ich, delbst, wenn ich wollte, keine Beziehung aufbauen konnte. Jeden Freitag nahm ich die Anzeigenzeitung in die Hand, las die Kontakt-und Anzeigenseite durch auf der Suche nach der passenden Frau. Und wie ich die Zeitung in die Hand nahm, so legte ich sie wieder zur Seite. Nur um eines war ich reicher: Eine Enttäuschung mehr.

Tagelang, wochenlang ging es so. In den Club, der mir in solchen Zeiten Abwechslung verschafft hätte, ging ich bicht mehr. Die asiatischem Terminwohnungen im Umland verschafften mir wohl die körperliche Befriedigung, geistig jedoch nicht. Ich war aufgekratzt, nicht mehr Herr meiner Sinne. Es musste etwas geschehen, ein neuer Club musste her. Aus dem Forum, in dem ich seir kurzer Zeit Nur-Leser war, wurde ich auf einen Club im südbadischen Raum aufmerksam: Club Ivanhoe in Freiburg. Weit zu fahren, aber egal. Ich wusste, ich brauche das Ambiente, das Clubflair. Siphyllis gin oder her; ich hatte sie mir aller Voraussicht nach bei Larissa geholt; sie war bestimmt schon seit langem weitergezogen und wenn nicht, dann war sie wohl immer noch in demClub, in dem sie mich angesteckt hatte, nicht im Ivanhoe und wenn doch-ich musste ja nicht mit ihr aufs Zimmer gehen.
Die Website des Ivanhoe zog mich magisch an. Alles, die gesamte Winrichtung war auf Mittelalter getrimmt, Ritterrüstungen waren zu sehen, mittelalterlich anmutende Wandbemalungen, ich war begeistert, diesen Club, das war mir klar, nusste ich aufsuchen, heute noch.
Nach nicht einmal zwei Stunden später stand ich bereits an der Kasse des Ivanhoe. Eine bezaubernde Lady von etwa 25 Jahren erklärte mir das wissenswerte des Clubs, endlich war ich drin. Es kam mir vor wie eine Befreiung. Endlich wieder ein Club, das Ambiente, die Erholung, die Mädels. Die Luft im Club, sie ist irgendwie anders als sonstwo, erotisch, prickelnd, anregend. Es ist einfach ein anderer, aufregender Duft. Gierig sog ich die Luft ein, ich war wieder zu Hause, nur bin ich umgezogen, habe meine Heimatsdresse geändert. Der Club war klein, übersichtlich, aber die Einrichtung, das gesamte Ambiente, es begeisterte mich. Ritterrüstungen, wie auf den Bildern im Web, ein geschmackvoll eingerichteter Wellnessbereich mit Sauna und Innenpool, ich wusste, hier könnte ich heimisch werden. Ich ging zunächst hinüber in den Barraum, ließ mir zwei Apfelschorle schmecken und das Clubambiente auf mich wirken. Ich beschloss, zunächst die Mädchen Mädchen sein zu lassen und zunächst eine Wellness-Runde einzulegen. Die Sauna hatte genau die richtige Temperatur. Warum nur war ich auf diesen Club nicht schon vorher gekommen. Nie hätte ich mir diese verdammte Geschlechtskrankheit geholt, Rhani wäre noch meine Freundin und ich hätte ihr meine Bettqualitäten, die man mir nachsagt, eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Ich müsste mir keine neue Freundin suchen, Ja, hätte ich diesen Club früher entdeckt, alles wäre anders gelaufen. Ich verließ die Sauna, duchte uns ging in den Pool, suchte mir eine flache Stelle, legte mich einfach in das kühle Wasser, schloss die Augen und träumte vor mich hin.
Eine Stimme weckte mich aus meinen Träumen. "Hallo, bist du zumerstenmal hier?" Ich öffnetev die Augen und erblickte ein Mädchen, blond, etwa zwanzig Jahre alt. Ein Anblick zum Verlieben, selten sah ich ein so hübsches Mädchen. Sie legte sich zu mir in den Pool und begann einen aufregenden Smalltak, immer wieder unterbrochen und andereichrt durch zärtliche Berühtungen, stimulierenden Körperküssen; auch ihr Kopf ruhte ab und an an meiner Schulter. Ich erfuhr vieles von ihr. Sie hießb Irina, ihre Vorfahren kommen eigentlich aus Kasachstan, aber sie wurde in Deutschland geboren. Ihr Leben lag vor mir wie ein offenes Buch. Irina lachte gerne und viel und sie liebte es, andere, ihre Gesprächspartner zum Lachen zu bringen. Ich weiß nicht,wie lange wir so dalegen, erzählend und lachend, wir wurden immer und immer vertrauter, es kam der Moment, als ich meinte, Irina, so vertraut war sie mir intwischen, schon ein Leben lang zu kennen.
Kurzentschlossen fragte ich Irina nach dem obligatorischen Zimmergang, gerne begleitete sie mich. Im Zimmer fielen wir übereinander her wie zwei hungrige Löwen, Irina war ein erotischer Vulkan, der nicht genug bekommeb konnte. Die Zeit wurde nebensächlich, es gab nur noch uns beide. Lange Zeit lagen wir engumschlungen beisammen, tauschten Küse und Zärtlichkeiten aus; es schien mir, Irina sei schon seit Jahren meine Freundin und Gespielin.
Keiner schaute auf die Uhr, Irina schlug abschließend vor, dass ich sie einfach mit einer Pauschale von vier Clubeinheiten bezahlen solle und ihr zudem, gewissermaßen als Bonus, einen Pikkolo an der Bar bezahlen solle. Gerne tat ich ihr den Gefallen, hatte ich doch die Hoffnung, Irina noch eine Weile bei mir zu haben. Doch Irina zerstörte meine Hoffnungen. Kaum hatte sie ihr Gels und ihren Pikkolo, wandte sie sich geschäftstüchtig anderen Gästen zu. Doch lange sollte ich nicht alleine bleiben. Eine dunkelgaarige Rumänin wandte sich an mich: "Schatzi, spendierst du mir einen Pikkolo?" Ich verneinte die Bitte, wollte etwas alleine sein, doch schon nach kurzer Zeit fragte das nächste Mädchen nach einem Pikkolo. Langsam ging mir ein Licht auf, die Mädchen sollten hier in diesem eigentlich wunderschönen Club Pikkolos verkaufen gegen eine kleine Aufbesserung ihrer eigenen Einnahmen. Ich beschloss, es heute bei diesem einen Zimmergang mit diesem leider unschönen Ende bewenden zu lassen und machte mich, eher enttäuscht als zufrieden, auf den Heimweg.
Wieder em,pfing mich meine kalte und dunkle Wohnung, wieder blieb mir nichts anderes übrig als nach dem Genuss einiger Biere zu versuchen, Schlaf zu finden.

*

Wieder einmal war es Freitag, wieder einmal erschien die Wochenendzeitung, wieder einmal überflog ich die Heirats-und Kontaktanzeigen, wieder einmal ohne große Hoffnung.
Eine Anzeige entdeckte ich, die irgendwie anders war als die üblichen. Wieder und wieder las ich sie, blieb mit meinen Augen an ihr hängen. Solte diese Annonce ein Wink des Schicksals sein? War diese Anzeige geschaffen von der Vorhersehung, geschaffen für mich alleine, dass nur ich sie lesen sollte. Eine Asiatin, Chinesin, suchte keine flüchtige Bekanntschaft, sondern einen Mann fürs Leben. Schnell, ehe mir ein anderer zuvorkommen konnte, wählte ich die angegebene Nummer. Eine sympatische Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung, erklärte mir, dass sie insgesamt drei Chinesinnen vermitteln würde. Vermitteln. Ein Heiratsinstitut. Enttäuscht wollte ich wieder auflegen, einen professionellen Eheanbahner konnte und wollte ich mir nicht leisten. Doch die freundliche Stimme am anderen Ende klärte mich auf. Es handelte sich nicht um ein professionelles Institut. Die freundliche Dame, selbst Chinesin, spielte den Eheanbahner für drei Freundinnen, die jeweils einen deutschen Mann suchten. Sie wolle nur fünfzig Euro für Porto und Auslagen, ich würde also keine Frau "kaufen", sondern siw würde bei Interesse drei Monate zu mir kommen, mit mir zusammenleben, gewissermaßen eine Ehe auf Probe. Sie erkannte mein Interesse und lud mich ein, sie zu besuchen, zum Austausch näherer Informationen.

*

Schon drei Tage später konnte ich die Dame mit der sympatischen Stimme treffen. Sie war Chinesin, aber schon seit Jahren mit einem Deutschen verheiratet. Es entwickelte sich ein informatives Gespräch, in dessen Verlauf mir deutlich wurde, dass Jasmin, so hieß meine Gesprächspartnerin, wirklich keinerlei finanziellen Interessen hatte, fast war es ihr sogar peinlich, die vereinbarte Kostenpauschale anzunehmen. Ich gab ihr eine möglichst genaue Personenbeschreibung von mir sowie ein aktuelles Bild, sie versprach mir, beides schnellstens per e-mail nach China zu senden.

Schon drei Tage später erhielt ich einen Telefonanruf von Jasmin, Xiao-Wei, so hieß meine Auserwählte, war bereit, über Touristenvisum für drei Monate zu mir zu kommen, und gewissermaßen eine Ehe auf Probe zu führen.

Es gab viel zu tun in den nächsten Wochen, Doch bei allem was zu erledigen war, Jasmin kannte sich in allem aus, stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Es entwickelte sich eine Art Freundschaft, aus dem distanzierten "Sie" wurde schnell ein vertrautes "Du"; wir telefonierten viel, nicht nur wegen Xiao-Wei, nein, auch privat hatten wir uns viel zu sagen.
Vier Wochen zogen so dahin, längst waren die Unterlagen in China, bis das bange Warten ein Ende hatte. Jasmin konnte mir vermelden, dass Xiao-Wei ihr Visum ausgestellt bekomme, sie dürfe für drei Monate zu mir kommen, etwa in zwei Wochen sollte ich mit ihrem Eintreffen rechnen, Jasmin gäbe mir aber rechtzeitig Bescheid über den genauen Zeitpunkt. Ich hatte es geschafft. Xiao-Wei würde zu mir kommen, mit mir zusammenleben, sich an mich gewöhnen und hoffentlich irgendwann sagen, dass sie bleiben wolle-für immer.

*

Zwei Wochen, eine kurze Zeit, aber eine lange, wenn man auf etwas, ein Ereignis, einen Menschen, warten musste. Und ich wartete. Auf ein Ereignis, einen Menschen.
Es half nichts, auch in der Zeit, während ich auf Xiao-Wei wartete, ich musste in den Club. Er zog mich magisch an. Immer öfter besuchte ich ihn wieder. Nicht das Ivanhoe, von ihm war ich, trotz des wunderschönen Ambientes, enttäuscht. Nein, mein alter Club war es, der mich wieder anzog. Larissa war inzwischen weitergezogen, ihr hätte ich nicht begegnen wollen, andere Mädchen bevölerten den Club, mit keiner wollte ich eine längere Beziehung aufbauen wie mit Larissa, meine Beziehung, die ein Leben lang halten sollte, sie würde bald kommen. Xiao-Wei.

Zumindest jeden zweiten, dritten Tag war ich Gast im Club. Längst fragte mich die Dame am Eingang nicht mehr nach meiner Schuhgröße, längst fragte mich am Tresen niemand mehr nach meinem Getränkrwunsch, wie selbstverständlich stand, kaum hatte ich an der langen Theka Platz genommen, das Getränk vor mir.
Es gab kein Mädchen im Club mehr, mit dem ich nicht auf dem Zimmer gewesen bin, jede nur einmal, dann musste Schluss sein, es dürfe einfach keine neue Larissa mehr für mich geben.
Endlich war es soweit, mein letzter Besuch im Club, ich hoffte, für immer, stand an. Morgen würde der Airbus in Frankfurt ankommen, der die wichtigste Fracht meines Lebens zu mir bringen würde-Xiao-Wei, meine zukünftige Frau. Jetzt schon war ich mir sicher, sie und sonst keine würde es sein. Einmal im Leben würde ich Glück haben. Aber heute, heute gibt es noch einmal den Club, gewissermaßen meine Junggesellen-Abschiedspsparty, soviele Mädchen wie möglich, sollten heute mir gehören. Heute, zum letzten Mal wollte ich feiern, das Junggesellen-Leben genießen in all seinen Facetten.

*

Schon zwei Stunden vor Ankunft des Fliegers war ich in Frankfurt. Allen Eventualitäten wollte ich entgehen. Staus auf der Autobahn, Unfälle-es wäre schrecklich gewesen, Xiao-Weis Flieger landetund ich stehe irgendwo in einem Stau, unfähig, vorwärts oder rückwärts zu fahren, verdammt zu warten und vielleicht meine zukünftige Frau zu verlieren-für immer.
Aber ich war hier, wartend. Es waren die längsten zwei Stunden meines Lebens, Wäre ich Raucher, ich hätte vor Nervosität eine Zigarette nach der anderen angezündet. Aber ich war kein Raucher. Nichts hatte ich, an dem ich mich festhalten konnte, keinen Rettungsring, der mich über Wasser halten würde. Es gab nur mich, die Uhr und einen Terminalein-und Ausgang, den ich magisch fixierte, hoffend, er würde sich endlich öffnen.

*

Zwei Stunden später. Mittlerweile war ich zum Nervenbündel geworden, der Flug stand auf der Anzeigentafel ganz oben, er war gelandet. Die Tür würde sich öffnen, Menschenmassen herausspucken, von denen ich auf einen Menschen wartete, einen einzigen. Sie.

Die Masse der eintreffenden Passagiere, zunächst hochzahlig, verringerte sich.
Noch niemand hatte auf mein mitgebrachtes Schild reagiert, mich angesprochen. Sollte sie nicht an Bord gewesen sein. Sollte es der falsche Flug sein? Hatten wir uns verpasst, irrte sie
irgendwo in den Flughafenhallen umher, unfähig, um Rat zu fragen, nach mir zu suchen. Plötzlich, ich hätte nicht mehr daran gedacht, stand sie vor mir, blickte mich lächelnd an und deudete auf nein Schild. Ich hatte sie, nein, sie hatte mich gefunden.
Nun endlich stand sie vor mir-meine zukünftige Ehefrau, die ich heute zum ersten Mal kennen lernte. Ich nahm sie in den Arm, lächelte sie an. Sie sah anders aus als auf den Photos. Damals hatte sie längere Haare, nun relativ kurze Haare, die ihr wunderhübsches Gesicht sehr betonten. Ich wusste, ohne dass wir ein einziges Wort gewechselt hatten, soeben habe ich mich verliebt. Diese Frau, diese wunderschöne Frau, sie wollte ich haben-für immer.

*

Die Situation war schon etwas grotesk. Schweigend saßen wir im Auto auf dem Nachhauseweg nebeneinander. Keiner beherrschte die Sprache des anderen. Ich konnte kein Chinesisch, Xiao-Wei kein Deutsch. Englisch, das ich perfekt beherrschte, konnte als Übersetzungshelfer nicht dienen, da sie auch diese Sprache nicht beherrschte.
Endlich kamen wir zu Hause an. Meines war es schon seit ewiger Zeit, ihres sollte es werden.
Nach einem kurzen Abendessen merkte ich, dass sie sehr müde wurde. Nun natürlich kam der Knackpunkt. Was würde, sollte im Schlafzimmer passieren. Rechnete sie damit, dass ich sofort über sie herfallen wollte, sie bedrängen? Wünschte sie sich, dass ich mir Zeit lassen würde, ihr Zeit lassen, bis sie sich ihrer Sache sicher war? Rechnete sie damit, dass ich sofort im Bett den Platz neben ihr einnehmen würde? War das alles nicht zu früh, viel zu früh? Sollte sich nicht erst ein Vertrauensverhältnis bilden? Genau das waren meine Gedanken. Ich wollte sie nicht bedrängen, in keiner Weise. Alles sollte von ihr kommen, mit meinem Einverständnis. So war es klar. Ich stellte das Schlafzimmer ihr zur Verfügung, ihr ganz allein und zog mich selbst zurück auf die Gästeliege im Wohnzimmer. Ich wusste noch nicht, dass ihr dieses Vorgehen sehr imponierte, aber ich meinte, eine gewisse Erleichterung zu verspüren. Es war mir noch nicht gewiss, dass ich soeben den ersten wichtigen Wertungspunkt um ihre Gunst errungen hatte.

*

Zu meiner Überraschung war Xiao-Wei schon lange vor mir wach. Sie hatte Frühstück bereitet, den Kaffee warm gehalten, bis ich aufgestanden war. Die Wartezeit hatte sie überbrückt-zu meiner großen Freude-mit Vokabellernen. Buch und Schreibblock lagen vor ihr. "Guten Morgen" begrüßte sie mich. Meine Freude über die ersten deutschen Worte aus ihrem Mund war nicht zu verbergen. Ich ging zu ihr, nahm sie in den Arm, strichelte mit dem Handrücken ihre Wange und erwiderte mit leicht vor Freude tränenerstickter Stimme:"Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?" Es war nicht, dass ich auf meine Frage eine Antwort erwartet hätte, aber ich musste sie einfach stellen. Ich wusste, ich würde mit ihr deutsch lernen, ihr einen Deutschlehrer besorgen, alles tun, damit Xiao-Wei bei mir blieb. Ich wollte nicht, dass diese Frau wieder gehen musste oder wollte, ich wollte ihren Aufenthalt bei mir so angenehm machen wie nur möglich, dass sie sich wohlfühlte bei mir und mit mir. Sie hat begonnen, deutsch zu lernen-für mich. Wenn es etwas gab, das mich glücklich machte, dann dieser Umstand. Mit einer Handbewegung gebot Xiao-Wei mir, mich zu setzen, neben sich und mir das Frühstück schmecken zu lassen. Dabkbar und glücklich nahm ich Platz neben ihr, neben der Frau, die bald, so hoffte ich, meine Frau werden würde.

*

Die nächsten Tage verbrachten wir mit ausgiebigen Erkundungsprogrammen der Sehenswürdigkeiten meiner Stadt. Ich wusste gar nicht, dass es so viele davon gab. Xiao-Wei begann immer mehr sich selbst zu orientieren, wollte nur, dass ich ihr den Hinweg zu unserem Ziel zeigte, den Rückweg wolle sie alleine finden. Ihr Deutsch machte ebenfalls große Fortschritte. Jeden Morgen war sie schon vor mir aufgestanden, bereitete das Frühstück und lernte Deutsch. Nach dem Frühstück durfte ich sie abhören, wir beide waren glücklich über ihre Fortschritte.
Langsam kamen wir uns näher. Erste zaghafte Berührungen stellten sich ein, ein kurzes Wangestreicheln, auch einmal ein Händchenhalten beim Spzierengehen. Jedoch schliefen wir immer noch getrennt, ein Umstand, den ich selbst nicht ändern wollte; ich wollte sie nicht überfallen, überrumpeln. Alles sollte sich langsam entwickeln, ein Anwachsen der gegenseitigen Sympathie würde, so dachte ich, schon seinen Teil dazu beitragen, dass ich endlich die Nacht neben ihr verbringen durfte. Es sollte schneller kommen als geplant; schneller als ich mir denken konnte, im neiner blühendsten Phantasie ausmalen.

*

Wieder einmal kamen wir von einem abendlichen Spaziergang nach Hause. Xiao-Wei gebot mir, mich zu setzen, sie wolle mir etwas erzählen. Sie erzählte mir von China, den Lebensumständen, ihrer Familie, die sie sehr vermisse. Aber nun wolle sie eine neue Familie, mit mir und ihrer Tochter, die baldigst nachziehen solle, gründen. Der Nachzug der Tochter, das war klar, ginge nur im Rahmen der Famlienzusammenführung. Dazu müssten Xiao-Wei und ich verheiratet sein. War diese Aussage des Nachzugs der Tochter ein verklausuliertes Angebot hier zu bleiben? Hier, bei mir? Als meine Frau? Ich wusste es nicht, hoffte es aber sehr.
Einige Tränen bildeten sich in ihren Augen, liefen die Wangen hinunter. Ich versuchte, die Flüssigkeit mit den Fingern am Weiterfließen zu hindern, trocknete ihre Wangen. So nah kamen wir uns bislang noch nie. Ich sah sie an, lächelte. Xiao-Wei lächelte zurück. Dieb Tränen waren vergessen. Ich weiß nicht, wie lange wir so dasaßen, uns anblickten und anlächelten, wie lange ich in ihre dunkel glänzenden Augen blicken durfte, ihr wunderhübsches Gesicht betrachten. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis wir uns in den Armen lagen, sich unsere Lippen vereinigten, zu einem längen, zärtlichen Kuss, der nie enden wollte. Es geschah einfach, was geschehen musste und sollte, hemmungslos küssten und sttreichelten wir uns, der Damm war gebrochen; Xiao-Wei und ich wurden ein Paar, der glücklichste Augenblick in meinem bisherigen Leben.

*

Noch wagte ich nicht, sie zu fragen, ob ich von nun an neben ihr schlafen durfte. Nach wie vor hielt ich unverrückbar an meiner Meinung fest, dass alles, jegliche Näherung von ihr ausgehen müsse. Es vergingen noch einige Tage an denen wir getrennt schlafen gingen, getrennt aufwachten, den Rest des Tages aber verbrachten wie Mann und Frau. Xiao-Weis Deutsch machte gute Fortschritte. ich freute mich sehr, war glücklich über jede neue Vokabel, die sie ihrem Wortschatz hinzufügen konnte. Längst saßen wir uns beim Lernen nicht mehr gegenüber, sondern zumindest nebeneinander, unsere Hände suchten einander, ihr Kopf ruhte an meiner Schulter oder auch meiner an ihrer. Wir suchten direkt den Körprerkontakt, aber nie aufdringlich oder gar zudringlich werdend.

Wieder einmal saßen wir so zusammen. Wieder einmal hörte ich Xiao-Weis Vokabeln ab, wieder einmal, wie so oft, näherten unsere Lippen sich einander, wieder einmal vereinigten sie sich zu einem langen, zärtlichen Kuss. Doch heute war Xiao-Weis Kuss anders als sonst. Selten hatte sie die Initiative ergriffen, war mehr dr passive Teil. Doch der heutige Kuss war anders, verlangend, fordernd, zärtlicher und liebevoller als sonst. Gerade so, als sollte mir der Kuss etwas sagen, ein Bote ihrer Gefühle sein.
Xiao-Wei entzog sich meiner Umarmung, löste ihre Lippen von meinen, blickte mich aus ihren strahlenden Augen an, ergriff meine Hand und stand fordernd auf. Sie ging mir voran in das Zimmer, welches ich, zumindest kurzfristig, zum Tabu für mich gemacht hatte-das Schlafzimmer. Sie drehte sich zu mir, umarmte und Küsste mich. Ganz nah waren sich unsere Körper, so nah wie selten. Ihre Hand streichelte mich zärtlich, zärtlicher als sonst. Sollte sich heute mein größter Wunsch erfüllen? Es schien so. Liebevoll knöpfte sie mein Hemd auf, küsste und streichelte mich, längst standen wir nicht mehr, wir lagen auf dem Bett, gaben uns unseren Gefühlen füreinander, unserer Liebe, die wir zumindest von jetzt an füreinander empfanden, hin. Wir zogen uns nicht aus, nein, wir rissen uns förmlich die Kleider vom Leib, fielen übereinander her wie zwei hungrige Löwen.

Noch am selben Tag machte ich Xiao-Wei einen Heiratsantrag, dem sie sofort freudig zustimmte. Wir wussten beide nicht, dass dieser für uns so freudige Tag der Beginn unserer Probleme sein sollte.

*

Glücklich wachte ich am anderen Morgen auf, bemerkte im Halbschlschlaf Xiao-Weis Hand, die spielerisch nach mir suchte. Endlich fand sie mich, ergriff im Bett meine Hand. Es schien, als wolle sie meine Hand nie wieder loslassen, auch ich wollte sie nie mehr gehen lassen, meine Geliebte, meine Frau. Lange noch lagen wir beisammen, küssten und streichelten uns, zwei sich Liebende, die sich gefunden hatten-Romeo und Julia der Neuzeit. Sechs Tausend Kilometer hatten uns bislang getrennt, dazu, so wünschten wir uns, solle es nie wieder kommen.

Zum ersten Mal hatten wir miteinander geschlafen, erste schüchterne Berührungen, zaghafte Küsse, bald verlangend, fordernd, extatisch. Es schien, als hätten wir beide nur darauf gewartet, den richtigen Partner zu finden, und dieser richtige Partner für mich war Xiao-Wei, genauao, wie es mir schien, dass ich der richtige Partner für sie war. Noch lange lagen wir kuschelnd, küssend, schmusend zusammen, Tage häten so vergehen können, Jahre, Welten, Universen untergehen, was scherte es uns; wir hatten uns gesucht und gefunden, eines war mir klar: Im Bett lag neben mir meine zukünftige Frsu, diese oder keine.

*

Wir mussten uns loseisen voneinander, es gab viel zu erledigen. Nach nur einem kurzen Frühstück im Stehen, der nur nötigsten Morgentoilette mussten wir uns beeilen, auf den Weg machen zur Stadtverwaltung, zum Standesamt.
Wir kamen ohne Termin, was scherte uns ein Termin, wir hatten uns, wir haten uns gesucht, gefunden, jetzt für alle Zeit. Aber genau das hatten wir nicht-Zeit. Die Uhr tickte gnadenlos gegen uns, jede Sekunde, jede Stunde, die verging würde die Zeit verkürzen, die uns noch blieb, Xiao-Wei und mit-der Termin ihres Visumsablaufs rückte näher und näher. Es würde ein RFennen werden gegen die Zeit. Dass es auch ein Rennen gegen die Behörden werden würde, bald sollte uns dieses schmerzhaft bewusst werden.

*



























Wird fortgesetzt


























































Wird fortgesetzt


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