mann über leben
von robert_suydam

 

wenn er von seiner frau spricht, nennt er sie immer mutti.
sie schneidet ihm alle zwei wochen sonntags die fußnägel.
weil er das alleine nicht kann.
ein schiefes grinsen begleitet dieses geständnis und:

da ist ja nichts dabei.
nach so vielen jahren.
da kennt man sich in­- und auswendig.
sie wischt auch ohne zu murren die pisse weg,
wenn er nachts das klo nicht getroffen hat,
so im halbschlaf.
das ist schon eine liebe.

umziehen will sie neuerdings, in eine kleinere wohnung.
jetzt wo der sohn aus dem haus ist.
das würde dann weniger arbeit machen, sagt sie.
ein balkon wäre auch schön,
den würde sie hübsch grün machen.
aber er hat ihr schon erklärt, daß es nicht geht.
weil er es doch so mit dem rücken hat und mit den knien,
und überhaupt ­
fünfundzwanzig jahre in so einer billigen wohnung.
froh muß man sein deshalb und
einen alten baum verpflanzt man nicht.
außerdem liegen seine eltern auf dem friedhof gleich um die ecke.
dort ist es ja auch schön und grün.
mutti macht dann das grab und er holt immer kuchen und kaffee
von der tankstelle.
richtig gemütlich ist das, so auf der bank an der gruft.
man macht auch keinen abwasch, wenn man gleich von der pappe ißt.

das ist schon alles gut so.
mutti weiß das im grunde ihres herzens auch.
er muß sie nur manchmal daran erinnern.
sie war schon immer die schwächere.
aber dafür ist er ja da, so als mann,
das geht in ordnung.

neulich zum beispiel,
da stand sie in der küche.
hat grad das suppenhuhn auseinander gefriemelt,
für frikassee.
plötzlich war ihr blick ganz leer
und ihre hand hat das messer umklammert,
das gute aus solingen, das er ihr geschenkt hat.
ihre knöchel wurden ganz weiß.
richtig unheimlich war das.
aber sie wird ja auch nicht jünger.
er hat das radio lauter gemacht,
da war sie wieder ganz da,
die mutti.

die tut ja keiner fliege was zu leide.

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