G. Gschwendtner s künstlerische Interventionen
von riemsche

 

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das Anwesen hat zwei Zugänge_ den direkten
über die Betonierte bis zum Wohnhaus
oder den malerisch beschaulichen
über Wiese und Skulpturenpark
entscheiden uns für d Beschaulichkeit
und werden von Mali Gubser
der Hausherrin und heutigen Lebenspartnerin
von Gerd Gschwendtner in Empfang genommen
wir schreiten durch ein Metalltor
das einlädt über den Schatten zu springen
passieren Schritt für Schritt Tafeln
mit einzelnen Worten die sich aneinander
gereiht unterwegs im Kopf zu Satzbau fügen
stehen plötzlich vor einer Art Bunker
dem Schattenraum der Vergangenheit
erklimmen über eine stabile Himmelsleiter
s Klanghaus mit stummem Trommelfell
begegnen überall lebensgroßen Dünnen
die sich an einem Ort Freunde Hegels nennen
und sich an anderer Stelle als Gedanken
Komplizen entpuppen auch einen Bauplatz
der Utopien und s wundersame Berghirn gilt s
zu entdecken der gesamte Hügel lädt ein
die kleinen und großen Sensationen der Natur
wahrzunehmen reale und gedankliche
Wege zu beschreiten um dann oben angekommen
den Blick inmitten Ostschweizer Industrie
Landschaft übers Tal schweifen zu lassen
Gedankenberg ist ein treffender Name
für dieses von Kunst durchdrungen Kleinod
das neun Monate im Jahr für d Öffentlichkeit
kostenlos zugänglich ist am Ende
erreichen wir Wohnbereich und Arbeitsstätte
des umtriebigen Paares ein kleines Paradies
mit altem Steinhaus samt Piazza unter Bäumen
einer Werkstatt im Untergeschoss und
einem ausgelagert Atelier mit Fensterfront
übers Dorf man fühlt sich auf einen Landsitz
in der Toskana versetzt Gert Gschwendtner
gesellt sich zu uns und wir tauchen ein
in seine Welt sein Leben seine Arbeit

….seit ich denken kann war für mich
s Zeichnen etwas einzukratzen zu formen
eine Möglichkeit aus meiner tristen
Familiensituation auszusteigen….
beschreibt Gschwendtner seine Anfänge
in früher Kindheit die er als unwirklich
Wirklichkeit bezeichnet Ende 1949
im bayrischen Lenggries zur Welt gekommen
sei er zur falschen Zeit geboren
der Vater erst Anfang 1949 aus langjährig
Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt
und emotional verkrustet die Mutter
im gleichen Maße von Krieg und Faschismus
geprägt konnten beiden Söhnen wenig an
Geborgenheit und Schutz vermitteln der junge
Gschwendtner flüchtete zu zwei Ersatzfamilien
die für seinen Lebensweg entscheidend waren
zum einen sein Sprachlehrer im Gymnasium
der ihn offiziell zum Babysitten holte
auf diese Weise für eine familiäre Umgebung
gutes Essen und mit vierzehn Jahren
für n Schüleraustausch nach Frankreich sorgte
zum anderen das Schriftstellerpaar
Günther Eich und Ilse Aichinger die ebenfalls
in Lenggries wohnten und ihm ihre liberal
Gedankenwelt und eigene Bibliothek eröffneten
schon als Kind waren ihm Bücher Rettungsanker
nun bekam er s mit einem empathischen
Privatlehrer und Förderer zu tun welcher
ihm erste buddhistische Schriften in die Hand
drückte deren Inhalt geduldig erklärte
Eich war es auch der ihm riet lieber einen
Brotberuf zu erlernen als Kunst zu studieren
….weil du dich sonst in Abhängigkeiten
von Leuten begeben musst die dir nicht zusagen….
Gschwendtner zog derart ermuntert und angehalten
seine Schlüsse machte eine Ausbildung zum Kunst
Erzieher und übte den Beruf einige Jahre aus
daneben studierte der zeitlebens Wissbegierige
aber noch Kunstgeschichte Psychologie und
Philosophie lernte auf letzterer Fakultät
seine erste Frau kennen mit der er eine Familie
gründete und als PowerDuo mittels aktiver
Beteiligung in der deutschen Anti-Atomkraft
Bewegung und eigenwilliger Performance
fortwährend auf sich aufmerksam machte

sich auf solche Art auszudrücken war
damals in Europa noch nicht so angesagt
Gschwendtner kam unter anderem durch Vorbilder
wie Joseph Beuys in dessen Atelier er sich
bewegte und mit dem er den Hang zum aufklärend
Witz und Schelmischen teilte in Berührung
….das Schelmische gehört zur Kunst dazu
sagt der heute 71Jährige ….es kratzt
an menschlich und gesellschaftlich Gewissheit
zwingt uns zum Selber_Denken….
die Theorie dazu lieferten ihm die sogenannten
Radikalkonstruktivisten wie Heinz von Förster
und Paul Watzlawick mit denen er eine Zeit lang
einen regen Briefwechsel über die Wahrnehmung
der Wirklichkeit führte ….Aufklärung ist
für mich ein zentraler Punkt…. beschreibt er
des Weiteren seinen Kunstbegriff ….es geht mir
in allem um eine gewisse Konsequenz….
viele Vertreter der Moderne strebten primär
nach Selbstverwirklichung für ihn müsse
Kunst gesellschaftlich relevant sein
indem sie aufzeige und aufkläre
er sehe sie daher als geistige Medizin
apropos konsequent_ Gschwendtner gab zu
Beginn der 80er Jahre seine fixe Anstellung
an einem bayrischen Gymnasium auf
zog mit seiner Familie nach Vorarlberg
widmete sich fortan ganz der Kunst
ausschlaggebend für den neuen Lebensmittelpunkt
war der Letzehof in Frastanz wohin er
bereits jahrelang zwecks buddhistischer Studien
angereist war zudem sah er für seinen älteren
Sohn eine Chance durch ein individuelles
Förderprogramm an der Feldkircher Pädak
traumatische Schulerfahrungen aufzulösen

in Folge entwickelte Gschwendtner drei
charakteristische Elemente die sich bis heute
in seinen Kunstwerken und Installationen
finden Betrachterfiguren Tannennadel-Objekte
und skriptive Gemälde und Zeichnungen
in denen Schrift oder schriftähnliche Formen
eine zentrale Rolle spielen nach den
filigran Betrachterfiguren einzelne von ihnen
mit sinnstiftenden Worten kurzen Sätzen bemalt
gefragt sagt er ….sie sind Botschaftsträger
steuern aber auch unsere Wahrnehmung
schauen uns an betrachten während wir
sie betrachten uns werden damit gleichsam
zu einer moralischen Instanz die nicht
außen angesiedelt ist sondern beim Hinschauen
an den Besitz eigener innerer Moral erinnern….
selbiges gelte für seine großformatig
gestalteten Bilder deren Sprache sei skriptiv
nur mehr Textur nimmer Text ….ich mache damit
Betrachtende darauf aufmerksam du solltest
denken aber ich gebe dir nicht vor was…. dennoch
sind alle Werke von Grund auf wohl durchdacht
die Einflüsse aus Buddhismus Philosophie
und Hirnforschung mit denen sich der Künstler
seit Jahrzehnten leidenschaftlich beschäftigt
immer spürbar am deutlichsten zeigt sich das
bei seinem Lieblingsprojekt der Tannennadel
die in seinem Schaffen auf verschieden Weise
vorkommt und deren Bedeutung er wie folgt
beschreibt ….dieses winzig kleine Teil
vollführt in kompakter Form das Gleiche was
ein riesig Blatt vermag es liefert Energie
produziert mit Sonne und CO² Nahrung
für den Baum eine unglaubliche Leistung
ich nutze das hohe Potential als Impuls
mit meinem kleinlich Hirn auch was
Hochkomplexes Sinnvolles zu denken und zu tun
Tannen_ als geistige Akupunktur_Nadeln
die uns auf alles Mögliche aufmerksam machen….

hier schließt sich der Kreis
zur aktuellen Schau Tannen.Nadel.Weg
von Gert Gschwendtner im Bregenzerwald
der nach biografischen Stationen
in Liechtenstein und Tirol seit beinahe
zehn Jahren in Sevelen lebt anlässlich
seines 70. Geburtstags organisierte
der mit ihm befreundete Bregenzerwälder
Handwerker und Architekt Martin Bereuter
und seine Muse Mali Gubser inzwischen
Gründerin der Stiftung Gedankenberg
eine gemeinsame Ausstellung die Idee
für das Projekt in den Handwerksbetrieben
kam von Bereuter und weil Gschwendtner
seine Kunst vor allem als geistiges Handwerk
sieht sagte er begeistert zu ….ich konnte
handwerklichem Tun Können und Denken
meine Referenz erweisen zudem haben alle
daran Beteiligten die Umkehrmöglichkeit
ihre Arbeit durch sie umgebend Kunstwerk
unter einem anderen Gesichtspunkt
als nur dem ständig Geldverdienen zu sehen….
beispielhaft dafür sind die in der
Produktionshalle von Gerola Metalltechnik
in Langenegg installierten Betrachterfiguren
die den Handwerkern beim Handwerken zuschauen
die Aufgabe haben deren Gedanken zu sammeln


Link zu einigen sEiner typisch Gedanken
https://www.zobodat.at/pdf/VNFE_13_0027.pdf

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