Existenzweisen
von Reinhard Gobrecht (gobrecht)
Philosophischer Beitrag
Existenz ist kein gewöhnliches Prädikat. Wenn ich einem Gegenstand eine gewöhnliche Eigenschaft entziehe, z. B. 'ist rot' dann bleiben alle anderen Eigenschaften des Gegenstandes erhalten. Mit der Existenz ist es anders. Wenn ich das Prädikat der Existenz entferne, entferne ich alle Eigenschaften ebenfalls. Wer denkt, muss während er denkt, existieren. Es ist unmöglich zu denken und gleichzeitig nicht zu existieren. Entfernt man das Denken, bleibt noch die Existenz. Entfernt man die Existenz, entfernt man gleichzeitig auch das Denken. Es ist auch unmöglich sich zu täuschen und nicht zu existieren. Wenn ich mich täusche, bin ich.
Dinge, körperliche und geistige, Ereignisse, literarische Werke, was auch immer, alles was existiert, existiert auf seine Weise. Alles was existiert, existiert nicht auf die gleiche Weise. Man kann also berechtigterweise von Existenzweisen oder Existenzbereichen sprechen. Unsere Vorstellungen z. B. müssen mit der Außenwelt nicht übereinstimmen, sie sind subjektiv. Wahre Gedanken sind objektiv, können aber nicht sinnlich wahrgenommen werden. Dinge sind objektiv und können sinnlich wahrgenommen werden. Gott existiert sicherlich auf andere Weise als Primzahlen, auch wenn beides zum geistigen Bereich gezählt werden kann. Dinge und Begriffe existieren in verschiedenen Bereichen; Dinge und Ideen existieren in verschiedenen Bereichen; Möglichkeit und Wirklichkeit sind verschiedene Existenzbereiche. Manches existiert nur der Möglichkeit nach, manches existiert schlechthin. Empirisches und Mathematisches existiert auf verschiedene Weise; Objektives und Subjektives existiert in verschiedenen Bereichen; Physisches und Psychisches existiert auf verschiedene Weise; menschliche Werke des Geistes existieren ebenfalls in ihrer eigenen Welt. Vernunftexistenz und sinnliche Existenz sind verschieden. Als Existenzweise Gottes können wir zwar den geistigen Bereich vermuten, aber seine genaue Existenzweise kennen wir nicht. Die Existenzweise des Absoluten ist uns unbekannt.
Reinhard Gobrecht: www.reinhardgobrecht.jimdo.com
Literatur: Augustinus: Der Gottesstaat; Descartes: Die Prinzipien der Philosophie; Frege: Der Gedanke; Weissmahr: Philosophische Gotteslehre