Luke
von

 

Dornenweib

Luke stolperte über Wurzeln und tote moosüberwachsene Äste. Zweige peitschten ihm ins verschwitzte Gesicht, stachen ihm in die Augen bis sie tränten. Sein Herz stieß so fest gegen seine Brust, dass sie schmerzte. „Dalma!“ Seine heisere Stimme hallte an den gigantischen flechtenbewachsenen Bäumen wider durch deren dichte Kronen vereinzelt das silberne Mondlicht drang. Sein Dolch blitzte als er ihn aus seiner ledernen Scheide befreite.
Keuchend kämpfte er sich durch ein Dornengestrüpp, ignorierte die stechenden Dornen, die seine Kleidung geräuschvoll zerrissen und sich tief in seine verschwitzte Haut bohrten. „Dalma!” Diesmal klang sein Schrei verzweifelt. Er wusste wie sehr sie seine Verzweiflung liebte, wie glücklich sie war wenn er sie flehend betrachtete, wenn er vor ihr auf die Knie fiel.
Sie nährte sich von der Verzweiflung anderer. Erschrocken wirbelte er herum als er ein Zischen vernahm. „Ich wusste das du wieder kommst.“ Die krächzende tiefe Stimme lies ihn erschaudern. Funkelnd erwiderten zwei kleine klebrige Augen zwischen den Dornen seinen verachtenden Blick.„Ich wusste es. Du hast einen schwachen Geist.“
Luke ballte rasch seine freie zerschnittene Hand zur Faust und umklammerte seinen Dolch fester um das Zittern zu verbergen, das ihn überfiel als das Dornenweib aus ihrem Versteck humpelte. „Die Kleine wird sicher enttäuscht sein wenn sie erfährt das du wieder bei mir warst.“ Luke kämpfte gegen den Ekel an, der ihn beinahe zum Würgen brachte als er seinen Blick über ihr verfaultes faltiges Ledergesicht huschen lies in dessen Poren sich zahlreiche Maden eingenistet hatten. „Ich brauche etwas Mondscheinkraut“, brachte er hervor und obwohl er beinahe flüsterte hallte seine flehende Stimme durch den dunklen totenstillen Wald und schreckte irgendwo ein Schwarm finsterer Vögel auf, die kreischend in den sternenlosen Himmel flüchteten. Dalma hob überrascht die krausen Brauen.
„Soso Mondscheinkraut“, zischte sie. „Was bekomme ich dafür?“ Über ihr faltiges Gesicht huschte ein breites Grinsen während sie ihre tränenden Schildkrötenaugen langsam über seinen Körper wandern lies. Zwischen ihren gelben verfaulten Zähnen tummelten sich zuckende Larven und windende Würmer. Luke verzog angewidert das Gesicht und gab sich größte Mühe sein Zittern zu verbergen. „Etwas das du schon immer verdient hast“, brachte er durch seine zusammengebissenen Zähne hervor. Die Augen des Dornenweibes weiteten sich und quellten wässrig aus ihren tiefen Höhlen als er entschlossen seinen Dolch an ihre faltige moosbewachsene Kehle hob. „Ich weiß wo du es versteckt hältst“, fuhr er mit bebender Stimme fort. „Das kannst du nicht tun, nicht nach all den Jahren die ich dir treu geholfen habe!“ Ihre tiefe Stimme zitterte. „Du meinst all die Jahre, die du mich unterdrückt hast wie einen Sklaven!“
„Du wirst ihre Aufmerksamkeit auf dich lenken wenn du mich tötest, dein Leben wird verflucht sein. Sie werden dich jagen!“, krächzte sie und zischte.
„Das nehme ich für die letzte Worthexe in Kauf.“
Dalmas Schrei durchzuckte wie ein Blitz die drückende Stille des Waldes.

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