Ich war in der Stadt
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Ich war in der Stadt

Ich war in Köln, hatte dort etwas zu erledigen. Dann bin dann noch ein wenig am Dom spazieren gegangen. Ich komme nicht mehr so oft nach Köln, früher habe ich dort gewohnt und gearbeitet. Ich finde den Domplatz schön. Also lief ich dort hin, um ein bisschen spazieren zu gehen. Aber ich konnte es nicht genießen. Ich war fassungslos. Um den schönen Dom herum und in den Seitenstraßen - ein Meer von kleinen Läden. Dort gab es alles in schwarz-rot-gold. Fahnen, Aufkleber, Halsketten, Mützen, Perücken, Schminke, Tattoos, Feuerzeuge, Trikots, Tröten, Rasseln. Die kleinen Läden platzen aus allen Nähten, bis auf die Bürgersteige stand die Auslage. Kitschiges, Hässliches, Unmögliches - all das gab es dort zu kaufen. Und es wird wohl gekauft, sonst hätten diese Läden keine Überlebenschance.
Die wunderschöne "Blau-Gold-Passage", da wo früher 4711 residierte, ist ein Schandfleck geworden. Mir tun diese alten Gebäude, die schon so viel gesehen haben, immer leid. Diese tollen Fassaden sieht man nur noch, wenn man hochblickt. Unten haben sich Ramschläden breitgemacht wie die Pest. Und es gibt 1000 Kuckucksuhren zu kaufen - sind wir denn im Schwarzwald? Sind Touristen wirklich so blöd, dass sie hier in Köln Kuckucksuhren kaufen? Als ich den Dom hoch geschaut habe, schien er mir wie ein Mahnmal. Wann wird er verschandelt?
Es gab ein wunderschönes Pralinengeschäft in einer Seitenstraße des Kölner Domes. Schon von weitem sah ich die geschwungene, goldene Verzierung über der Türe. Dort war ich früher oft, ich wollte dorthin, wieder diese köstlichen, sündhaft teuren Pralinen kaufen. Ich hatte etwas zu feiern. Aber dann stehe ich vor dem Laden. Ich konnte dort alles kaufen. Zigaretten, Alkohol, Zeitschriften, Fahnen, Wimpel, Schneekugeln, Postkarten, Döner, Hamburger, Salat - aber Pralinen - die gab es dort nicht mehr. Was ist wohl aus der netten Verkäuferin geworden, die ihre Kunden mit Namen kannte und Neuheiten immer liebevoll auf der Theke präsentierte. Die mit Liebe und Hingabe mit ihrer Zange die bemalten Kästchen mit Köstlichkeiten füllte. Am liebsten hätte ich die schöne, goldene Reklame abgerissen. Es war wie Hohn, dass sie dort immer noch stolz prangte.

Und dann die Menschen. Ich verstehe es nicht. Zieht man sich heute nicht mehr vernünftig an? Ich käme nicht auf Idee, in meinen Gartensachen in die Stadt zu gehen. Oder in meinen Strandsachen. Ich will nicht diese ganzen ungepflegten Füße in offenen Sandalen sehen. Ich will keine breiten Hüften sehen, die sich über die Jeans drücken und um Hilfe schreien. Leger - gut und schön. Aber sind wir es nicht auch den Mitmenschen gegenüber schuldig, sich vernünftig zu kleiden? Ist es nicht auch respektlos, seinem Mitmenschen in allzu freizügiger und schlampiger Kleidung gegenüber zu treten?

Und noch eine Frage stelle ich mir. Warum müssen alles Leute immer ständig im gehen essen? Man muss doch nicht, während man durch die Stadt läuft, essen. Ich will das nicht sehen, wie Menschen ihr Fastfood in den Mund schieben. Warum kann man sich nicht für ein Essen einmal hinsetzen? Gut, dass Menschen seit einiger Zeit keine Strecke mehr ohne Pappbecher mit Kaffee zurücklegen können - daran habe ich mich gewöhnt. Aber Essen - warum müssen die Menschen essen, während sie sich Schaufenster ansehen?

So schnell fahre ich nicht mehr dorthin. Ich muss das nicht sehen.

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