Wasserlattenpamphlet
von Roman Biewer

 

Evolutionsfehler Wasserlatte: Totmüde sitzt man morgens um fünf auf der Schüssel, weil einen die Blase geweckt hat, und wartet vergeblich auf den befreienden Strahl. Schadenfrohe Frauen, die jetzt sagen: Selbst schuld, Mann, das ist die Strafe für deine Dauergeilheit, haben nicht verstanden, dass es sich hier um ein rein unsexuelles Phänomen handelt, das lediglich das Sexualorgan des Mannes zum Gegenstand hat. Das Ding ist nicht hart, weil man gerade von quiekenden Blondinchen geträumt hat, sondern weil da im Liegezustand bei der Bewusstlosigkeit des Schlafes Harn draufdrückt, das ist rein mechanisch, oder meinetwegen hydrodynamisch oder so bedingt. Das Schlimmste ist ja, dass das, was die Latte erzeugt, das ist, was raus muss, aufgrund ihrerselbst dies aber nur schwerlich kann, es handelt sich hierbei also um das katzen-in-den-schwanz-beiss oder teufelskreisigste, was überhaupt in der Welt vorkommen kann. Somit hat der Mann sich dazu durchgerungen, das tatsächlich einzig Mögliche in dieser ausweglosen Situation zu tun: Er pisst mit Latte. Liebe Frauen: Dieser Vorgang ist nicht nur äusserst demütigend, es ist manchmal sogar schmerzhaft – mal ganz von der Sauerei abgesehen, wenn die Latte – wohlgemerkt, ich rede vom Sitzpissenden – anstrengungsbedingt unkontrolliert hochschnellt, gegen den stets unappetitlichen Unterrand der Brille schnellt und zu allem Überfluss auch noch durch den kleinen Schlitz zwischen Klo und Sitzbrille pisst, dass es mitunter durch’s ganze Bad spritzt. Manche der Leserinnen wollten schon immer mal ein Mann gewesen sein? Hier gibt’s was zum Abgewöhnen, meine Lieben! Seid froh, dass es bei euch rein geht, wo unsereins stets unkontrollierten Schwellungen unterliegt.

Übrigens: Die Wasserlatte bitte niemals mit der berühmten Morgenlatte verwechseln! Hier handelt es sich um einen völlig anders gelagerten Fall. Jedem Mann macht es spätestens seit dem ersten Besuch in einem Schullandheim Probleme. Man wacht auf, sie ist einfach da. Was entsprechendes geträumt? Ach was! Also, ich meine, wirklich nicht immer! Und trotzdem: Da ist sie. Und geht sie auch mal wieder? Von wegen. Die Lehrerin kommt ins 5er-Zimmer, weckt alle, sagt, dass es gleich Frühstück gibt, und du kannst einfach nicht aufstehen! Eine Latte in voll angezogenem Zustand ist ja schon schwer zu verbergen, aber im Pyjama oder in der Unterhose? Vergiss’ es einfach. Also einfach liegen bleiben, obwohl sich schon alle fleißig anziehen und misstrauisch gucken. Krank spielen? Schlecht, dann kommt besorgt die Lehrerin, und dann kann's erst recht brenzlig werden. Also ich hab’ mir ganz einfach immer damit geholfen, dass ich total verschlafen getan habe und mich geräkelt und geräkelt habe, habe immer wieder beteuert, wie gerne ich noch weiterschlafen würde und dass ich einfach nicht rauskomme. Das geht natürlich nur eine Zeit lang gut, bei hartnäckigen Fällen wird’s schwer. Da muss ich jetzt eins zugeben: Wir Männer sind schon komisch: Reden den ganzen Tag kumpelhaft vom Ficken und so, also vor allem im Schullandheim, würden dann aber lieber einen Lähmungsanfall vortäuschen, als einfach frei heraus zu sagen, dass man gerade unter einer Morgenlatte leidet. Obwohl man doch leicht davon ausgehen könnte, dass das doch jeder schon mal mitgemacht haben muss und man somit mit Solidarität rechnen sollte. Ach ja, ich habe noch etwas vergessen: Morgenlatten sind auch deshalb von Wasserlatten zu unterscheiden, weil sie nichts mit Harndrang zu tun haben, sondern offenbar lediglich mit der Entspannung des Hirns während des Schlafs. Bliebe immerhin festzuhalten, dass beide in erster Linie während des Schlafs, kurz vor dem Aufwachen entstehen.
Und wie ich das jetzt im Schullandheim gelöst habe? Das wüsstet ihr wohl gerne...

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5364 Beiträge veröffentlicht!