Schygulatz Röthgenstraal hat keinen Bock mehr IV
von Roman Biewer

 

Fidibus' Farce

Es gärte. Weggeworfene Früchte bildeten zwischen recyclefähigem Restmüll übelriechenden Likör. Fidubus erwachte. Seine Lenden schmerzten. „Wär ich nur so weich wie du gebettet!“ Der mit grünlichem Pelz umwucherte Joghurtbecher anwortete nocht. Nackt und im Gestank der Umgebung stand Fidibus da, im Begriff, sich mit einer der vier Windeln zu bekleiden. Doch da: Was sahen seine Augen? Nein, unmöglich an diesem Ort! Und doch: Nur wenige Meter entfernt teilte sich der Unratberg, und ein größeres, frisch poliertes Silbertablett kam zum Vorschein. Darauf lag ein nagelneuer, fein säuberlich zusammengelegter Anzug. Und zwar ein nicht gerade preisgünstiges Fabrikat, daneben lag Unterwäsche, ebenfalls frisch, Haarshampoo, Waschlotion und ein Friseurgutschein.

Und ein Brief: „Lieber Fidibus. Der Haldenwärter schläft. Es gibt eine Dusche in seinem Häuschen. Wasch dich. Zieh die Sachen an. Geh’ zum Friseur. Geld verdienen musst du selbst.“
P.S.: Falls du falsch schlussfolgerst: Den lieben Gott gibt es trotzdem nicht.
P.P.S.: extraterrestrisches Leben hingegen schon“

Fidibus Gurrtaub gehorchte, auch wenn sich seine Dankbarkeit in Grenzen hielt. Eigentlich war ganz gerne der, der er war. Aber er war etwas eingeschüchtert. Wer wusste schon, wie DIE auf Ungehorsam reagierten? Vielleicht waren es ja wirklich Außerirdische, die das hier veranstalteten. Er ging zu dem Häuschen des Haldenwärters, und tatsächlich schnarchte er laut und deutlich. Er wusch sich. Er zog den Anzug an. Er ging zum nächstgelegenen Friseur der Stadt, der den Gutschein wie selbstverständlich annahm, wenn auch mit seltsam mechanischer Miene, und ihm wortlos die Haare schnitt.

Nachdem dies erledigt war, steuerte er die Haupteinkaufsstraße in der Innenstadt an. Als er sich gerade in einer menschenleeren Unterführung befand, zuckte es. Es war eine Erschütterung des Raumes, doch ihm war, als schien die Zeit zu reißen. Dies alles war so schnell vorüber, dass Fidibus sich fragte, ob es überhaupt stattgefunden hatte. Aber das konnte doch keine Einbildung sein! Alles sah aus wie vorher. Er ging weiter. Schließlich gelangte er wieder unter Menschen, und auch sie waren die selben wie zuvor, außer, dass .... mein Gott!

Die Menschen waren alle fast unbekleidet, außer um ihre Hüften, da hatten sie, ja aber wie konnte das denn... sie hatten ja alle Windeln an! Alle waren sie hektisch wie eh, trugen ihre Aktentaschen, aßen ihre Wurst, verloren keine Zeit, hatten Termine. Und trugen Windeln! Alle! Fidibus stand da in seinem teuren Anzug, und traute seinen Augen nicht. Manchmal sahen die Leute ihn an, und dann wurde ihr Blick leicht verächtlich, bevor sie wieder wegblickten. Genau so wie immer! Fidibus hatte einen Einfall. Schnellen Schrittes ging er zum Bahnhof, und da sah er sie: Hannes, Walter, Rudi und Hermann. Sie lagen da herum wie immer, tranken Bier und bettelten. Und trugen dabei die allerfeinsten Anzüge! Das gab’s doch nicht! Er wollte zu ihnen rübergehen, doch eine weitere Entdeckung hielt ihn davon ab. Das exklusive Kleidergeschäft direkt gegenüber vom Bahnhof, das „club“ hieß und immer nur ganz wenige, nicht einmal schöne, dafür aber unendlich teure Kleidungsstücke anbot, hieß jetzt „kokett“ und bot ... Aldiwindeln an. Zerknautschte, eingerissene Aldiwindeln, zu einem Preis, der einfach nicht zu fassen war.

Fidibus begann zu laufen. Nicht gerade so schnell, wie er noch nie in seinem Leben gelaufen war, aber immerhin sehr schnell verglichen mit der Geschwindigkeit, mit der er die letzten Jahre so durchschnittlich durch’s Leben getrottet war.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde hatte er die Halde wieder erreicht. Der Wärter war wieder wach und wollte gerade das Tor abschließen. Auch er trug nun eine Windel. „Ich muß da rein!“ schrie Fidibus.

„Du kannst mich mal, Penner! Feierabend!“


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