Junkiekotze
von Ralf Burczyk

 

lange her...

Junkiekotze

…. saved my Life …

Sie finden mich halb bewußtlos irgendwo in Amsterdam und zerren mich in ihre Karre. Weiß auch nicht, wo die mit mir hin wollen.
Völlige Breite und Null Gegenwehr, als meine Stiefelspitzen über den Asphalt rocken. Zwei Typen schleifen mich mit einer unverschämten Selbstverständlichkeit durch die Gegend, als würden sie täglich nichts anderes tun als so was mich von der Straße kratzen. Besser noch.
Als würden wir diese Szene hier jeden Tag drehen, wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
Da sitze ich nun hinten auf dem Rücksitz, gefesselt mit Handschellen und schnalle langsam...
Scheiße, das sind gar keine Bullen, o Kacke, ich trage Handschellen, .... , ich ..... trage... Handschellen....
Diese Zombies reden nicht mit mir, es geht ab in rasender Fahrt, warum kann ich mich denn nicht bewegen, was geht hier ab?

Irgendwie dämmert es mir langsam, ich komme zu mir, sehe dunkle Straßen, asiatische Schriften, Häuser, Restaurants, Lichter, Menschen, wir sind in Chinatown, au Backe, hier traut sich normalerweise keiner hin..
ich muss kotzen, ich muss kotzen, ich.... kotze....

Ein Junkie kann kotzen wie ein Reiher, es schießt aus dir heraus wie eine Fontäne, dir wird schlagartig dermaßen schlecht, das du glaubst, in den nächsten zehn Sekunden verrecken zu müssen.
Dann schießt die H-Kotze aus dir heraus, du brüllst und kotzt gleichzeitig, wie ein Schwein, deine Magengülle ergießt sich in Fontänen auf deine unmittelbare Umgebung, sei es auf der Straße, dem Klo, in der Junkie-WG, in der Strassenbahn, im Esszimmer der reichen Familie deines ebenfalls süchtigen Kumpels, wo du in Mama und Papa`s Wohnzimmer im wahrsten Sinne des Wortes „die Sau raus lässt“.
Drückst du dir verzweifelt beide Hände auf den Mund, weil es dich gerade spontan erwischt und du zufällig mitten unter Partyleuten weilst, sieht dein sprachloses Publikum, wie die Kotze zwischen deinen Fingern raus spritzt wie Wasser aus einem alten undichten Gartenschlauch.....
Das ist Kotzen, extrem ...kurz und heftig halt, im nächsten Moment vergessen, alles glotzt dich sprachlos an, du grinst zurück, weil.. du bist breit wie ne Natter, kein Problem, Leute, es geht mir gut...
Dir geht es auch gut, du machst dir ne Pulle Bier auf und schaust in die Runde.
Ach, war mir gerade schlecht, tut mir leid, nach all der Anstrengung könnte ich jetzt glatt ne Pizza vertragen....

Anders gesagt: Keiner schert sich , weil es Allen so geht, es ist normal in deinem Umfeld, jeder kotzt so, also Leute, hier wird gekotzt, in dieser Welt ist das eben so. Und wer kann da schon von außen durch die beschlagene Scheibe hinein schauen ins Grauen?
Überhaupt:
Warum auch?
Wer hat da schon Bock drauf?

Aber das nur nebenbei, wo waren wir?
Jedenfalls kann ich nicht mehr an mich halten und kotze dem Typen auf dem Beifahrersitz von hinten ne Riesenladung auf den Sack, natürlich kriegt der Fahrer auch seinen Teil ab und rast vor Schreck fast in diese Thai Imbissbude, beide von oben bis unten vollgekotzt und schreien wie am Spieß.
Vollbremsung. Einige Leute springen auf Seite, schimpfen und gestikulieren. Ein Asiat tritt gegen die Fahrertür, doch als dieser Typ ihm seinen Ballermann zeigt, haut er genau so schnell wieder ab
Du dreckiges Junkieschwein, du Sau du du du du ....
Ihre Wut ist grenzenlos, sie reissen mich aus der Karre und werfen mich auf die Straße.
Der eine will mir in die Schnauze hauen, als er meine bekotzte Visage sieht, lässt er es sein und tritt mir voll in die Eier.
Sie nehmen mir die Handschellen ab, brauchen die Dinger wohl ständig, und springen wild fluchend und gestikulierend in ihr Auto.
Da liege ich nun und habe echt keinen Bock mehr auf diesen Dreck.
Langsam nähern sich Leute und schauen mich entgeistert An; manche schauen sich andauernd um, als vermuten sie irgendeine versteckte Kamera oder so was.
Langsam stehe ich auf und wackele mit weichen Knien in diese Imbissbude, die der Fahrer gerade beinahe platt gefahren hätte.
Natürlich sind die Leute da drin nicht gerade begeistert über meine Erscheinung, aber ich mache ihnen klar, das ich mich nur schnell mal auf dem Klo die Kotze aus dem Gesicht waschen will und danach sofort verschwinden werde.
Das leuchtet ein, als ich wieder erscheine, lächeln sie mich sogar an und winken mir zum Abschied. Die Frau des Besitzers drückt mir sogar ne Tüte mit Krabbenbrot in die Hand.
Finde ich total nett, nur leider hasse ich das Zeug.
Ich bedanke mich bei diesen netten Menschen und versuche nun, hier irgendwie hinaus zu kommen.
Später auf dem Dam treffe ich eine junge Deutsche, 15 Jahre alt, die mir den Weg zur Station des deutschen Jugendamtes auf der Prinzengracht zeigt. Ich bin übrigens 18 zu der Zeit und relativ schachmatt.
Sie selbst ist da schon mittlerweile etwas heftiger drauf und verabredet sich vorher noch mit diesen komischen Typen für eine Pornofilmproduktion, mit der sie angeblich viel Geld verdienen könne.
Tja.
Aber sie ist sehr hübsch und sympathisch, ich freue mich über ihre Gesellschaft.
Die Leute in diesem Jugendamt sind sehr nett und geben uns Essen und Trinken.
Ich erzähle ihnen meine Geschichte und auch, warum ich hier bin, will nach Hause, sie schenken mir ein Zugticket bis Heerlen, wo ich später abgeholt werde, habe eben nach Hause telefoniert.
Am liebsten würde ich dieses Mädchen mitnehmen, doch sie will nicht.
Auch das Zureden der Anderen bringt sie nicht von ihrem Vorhaben ab.
Schade, es tut mir ein bischen weh, doch hier ist echt die Hölle los im Juli 1981 und kein Platz für schwache Gemüter.
Leider kann ich nicht sofort abhauen, meine Sachen liegen nämlich noch in dieser komischen Bude mit den riesigen Schlafsälen, in denen man für 9 Gulden übernachten kann, mit mindestens 5o Leuten in großen Räumen und 3er Etagenbetten.
Auch die Klos sind etwas strange, wahrscheinlich haben die Betreiber dieser Nobelherberge einschlägige Erfahrungen gesammelt.
Die Türen reichen unten nur bis Kniehöhe und oben kann man die Köpfe der Leute beobachten, die gerade pissen und scheißen oder sonst was machen.
Hier tummelt sich die Creme der in Amsterdam gestrandeten Junkies. Wir sind echt total international, o das sind wir.
Wir sind schließlich nicht in Hastenrath.
Meine Bettnachbarn sind ganz ok, ein zweier Team, das sich gemeinsam durchschlägt. Frei nach dem Motto: Wir schießen uns gemeinsam tot...
Der Eine ist sogar schon dreißig, sieht aber schon irgendwie mumifiziert aus, seine aschfahle Haut wirkt wie zerknittertes Leder oder zerknülltes Pergamentpapier oder so was, jedenfalls sieht der Mensch aus wien Zombie.
Sein Kumpel ist gerade mal 19 geworden, aber schon ziemlich im Arsch.
Sein Bein, das rechte, ist so was von entzündet in der Leiste, so macht er nicht mehr lange, haben sie ihm heute im Krankenhaus erzählt. Auch wirkt er sehr fragil und zart, diese kleinen Bamberger machen es nie lange und sind ruckzuck übern Jordan.
Aber egal, die Jungs ziehen jeden Morgen zum Schnorren raus, es reicht immer für die Schüsse, die Übernachtung und irgendwas zu saufen und zu fressen.
Es reicht nie zum Leben, noch nicht mal zum Denken. Nur zum funktionieren. Diese Sucht muss bedient werden, sonst wird es ziemlich ungemütlich, weißte.

Und ich denke mal, du weißt, kannst es dir vorstellen, sonst würdest du nicht weiter lesen.
Habe jetzt auch keinen Bock mehr, das zu vertiefen, es reicht erst mal für heute.
Machen wir mit was anderem weiter, wir springen einfach durch die Zeit, komm doch einfach mit.
Begleite mich ein bischen...............


















Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5364 Beiträge veröffentlicht!