Der Schnittchenfresser
von Rutz Rische

 

.

Seine Frau macht ihm lieber Brote. Nachdenklich mümmelt er an der Kruste herum und denkt mit süffisantem Grinsen an die Hündin, die, ihr Geschlecht mißachtend, in das rote Plüschherz rammelt.
Wie gerne würde er nur einmal die Stelle des Plüschherzens einnehmen. Stattdessen muss er sich mit tiefenpsychologischen Problemen seiner Mitarbeiter herumschlagen.
Seine Frau faselt was von seiner verpassten Chance. Er hätte mal lieber die akademische Stellung in Wien annehmen sollen. Dabei weiß er gar nicht, wie die geht, die akademische Stellung.
"Was wollen Sie mir sagen?"
Die Stimme seiner Mitarbeiterin reißt ihn aus den feuchten Träumen.
"Jetzt bloß was fundiertes sagen", ermahnt er seine träge gewordenen Hirnrinden.
Er räuspert sich.
"Mir scheint, Sie haben ein psychisches Problem. Ich will Ihnen ja nur helfen", sagt er dann und faltet die Hände über der mageren Brust.
Er kann es nicht lassen, mit gefletschten Zähnen "Ficken, Ficken" in den Äther zu stammeln. Und das Gericht Gottes kommt mit dem Rosenmontagszug, "Hosianna" fauchend in das verrauchte Büro gerollt.
Dabei ist er doch Nichtraucher aus Prinzip.
"Haben Sie das gehört?" Erschrocken richtet er seinen Blick an die Decke.
"Ich habe das Konzept heute morgen in ihr Fach gelegt", sagt die Mitarbeiterin, die angestrengt bedacht ist, seine fahrigen Bemerkungen zu ignorieren.
Mit selbst ernannten Psychologen sollte man sich keine Wortgefechte liefern.
"Was ist in Ihrem Leben passiert, dass Sie so mutlos geworden sind?" Fragt er.
"You have mail", ist aus der Ferne eine Computerstimme zu vernehmen.
"Das hat Zeit!" Lächelnd wendet er sich der Mitarbeiterin zu.
"Wie stellen Sie sich Ihre weitere Zukunft vor?" Fragt er dann.
"Ich habe vielversprechende Kontakte in die Wirtschaft geknüpft", erwidert sie.
"Sie müssen sich helfen lassen." Sein knochiges Knie scheint kantig durch die abgewetzte Anzughose.
In Gedanken wandert er am Strand von Varadero entlang. Er ist stolz darauf, dass er seinen Spaghettibauch niemals einziehen muss.
Und darauf, dass seine Hündin rote Plüschkissen fickt und nicht etwa Damenschuhe.
Ein Räuspern lässt ihn hochschrecken.
Gott, die ist ja immer noch da.
Mit seinen hohlen Wangen ähnelt er ein wenig dem Sensenmann.
"Bin ich Ihnen zu nahe getreten?" Will er wissen und er gibt seiner Stimme einen mitfühlenden Unterton.
Sie nickt nur stumm.
"Das tut mir leid. Ich wollte Sie nicht verletzen." Spricht er tonlos.
Wenig später wischt sie das Taschenmesser an ihrem Hosensaum ab.
"Es tut mir leid, dass sie 25 Mal in mein Messer gefallen sind. Ich wollte Sie wirklich nicht verletzen."

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5365 Beiträge veröffentlicht!