Der Diplomat
von Arnold Hohmann (myradias)

 

Wir schreiben heute ein Jahr in der Zukunft. Ich bin Diplomat. Nicht irgendein Diplomat. Nein, ich bin jener Zusammenführer, der die gewalltigsten Kriege der Erde verhinderte, die schlimmsten Kämpfe der Welt zum erliegen brachte und sogar der Mensch, der den ersten Kontakt zu einer außerirdischen Lebensform herstellte. Auf freidlicher Basis. Heute bin ich weltberühmt. Ja sogar ein heiliger. Das Christentum, was es heute in jener reinen Form nicht mehr gib, hat mich sogar als eine Art Messias erkoren. Und so ist es, dass Religionen überall auf der Welt ihre Konflikte ruhen lassen und die Welt sich als eins sieht, durch mich. Alle Religionen und alle Institutionen jedweder Art haben durch mich eine universelle Fusion herbeigeführt. Ich bin ein wahrer Held.

Es klingt wie eine Wunder. Aber es ist so viel einfacher als das. Es ist so geringfügiger. Weil ich seit jeher nur beobachtet und gelernt habe aus meinem Leben. Natürlich, auch ich sehe mich als Diplomat. Doch woher habe ich diese Fähigkeit? Woher weiß ich, wie ich mein gegenüber einschätzen muss? Was ist richtig, was ist falsch? Die Antworten sind so einfach. Sie stecken in so kleinen Dingen, dass sie den meisten Menschen nicht auffallen. So einfach sind diese Sachen.

Gemerkt habe ich es vor vielen jahren. Es ist schon Jahrzenhte her. Ich war, als ich noch studierte, in den Semesterferien bei meinen Eltern. Diese hatten kurz vor meiner Ankunft eine neugeborene Katze bekommen. Was auch immer das genau hieß. Es war ein Tier. Wie Katzen, oder Tiere in diesem alter eben sind, spielte sie den ganzen Tag. Sie tolle. Zersörte. Sie zerstörte wo sie nur konnte. Ohne eine Aussicht auf eine Ende oder gar Ruhe. Sie schlief nie.

Eines Nachts, es war schon sehr spät, da tollte sie wieder besonders durch das Haus meiner Eltern. Ich hatte bereist ein paar Gläser Rotwein intus, um die Ereignisse meiner Vergangenen Tage zu verdrängen. Es waren zu dieser Zeit anstrengende und emotional sehr durchzogene Tage. Aber der Wein ließ mich davon weg kommen. Alles um mich herum war egal. Die Leute im Fernshen, die Bilder an der Wand. Das Haus, sogar die Ereignisse wurden egal. Ich war wie weggetreten. Entspannt.

Da sprang mir voller Inbrunst diese Katze auf meinen Bauch. Ich lag, ermüdet durch den Wein, schon fast auf dem Sofa vor dem Fernsheher, so dass die Katze ein leichtes Spiel hatte, mir auf den Bauch zu klettern. Sie wollte pielen. Und spielen heißt in der Sprache von Raubtuieren, Kämpfen. Doch ich hatte alles andere als das im Sinn. Ich wollte Ruhe. Ich musste sie also loswerden, oder beruhigen. Da das Loswerden der Katze nur gelang in dem ich sie nicht bachtete, sie sich aber dadurch nicht forttreiben lies, begann ich, sie ganz vorsichtig am Kopf zu Kraulen. Erst so, dass sie jede Bewegung von mir vorher mit ihren Augen oder Ohren (oder wie auch immer eine Katze dies anstellt) beobachten konnte. Ich wusste, das Raubtiere immer wissen wollen, was um sie passiert. Ich wollte ja keinen Stress. Nicht in meinem Zustand. Sie bemerkte, dass alles was ich machte nur dazu diente, ihr zu dienen. Und zwar sie zu beruhigen. Bald darauf streichelte ich ihren Rücken, ihr Hinterteil. Sie genoss es. Ja sie wurde sogar ruhiger und machte keine anstallten, wieder wegzulaufen um das Haus weiter zu zerstören. Sie enstpannte ihre Hinterbeine und machte es sich auf meinem Bauch bequem.

Dann, ganz langsam, glitten meine Hände unter ihren Bauch. Auch ich als Katzenunkenner wusste, dass Tiere jeder Art, diesen Bereich als sehr verletzlich und intim einstufen und sie mich bestimmt nicht einfach so dort streicheln lies. Und wie gedacht fing sie an, ihre Krallen auszufahren um meine Hände dort wegzukratzen. Zu vernichten. Aber in diesem kurzen Moment, in diesen wenigen zehntel Sekunden, kam mir plötzlich in den Sinn, dass sie nie eine richtige Mutter hatte. Sie kam ja direkt nach der Geburt zu meinen Eltern. Und diese Katze, wie ich, wie alle Menschen, wie alle Lebewesen brauchen immer eine Mutter, die ihnen grundelegende Prinzipen aufstellt. Eine Prinzipe war uneingeschränktes Vertrauen zu ihrem Muttertier. Also gut, diese Katze hatte nie ein Muttertier. Also musste ich diese Rolle übernehmen. Doch wie? Wie sagt eine Mutter ihrem Kind, das sie ihre Mutter ist, ohne jemals ein Wort zu sprechen. Wie sage ich jener Katze, das sie mir vertrauen kann, dass ich ihre Mutter bin, ohne ein Wort mit ihr zu sprechen?

Ich konnte ihr nur sagen, dass sie ihre Krallen nicht ausfahren müsse, dass sie mich nicht verletzen müsse. Mit einem sanften aber autoritären Schlag auf dem Hinterkopf. Die Katze zuckte zurück. War kurz davor, wieder von meinem Bauch zu springen, doch in diesem Moment schaute sie mir direkt in die Augen. Katzenaugen sehen Menschenaugen. Letzte Chance. Für sie? oder für mich? In diesem Moment muss sie gesehen haben, dass ich es nicht böse meinte, dass sich ihr nur die Regeln erklärt habe. Und sie vertsand diese Regel. Solange ich ihr nichts böses tue, tut sie mir auch nichts. Diese universelle Regel. Doch jene Regel, konnte nur funktionieren, wenn ich ab jetzt wieder lieb zu ihr war. Also streichtrlete ich ihr wärend jenem Blickkontakt wieder über den Kopf. Mit meiner verkratzten Hand. Ja, sie hatte mich erwischt. Es stand 1 zu 0 für sie. Aber nur im Kampf. Im Frieden stand es 1 zu 0 für mich. Und da wir beide uns durch meinen Kopftrseicheler garde zum Frieden geeinigt haben, konnte sie gar nicht anders, als nachzugeben. Also mir volkommen zu vertrauen. Sie tat es. Ich streichelte sie sofort wieder am Bauch und sie legte sich hin. Auf den Rücken. Das Verhalten voller Ergebenheit, nein vollen Vertrauens. Sie kannte die neuen Regeln, und ich tat nichts, diese Regeln zu brechen. Bald darauf streichtelte ich nicht nur ihren Bauch. Sogar ihr ganzes Gesicht streichetlte ich. Ich faste ihr mitten ins Gesicht, streichtrlte über ihre Nase, ihre geschlossennen Augen, ihre Hinterbeine. ihr Pfoten. Zwischen den Krallen. Und sie vertraute mir.

Dann passierte etwas unerwartetes, etwas so dankbares, dass ich es kaum fassen konnte. Ich streichelte ihr wieder über den Bauch, doch dass Muttervertrauen muss sie einen Moment verlassen haben. Vielleicht hat ihr kleines Katzenhirn die Muster unseres Abkommens noch nicht ganz verarbeitet. Denn sie wollte mich grade wieder kratzen, beißen, verletzen, vetreiben. Da muss ihr unser Abkommen wieder eingefallen sein: Solange ich ihr nichts tue, tut sie mir nichts. Und umgekehrt. Und als Entschuldigung, nein, als Verständnis, began sie, meine Hand abzulecken. Sie wollte, das es mir gut geht. Eine Katze, ein Wesen, das kaum Verständnis über diese Welt hatte, wollte nur das es mir gut geht, nachdem ich ihr verständlich machte, dass ich will, dass es ihr gut geht. Ihre Zunge war rau und unangenehm, doch allein dadurch, dass ich wusste, dass sie mich verstanden hat, dass sie mit mir auf einer Ebene des Zusammenlebens existierte, dass sie mich liebte, genoss ich ihre Zunge, wie kaum ein anderwes Gefühl. Es war dasGefühl des Friedens.

Es begab sich sogar, dass jene Katze plötzlich Tag täglich Mäuse in das Haus meiner Eltern brachte. Ich verstandd es. Die Katze vertsand es. Kein Geben ohne Nehmen. Sie wollte mir und meine Eltern Essen bringen. Sie wollte, dass es uns gut geht.

Seit jeher weiß ich, dass jedes Lebewesen, sei es auch noch so dümmer, sei es auch noch so anders, sei es auch noch so unmenschlich, hat ein Uhrverhalten. Das Verhalten des Vertrauens. Anders geht die Basis auf Frieden nicht. Anders geht das Leben nicht weiter. Und seit jeher wende ich das Verhalten des Gebens an. Denn dass ist die Basis des Nehmens. Das ist die Basis für alles. Und natürlich auch die Basis der Diplomatie.

Ach, wie einfach ist doch das Leben.

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