Das Problem
von Arnold Hohmann (myradias)

 

Mein Bewerbungsschreiben für die "Hochschule für Künste" in Karlsruhe:

Wenn ich wirklich an der HFG angenommen werden sollte, dann habe ich ein Problem. Das hört sich verkehrt an. Pervers gradezu. Aber um dies deutlich zu machen muss ich etwas weiter ausholen. Es begann vor gut einem Jahr. Denn da raffte ich mich endlich wieder auf. Nach der ganzen Zeit in der Grafikagentur, in der ich zu dieser Zeit arbeitete, manifestierte sich in mir eine Monotonie. Die Festgefahrenheit des Arbeitslebens. Design und Kunst waren für mich Konstanten. Sie waren definiert in meiner Sicht darüber. Und das ist der Tod jeder Kunst.
So geschah es dann, dass mein ehemaliger Designlehrer und guter Freund mir einen Arschtritt gab. Ich sollte endlich Mal wieder weiterkommen. Meinen Horizont erweitern. Also bewarb ich mich an ettlichen FHs für Design innerhalb von ganz Deutschland. Dies tat ich schon Mal vor einigen Jahren, doch ohne Erfolg. Da wusste ich auch noch überhaupt nicht, was ich wollte. Aber dieses Mal sollte es endlich klappen. Mein Ziel: Tausend Bewerbungen an tausend FH mit tausend Mappen. Ich tat sodann mehrere Monate nichts anderes als meiner Kreativität freien lauf zu lassen, die alten eingemeißelten Vorstellungen von Kunst aus meinem Kopf zu streichen und ein ganz neues Bild der Welt in mir zu offenbaren. Ich war entzückt. Verwirrt gradezu. Ich war völlig neu. Alles ohne Erfolg. Denn keine FH konnte meinen Entusiasmus teilen. Es war eine merkwürdige Zeit. Ich bekam keinen offiziellen Zuspruch für mein inneres Weiterkommen, doch weiß ich, dass es mir Alles bedeutete. Und das kompensierte den Frust der Ablehnung mehr als nur genug.
Bis dann die FH in Stuttgart mich für den Studiengang Informationsdesign als den richtigen auserkor. Na toll. Die FH, die am weitesten von Bielefeld entfernt war. Das hieße nicht nur einen neuen Lernhorizont sondern auch ein neues Leben. Komplett. Aber das war ja schließlich auch mein Ziel. Weiterkommen. Neu werden, mich häuten. Ich tat es. Schrieb mich ein, suchte mir eine Wohnung und lebe seit dem glücklich in Stuttgart. Glücklich? Ich befürchte, das trifft es nicht beiweitem. Meine Glückseligkeit, aus meinem alten Leben geschlüpft zu sein und nun von vorne anzufangen ist gar nicht mehr zu messen. Denn hier wurde der Schlussstrich meines alten Lebens gezogen. Jetzt weiß ich, alles geht. Solange ich es nur tue, geht alles.
Ironie des Schicksals ist es wohl, dass eben jener Sohn meines alten Designlehrers, der mir damals den Anstoss meine Odysee bot, sich an der HFG in Karlsruhe bewerben wollte. Da kam wieder dieser Intusiasmus in mir hoch. Solange ich es tue geht alles. Und irgendetwas in mir sagte mir: Bewirb Dich da. Tue es einfach. Alles geht. Es war nicht irgendetwas in mir. Es war der kleine Künstler in mir, der seit meiner deutschlandweiten Mappenbewerbung nicht mehr von meiner Seite weicht. Er ist mein Antrieb und gleichzeitig auch ein ziemliches Hindernis. Aber so sind Freunde nunmal. Und Freunden kann man vertrauen. Also bewerbe ich mich auch an der HFG.
Und dieses Mal gehe ich noch weiter. Denn ein Unterschied zu allen anderen Mappenbewerbungen hat diese Bewerbung. Bei den anderen war ich grade Mitten in einer Entwicklung. Dieses mal bewerbe ich mit der Grundlage, genau zu wissen, was ich tue. Denn momentan stehe ich wieder still. Aber nicht negativ. Nein, nicht negativ. Dieses Mal weiß ich, dass ich aus eigener Kraft und ohne Arschtritt wieder in Bewegung kommen kann. Doch um zu zeigen wer ich grade jetzt bin, um zu zeigen von wo aus ich weiter gehen werde um eine neue Entwicklung durchzumachen, ist ein Stillstand nicht besser geeignet. Nie war ich mehr im klaren darüber, was ich tue. Vielleicht sollte ich es auch nicht Stillstand nennen, sondern Atempause.
Und wenn ich nun angenommen werden sollte, werde ich mir sogar wirklich überlegen, ob ich nicht nach Karlsruhe ziehe, um dort meine Kreativität frei zu lassen. Obwohl ich grade völlig zufrieden bin. Aber ich würde noch einige Sprünge nach vorne machen. Und ich wüsste nicht, wer am Ende dabei rauskommt. Das ist das spannende.
Wie gesagt, es klingt pervers. Aber aus der Norm meines Lebens herauszutreten um etwas völlig unvorhergesehenes zu machen, das ist doch Kunst. Es geht für mich hierbei nicht um die Angst, was die Zukunft bringt, sondern um die Trauer, was ich hinter mir lassen würde. Ich will mich deshalb auch gar nicht darüber auslassen, warum ich unbedingt an ihrer Fh studieren möchte und warum ich denke, dass ich an diese FH passe. Wenn sie meinen, ich bin der Richtige, dann sei es so. Was es mir bringt, liegt sowieso in den Sternen. Das es mir etwas bringt ist sonnenklar.

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