Lé Ende
von Arnold Hohmann (myradias)

 

aus "Traurig und ohne Sonne"

Als ich noch ein Kind war, da dachte ich immer, wenn ich diese vielen anderen Menschen auf der Welt sah, dass sie alle so leben würden, wie ich. Gut, die schwarzen in Afrika lebten in ihren Lehmhütten, aber sonst war alles im Lot. Meine kleine Welt war ein unbeschmutztes Tuch. Es war rein und weiß.

Doch um so mehr ich mich umsah in der Welt, da merkte ich, wie mein schönes und sauberes Tuch mehr und mehr vergilbte und verdreckte. Ich versuchte es wieder sauber zu machen, indem ich mir den Dreck ins Gesicht rieb. Doch es half nichts. Das Tuch wurde nur noch schmutziger. Und ich bemerkte, dass nun auch ich dreckig geworden bin, durch mein eigenes Tuch. Ich wollte mich sauber machen, indem ich andere Menschen bat, mir ihr Tuch für eine kurze Säuberung zu leihen. Doch die paar freundlichen Menschen, die mir ihr Tuch überließen, hatten selbst kein Sauberes mehr. Ihre waren sogar noch schlimmer dran als meins, mit löchern und Brandstellen. Dann berichteten mir Menschen, dass sie gehört haben, etliche Leute wären gar nicht mehr im Besitz von Tüchern. Sie hätten ihre verloren oder völlig zerstört. Ich weinte und mein Tuch wurde Nass. Durch meine Tränen wurde es fast wieder sauber. Ich staunte.

Ich erinnere mich noch gut. In dieser Zeit der Trauer und des Erstaunens über die Säuberung, waren es Menschen, meist ohne Tücher oder nur mit kleinen Fetzen, die mich unterstützten, mich hielten. Kein sauberes Tuch habe ich in dieser Zeit gesehen. Ich schwor zu jener Zeit mir dies eine:"Mein Tuch würde ich bald schon verbrennen und allen sauberen Tüchern, die es noch geben soll auf dieser Welt, werde ich den Weg zur vollkommenen Verkommenheit zeigen. Und mit meinem eigenen Blut will ich sie Alle beschmutzen.

Hört mich also, benutzt eure Tücher und macht ihrer Sauberkeit ein jähes Ende. Lasst sie nicht im Zustand der Unwissenheit vor dem Schmutz dieser Welt, dieses Lebens. Ein Kind, das Dreck frisst, wird niemals daran sterben. Es wird nur lernen, das alles ist, und alles immer alles zu sein vermag.

Ich werfe mein Tuch vor euch.

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