Sehr geehrter Herr Finanzminister
von Marc Herrmann

 

Sehr geehrter Herr Finanzminister,

wie Sie sich vielleicht vorstellen können bin ich beim Verfassen dieses Briefes ein wenig unbeholfen, da ich mir nicht sicher bin, ob sie ihn denn überhaupt persönlich lesen werden. In den heutigen Zeiten weiss man ja nie, zumal wir uns nicht einmal persönlich kennen. Ich denke ich werde ihnen zu Anfang kurz umreissen mit wem sie es beim Verfasser dieses Briefes, also meiner Person, zu tun haben. Ich bin 27 Jahre alt, gehe im Schnitt 48 Stunden in der Woche arbeiten –Dienstleistung, sie wissen schon- und verdiene dabei 1100 Euro netto im Monat. Mir ist bewusst, dass man hierzulande ausser bei der eigenen Bank nicht darüber spricht was man so verdient, aber betrachten sie es bitte als das Entgegenbringen eines gewissen Vertrauens meinerseits Ihnen gegenüber, wenn ich so freimütig mit dieser Information an sie herantrete.
Vor Kurzem nun ergab es sich, dass ich just am Ersten des Monats wie gewohnt meine Gehaltsabrechnung öffnete, als ich mich gerade auf dem Weg zu meinen Eltern befand. Das an sich ist nicht ungewöhnlich, oder spektakulär, ich las auch nichts anderes als in vergangenen Monaten, doch die Autofahrt gestaltete sich sehr lang und auch sehr langweilig, so dass ich unterwegs über besagte Abrechnung sinnierte. Auch am Nachmittag, beim Kaffee mit meiner Mutter ging es mir nicht aus dem Kopf. Rational wie ich erzogen wurde nahm ich mir das Schriftstück noch einmal vor und studierte es genauer. Dies ist nun die Stelle an der Sie ins Spiel kommen, wenn es mir gestattet ist mich so salopp auszudrücken.
Ich schlüsselte meine Gehaltsabrechnung auf. Da war der Anteil für die Krankenkasse, der mir abgezogen wurde. Ich bin selten krank, gehe erst zum Arzt, wenn es fast zu spät ist und fehlte in diesem Jahr insgesamt eine Woche im Januar. Das bedeutet ich spare sozusagen auf eine grosse, schwerwiegende Krankheit, habe jedoch nichts Schriftliches in der Hand, dass mir eine Kostenübernahme der Behandlung in Zukunft garantiert. Als Nächstes wäre der Solidaritätszuschlag. Korrigieren sie mich, wenn ich irre, aber der sollte doch ursprünglich nur zehn Jahre gezahlt werden und die sind bereits vorbei und ich befand mich zu damaliger Zeit nicht in einem Alter in dem ich hätte entscheiden können, ob eine so kostspielige „Neuanschaffung an Ländereien“ in Zukunft finanziell tragbar sein würde. Als Nächstes kamen dann diverse Steuern auf besagter Abrechnung. Ich gebe zu, dass ich an diesem Punkt kurz abschweifte und ich möchte es auch hier, jetzt zusammen mit Ihnen tun. Ich rauche! Seit 11 Jahren. Ich zahle Tabaksteuer in nicht unbeträchtlicher Höhe. Ich fahre ein Auto, zahle also auch Benzinsteuer. Ich zahle Mehrwertsteuer, im Nächsten Jahr drei Prozent mehr. Ich möchte nicht kleinlich wirken, aber setzen wir eine zu erwartende Entwicklung voraus könnte man eventuell die Tabaksteuer auf den gesammelten Krankenkassensparbetrag aufschlagen um wahrscheinlich auftretende Krankheiten zu behandeln. Sie sehen, ich möchte nicht ausschliesslich kritisieren, ich fühle mich auch aufgefordert Anregungen zu geben. Als nächster Punkt auf meiner Gehaltsabrechnung fiel mir die Kirchensteuer auf. Ein vergleichsweise geringer Betrag. Ich erwog kurz aus der Kirche auszutreten, schliesslich ist mir, so wie Ihnen sicherlich auch, das Wochenende heilig und zum Wochenende gehört nun mal auch die Zeit sonntags von zehn bis elf Uhr. Dann blickte ich allerdings über den Rand meiner Kaffeetasse zu meiner Mutter und wusste sofort, dass sie mir das nie verzeihen würde. Eventuell würde ich sogar enterbt werden, was mir zwar eine Erbschaftssteuer, aber ebenso ein kleines „Guthaben“ sozusagen ersparen würde. Das kam also nicht in Frage. Als ich weiterlas kam mir dann aber die Idee. Den grössten Teil an Abgaben zahle ich an das Finanzamt! Nun verhält es sich so, dass ich auf Grund meiner Arbeitszeiten nie zum Finanzamt gehe, nicht einmal zu Weihnachten oder Ostern, und dass ich auch niemanden kenne, der es mir verübeln würde, wenn ich aus dem Finanzamt austreten würde. Darum bitte ich sie hiermit in aller Form um meinen Ausschluss aus dieser Institution. Bitte verstehen sie mich nicht falsch. Es mangelt mir nicht an Anerkennung für das was sie und Ihre Kollegen tun, es mangelt mir viel mehr an Glauben an eine „höhere Existenz“ für die ich besagte Steuern zahle und ich denke daher, dass ich lieber nicht mehr Mitglied im Finanzamt sein sollte, da ich eine derartige Mitgliedschaft nicht mit meinem Gewissen vereinbaren könnte. Ich hoffe, dass ich mein Anliegen und meine Beweggründe ausreichend dargestellt habe und würde mich über eine dahingehend positive Reaktion Ihrerseits sehr freuen.

Es verbleibt mit freundlichen Grüssen Ihr

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