Gott? Wer ist das?
von Mario Schumann

 

Büro

BINDER: Na Kollege, wie läuft`s? Machst du auch gleich Feierabend? Wir wollen dann noch was trinken gehen, Lust mitzukommen?
HAUSMANN: Nein, ich kann nicht, ich hab noch einen Stapel Akten abzuarbeiten.
BINDER: Ach, die Schreibtischarbeit, verschieb es doch in die Ablage. (lacht)
HAUSMANN: Welche Ablage? Ich bin die Ablage!
BINDER: Na die hier gleich neben deinem Schreibtisch. Was geht’s denn Frau und Kinder?
HAUSMANN: Elisa geht’s gut solange sie mit den anderen Weiber tratschen kann und die Kinder...es gibt Anzeichen für Leben in der oberen Etage, also scheint’s denen auch gut zu gehen.
BINDER: Ja ja, die sorgen eines kindereichen Ehemanns, ich weiß warum ich mir das erspart habe. Aber keine angst, in ein paar Jahren sind dein Erbfolger ja aus dem haus da hast du deine ruhe.
HAUSMANN: Toll, dann kann ich ja ungestört an den Tupperpartys meiner Frau teilhaben, was?
BINDER: Hat doch nicht jeder! (lacht) Also was den nun, lass doch die Arbeit mal Arbeit sein und komm mit, der Stapel wird schon keine Beine kriegen.
HAUSMANN: Würde ich gerne, aber ich muss dann noch einen „Hausbesuch“ machen, Überprüfung einer Forschungsgeldzuweisung, da kennen die keine Gnade.
BINDER: Oje, wen haste denn abgekriegt?
HAUSMANN: Einen Professor Feuerbach, sagt dir der was?
BINDER: Zu dem haben die mich letztes Jahr geschickt, schrulliger alter Typ, arbeitet an irgendwelchen Geheimsachen, Top Secret, irgendwas hoch wichtiges. Na wenn’s die Firma bezahlt muss es ja wichtig sein.
HAUSMANN: Dich bezahlen sie ja auch, bist du wichtig für die?
BINDER: Na klar, die brauchen doch solche wie uns zum rausschmeißen um die Bilianz aufzubessern wenn mal Not am Mann ist! (lacht)
HAUSMANN: Not am Geld!
BINDER: Na wie auch immer, ich mach jetzt mal nen Abflug, schönen Abend noch und überarbeite dich nicht.
HAUSMANN: Das sagt der richtige! Schwirr endlich ab sonst verdurstest du noch.
BINDER: Dann bis morgen Kollege.
HAUSMANN: Ja, bis morgen.

Haus von Professor Feuerbach,
Flur und Wohnzimmer

(H. läutet)
FEUERBACH: Ja ja, ich komm ja schon! Wer ist denn da?
HAUSMANN: Sind sie Professor Feuerbach?
FEUERBACH: Kann schon sein. Wer sind sie denn? Was wollen sie?
HAUSMANN: Ich entschuldige mich für die Störung, mein Name ist Hausmann und ich komme im Auftrag des Überprüfungsausschuss um denn diesjährigen Quartalsbericht über die Zuweisung ihrer Forschungsgelder anzufertigen. Sie wissen doch worum es geht?
FEUERBACH: Ja ja, jedes Jahr schicken die mir so einen Schreibtischhengst um ihren Bestand an Akten in die Höhe zu treiben.
HAUSMANN: Ähm, ja genau. Deshalb bin ich hier. Dürfte ich vielleicht reinkommen?
FEUERBACH: Immerzu, folgen sie mir und fassen sie ja nichts an!
HAUSMANN: Natürlich nicht, ich werde vorsichtig sein.
FEUERBACH: Sie können sich setzen. Wollen sie was zu trinken?
HAUSMANN: Nein danke, ich bin im Dienst, sie verstehen.
FEUERBACH: Zigarette?
HAUSMANN: Nein danke, ich bin Nichtraucher.
FEUERBACH: So so, Nichtraucher. Im Dienst, ja? Letztes Jahr war so ein Bindrich oder Binderlich hier, der schien aber nicht im Dienst gewesen zu sein.
HAUSMANN: Äh, ja, Kollege Binder ist in manchen Dingen etwas unkonventionell. Also Herr Professor Feuerbach, ich muss ihnen paar Fragen zum Fortgang ihrer Arbeit stellen, sie kennen das ja schon.
FEUERBACH: Ja ja, immer dieselbe Leier. Nun fangen sie schon an ich kann meine Zeit nicht kaufen.
HAUSMANN: Ähm, also haben sie seit der letzten Überprüfung Fortschritte mit ihrer Arbeit gemacht?
FEUERBACH: Fortschritte? Ja, das habe ich, allerdings sogar.
HAUSMANN: Wie groß ist der Zeitaufwand den sie in ihre Forschung investieren?
FEUERBACH: Gleich null. Ich arbeite nicht mehr.
HAUSMANN: Wie darf ich das verstehen?
FEUERBACH: Ich bin zum Abschluss meiner arbeit gekommen, ich bin fertig.
HAUSMANN: Aber das ist ja großartig! Haben sie das unserer Hauptabteilung schon gemeldet?
FEUERBACH: Nein das habe ich nicht, ich habe auch nicht vor das zu tun.
HAUSMANN: Wie? Ich verstehe nicht ganz...
FEUERBACH: Das ist mir schon klar! Meine Arbeit ist ein Misserfolg, deshalb werde ich ihrer „Hauptabteilung“ nichts melden.
HAUSMANN: Aber trotzdem müssen sie das doch melden, auch wenn ihre Forschung erfolglos ist, schließlich geht es hier um wichtige Dinge, um Gelder und...
FEUERBACH: Sie hören wohl nicht richtig zu, ich sagte Misserfolg und nicht erfolglos! Ist ihnen „negativer Erfolg“ ein Begriff? Und überhaupt, was interessieren mich ihre bürokratischen Haarspaltereien?
HAUSMANN: Aber hören sie mal, sie sind der Firma Rechenschaft schuldig, bei dem ganzen Geld was sie in sie investiert hat! Ich habe die Zahlen hier, wissen sie wie viel sie der Firma über all die Jahre gekostet haben? Und was meinen sie überhaupt mit „negativen Erfolg“?
FEUERBACH: Sie wissen gar nicht um was es hier geht, stimmt`s?
HAUSMANN: Sehr wohl weiß ich das, es geht um ihre Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit, um...
FEUERBACH: Diesen Kleinkram meine ich nicht, es geht um meine Arbeit! Wissen sie woran ich gearbeitet habe?
HAUSMANN: Nein, natürlich nicht, das steht doch unter Geheimhaltung.
FEUERBACH: Dann kommen sie mal mit, ich zeige es ihnen.
HAUSMANN: Aber das geht doch nicht, dazu bin ich nicht befugt.
FEUERBACH: Jetzt vergessen sie mal einen Moment ihre Diensttreue und kommen sie gefälligst mit!

Nebenzimmer,
Labor

HAUSMANN: Daran haben sie gearbeitet? Was ist das?
FEUERBACH: Einfach ausgedrückt, ein Gedankenkontrollgerät.
HAUSMANN: Ein Gedankenkontrollgerät? Das ist ja erstaunlich! Und es funktioniert nicht sagen sie?
FEUERBACH: Haben sie nicht zugehört? Natürlich funktioniert es, sehr gut sogar.
HAUSMANN: Hören sie mal, ich weiß nicht was das ganze soll, ich dürfte eigentlich gar nicht hier sein!
FEUERBACH: Jetzt machen sie sich nicht gleich in die Hosen, es muss ja keiner erfahren dass sie hier waren! Hören sie, dieses Gerät funktioniert, es funktioniert genauso wie ich es mir vorgestellt habe, ich habe mich damit quasi selbst übertroffen.
HAUSMANN: Und wo liegt dann dieser „negative Erfolg“ darin von dem sie sprachen? Ich verstehe das nicht, wenn es funktioniert dann ist es doch gut, dann können sie zufrieden sein.
FEUERBACH: Eben das es funktioniert ist der Misserfolg! Verstehen sie?
HAUSMANN: Nein, hat es denn irgendwelche Nebenwirkungen die schädlich sind?
FEUERBACH: Nebenwirkungen? Das ist gut! (lacht) Nein, nicht das ich wüsste, aber ich habe es ja auch erst einmal getestet.
HAUSMANN: Sie haben es getestet? Und was ist passiert? Nun reden sie doch endlich, damit ich kapiere was sie meinen!
FEUERBACH: Was passiert ist? Nichts ist passiert, nichts!
HAUSMANN: was soll denn das nun wieder heißen? Es funktioniert also doch nicht, oder wie? Was haben sie gemacht?
FEUERBACH: Ich habe Gott getötet!
HAUSMANN: Gott? Wer ist Gott?
FEUERBACH: Ja, wer ist Gott!? Wenn sie wollen ist Gott ist ein überirdisches Wesen, der Schöpfer des Universums, unser Schöpfer, der das alles hier gemacht hat, der Herr über unser Leben und ich habe ihn getötet.
HAUSMANN: Sie glauben doch nicht im Ernst dass...
FEUERBACH: Früher, das heißt bevor ich meine Arbeit vollendet und getestet habe, da glaubten viele Menschen an diesen Gott. Er war der Schöpfer von allem, von Himmel und Erde, Wasser und Land, Mensch und Tier, Gut und Böse. Man konnte ihn nicht beweisen, seine Existenz war nicht feststellbar, man konnte nur an ihn glauben. Viele Menschen lebten mit diesem Glauben, sie fanden Trost und Hoffnung darin, manche zweifelten, manch verneinten ihn. Er war ein fester Bestandteil dieser Welt, er führte zu Krieg und Frieden, zu Liebe und Hass. Es gab Kirchen wo ihm gehuldigt wurde, Menschen die in seinem Namen lebten und starben, Bücher die über ihn geschrieben wurden, Lieder die für ihn gedichtet wurden. Die Bandbreite des ganzen war unvorstellbar groß, er nahm Einfluss auf die Kultur ganzer Völker und Jahrtausende.
HAUSMANN: Und sie haben diesen „Gott“...
FEUERBACH: Getötet. Ja ich habe ihn kaltblütig geopfert, um mein eigenes Ego zu füttern. Ich hatte gesagt man konnte seine Existenz nicht beweisen, ich wollte es! Ich hatte immer an diesem Gott gezweifelt, gibt es ihn nun oder nicht? Und mit Hilfe dieses Gerätes wollte ich den endgültigen Beweis führen und ich hatte Erfolg, ja, ich hatte durchaus Erfolg!
HAUSMANN: Und wie haben sie nun genau, diesen „Gott“ getötet?
FEUERBACH: Nun, das war ganz einfach. Ich kann hiermit die Gedankenwelt aller Menschen in jeder beliebigen Zeit manipulieren, so habe ich einfach in der gesamten Menschheitsgeschichte jeglichen Gedanken und jedes Wissen an Gott ausgelöscht. Ich habe ihn einfach...getötet.
HAUSMANN: Ah ja. Und wieso können sie sich dann noch an ihn, sozusagen, erinnern?
FEUERBACH: Ich bin ja nicht dumm. Ich habe eine Abschirmung entwickelt, die mich vor dem Effekt des Geräts bewahrt.
HAUSMANN: Ja, aber was ist denn nun so schlimm daran? Ist denn die Welt schlechter geworden ohne diesen Gott?
FEUERBACH: Schlechter? Nein, sie ist im Großen und Ganzen so wie immer.
HAUSMANN: Wo liegt dann der Misserfolg des ganzen?
FEUERBACH: Ich habe das schlimmste getan was ein Mensch nur tun kann: ich habe eine Idee getötet, ich habe Hoffnungen zerstört, Leben vernichtet nur um mir selbst genüge zu tun! Ich habe die Menschheit um ihre größte Gabe gebracht! Ich, nur ich allein! Es gibt keinen Gott mehr, ich hab ihn getötet!
HAUSMANN: Ich verstehe. Nun, es wird sicher eine Lösung für das alles geben. Ich werde unserer Abteilung sofort Bericht über ihre, sagen wir mal, Entdeckung geben und sie werden sehen das sicher bald alles wieder ins rechte Lot rücken lässt.
FEUERBACH: Natürlich, eine Lösung gibt es immer. Gehen sie jetzt und berichten sie meinetwegen, ändern wird das nicht mehr viel. Ich bin müde geworden...
HAUSMANN: Seien sie unbesorgt, man wird ihnen die Anerkennung zukommen lassen, die ihnen gebührt.
FEUERBACH: Ja...die Anerkennung die mir gebührt...
HAUSMANN: Also dann, gute Nacht Herr Professor, sie werden schon sehr bald wieder von uns hören.

Vor dem Haus,
Straße

HAUSMANN: Vollkommen irre geworden der alte Kauz....

Da hörte er einen kurzen, trockenen Knall. „Eine 36er...“ dachte er, während er zum Haus des Professors zurück rannte...

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