Die Rede
von Mario Schumann

 

Es war eine von seinen Reden. Von seinen berühmten Reden.
Er redete vor den Massen und die Massen waren arm. Er war ein reicher Mann. Und vor dem Saal standen die blauen Männer mit den Schlagstöcken. Er redete. Und die Menschen schliefen. Sie waren arm. Er reihte Worte zu Sätzen und Sätze zu Reden. Auch Reiche waren da, wenige. Sie lauschten still seiner Verheißung. Er redete. Und die Leute hungerten. Man konnte alles. Man durfte alles. Jeder. Seine Worte waren Nahrung die er verschenkte. Draußen vor dem Tor bettelten die Kinder. Hunger. Brot. Er redete. Stunden. Und die Menschen schliefen, die Menschen weinten, die Menschen starben. Lautlos. Weil er redete. Stundenlang. Logisch. Ergreifend. Wunderschön. Tödlich. Er redete und er ging. Jeden Tag ein Stück mehr. Es war eine seiner Reden, seine Weltrede. Alle kannten ihn, keiner kannte ihn. Er ging. Er redete. Er stand vor dem Spiegel und redete. Zu sich selbst. Er schwieg als die kalte Kugel ihm ein Loch in den Kopf machte. Er redete nie mehr. Man redete. Über ihn. Er hatte nie sprechen gelernt.

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5365 Beiträge veröffentlicht!