Die Verfolgung (Auszug aus Geschichte)
von J. K. (mushroompillow)

 

Die Verfolgung

Als geboren, bereits bestimmt.
Nicht bewusst der Trächtigkeit.
Unwissend der Saat des unaufhaltsamen Schicksals.
Bis zu jener Zeit …
Bis zu jener unwiderruflichen Nacht …

Gestern noch gelegen im Bette wurde das Umfeld meiner Wahrnehmung plötzlich zum Albtraum, auf welchen ich so sehnvoll gewartet hatte. Ich wusste es die ganze Zeit. Ich wusste es vom ersten Augenaufschlag an. Die Tage wären bald gezählt. Mit dem Verstreichen der letzten Sekunden unserer Plattform der abnormen Realität wird die Saat gedeihen und dem Klopfen folgen, welches so hämisch rufend durch die schwere Tür dringt. Einst war es der Anfang. Doch steht es nun bevor … Lasst mich bersten.

Ein Schrei hallte in der nächtlichen Stille durch das Geäst des tiefen Waldes. Der Mond schien hell durch die Baumkronen und dennoch war das Dunkel stärker. Das menschliche Auge realisierte spärlich das vorbei schnellende Gestrüpp. Das Keuchen war hastig, der Herzschlag rasend, der Körper durchtränkt von absoluter Todes-Panik. Und während die Füße im feuchten Laub über den erdigen Boden hetzten, folgte ein Blick über die Schulter. „ … Ich bin noch da … Du entkommst mir nicht! …“ Der Blick wanderte zurück nach vorne, visierte das imaginäre Ziel, die Beine stets darauf programmiert in Bewegung zu bleiben um dem Gespenst der Nacht zu entkommen.
Die Hoffnung ist unserer Zeit größte Illusion. Ein Mysterium. Doch ist dieses randvolle Fass unerfüllter Erwartung meist der einzige Lichtblick, welcher sich in der Hölle des Inneren Selbst den Weg zum äußeren Licht bahnt. So auch für die verlorene Seele in der absoluten Dunkelheit, im tiefstem Wald. Fern von jeglicher Zuflucht. Fern von jeglichem Schutz.
„ … Siehst du die Krähe?... Siehst du meinen Boten? …“ Der Blick über die Schulter folgte ein weiters Mal. Eine Scharr von Krähen schien aus dem Nacken des Hetzenden zu stürmen und ein geisteskrankes Lachen legte sich laut und Furcht einflößend über das schwarze Blattmeer. Mit diesem Augenblick erreichte das Adrenalin seinen Höhepunkt. Das Tempo wurde angekurbelt, das Herz schien ohne Pause zu pumpen und schlug bis zum obersten Zipfel des Halses, während die auf Hochtouren arbeitende Lunge dem gewaltigen Druck nicht mehr lange Stand zu halten schien. Plötzlich … wurde es schwarz. Und im Bruchteil einer Sekunde vernahm das Ohr das triumphierende Heulen eines Wesens und der Körper stürzte zu Boden. Zeitgleich zogen sich dichte Wolkenfelder über den Himmel und verdeckten den Mond fast zur Gänze. Der nächste Blick würde auf das Wesen der Nacht treffen. Und so war es.

Die Fratze eines Unbekannten blickte mit feurigen Augen auf das gestürzte Objekt. Und obwohl es von Füßen getragen, mit Sauerstoff versorgt, von menschlicher Silhouette umgeben war und das Gesicht mit den Zügen eines längst vergangenen Greises gezeichnet schien, war es doch zweifelsohne ein Wesen der Nacht. Im Mondlicht wankend hielt es in seiner Hast inne und versank in eine dämonisch-apathische Trance, wo es auf den alles zerberstenden Befehl zu warten schien.

„Ich bin bereit.
Die mit modernder Verwesung erfüllte Luft in finsterer Stunde birgt den letzten Schliff meiner alles opfernden Schöpfung. Im Anblick des letzten Puzzlesteins scheint das Ausharren seinen Zweck zu erfüllen. Eine Sekunde noch, dann ist es soweit. Mit vergeltender Faust werde ich geleitet zur Tat. Mit Grimm werde ich sie vollstrecken.“

Ein Donner legte sich über den Schatten der Nacht und die Krähen krächzten ein letztes Mal ihr Lied, eher sie empor flogen, aus allen erdenklichen Löchern des Waldes, um sich auf dem Dach der Brutstätte wieder zu finden. Ein berstender Hieb in das weiche Fleisch und das strahlende Leuchten des Auges verwandelte sich zu einem schwachen Funkeln, welches folglich zur Gänze unter einem letzten Atemhauch im Schein des einzigen Zeugen erlosch. Der Mond … sah wie sich ein weiterer Baustein seines Platzes Besitz ergriff.

Ein weiterer, Kräfte wirbelnder Schrei bahnte sich seinen Weg durch das Astgewirr. Plötzlich die unaufhaltsame Verwandlung. Ein dunkles Leuchten legte sich auf den Ort der Vollstreckung und der Körper des Nacht-Phantoms schien durch eine Art elektrisches Feld in eine wilde Ekstase zu fallen. In zitterndem Einklang erhob sich das Objekt gen Himmel empor, geführt von einer undefinierbaren Macht und saugte das Blut seines Opfers mit einem einzigen Atemzug durch den Tunnel einer unbekannten Dimension. Ein Seufzen der Genugtuung vibrierte förmlich durch das Dickicht hindurch, eher der Feldherr seine Ketten um das finstere Wesen legte und es zu sich nach Hause rief.

Und inmitten der Gruft schien das Biest zu wachsen, während ein neuer Platz das Spektrum der unbändigen Macht auflodern ließ und dem Monument eine weitere Gravur der ewigen Verdammnis in das schwarze, schlummernde Herz meißelte.

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