Krähen, schwarze Krähen
von bluegirl

 

Krähen, schwarze Krähen

Sophia-Sophie lag in ihrem Bett und sah hinaus.
Es war Winter und es gossen Ströme von kaltem,
brennend kaltem, Wasser hinab auf den Boden.
Sie fielen aus unsagbarer Höhe und hatten die
Macht Käfer und Würmer zu erschlagen.
Schlimmer, als es jeder Mensch tat der sie übersah
Und ihnen schnellen Schrittes das Leben austrat.

Sie hatte kein Zeitgefühl mehr,
es war eines der Dinge das sie verloren hatte,
als sie noch ein junges Mädchen war. Früher, wann
war Früher und wann war gerade noch Gestern –
wo lagen die Unterschiede und wo die Relationen
die dem ganzen seine Bestimmung gaben?
Müsste sie sich dessen nicht eigentlich bewusst sein?

Eigentlich Beispielsweise Sozusagen Theoretisch
Alles Wörter die sie nicht mochte und ohne die
Sie nicht mehr auskam in dieser Welt in der man
Nicht mehr wusste wann man echt und wann man
Pseudo war. War sie nun oder war sich nicht?
Existiere oder vegetierte sie während dem Atmen?

Krähen kamen,
schwarze Krähen.
Setzten sich an ihr Bett,
pickten an ihren Gebeinen.
Übersahen ihre lebendigen Augen
Wie alle Menschen die hier hausten
Dessen Laute sie hören konnte aber dessen
Körperschaft sie noch nie erblickt hatte, beileibe nicht.

Die Hülle die sie umgab und die Sie ihr Bett getauft
Hatte als sie hier aufwachte und nicht mehr wusste
Woran sie wuchs und von wem sie gebärt wurde
Als sie noch Tag und Nacht trennen konnte und die
Schwalben sah die überall flogen und demnächst
Wiederkommen würden. Demnächst...

Als sie aufwachte, damals oder früher oder gestern,
konnte sie sich nicht bewegen es war als wäre sie
gefangen in ihrer eigenen Körperhülle und doch,
war es ihr als könnte sie das erste mal atmen und
die Luft spüren wie sie wirklich war : eisig und hart
und doch gleichzeitig durchsichtig und weich.

Immer mehr Krähen kamen auf ihre Gebeine, denn die
meisten kannte sie schon mit Namen. Es war grillenhaft
zu wissen das sie sich an ihr satt fraßen wie die schönsten
Maden die ihr inwärts in den Ohren herum wirtschafteten
und alles übriggebliebende fraßen. Ihr übriges, ohne Fragen.

Warum Wieso Weshalb Woher Weswegen Wieso
Alle diese Fragen hatte sie bereits als junges Kind verabscheut
Und verdrängt bis zu diesem Zeitpunkt ihres Erwachens. Nur
konnte sie seit dem keine Fragen mehr fragen, sie kannte der
Wörter Bedeutungen und doch geisterten sie ebenso wahllos
wie trotzig durch die von Maden geliebte weiche übrige Hülle.

Krähen,
schwarze Krähen.
Sangen für Sophia-Sophie.
Lieder des Lebens und alles Tods.
Ein Lied von Krähen gedichtet, den
Toten geweiht die zahllos wartend liegend.

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