Sophie
von Ivie Reichhardt (inka)

 

Anfang

Egal, was Sophie unternahm, es verschlimmerte nur ihre Situation noch mehr. Was macht ich nur falsch, fragt sie sich sehr oft in aller Stille sich selber. Trotzdem bekam Sophie nie eine Antwort. Das einzige was ihr noch minimal Trost spendete ist der Gedanke >>Alles geht auch mal zu Ende! << „Aber nur wann?“ flüstert sie verzweifelt. Ihre Wangen sind mittlerweile feucht durch die vielen Tränen, die über sie gullern. Sophie weiß einfach nicht mehr weiter. „Wohin kann ich gehen? „mit zitternde Stimme „und was muss ich noch ertragen, auf mich nehmen?“ Sie gauert sich zusammen und weint leise.
Plötzlich wird alles hell um Sophie und eine Stimme spricht zu ihr „Liebe Sophie, halte bitte noch durch. Du wirst bald erlöst. Gehe nach Norden bis du eine sehr alte Mühle findest. Dann wird nur noch die Sonne scheinen, liebe kleine tapfere Sophie.“ Etwas berührt ihre Haare sanft. Leider kann Sophie nichts sehen, da sie das grelle Licht blendet, und streichelt über ihren Kopf. Und schon ist auch der Spuk vorbei. „Wer war das? Das habe ich nur geträumt.“ Sie reibt sich ungläubig die Augen. Dann starrt sie schweigend auf ihren einzigen Schrank. >>Diese Stimme.....“ überlegt sie „diese Stimme kenne ich doch. Glaube ich. „
Ihr Magen meldet sich knurrend. Sie muss endlich was Essbares heimlich besorgen, denn das gehörte zu ihrer Bestrafung. Und die zieht sich schon über ein paar Tage hin. Sophie erhebt sich von ihrem sperrigen Bett, das nur aus Holz besteht. Als Zudecke dient ihr eine zerlöcherte dünne graue Baumwolldecke. Sophie schleicht sich vorsichtig zu ihrem Schreibtisch unter dem ein Hocker seinen Platz hat auf der linken Seite ihres Zimmers bis zur Tür weiter. Dabei versucht sie jede knarrende Diele zu vermeiden, was ihr nicht sehr schwer fiel, weil sie mittlerweile sie alle kennt in diesem trostlosen, spärlich eingeräumten Zimmer. Außerdem das was Sophie vor hat tat sie nicht zum ersten Mal. Sie hatte es auch schon geschafft sich aus dem Haus zu schleichen, aber wurde immer nach zwei Tagen wieder von der Polizei eingefangen und wieder zurück ins Heim gebracht.
Sophie hat gerade die Tür erreicht, lauscht ob sich noch jemand auf dem Flur aufhält. Dann beginnt sie bis hundert zu zählen. Es blieb alles ruhig. Jetzt öffnet sie ganz langsam, um das quietschende Geräusch zu verhindern, die Tür einen Spalt, damit sie mit einem Auge den Flur sehen kann um zu kontrollieren, das wirklich sich nimmt mehr draußen aufhält. Denn Sophies Zimmer ist das zweite Zimmer auf einem sehr langen Flur in der Nähe der Treppe. Sie muss sehr vorsichtig sein, denn seit ihren Fluchtversuchen aus dem Kinderheim wurden die Kontrollgänge, nach dem Abendessen, verdreifacht. Die Luft ist rein. Sie schlüpft leise durch die Tür und schließt sie ganz langsam wieder. Sie sieht sich noch mal um. Alle scheinen zu schlafen. Das einzige Licht, auf dem Flur, kommt von dem hereinscheinenden Vollmond. Sophie schiebt sich an der Wand bis zur kleinen Kreuzung, vor der Treppe, hin.
Blickt nach links, wo noch ein kleiner Flur zum Dachboden führt und rechts geht er zu den Zimmern der Betreuer. Auch hier ist die Luft rein. Gott sei Dank ,sagt Sophie zu sich. Dann huscht sie wie ein flinker Wiesel die Treppe runter, stoppt auf der letzten Stufe. Und checkt die Lage unten in der Eingangshalle. Rechts von der Halle befindet sich der riesengroße Speisesaal, die Wäschekammer und das Büro von der Heimleiterin Frau Schramm, Sankt Anton. Links ist nur die Küche. Dabei entdeckt sie dass in der Küche noch Licht brennt. „Mist!“ rutscht ihr plötzlich über die Lippen. Sie horcht. „huh, war das knapp. Gott sei dank leise genug um keinen Alarm auszulösen. Ich brauche ein Versteck, wo ich warten kann bis Frau Huhn fertig ist.“ zu sich. Die Suche danach endete sehr schnell. Denn ihr sprangen sofort die großen schweren roten Vorhänge aus dem Speisesaal ins Auge. Sophie wickelt flink ihre Stofffetzen um die Füße, die ihr als Schuhe dienen sollen. Holt Schwung und schlittert in den Speisesaal, schnappt nach der gelb geflochten Gordel und verschwindet hinter den Vorhängen.

Das Licht aus der Küche, was Sophie Irrtumsweise glaubt es kommt von der Lampe, ist in Wirklichkeit ein sehr gefräßiges noch kleines Feuer. Dass sich rasend schnell ausbreitet, da das meiste aus Holz und Stoff bestand, und produziert dabei viel tödlichen Qualm. Deshalb dauert es auch nicht lange bis Sophie ihr Versteck unfreiwillig verlässt, weil sie kaum noch Luft bekam, und der Rauch ihren Hals bitterböse reizte bis zum Hustenanfall. Sophie nutzt dann eine kleine Pause, um rauszubekommen was los ist. „Wo ist die Treppe hin? Aua, meine Augen ! Was ist hier los? Verdammt noch mal.“ Der Rauch hat sich in der Zwischenzeit an sie herangeschlichen und ist gerade dabei sie komplett ein zu hüllen. Dann wird es ihr schwarz vor den Augen.
Auf einmal beginnt die Decke über ihr zu leuchtend an und weitete sich kegelförmig bis zu dem bewusstlosen Mädchen, mit kurzen hellbraunen Haaren, aus, das nur leicht bekleidet ist mit einem gelblig verfärbten Nachthemd und mit zwei zerfetzten dreckigen Stofflappen an ihren Füssen.
Um ihren Hals befindet sich eine Kette mit einem Sternanhänger, der anfängt gelb zu leuchtend als der kegelförmige Strahl sie erfasst und komplett umhüllt wie ein Schutzschild. Dann bewegt sich das Mädchen leicht, aber nicht aus ihrer eigenen Kraft, sondern als würde sie zwei unsichtbare Hände vorsichtig hochheben bis nach ganz oben.


2

Der zart vernebelte Morgen bricht an und begrüßt mit einem Vogelgesang die ersten Strahlen der Sonne. Die Hähne beginnen wieder erneut um die Wette zu krähen, wer nämlich am lautesten und am schönsten krähen kann. Aber es wurde noch nie ein Gewinner festgestellt, weil sie alle gemeinsam zur selben Zeit los schreien und keiner zu hört.
Lina wird sofort nach dem ersten Hahnschrei von Morkus wach, weil sie so aufgeregt ist. Den heute ist der wunderschönste Tag eines jeden Jahres, findet Lina, aber diesmal doppelt so wunderschön, denn sie wird endlich 11 Jahre alt. Und wenn ein Mädchen in diesem Dorf dieses Alter erreichte, ist diesmal das ganze Dorf mit den Vorbereitungen für die Zeremonie `Èin Mädchen – Frauenaufnahme` beschäftigt, außer ihrer Familie. Die haben frei. Das ist das Beste des heutigen Tages vor allem für ihre Mutter, denkt Lina. Endlich kann sie ausschlafen ohne sich den Kopf zu sehr brechen wie schaffe ich das alles – kochen, reinigen, bügeln, heizen, backen, Geschenke einwickeln, Tisch decken und so weiter. Das muss doch furchtbar sein, meint Lina.
Lina hüpft aus ihren Bett, das sie sich mit ihrer zwei Jahre jüngern Schwester Moni und ihren ein Jahr ältern Bruder Hindru teilt.
Plötzlich ein Geräusch hinter ihr. Sie dreht sich um und wird von Moni herzhaft angegähnt, dann wirft sie sich auf die andere Seite, ihr linker Arm ist es etwas langsam, deshalb fliegt er dem Körper hinter her bis er auf dem Bauch ihres Bruders landet. Lina muss leise kichern,
dann nimmt sie ihren Teil von der Zudecke und schiebt sie unter den kleinen Körper vor sich.
Danach lugt sie durch den weinroten schlichten Stoffvorhang, der als Trennwand zum Schlafzimmer, Wohnbereich und Kinderzimmer dient. „Sie schlafen noch tief und fest. Gut, so.“ murmelt sie. Anschließend geht sie auf Zehnspitzen zu einem Stuhl, auf der linken Seite des Bettes, nimmt ihre Sachen und huscht durch den Vorhang in den Wohnbereich. Wo sie gleich von ihrem kleinen braun-weiss-gecheckten Kater Mischa mit einem noch sehr verschlafenen `Miau` begrüßt wird, streckt sich und holt sich seine Streicheleinheiten ab.
„Na, du“ streichelt sie ihn über seinen Rücken „ich hoffe, du hast gut geschlafen.“ Seine Antwort ist nur ein weites aufreißen seiner Schnauze. „Was denn? „ Lina lachend. Geht zum Tisch, der in der Mitte des Raumes steht, legt ihre Sachen ab und geht dann fünfzehn große Schritte rückwärts, dreht sich „...und jetzt noch zwei Schritte seitwärts nach rechts. Tata!“ Sie öffnet die Tür von der Vorratskammer, entnimmt eine Kanne mit Milch und füllt damit die Schüssel, die etwas links seitlich von der Kammer steht. Währenddessen schnurrt und um schmusst Kater Mischa ihre Beine, sie stellt die Kanne zurück und greift dann in das Regal rechts von sich um eine Waschschüssel mit einer Rosahnen Seife, die nach fliederduftet, und einem Waschlappen drinnen, zuentnehmen. Mischa schlappert so hastig das er um die Schüssel lauter kleine Milchpfützen hinterlässt. Lina dreht sich schwungvoll um. Doch auf einmal ein lautes `Miau` und fauchen von Mischa. Sie erschrickt und versucht irgendwie das Gleichgewicht zu halten mit der Schüssel in der Hand. Denn wenn sie jetzt die Schüssel fallen lässt sind alle wach und vorbei ist es mit der Überraschung für ihre Familie. „Geschafft ! Pffff. Das war knapp.“ sagt sie erleichtert. „Was sollte das eben, Mischa?“ faucht sie ärgerlich zurück. Mischa schubbert schon schnurrend an ihrem rechten Bein entlang, so als wolle er sagen „Sein nicht auf mich böse.“, springt dann auf einen Stuhl und beginnt genügsam sich zu putzen.
Nachdem Lina sich gewaschen hatte und die Überraschung, die aus einem sehr leckern Frühstück und mit viel liebe gedeckten Tisch bestand, fertig war. Zieht sie ihr schönstes neustes Kleid an, das ihre Mutter Mara extra genäht hat für diesen Anlass. Es bestand aus blauer Seide. Dazu steckte sie sich eine blaue Haarspange in ihr langes feines blondes Haar. Obwohl ihre Familie nicht zu den ärmsten, aber zu den kinderreichsten Familien in Bumbala, da es nur zweie gibt, gehört, wurde ihnen trotzdem der Stoff sowie die Haarspange geschenkt von der Schneiderfamilie Sauerbaum.

Lina steht jetzt an der Haustür stülpt sich ein weißes gehäkeltes Dreieckstuch über die Schultern, ihre Augen strahlen vor lauter Freude dieses Kleid tragen zu dürfen, und schlüpft in ihre Holzpantoffeln. Sie möchte einmal ihren besten Freund besuchen und auf dem Weg dahin noch einen schönen bunten Blumenstrauß pflücken für den Frühstückstisch. Sie öffnet die Tür „Mischa, komm! „ ruft sie leise. „Mischa, na komm. Mischa, wo bist du?“ Aber Mischa kam nicht, denn er war schon längst auf Achse. Lina schließt die Tür und sucht kurz draußen weiter. Dann macht sie sich auf den Weg.
Mischa hatte die Chance genutzt, ohne das Lina es bemerkte, als sie sich Wasser geholt hatte von der Pumpe vor dem Haus, rauszuschleichen.
Kater Mischa flitzte sofort zur Scheune, die an der Grenze zu seinem Revier liegt. Sieht nach ob Pluderhose, eine Katzendame mit verschiedenen Brauntönen und langen Fell, diese Nacht hier geschlafen hat. Aber leider Fehlanzeige. „Wo bist du nur? Miau.“ ruft er besorgt und nimmt die Spur auf. Pluderhose ist der einzige Gast, der das Revier von Mischa, ohne befürchten zu müssen Dresche zu bekommen, betreten darf. Nur sie ist seit vier Tagen wie auf seltsamer Weise vom Erdboden verschwunden.
Lina und Kater Mischa ahnen noch nicht, das für sie beide damit ihr größtes eigenes Abenteuer beginnt und ihr ganzes Leben auf dem Kopf gestellt wird.





3

Lina hat eine kleine Kreuzung am Ende des Dorfes erreicht, mit noch einem kleinen Blumenstrauß. Der aus zwei Tulpen, drei Schneeglöckchen und einem Krokus besteht. In der Mitte steht ein Wegweiser, mit der Aufschrift, links deutend, Crzimbola ,und rechts Böser Wald.
Lina geht ohne aufzuschauen nach rechts wegen einer türkis leuchtenden Pflanze und zum anderen wohnt ihr bester Freund dort. Ein paar Minuten später kommt auch Mischa an dieser Kreuzung vorbei, nur er folgt dem linken Weg.


4

Das Mädchen folgt hopsend einen sehr schmalen glitschigen und unebenen Grat entlang. Und pflückt mal hier und dort ein paar Sichelmöhren, Sigmarskrauts, Sigillarias und Singzikaden.

Bei der letzten Blume erschrickt sie, rutscht weg. Den es war keine Blume sondern ein kleines Wesen. Sein Kopf gleicht einer Blüte von Sigillarias mit goldschillernden Blütenblättern, in der Mitte befindet sich das Auge und seine Arme haben die Form von gelben Blättern, am Ende teilen sie sich zu zwei schmalen kräftigen spitzen und giftigen Fingern.

Sie hatte großes Glück gehabt, das sie auf den Boden saß und sich still verhielt als dieses Wesen erwachte. Nämlich erst nachdem dieses Ding sein Kopf anhob, erkannte sie was es war – ein Bluwurzgnom. Also, so sehen die aus, dachte Lina.
Sie schaute es abwartend mit auf gerissenen Augen an, traute sich weder zu blinzeln noch eine kleine Haarsträhne, die sie krabbelt, aus ihrem Gesicht zu nehmen.
Hätte sie gestanden, wären sich ihre Augen und die von dem Gnom getroffen, dann würde nur noch eine Pfütze von ihr übrig sein. Das wusste Lina von ihrem besten Freund.

Dann tauchen wie aus dem Nichts auch noch eine Siegelringnatter und ein gemeiner Sichler auf.

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