Portrait einer männlichen Krankheit
von heureka

 

Ich beginne: es ist drei Uhr nachts. Dunkel. Kopfschmerzen plagen meinen sowieso schon gemarterten Schädel. Ich habe das Gefühl, etwas würde mir im unangenehmerweise rhytmischen 4/4-Takt einen Vorschlaghammer auf die bereits unerträglich pochenden Stirnlappen sausen lassen. Kein Zustand, der mich frohlocken lässt und Gott anpreisen macht. Unter den 400 Deckenschichten dünkt es mir mittlerweile auch ein wenig heiß zu werden, mein knallgelbes Shirt ähnelt mehr einem Waschlappen als einem Kleidungsgegenstand. Ich reiße mir die Kleider vom Leib, stehe schwankend auf und torkele zum Kühlschrank. In der Hoffnung, dort ein Allheilmittel zu finden. Doch: nichts. Stattdessen nehme ich mir Joghurts, Kiwis, Bananen, Schmerzmittel. Zehn Minuten später bin ich immer noch nicht gesund. Langsam hat meine Geduld ein Ende. Ich spiele mit dem Gedanken, die Ambulanz zu verständigen, eine Not-OP einzuleiten, doch meine Kraft reicht nicht mehr aus, das Telefon zu heben und drei Zahlen einzugeben. Mit größtmöglicher Anstrengung krieche ich in mein Bett zurück, alles dreht sich..ich sehe nur noch schwarz-weiß. Die Gegenstände im von einer kahlen Glühbirne hell ausgeleuchteten Zimmer nehmen obskure Gestalten an, Gitarrentaschen werden zu riesigen Phalli, Fernseher zu schwarzen Löchern. Ich versuche, so kurz vor meinem Tod noch einmal mein Fieber zu messen, damit zumindest nachprüfbar ist, dass keines meiner tief schlummernden Familienmitglieder mich ermordet hat. Natürlich erwarte ich astronomische Zahlen, 60° und mehr, meine Proteine verhärten sich, ich kann meine Muskeln nicht bewegen. Zum Glück habe ich bei der letzten Grippe bereits ein Testament verfassen lassen, damals, als ich so schlimm niesen musste. Es war wirklich grauenhaft..
Aber kein Vergleich zu meinem jetzigen Todeszustand, mehr zombiehaft lallend als Worte einer bekannten Sprache von sich gebend. Das Thermometer gibt Töne von sich. Gespannt schaue ich von der Handballweltmeisterschaft auf, besehe mir in aller Ruhe das Thermometer: 38,8° C. Wohl doch noch nicht so weit mit dem Sterben. Die Lebenserwartung liegt ja schließlich auch deutlich höher.
Aber immerhin schläft meine Frau.

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