Zeitschleife mit Hodenkatarrh
von Roman Biewer

 

Ich gestehe es: Etwas erschrocken war ich schon, als es plötzlich „ffffffffffhhhhhhtttttthhhhh“ machte und mir dieser Typ einfach auf den Fuß rotzte. Ich meine, das passiert nicht alle Tage! Und wie gesagt: Er spuckte nicht, er r o t z t e! Nicht, dass es mir zuvor schon einmal vorgekommen wäre, aber es wäre ja immerhin denkbar, dass so etwas mal vorkommt, ich meine, dass einer einem auf der Straße im Vorrübergehen auf den Schuh spuckt – so ein gelbes Ding, basierend zu gleichen Teilen aus Speichel, Eiter und zähem Nasengallert – diese Tätigkeit, zumindest wenn eine wie eben beschriebene Flüssigkeit dabei eine tragende Rolle spielt, bezeichnet man im gemeinen Volk gelegentlich ja auch als Rotzen, und so ein Erlebnis könnte ich gegebenenfalls noch verkraften. Nicht, dass ich mich darüber freuen würde, aber so ein Vorfall wäre doch kein Grund, die Feder des Zornes zu erheben! Jedenfalls nicht für mich! Andere mögen ihr wertloses Leben meinetwegen dadurch noch wertloser machen, dass sie zur Aufmerksamkeitserregung beim Volk wegen so einer Lapalie zur Feder greifen!
Bei meinem Fall jedoch wurde wahrhaftig gerotzt, oh ja, und zwar aus der Nase, mit dem Finger an dem einen Nasenloch sogar, um genau zu sein, denn dies erhöht den Ausscheidungsdruck durch Halbierung der Querschnittsfläche, und „ffffhhhhhhhtttttttthhhhhh“ machte es, nein, nicht auf meinen Schuh, sondern auf meinen Fuß, meinen unbekleideten nämlich! Sauna, für die, die sich jetzt fragen, wo denn jemand die Gelegenheit haben könnte, einem auf den nackten Fuß zu Rotzen. Tja, und warum nun? Aufmerksamkeitserregung, um’s kurz zu machen. Da sitzt man, schwitzt, was in der Sauna durchaus schon des öfteren mal vorgekommen sein soll, blickt unter sich, was in Saunen stets das beste Rezept zum Überbrücken der Abschwitzzeit ist, und schaut den Schweißperlen zu, die gerade im Begriffe sind, sich über die Waden einen Weg zum Sitzholz der Saunainneneinrichtung zu bahnen, um darin einzusickern und späteren Besuchern als Krankheitskeim zu dienen. Handtuch unterlegen? Ich doch nicht, wer solche Saftbuden besucht, sollte ein gutes Verhältnis zu Hautkrankheiten haben, finde ich. Na ja, ich schaue also unter mich, immer noch besser, als auf faltige Möpse, Hoden und Gesichter zu blicken, und es rotzt also. Auf meinen Fuß, habe ich doch eben schon erzählt, Mann! „Fffffffffhhhhhhtttttttttttthhhhhhhh!“ Ich blicke hoch, direkt auf ein erigiertes Glied, so ein hässliches Exemplar, das eigentlich eher wie eine verbogene Version einer dieser Karnevalströten aussieht, die sich durch Reinblasen ausrollen und blöde Quäken.
„Was soll denn die Scheiße!“ war meine Reaktion, so was geht ja schließlich wirklich nicht.
„Verzeihen Sie, Schlehendarm mein Name“ sagte der Exhibi-Freak.
„Und weiter?“
„Rüdiger!“
„Wie bitte?“
„Rüdiger, mein Vorname, Sie wollten doch wissen, wie ich weiter heiße!“
„Nein, was die Scheiße soll, will ich wissen!“
Jetzt wurde ich doch ein bisschen zornig.
„Sie, meinen, warum mein Johannes...“
„Ich meine vor allem, was das da auf meinem Fuß...“
Er griff mir mit der Hand in mein Gesicht, einfach so über die Nase und die Schläfen, nicht wirklich brutal, aber immerhin so bestimmt, dass ich sofort verstummte, was zu erreichen wohl seine Absicht war.
„Ich leide unter Hodenkatarrh!“
Er begann zu zittern. Zuerst seine Hände, das spürte ich an den Schläfen, denn einer seiner Grapscher ruhte ja noch immer dort, dann sein ganzer Körper, das spürte ich daran, dass seine Penisspitze im Rhythmus seines Zitterns meine rechte Brustwarze streifte.
„Ich leide, um es genau zu sagen, unter retrozelluskulärer Injektion.“ Sein Griff um mein Gesicht wurde fester, nun schmerzte es.
„Und es wird mir jemand helfen müssen, und dieser Jemand werden Sie sein, ich bestehe darauf!“
Die ganze Zeit war ich wie erstarrt gewesen, doch nun fasste ich den Entschluß, mich aus dieser misslichen Lage zu befreien, doch bevor ich überhaupt zum Nachdenken kam, hatte mein Unterbewusstsein bereits gearbeitet und rammte dem Irren mein Knie in seine Karnevalströte. Er ließ von mir ab, taumelte nach hinten und stolperte so unglücklich, dass er mit seinem Arsch auf den kochend heißen Aufgußsteinen der Sauna landete. Es zischte, und ich roch in Eukalyptusaufguß gebratenes Menschenarschfleisch. Gar nicht mal schlecht, fast wie Schweineschulter Esterhazy, hätte ich bestimmt gedacht, wenn nicht das Geschrei des nun Gebranntmarkten mir jeglichen Gedanken verlitten hätte. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm aus der Patsche zu helfen. Auch seine Hoden hatten Verbrennungen erlitten, und die sich nun darauf bildenden Blasen bildeten sich derart um die Wette, das es fast wie ein Brodeln auf flüssiger Substanz aussah! Nun geschah das erst eigentlich Erzählenswerte: Ein Ruck ging durch seinen Körper, wie eine Implosion, so, wie es einen zerreißt, wenn einem so richtig unerwartet die Säure in den Hals schießt und man kotzen muß, nur dass in diesem Fall gar nicht gekotzt wurde, sondern irgendwie, mein Gott, ich weiß auch nicht, wie das geschehen kann, aber Fakt ist, d a s s es geschah, irgendwie riß es durch diesen Körpersog seinen kompletten Schwanz samt seiner Eier in seinen Körper, ganz so, wie wenn man den Ärmel eines Pullis linksherum in selbigen hineinzieht, und im gleichen Augenblick, vielleicht auch wenige Millisekunden später, verzog sich sein Gesicht wie im Krampf, schmerzverzerrt hielt er sich den Zeigefinger seiner rechten Hand an sein rechtes Nasenloch, drückte es zu und rotzte! Rotzte, weil er offenbar musste, weil es ihn zerrissen hätte, wenn er das, was da rauskam, auch nur eine Sekunde länger in sich behalten hätte, und rotzte direkt auf meinen linken Fuß. Ich blickte herab, erschrak, blickte wieder nach oben, direkt auf ein erigiertes Glied, eines von der Sorte, das aussieht wie die krumme Version eine dieser zusammengerollten Karnevalströten, die sich beim Reinblasen ausrollen und dann so blöde Quäken, und ich bekam unendliche Panik, weil ich begriff, dass ich in eine Zeitschleife geraten sein müsse, und dass mir dieser Typ erneut erzählen würde, dass er unter Hodenkatarrh leide, und nun begriff ich noch viel mehr, nämlich, dass ich eben Zeuge eines Hodenkatarrhs als Folge einer schweren Verbrennung wurde, aber wie konnte das denn sein, er hatte doch v o r h e r davon gesprochen, b e v o r er sich verbrannte, wie konnte er das da nur alles wissen, und vor allem, das alles wäre doch sonst gar nicht erst passiert, und nein, bitte keine Zeitschleife, ich meine, es mag ja ganz wünschenswerte geben, mit zwölf immer nur Holiday Park oder mit zwanzig immer Blondine an der Nudel oder so, aber nicht das hier, nicht Hellseher weist auf kurz bevorstehenden Hodenkatarrh hin inklusive Eintreten des Vorhergesagten!!!!!!

Nur soviel: Ich kam da wieder raus, wie hätte ich auch sonst diese Zeilen für die Nachwelt niederschreiben können, und ja, es hat mein Leben verändert, aber davon an einer anderen Stelle zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort!

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