Nächtlicher Streifzug
von gwennifer

 

Stille...Kaum einmal ein Laut störte den Frieden das nächtlichen Waldes. Silbernes Mondlicht strahlte durch das dichte Blätterdach der Bäume und schuf ein Spiel aus schwarzen Schatten und schimmernden Streifen erhellter Szenen. Es war die Stunde kurz vor dem Morgengrauen, da die Dunkelheit am tiefsten zu sein sein, in der jede Stimme verstummt und jedes Leben inne zuhalten scheint. Auf den vereinzelten Lichtungen im Wald stiegen zarte weiße Nebelschleier empor.
Lautlos bewegte sich ein geisterhafter Schemen zwischen Bäumen und Sträuchern hindurch, doch bevor er genauer zu erkennen war, verschmolz er mit dem Nebel, tauchte ein in jene rätselhafte Welt, der noch immer etwas unwirkliches anmutete. Kein Zweig brach unter den Pranken der Raubkatze, die mit ihrem weißem Fell Teil der zarten wogenden Schwaden ward. Kein Blatt bewegte sich durch ihre gleitenden anmutigen Bewegungen. Kraftvoll spielten die Muskelstränge , während sie sich dicht an den Boden gedrückt vorwärts bewegte. Ihre silbernen Augen schienen die Konturen der Umgebung zu fixieren. Ein paar Meter vor ihr zog eine Rotte Wildschweine über die Lichtung auf der Suche nach Pilzen und Früchten. Ihre mächtigen Hauer wühlten den Bewuchs des Bodens auf, um nach Larven und Insekten zu graben. Eine Bache war mit ihren Frischlingen etwas zurück gefallen. Zentimeter um Zentimeter schob sich das nebelhafte Raubtier an diese heran. Eins der kleinen Schweine, die noch das gestreifte Babyhaar trugen, sonderte sich von Mutter und Geschwister ab. Wie ein Pfeil brach die zierliche schlanke Katze aus dem Nebel hervor,. Die Pranken drückten das durchdringend quiekende Etwas zu Boden und gruben sich tief in das Fleisch. Ein kurzer Biß in die Kehle machte der Sache ein Ende. Während sich die kleinen Hufe im Todeskampf in das Erdreich bohrten, hielten die Fänge der Katze das Tier in erbarmungslosem Griff. Der Rest der Rotte hatte in heiloser Flucht das weite gesucht und brach mit ohrembetäubendem Getöse durch das Unterholz auf der anderen Seite der Lichtung.
Schwer atmend , erhitzt von der Jagd blieb der weiße Panther neben seiner verendenden Beute liegen. In ihren Augen funkelte der Triumpf der erfolgreichen Jägerin. Als der Frischling sein Leben ausgehaucht hatte, löste sich der Biß und die scharfen Krallen gaben ihr Opfer frei.
Sie richtete sich auf , lauschte kurz in die Dunkelheit.
Nur wenige Augenblicke später schien sich die Gestalt der Raubkatze aufzulösen und gleich den Nebelschleiern zu verändern. Der Körper streckte sich, die Glieder wurden länger , das Fell am Körper wich einer weißen makellosen Haut, während am Kopf silberweißes Haupthaar lang über den Rücken hinab floß. Die Ohren wurden lang und spitz. Als der Nebel sich aufgelöst hatte, stand die schmale schlanke Gestalt einer hochgewachsenen Elfe neben dem toten Tier. Sie brach einen Zweig vom nächsten Busch und tauchte es in das frische Blut, das im fahlen Mondlicht silbrig schimmerte. Die Druidin kniete neben der geschlagenen Beute nieder, legte den Zweig an ihre Seite und berührte mit einer sanften, fast schon liebevollen Geste das junge Tier, dessen letzter Tag so eben geendet hatte. Der wohlgeformte schöne Kopf verneigte sich und mit sehr leiser Stimme sprach sie ein kurzes Gebet. Dann löste sie den Dolch vom Gürtel, um den Körper des Frischlings zu öffnen und es auszuweiden. Mit sicheren Händen schlug sie es aus der Decke und zerteilte es in handliche Portionen, die sie in das Fell einschlug. Wenig später zeugten nur noch ein paar Überreste, die als Nahrung für die kleineren Räuber des Waldes zurück blieben , der aufgewühlte Boden und ein paar Blutspuren vom nächtlichem Kampf im Schutze des Nebel.
Die Elfe nahm das Bündel auf, blickte noch einmal über die Lichtung, bevor sie nun mit raschen schnellen Schritten wieder im Wald verschwand.
In ihren Bewegungen lag die gleiche geschmeidige Anmut, die sie kurz zuvor als jagendes Raubtier gezeigt hatte. Und genau so wachsam sahen ihre scharfen Augen in das nächtliche Dunkel. Allmählich wich die Schwärze der Nacht dem ersten Morgengrauen. Das Mondlicht verblasste langsam und einzelne Konturen waren auszumachen.
Ein kurzer Blick zum Himmel, ein kurzes Lauschen der empfindlichen Ohren, dann beschleunigte sie ihre Schritte und eilte dem Dorf entgegen, an dessen Rand sie abseits vom Trubel ein kleines Häuschen bewohnte.
Leise öffnete sie die Tür und trat ein. Im Raum war es noch finster. Doch die Elfe brauchte kein Licht, um sich zu orientieren. Mit sicheren Bewegungen durchschritt sie den kleinen Wohnraum und trat in die kleine Kammer, die ihr zur Vorratshaltung diente. In einfachen Regalen waren Lebensmittel und Vorräte fein säuberlich geordnet.
An den rohen Dachbalken hingen Bündel getrocknerter Kräuter und Früchte herab. Sie verströmten ein feines Aroma . An der Seite aufgestapelt lagen die Felle und Pelze gejagter Tiere in verschiedenen Stufen der Verarbeitung . Leder in unterschiedlicher Stärke und Dicke füllte die andere. Ein paar Tonkrüge enthielten Öl und eingelegtes Gemüse. Getrocknetes Getreide war in stabilen Lederbeutel so aufgehängt, das kein vorwitziger Nager seinen Hunger daran stillen konnte.
Die Druidin schlug eine feste Lederhaut zur Seite und wickelte das Fleisch aus der Haut , in der sie es transportiert hatte. Sorgfältig legte sie es in das kühle Steingefäß und deckte es wieder ab.
Die nun leere Haut wurde fein säuberlich eingerollt und in einem weiteren Gefäß bis zur Verarbeitung verwahrt. Nachdem sie in den kleinen, doch gemütlich eingerichteten Wohnraum zurück gekehrt war, säuberte sie an der Waschschüssel ihre Hände und das Gesicht. Ein einfaches Leinentuch diente als Handtuch. Erst jetzt nahm sich die Elfe Zeit zum Durchatmen. Prüfend glitt der Blick der silbernen Augen durch den Raum. So dunkel es auch war, so reichte ihr das wenige Licht doch, um sich zurecht zu finden.
Rechts neben der Tür , hinter einem Vorhang aus schwerem Wollstoff mit farbigen Ornamenten verborgen stand ein Bett aus Kirschholz. Weiche Kissen und eine bunt gemusterte Decke ließen es behaglich und warm wirken. Ein einfacher Tisch aus rohem Holz stand an der Seite und zwei Stühle mit hohen Lehnen luden zum Sitzen ein. Eine Truhe stand halb offen. Darin waren einige Lederwaren in verschiedenen Fertigungsstufen erkennbar und zeugten vom Geschick der Handwerkerin. Ein Schrank , der mit Schnitzerein verziert war und eine ebenso gearbeitete Kommode boten Stauraum für die Dinge, die in den Regalen und der Kammer keinen Platz mehr gefunden hatten. Der Kamin, der noch kalt war, war mit ein paar Haken und Spießen ausgestattet und lud zum Braten und Kochen ein. Im Inneren war eine Vorrichtung angebracht, in die man einen Kessel einhängen konnte. Im Augenblick hing selbiger blank gescheuert an einem hölzernen Zapfen an der Wand.
Ein bunter Flickenteppich bedeckte den Boden, die Seiten mit lustigen Fransen besetzt. Der schlichte Diehlenboden war sorgfältig gescheuert und eingeölt worden und zeigte einen warmen matten Glanz.
Die linke Seite des Raumes wurde von einem festen Lederteppich fast vollständig bedeckt. Auch dieser war mit farbigen Mustern , die hauptsächlich Jagdszenen und Abbilder von Pflanzen und Tieren zeigten geschmückt. Runde Sitzpolster lagen darauf . Daneben stand ein kleines Tischchen mit einer Kerze und einer Schale mit frischem Obst darauf. Ein paar Bücher , die neben den Polstern lagen, verrieten, das dies wohl ihr Platz zum Lesen und Ruhen war, wenn sie nach getaner Arbeit ein wenig Entspannung suchte . Doch das ungewöhnlichste, was sich dort heute befand war eine große dunkle Gestalt, die noch in tiefem Schlummer lag. Ein schwarzer Panther mit tiefschwarzem glänzendem Fell lag zwischen den Kissen. Er hatte den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt und atmete ruhig und tief. Leise ging die silberhaarige Elfe zu ihm rüber und ließ sich ebenfalls nieder. Sie betrachtete den schlafenden Kater lange. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Wenig später hatte sie sich neben ihm ausgestreckt, eine weiche Decke über sich gezogen und die Augen geschlossen, um selbst noch ein wenig Ruhe vor dem Morgen zu finden.

Ihre Gedanken glitten zurück zum Abend zuvor, als er ihr im Gasthaus in Sturmwind zum zweiten Mal begegnet war, zogen Bilder und Worte noch einmal an ihr vorüber . Mit einem leisen Seufzen ließ die Elfe den Kopf gegen seine warme Flanke sinken . Wenig später kündeten auch ihre Atemzüge davon, das sie eingeschlafen war. Doch das Lächeln wich nicht aus ihrem Gesicht, und seine Wärme begleitete sie hinab in die Träume.

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