Geht das so klar?!
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Was bedeutet Freundschaft heute noch? Ist das inzwischen etwas altmodisches?


Etwas, dass nichts mehr bedeutet? Ist das gute alte „Einer für alle; alle für einen“ echt so veraltert?
Er sagte, er sei sein bester Freund. Die beiden kannten sich schon über mehrere Jahre, waren durch gute und schlechte Zeiten zusammen gegangen. In sportlicher Hinsicht verband sie nicht, wie so viele Männerfreundschaften, der Fuß-, sondern der Volleyball. Sie hatten sich zusammen, gegenseitig aufgebaut, hochgearbeitet, hatten Erfolge und Niederlagen gemeinsam verlebt. Als die Beziehung des einen zerbrach, war der andere, der ältere, für ihn da. Er stand ihm mit Rat und Tat zur Seite. Es wurde nächtelang besprochen, was falsch gelaufen war, wie es hatte kommen können, dass man sich nach sechs Jahren trenne. Als die Zeit des Trauerns sich für den einen, den jungen etwas gelegt hatte, feierte man wieder zusammen. Es schien eine Freundschaft im klassischen Sinne zu sein; in der man einander half, in der man füreinander da war. Ein halbes Jahr später kriselte es in der langjährigen Beziehung des älteren. Doch der junge war noch zu sehr damit beschäftigt, sich auszuleben, hatte den Kopf nicht frei für problemorientierte Gespräche. Der ältere traf sich mit der Ex des jungen zum Kaffee, nach langen Jahren konnten auch sie beide gut miteinander sprechen. Sie stand ihm freundschaftlich mit Rat und Tat zur Seite, bis er sich schweren Herzens dazu durchrang, seine Freundin zu verlassen.
So weit, so gut, noch ist nichts dramatisches passiert. Doch plötzlich, etwa zwei Monate nachdem sich der ältere getrennt hat, sagt ihm der junge, dass er sich mit der Ex des Freundes gern mal so zum quatschen treffen würde. Ob er etwas dagegen hätte. Kein Problem für diesen, man ist schließlich erwachsen, und was soll am Quatschen schon groß dran sein. Und plötzlich trifft sich der jüngere immer öfter mit besagter Ex. Auch abends; nie mit Freunden zusammen, sondern immer allein, wegen der guten Gespräche… Und dann kommt die Frage: „Hättest Du ein Problem damit, wenn ich was mit ihr anfangen würde? Ich mein, Du hast ja schließlich Schluß gemacht, und ich muss gestehen, dass wir uns zwar früher nie verstanden haben, aber dass jetzt das Gegenteil der Fall ist. Und zum Kuss ist es auch schon gekommen!“ Der gutmütige, liebe, ältere Freund zählt zum einen auf das Taktgefühl des anderen, sagt gezwungenermaßen, dass er nichts dagegen hätte, soweit er sie nicht nur ins Bett zerren wolle, kann sich aber insgeheim nicht vorstellen, dass ein Freund, zu so etwas fähig wäre.
Die Tage zeihen also ins Land. Die Freundschaft der beiden beschränkt sich mittlerweile auf den sportlichen, bzw. partytechnischen Bereich. Über Beziehungen und Gefühle wird plötzlich gar nicht mehr gesprochen. Bis der jüngere nach drei Monaten, in denen er sich, wie es für den Freundeskreis, schien immer noch sexuell auslebte, dem älteren sagt, dass er jetzt fest mit der Ex seines Freundes zusammen sei.
Und ich frage mich hierbei: habe ich so altmodische Ansichten? Gab es da nicht mal so etwas wie: „Der Partner, oder Ex-Partner des besten Freundes ist tabu“? Oder gehört das, wie viele Treuevorstellungen und ähnliches etwa auch in die Mottenkiste? Sollte man an dieser Stelle sagen, dass man schließlich nicht wissen könne, wo die Liebe hin falle (obwohl anfangs nur von Sex mit der Ex des besten Freundes. Und keinesfalls von Gefühlen, die Rede war), oder sollten wir in der heutigen Zeit soweit sein, dass wir von altmodischen Vorstellungen wie Moral Abstand nehmen sollten? Oder ist es bei Männern einfach generell anders? Teilt man da gerne mal die eine oder andere Ex-Freundin? Unterdrückt man seine Gefühle, die man doch empfinden muss, wenn der beste Freund mit der Ex ins Bett steigt. Oder ist auch dies wieder eine Frage des Alters, und der ältere steht einfach über den Dingen? Kann es wirklich sein, dass einen Menschen so etwas gar nicht tangiert? Dass man nach so kurzer Zeit mit der einen Beziehung so abgeschlossen hat, dass man darüber hinweg sehen kann, wenn der Ex-Partner nicht einfach einen neuen Freund hat, sondern mit dem einem am meisten vertrauten Menschen zusammen ist? Kommt hier bei mir als Frau das „sentio ergo sum“ einfach zu sehr durch? Handelt es sich hier also um ein Unverständnis aufgrund des Alters, des Geschlechts, oder der Reife?

(22.04.2004)

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