Angela Merkel wird morden!
von Roman Biewer

 

Servicewüste Deutschland: Als ich neulich in einem Supermarkt die an der Gemüsetheke bereitstehende Fachkraft fragte, warum ein Blumenkohl an ein menschliches Gehirn erinnert, bekam ich lediglich ein schlichtes „wie bitte?“ zur Antwort. Geduldig wie ich bin, entgegnete ich „Also dann ein Pfund, bitte!“, was mit einem „Blumenkohl nur als ganzes Stück!“ quittiert wurde. Als ich mich noch in dem Versuch wandt, das Unfaßbare zu fassen, legte mein Gegenüber noch einen drauf mit: „Wenn Sie wissen wollen, wieviel einer wiegt, können Sie ja da die Waage benutzen, aber nicht, daß Sie dann die Taste suchen, wie gesagt, nur als Stück!“.
Ich weiß nicht, ob ich wirklich taumelte, aber zumindest fühlte es sich so an. Wenn die Ohnmacht des Zorns gerade beginnt, die äußeren Teile des Gehirns, die ja bekanntlich eher für die Ratio zuständig sind, zu überfallen und zu entwaffnen, glaubt man, oder zumindest glaube i c h das dann immer, daß man das Gleichgewicht verliert und einen Schwindelanfall erleidet. Ich wollte „die Zeit“ auspacken, und ihm den mit 7pt Schriftgröße die Din A1 große Seite 8 überziehenden Artikel über die stetig steigende Zahl schwer vermittelbarer Arbeitsloser vorlesen, wie gesagt, das w o l l t e ich, aber was ich t a t, war, „raaaaaaahhhhhhhh“ zu rufen.
Es gibt ja Leute, denen steht Zorn irgendwie. Sie sehen dann ziemlich männlich aus -und zwar auch Frauen- und scheinen voller lebensbejahender Energie. Wenn solche Leute „raaaaaahhhhhhhh“ rufen, kann so etwas durchaus beeindruckend sein und die gewünschte Wirkung erzielen, die in der Regel mit „ab jetzt solltest du mich aber wieder achten“ übersetzt werden kann. Wird „raaaaaahhhhhhhh“ aber von Menschen ausgerufen, denen Zorn augenscheinlich nicht zu Gesicht steht, etwa Menschen mit herabhängenden Schultern, blassem Teint und diversen Haltungsschäden, zu denen auch ich mich leider zählen muß, so ist dieses Kommunikationsergebnis eher mit „schau mal, wie gut es meinem Typ tut, daß ich die Haltung meistens n i c h t verliere“ zu umschreiben. Klar ist, daß da nicht klein beigegeben, sondern eher gelacht, oder die zum Zornesausbruch führende Verhaltensweise weitergeführt wird. In diesem Bericht zugrundeliegenden Fall war die Reaktion: „die haben aber alle ungefähr das gleiche Gewicht, und wieviel nachher weggeschnitten wird, ist ja auch bei jedem unterschiedlich.“
Was die meisten der Leute, die die „Zorneshäßlichen“ belächeln, nicht wissen, ist, daß ein von nicht ernstgenommenen Zornesausbrüchen gesäumter Lebenslauf färbt. Oh ja, er färbt, und wie er das tut! Ein Zornesausbruch verlangt Respekt, zumindest im Augenblick des Ausbruchs, denn da ist der Mensch ausschließlich Stammhirn, und Tasse Tee, Beine übereinanderschlagen und man kann ja über alles reden ist dann einfach nicht. Man m u s s dann Furcht, Eingeschüchtertsein und Zurückzucken erblicken. Gibt’s das nicht, gibt‘s Folgeschäden, so einfach ist das. Und keine geringen, soviel ist sicher. Was die Belächler nicht wissen, ist, daß da was gärt, unter Umständen jahrzehntelang, und daß das, was Sie da tun, nämlich belächeln, gefährlich ist. Immer wieder wird nicht verstanden, was in Menschen vorgeht, die Amok laufen, Massenmorde begehen oder ähnliches. Ihr Nichtversteher, seht her, oben steht’s geschrieben, falls ihr’s immer noch nicht gemerkt habt: Alle diese Menschen sahen Zeit ihres Lebens bei Wutausbrüchen nicht furchteinflößend, sondern einfach nur doof und zum Totlachen aus. Ich prophezeie: Angela Merkel wird morden! Ich mordete nicht, zumindest nicht in vorliegendem Fall. Aber der Typ, mein Gott, dem ging es so übel, als ich mit ihm fertig war, daß er sich sicherlich gewünscht hat, ich hätte ihn zerstückelt!
Ich erbrach mich nämlich in sein Gesicht. Das tat ich gar nicht mal mit Absicht, sondern es war eher die natürliche Reaktion auf die nun viel zu lange erduldete Demütigung. Er schrie entsetzt auf, rief immer wieder: „meine Augen, meine Augen!“. Klar, da ist Säure drin, das brennt schon ein bisschen. Daß ich auf einmal doch Macht über ihn hatte, machte mich geil, da bin ich jetzt ganz ehrlich. Ich begann zu grinsen, das Grinsen wurde zum Lachen, das Lachen zum Schrei, der Schrei zu ohrenbetäubendem Gebrüll. Ich griff nach Möhren, seltsam, daß man immer das Richtige tut, wenn man nicht nachdenkt, und ich steckte mir die Möhren in den Hals, tiefer und tiefer, und da kam sie auch schon, oh ja, ich spreche von Kotze! Ich stürzte mich auf ihn, riß ihm den Unterkiefer nach unten -er wehrte sich nicht einmal, so groß war seine Überraschung- und kotzte was das Zeug hielt, direkt in seinen Schlund. Ich habe mal im Fernsehen gesehen, wie Gänse gemästet werden: Man schiebt ihnen einfach einen Schlauch in den Hals und pumpt sie so lange mit Nährschleim voll, bis sie buchstäblich kurz vor dem Platzen stehen. Das Opfer meines Angriffs hätte im Gegensatz zu den Gänsen die Möglichkeit gehabt, sich zu wehren, immerhin war er größer und wohl auch stärker als ich. Aber er tat es nicht, er lag einfach da und ließ sich von mir den Magen mit Erbrochenem füllen. Als ich fertig war, blieb er einfach liegen und bewegte sich nicht. Ich hatte erwartet, daß er einfach selbst anfangen würde zu kotzen. Aber es passierte gar nichts. Er mußte wohl ohnmächtig geworden sein, tot war er jedenfalls nicht, seine Brust hob und senkte sich zum Zeichen, daß er noch wußte, wie man atmet.

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