Träume
von gwennifer

 

Dicke dunkle Rauchschwaden quollen aus dem zu einem großen Scheiterhaufen aufgeschichteten Holzscheiten empor. Die blutroten Flammenzungen hatten sich langsam an den Seiten emporgeleckt und fraßen sich mit lautem Prasseln langsam höher.

An der Spitze hing eine nur noch undeutlich zu erkennende Gestalt an einen Pfahl gebunden halb bewusstlos in den Seilen, die sie an das raue Holz fesselten.
Oder lebte sie vielleicht schon nicht mehr? Eine harte Windböe peischte über den Platz und entfachte die Flammen mit neuer Wucht. . Bald umschloß ein dichter Ring aus Feuer und Rauch den einsamen Pfahl in der Mitte. Mit einem Mal ging ein Ruck durch den Körper.
Wer auch immer dort oben inmitten der tobenden Gewalten des Feuers ausharren musste, warf den Kopf in den Nacken. Der Schwung ließ die Kaputze aus groben grauem Leinen zurück rutschen. Das härende Gewand glitt über die Schultern soweit hinab, wie es die Stricke zuließen. Langes Haar flutete darunter hervor.
Ein neuer Windstoß zerriß das Meer aus Flammen und Qualm und gab für einen kurzen Augenblick den Blick auf die Frau frei, die inmitten der wabernden Hitze und der dichten Rauchschwaden gegen den Erstickungstod ankämpfte, vermutlich nur, um wenig später den alles verzehrenden Flammen zu erliegen. Bereits jetzt kräuselte sich das Haar in der Hitze , mischte sich der Gestank nach verschmortem Haut und Haar mit dem Geruch des Holzfeuers.
Gequält bog sie den Hals nach hintem. Die Augen sahen schreckgeweitet ins Nichts. Das einfache grobe Kleid war vorne aus einandergeglitten und hatte ihren Körper enthüllt.
Deutlich war die Wölbung ihres Leibes zu erkennen.
Die Frau, die dort oben dem Flammentod entgegen sah, erwartete ein Kind.
Sie öffnete den Mund , ein langgezogener schriller Laut trieb der gaffenden Meute eisige Schauer über den Rücken. Vereinzelt johlten heisere Stimmen. Wild rollten die Augäpfel der gemarterten Gestalt in den Höhlen.
Sie schrie, qualvoll, herzzereißend.
Ein Name erklang, wieder und wieder drang er voller Verzweiflung über das Flammenmeer.

Unweit des Scheiterhaufens kniete ein Mann. Er war fest mit Stricken gebunden. Lange wohl hatte er gekämpft.Doch nun fehlte ihm die Kraft dazu, noch einmal gegen seine Fesseln aufzubegehren. Wer immer ihn verschnürt haben mochte, hatte ganze Arbeit geleistet. Der rothaarige Mann war zusammen gesackt. Seine zerrissene Kleidung war über und über mit Blut und Unrat beschmutzt. Er blutete noch immer aus vereinzelten Wunden, doch schien er den Schmerz nicht mehr wahrzunehmen. Die Fesseln hatten sich tief in sein Fleisch geschnitten. Das Gesicht war tränenüberströmt. Jede Farbe war aus seinen Zügen gewichen, die einen Ausdruck unendlicher Qualen trugen.
Seine Stirn berührte fast den Boden. Bei jedem Schrei , der an sein Ohr drang, ging ein Ruck durch den verkrampften , angespannten Körper.
Jeder Ton schien sich mit schmerzhafter Deutlichkeit in seine Seele zu brennen.

Mit der Zeit wurde das Rufen und die Schreie schwächer. Irgendwann übertönte das Tosen der Flammen und das Heulen des Windes jeden anderen Laut. Der Sin´dorei war zu Boden gesunken, unfähig, sich länger aufrecht zu halten. Doch keine erlösende Ohnmacht zog seinen Geist

Keuchend schoß die schlanke Elfe aus den Kissen hoch. Der weiße Stoff war nass von den tränen, die ihr im Schlaf die Wangen genetzt hatten. Das lange silberweiße Haar hatte sich in feuchten wirren Strähnen um ihren Kopf geringelt. Müde versuchte die Druidin das Haar zu bändigen. Doch gab sie nach einigen fruchtlosen Versuchen auf.
Liâna schlug die Decke zurück und erhob sich langsam von dem schmalen Bett, in das sie sich erst vor kurzem zu einem unruhigen Schlaf zurück gezogen hatte.
Die Sorgen und Ängste der letzten Tage und Wochen hatten sich wie ein bleierner Klotz auf ihr niedergelassen und nahmen ihr den Atem.
Es war der Alptraum des Jägers, der sie heimgesucht hatte. Vermutlich hatte dieser verhägnisvolle Abend und ihre Angst um ihn , ihn ein weiteres Mal real werden lassen. Sie empfand ihn als um so qualvoller, als das ihr nur zu gut bewusst war, das er für ihn irgenwann einmal bittere Realität gewesen sein musste.

In jenen Nächten, als er sich hoch fiebernd an sie klammerte, schweißnass und glühend ihre Nähe gesucht hatte, hatte sie einen Einblick in seine Seele bekommen, der ihr Herz tief berührt hatte.
Er hatte ungewöhnlich stark auf sie reagiert. Allmählich verstand sie , warum das so geschehen war.Mit verklärtem Blick hatten seine Hände sie gestreichelt, hatten ihren Bauch berührt im Glauben an sein ungeborenes Kind.

Ein seltsamer Name war es, mit dem er sie ansprach, dem ihren so unglaublich ähnlich.Es schwang soviel Liebe, soviel Hoffnung, soviel Erleichterung darin mit, das ihr das Herz weh getan hatte bei dem Gedanken an sein Erwachen, das ihn bitte enttäuschen musste.
Denn die Gestalt seiner Fieberträume war sie nicht. Und doch fragte er immer wieder nach ihr, nach dem Kinde, das sie vermeintlich in sich trug.

Und so blieb ihr nichts weiter übrig, als ihn in den Arm zu nehmen und festzuhalten, wenn neue Krämpfe ihn schüttelten. Stunde um Stunde saß sie an seinem Bett und kühlte seine glühende Stirn, flößte ihm Tee und Medikamente ein, um sein Leid zu lindern. Sie wunsch ihn ab, wechselte verschwitztes Bettzeug und Wäsche,nur um wenig später von vorne zu beginnen und die Stunde seines Erwachens zu erhoffen und gleichzeitig zu fürchten.

Der Schock, als er zu sich kam, hatte tief gesessen. Abermals war in seinen Augen etwas gebrochen. Und so hatte die zarte Gestalt der Druidin sich auf seinen Schmerz eingelasse, hatte seine Qualen in sich auf genommen, um ihm wenigstens ein bisschen Frieden zu geben, ihm wenigstens ein bisschen das Gefühl zu vermitteln, nicht allein zu sein.

Er war so mutlos, so verzweifelt gewesen in seinem Bemühen, dem jungen Mädchen beizustehen, ihm, dem das eigene Leben nicht bedeutete. Er, der nicht mehr jungen Sin´dorei war bereit, alles zu opfern, damit ein blutjunges Wesen, ein halbes Kind noch, nicht mehr weinen musste.. Aber gerade für das schwangere Mädchen musste er begreifen, das er leben musste. Es war an der Zeit für ihn, von Frau und Kind Abschied zu nehmen in der Gewißheit, das sie einstmals wieder vereint sein würden.Leicht werden würde das nicht für ihn.

Seufzend zog die Kaldorei einen dünnen Umhang über das schlichte Nachthemd, in das sie gekleidet war und schritt barfüßig trotz des Windes und der Kälte hinaus. Ihre Schritte führten sie nicht zu der kleinen Kapelle, die sich mit dunkler Silhouette gegen die Nacht erhob. Nur kurz verharrte die Elfe beim Hinausgehen, um ein paar Dinge in ihrer Tasche zu verstauen. Mit leisem Klappen schlug die Tür hinter ihr zu. Es zog sie hinaus ins Freie.
Mit wehendem Haar und wallendem Umhang schritt die Druidin hoch aufgerichtet durch die stümische Nacht und folgte dem Pfad zu den Klippen, die sich hoch über dem Meer erhoben. Dort angekommen kniete sie im Schatten der Felsen nieder , um in einer kleinen Höhlung eine Kerze zu entfachen. Mehrfach schlug der aufkommende Sturm die Flammen aus, ehe es ihr gelang, sie zum Brennen zu entfachen. Von den Händen der Elfe geschützt barg sie die Kerze in der Höhle, die die Elemente in den Felsen gegraben hatten.
Mit klammen Fingern löste sie die Fibel , die den Umhang vorne verschloß und verstaute auch ihn sorgfältig in einer Bodenspalte. Hoch aufgerichtet zu voller Größe trat die silberhaarige Kaldorei auf den Felsen hinaus und lenkte ihre Schritte bis ganz an den Abgrund, der tief unter ihr gähnte.
Der frische Meereswind wirbelte ihr Haar wie Nebelschleier im Wind. Am tiefdunklem Firmament des Himmel blitzten immer wieder vereinzelte Sterne hervor. Der Mond schickte sein fahles Licht durch vereinzelt aufreißende Lücken in den Wolken.

Liana breitete die Arme aus und hob den Blick zu den Sternen empor. Sie trotze dem Wind und dem Tosen des Meeres, ließ die Gewalten der Natur auf sich wirken.
Lange Minuten verharrte sie so. eine schmale schlanke Gestalt, die sich hell gegen die Dunkelheit abhob. Nach schier endlosen Augenblicken erhob sich eine warme Altstimme zu einem Gesang, der gleich den Wogen , die gegen die Felsen brandeten, zunächst kaum zu hören war. Doch je länger sie dort oben stand, desto kraftvoller wurde er. Stark und sicher drang er in die Weite der Nacht, trugen die Töne empor . Sie schienen auf den Schwingen des Windes dahin zu gleiten, mischten sich mit seinem Rhythmus und nahmen ihn in sich auf. Die Elfe führte die Arme in einer umfassenden Geste hoch über die Kopf empor, als wolle sie das Sternenzelt, das sich über ihr erstreckte umarmen. Wie auch die Arme, so erreichte ihre Stimme den Gipfel, um dann in sanften weichen Akkorden hinauszutragen. Sie sang für die Schwester des Volkes, die sie niemals kennenlernen würde , sang für das Kind, das diese unter ihrem Herzen getragen hatte., bat um Friede für die gequälte Seele des Mannes, der ihnen die Liebe und die Treue bewahrt hatte. Die schlanken Hände glitten vor dem Körper hinab, die Dienerin Malornes ging in die Knie und neigte ihr Haupt in stillem Gedenken. Mit ruhiger Stimme suchte sie die Zwiesprache, suchte sie die stille Einkehr zu den Göttern, denen sie diente.
Liana bat um Hilfe in ihrem Bemühen, den richtigen Weg zu finden, die richtigen Worte zu finden, um dem Jäger zu helfen, dessen Schicksal ihr so nahe ging.
Mit ruhiger Stimme sprach sie die Worte, richtete ihre Bitte an die Verstorbene, dem Gefährten, der ihr zur Seite gestanden hatte, zu verzeihen und ihm Frieden zu schenken.
Der Wind nahm die Worte der Elfe auf und trug sie weit über das Meer hinaus.
Schweigend sodann kniete Liana hoch oben auf den Klippen , die schmale Stirn berührte fast den Boden. Die Hände stützen sich zu beiden Seiten des Kopfes auf dem rauen Stein ab.
Sie war ein Kind der Wälder, ein Geschöpf der Natur und der Wildnis. Hier suchte sie auch Ruhe und Zuflucht , suchte selbst den Zustand des inneren Friedens zu erlangen, den sie vermitteln wollte. Das Licht der Sterne schien als Hoffnungszeichen über ihr. Das Licht des Mondes erhellte die Elfe mit silbernem Schein und lies ihr Haar schimmern.
Mit leiser Stimme nun beendete sie ihre Klage, ihr Gebet. Sie erhob sich in einer fließenden anmutigen Bewegung und vermeigte sich mit vor der Brust verkreuzten Armen noch einmal tief vor der Tochter ihres Volkes, die sie niemals kennenlernen würde und deren Name dem ihren so ähnlich war.
Es war ein Versprechen, das sie dort in jener Nacht gegeben hatte . Mit der festen Entschlossenheit, es zu halten nahm sie nun den Umhang zur Hand und legte ihn um ihre schmalen Schultern.
Ein letzter Blick der silbernen Augen verlor sich in der Weite der Nacht. Ein letzter stiller Gruß hob sich zum Himmel empor.
Langsam und leise wie sie gekommen war, betrat sie den Pfad zwischen den Klippen, der sie zurück führte . Liana folgte ihm nachdenklich und still. Hinter ihr , in der Höhlung des rauen Felsens schimmerte das schwache Licht der Kerze als Bastion gegen die Einsamkeit und die Dunkelheit in den Herzen derer, denen keine Ruhe, kein Frieden vergönnt war, leuchtete weiter als Zeichen der Hoffnung in der winddurchtosten Nacht.

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