Feuer
von gwennifer

 

Wieder war es Nacht geworden. Eine weitere inmitten der Wälder Teldrassils. Noch immer verdämmerte der Kater die meiste Zeit des Tages und der Nacht. Auch in dieser Nacht ruhte er auf seinem weichem Lager, hatte erschöpft die Augen geschlossen, kaum das er darauf nieder gesunken war. Noch ehe ihn Ysedra tief in ihre Umarmung genommen hatte, überkam Ogrody ein Schwindelgefühl. Die Welt, die den angeschlagenen Druiden umgab, begann sich zu drehen. Er hatte das Gefühl, in einen tiefen Strudel aus Schwärze hinein gezogen zu werden. Jegliche Orientierung ging ihm verloren. Es gab kein Oben und Unten mehr, keine Stunde und keine Minute. Zeit um Raum verloren jede Bedeutung, während er hilflos durch die Leere trieb. Seine Kehle wurde eng. Kaum vermochte er noch, seine Lungen mit Luft zu füllen. Es mochten nur Sekunden vergehen oder auch Minuten. Doch ebenso konnten auch Jahre, ja selbst Jahrtausende an ihm vorbei gezogen sein. Die Last vieler Jahrhunderte ruhte schwer auf seinen Schultern und drückte ihn zusammen. Schwer wurde sein Atem, hechelnd rang das Raubtier nach Atemluft. Kein Laut durchbrach die Stille um ihn herum. Kein Lichtstrahl vermochte sein Auge zu fassen. Es mochte eine Ewigkeit vergangen sein, ehe sein schmerzender Körper endlich zur Ruhe kam.
Ogrody fühlte wieder Boden unter seinen Füßen. Seine Pranken sanken in faulendes Laub. Keuchend rang er um Atem, doch bereute er dieses im gleichen Augenblick. Es stank nach Tod. Nach Tod und Verwesung, nach Verderbnis jener Art, vor der alles Leben floh. Und noch etwas lag darin, das seine verwirrten Sinne noch nicht einzuordnen vermochten. Fort wollte er von diesem Ort. Nur weg. Eng an den Boden geduckt setzte er sich in Bewegung. Instinktiv wusste er, das er sich im Eschental befand. Doch wo war er? Und warum war er hier? Der Kater schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben. „ Ogrody...!“ erklang ein verzweifelter Schrei durch die Nacht. Doch keine Stimme verlieh ihm einen Klang. Gleich einem Dolch schnitt sich er sich in die Seele des Druiden , schien hier selbst seinen Ursprung zu haben. „ Ogrody!“ gellte es noch einmal. Sein Herz tat einen einzelnen schmerzhaften Schlag. Wie von einem Peitschenhieb getroffen schoß der schwarze Räuber nach vorn.

Krachend und polternd drang er durch das Unterholz, achtete nicht auf das, was um ihn herum geschah. Schneller, nur schneller! Er musste rennen.. laufen und wusste selbst doch nicht wohin. Längst schon hatte Ogrody die Orientierung verloren. Erde und Steine sprangen zur Seite fort, wenn er in vollem Lauf auf sie trat. Zweige und Äste brachen unter seinem Tritt, während er gehetzt durch den Wald floh. Wind kam auf, wuchs zu einem Sturm an, der heulend an den Kronen der alten Bäume riß. Tiefschwarze Wolken jagten am Himmel entlang und verdunkelten das Licht von Mond und Sterne. „Ogrody...!“ schrie es ein drittes Mal voller Verzweiflung in ihm. Und doch wusste er genau, das nicht er es war. Rauch! Irgendwo brannte es. Er kratzte in seinen gemarterten Lungen und schnürte ihm die Kehle zu. Wieder stank es nach Tod und Verwesung, nach dämonischer Verderbnis , das es kaum zu ertragen war. Er wollte nicht hier sein.. er wollte nicht verweilen. Krampfhaft versuchte der Kater, seinem traum zu entfliehen. Doch dieses gestattete man ihm nicht. Es trieb ihn weiter und weiter. Auf zitternden Läufen und mit bebenen Flanken hetzte der Kater durch die Dunkelheit . Schwere Regentropfen platschten hernieder. In wenigen Minuten war er bis auf die Haut durchnässt. Der Sturm jaulte in seinen Ohren , peitschte ihm den Regen schwer ins Gesicht. Schlamm heftete sich an sein Fell und seine Pfoten. Nach einer gefühlten Ewigkeit brach er durch einige dornige Büsche auf eine kleine Lichtung. Am Ende seiner Kraft brach der Kater zusammen. Er wollte die Augen schließen, sich ausruhen , doch auch das war dem geplagtem Druiden nicht vergönnt.

Von einem ungutem Gefühl geplagt, hob er schwer atmend den Kopf . Seine scharfen Augen spähten in die Finsternis. Was er aber erblickte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Das sonst so saftig grüne Gras des Waldes war schwarz verbrannt. Giftgrüne Schleimbahnen durchzogen die Lichtung. Die vereinzelten Sträucher, die hier gestanden hatten, waren verdorrt, als hätte ihnen etwas das Leben ausgezogen. Witternd hob der Kater die Nase. Der Geruch nach Blut brachte ihn fast um den Verstand. Selbst er erkannte , das es hier einen Kampf gegeben hatte. Ogrody musste sich nicht lange umschauen , ehe er begriff, was sich hier zugetragen hatte. Unweit von ihm lag die Leiche eines Dämonen, eines Satyren. Doch er war nicht das einzige Tote , das auf dem Schauplatz des Kampfes zurück geblieben war. Gut drei Schritt dahinter lag etwas, das ihn zutiefst erschütterte. Der leblose Körper war noch um ein gutes Stück größer als er. Das tiefdunkle Fell war an vielen Stellen zerrissen und mit Blut beschmiert. Tiefe Wunden hatten die Klauen der Dämonen in den Kämpfer gerissen. Es war ein nachtschwarzer Panter . Ein altes kampfstarkes Tier musste es gewesen sein, das schon so manchen Kampf bestritten hatte. Hier und heute hatte das Raubtier seinen letzten Kampf gesehen. Leicht hatte er es seinem Gegner sicher nicht gemacht. Und doch war er am Ende gefallen. Seine offenen leblosen Augen starrten blicklos in die Nacht. Regenwasser hatte sich in ihnen gesammelt und floß zu den Augenwinkeln hinab, Vermischte sich mit Schweiß und Blut. Die blutigen Tränen des gefallenen Katers tränkten die verbrannte Erde.

Ein Brüllen entrang sich der Kehle des Druiden, doch kein Laut durchbrach die unheimliche Stille. Als würde dieser Anblick nicht genügen, wandte er gezwungen seinen Kopf. Auf der anderen Seite erhoben sich vereinzelte Hügel aus dem verbranntem Gras. Große und Kleine.. massigere und schlanke. Und einige, die kaum als solche zu erkennen waren. Trauer erfüllte ihn , als er erkannte, das dort weitere Katzen lagen. Kalt und steif ruhten sie auf der verderbten Lichtung, die einstmals wohl ihr Heim, ihr Revier gewesen war. Ogrody fühlte mit trauriger Gewissheit, das das ganze Rudel des alten Kämpen ausgelöscht worden war. Mutig hatten sie ihre Heimat verteitigt. Doch die Tiere hatten keine Chance gegen die angreifenden Dämonen gehabt. Bis auf das letzte Rudelmitglied waren sie dahin geschlachtet worden. Er wollte den Blick abwenden., wollte sie nicht sehen, jene, die noch vor kurzem warme lebendige Katzen wie er gewesen waren. Doch die grausame Logik des Traumes zwang ihn, sie anzuschauen. Allmählich erkannte er die schlanken anmutigen weiblichen Tiere, die mächtigen sehnigen Kater und die zierlichen verspielten Welpen darunter. Welpen, wie auch er einmal einer gewesen war. Sein Nackenfell sträubte sich.

In der Mitte der Lichtung bewegte sich etwas. Angstvoll versuchte sich der Druide, wieder in den Wald zurück zuziehen, doch auch das wurde ihm nicht erlaubt. Feuer flammte auf, bislang wohl schwelend nur, hatten sich die Flammen am nassen Holz empor gefressen und leckten gierig nach den Scheiten. Einige hochgewachsene Gestalten, Männer und Frauen mit harten Gesichtern, denen kaum eine Regung anzusehen war, betraten den Schauplatz. Während einige mit gezogenen Waffen um den errichteten Scheiterhaufen
Aufstellung genommen hatten, begannen andere die Leichen einzusammeln und den Flammen zu übergeben.Als eine der kleineren Körper an der Reihe war, schrak Ogrody bis ins Mark zusammen. „ Ogrody.....!“ schrie es voller Panik und doch lautlos ganz nahe bei ihm. Ein Schluchzen, vom Tosen des Windes hinfort gerissen drang an sein Ohr. Etwas streifte seine Flanke und brach durch Zweige und Sträucher hindurch zurück in den Wald, floh vom Orte des Grauens. Endlich gelang es ihm , den Kopf zu wenden, doch er sah nur noch einen Schatten in der Dunkelheit verschwinden.

Jaulend fuhr der Kater von seinem Lager hoch.

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