Flüstern im Wind
von gwennifer
Tiefe Ruhe erfüllte die kleine Hütte im Herzen Tedrassils. Totmüde war der Kater in einen Schlaf gesunken, der ihn weit in Yseras Reich führte. An seiner Flanke, eng an ihn geschmiegt ruhte das kleine Gewicht des Kindes, das ihm und Gamp unter so ungewöhnlichen Umständen überreicht worden war. Als Ogrody den Jungen das letzte Mal gesehen hatte , war jener noch ein Säugling gewesen. Nicht älter als ein paar Monde. Die dramatischen Ereignisse einer längst vergangenen Nacht waren fast schon aus seinen Erinnerungen verschwunden. Und doch.. plötzlich war die Vergangenheit wieder ins Licht getreten. Wie es so oft schon geschehen war, hatte sie ihn eingeholt.
Seine Intension, sich möglichst schnell wieder in den Schutz der Wildnis, fernab allen zweibeinigen Lebens zurück zuziehen, war fehlgeschlagen. Und es sah nicht so aus, als ob ihm das in nächster Zukunft möglich wäre. Er war verunsichert gewesen, traf er doch zum ersten Mal ganz bewusst auf Liana die ihr erstes Kind erwartete. Der Wunsch zu fliehen war groß gewesen. Dieses jedoch hatte die Druidin geschickt zu verhindern gewusst und auch ihr Gefährte hatte sie unterstützt. Der Nachtwind wehte durch die offene Tür hinein und sang unter den Sternen ein Lied. Die Blätter des nahen Waldes rauschten sanft . Zuweilen durchbrach der Schrei einer Eule die Dunkelheit. Weit in der Ferne stieg der Ruf eines Nachtsäblers dem Mond entgegen. Der nachtschwarze Kater auf der schlichten Lagerstatt begann zu träumen. Unruhig begannen sich die Pranken auf den Polstern zu bewegen.
Undurchdringliche Dunkelheit umgab ihn wie eine einzige kompakte Masse. Die Schatten darin bewegten sich in einem filigranem Tanz. Er streifte wie so oft durch die dunklen Wälder des Eschentals, folgte verborgenen Pfaden, die er seid seiner Kindheit nicht mehr gegangen war. Nebel stieg aus den Tälern empor und zog in flüchtigen Schwaden dicht über dem Boden dahin. Der Waldboden, dick mit faulendem Laub und Nadeln bedeckt, federte unter seinen Pfoten. Die Ohren spielten , als lauschten sie den Tritten der Beute. Eng an den Boden geschmiegt schlich das mächtige Raubtier voran. Noch konnte er sie nicht sehen, war zuweit entfernt. Zu dicht war das Unterholz , das ihn verbarg. Ein eigenartiges Gefühl beschlich den Jäger. Das kurze Nackenfell stellte sich auf. Beobachte IHN etwa jemand .. oder etwas? War der Jäger zum Gejagten geworden? Hakenschlagend duckte er sich tiefer ins Gebüsch, versuchte einen kreisförmigen Pfad einzuschlagen, um seinen Weg weit hinter sich zu kreuzen und seinen Verfolger stellen zu können. Doch seine feine Nase trug keine Witterung an ihn heran. Mit einem trockenem Knacken brach ein Zweig unter seinem Tritt. Erschrocken schnellte er zur Seite. Mit bebenden Flanken kroch der Kater in eine Mulde. Seine schweren Atemzüge waren laut, viel zu laut. Die Spannung, die ihn ergriffen hatte , hielt ihn lange Augenblicke gefangen. Regungslos verharrte er unter den dornigen Zweigen.
Wind kam auf, ließ die Blätter der uralten Baumriesen rauschen . Äste und Zweige schwankten im Wind. Ein Flüstern, ganz leise und nicht zu verstehen trug er durch die Finsternis. Ein Zittern lief über das Fell des Katers. Eine Ahnung beschlich ihn. Kalt schien eine Hand nach seiner Kehle zu greifen, als ihn das Flüstern des Windes erreichte . „Ogrody...“ erklang der leise, schwache Ruf durch die Dunkelheit. Er schoß aus seiner Mulde empor, richtete sich auf. Unruhig war der Ohren spiel, die versuchten, Richtung und Entfernung zu bestimmen. Es war die Stimme einer Frau, die nach ihm rief. Die Jahre hatten sie dunkel gefärbt. So sehr er sich auch bemühte, so vermochte er nicht, ihr Herkunft auszumachen. Der Wind wehte von hier nach dort, über Täler und Berge . Und wieder erklang das leise ...“ Ogrody...“ Lag Sehnsucht in jener Stimme? Ein Gesang, klagend und von Leid getragen erhob sich für einige Minuten über den Kronen der Baumriesen. Als der Wind ihn hinfort trug, flüsterte es ein letztes Mal sehr leise seinen Namen.
Und noch immer lag die Stille der Nacht über der kleinen Hütte in Teldrassil