Sekttanz der vergessenen Ausstellungsobjekte
von Daniela Schmidt (danielaschmidt)

 

Mehr denn je wird in der heutigen Zeit, die Kunst zur narzisstischen Selbstdarstellung des Künstlers. Die bildende Kunst rückt in den Hintergrund und der Markt überläuft sich seit langer Zeit von selbst. Angebot und Nachfrage dominieren das Feld. Was ist schick? Welcher namhafte Künstler stellt aus?
Am Anfang meines Studiums der bildenden Kunst war ich sehr an den Werken interessiert. Ich bin von einer Ausstellung zur nächsten gelaufen und erblickte die ausgestellten Werke mit den Augen eines Kindes. Ich freute mich über die schönen Farben, die Form und Bildgestaltung, über die Motivwahl, Abgründe und Tränen in den Bildern. Die Geschichten und Biografien der einzelnen Maler nahmen mich gefangen. Ich träumte davon, eines Tages mit meiner Kunst Geld verdienen zu können, doch was ich sah, hat mich zutiefst bewegt: Vor Ort tanzten hysterische Persönlichkeiten durch die Hallen und würdigten die ausgestellte Kunst nur flüchtig im Vorbeigehen.
Das Primärziel der Menschen war es, um jeden Preis gesehen zu werden. Wer ist da, wie sehe ich aus, wen könnte ich für wichtige Kontakte nutzen? Die Kuratoren nutzten das große Feld, um sich ein wenig besser ins Licht zu rücken. Sie gaben vor, den Künstler und seine Kunst fördern zu wollen. Wer es geschickt verstand, sich im Enddarmbereich des Kurators zu bewegen, der hatte gute Karten, ausstellen zu dürfen. Natürlich gab es auch Kuratoren, die den Künstler wirklich förderten, die waren aber leider von seltener Natur.
Wenn man es dann tatsächlich geschafft hatte, eine Ausstellungsmöglichkeit zu Ergattern, aus welchen Gründen auch immer, floss der gesponserte Sekt in Strömen und die Vernissage konnte beginnen. Die Eröffnungsrede wurde verschlafen, oder mit der späteren Anwesenheit geschickt übersprungen. Geduldig wartete man, bis das Buffet eröffnet wurde, um sich auf den Sekt und das Essen zu stürzen. Die kultivierten waren meist die Ersten, direkt neben den Spiegeltrinkern und Kunststudenten.
Der Alkohol war schon nach einer halben Stunde vergriffen, die Besucher mussten sich für den Stumpfsinn, Small-Talk, die Koketterie und Selbstdarstellung aufwärmen. Die wenigen schweigsamen Kunstliebhaber, Betrachter und Genießer unter ihnen traten leise auf und verließen die Bühne unauffällig. Sie waren die Stillen unter den Hysterikern. Sie beschauten Bilder, nippten an ihren Gläsern und hatten kein großes Bedürfnis, sich unter die small-talkenden Narzissen zu wühlen.
Da gab es noch die Mitläufer, die sich den Rampensäuen anschlossen, um ein Stück des Kuchens ab zu bekommen. Die zwanghaften Party- und Ausstellungsgänger, die man mindestens einmal wöchentlich traf, konnten nur all zu schwer allein sein und brauchten die Gesellschaft, um sich selbst sehen zu können. Der unsichtbare Spiegel trug sich so gut. Nicht zu vergessen die postpubertären Studenten der Szene und ihren Freundeskreis, die nichts Besseres zu tun hatten, als an kostenloses Essen und Getränke heran zu kommen und Frauen für den Abend klar zu machen.
Aber was war mit der Kunst? Wo blieben die Bilder, auch danach? Sie mussten sorgfältig abgehängt und wieder verpackt werden, denn die nächste Ausstellung wartete bereits.

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