Ein Hinterhalt
von gwennifer

 

Es war ein ganz normaler Morgen im Laubschattental. Das frühe Licht der Sonne brach durch das Laub der hohen Bäume und zeichnete ein tanzendes Muster auf den grünen Boden des Waldes. Vor dem Haus der jungen Kaldorei standen zwei Säbler und warteten ruhig auf die Ankunft ihrer Reiter. Die Sättel waren bereits auf den Rücken der mächtigen Katzen befestigt. An den Seiten hatten zusammengerollte Bündel ihren Platz gefunden. Aus dem offenen Fenster drang eine leise Unterhaltung. Am Tisch saßen sich eine noch recht junge Elfe mit langem nachtblauen Haar und ein blonder Mann , der in der Blüte seines Lebens stand, gegenüber und besprachen anscheinend die letzten Reisevorbereitungen. Sie war in eine lange blauschwarze Robe gekleidet, die mit rotem Nähten abgesetzt war. Der schwere warme Stoff umschmeichelte ihre schlanke Gestalt und ließ sie noch zarter erscheinen. Er trug eine bläulich schimmernde Rüstung über einem Unterkleid aus feinem Wollstoff. Die Platten saßen perfekt an seinem Körper und passten sich jeder seiner Bewegungen mit einem leisem Klirren an. Er trug ein Schwertgehenk mit einer auf den ersten Blick recht unscheinbar gearbeiteten Klinge. Erst beim zweiten Hinsehen war die meisterliche Verarbeitung des Stahls zu erkennen. Ein Schild lehnte neben ihm am Tisch und wartete darauf, an seinem Rücken befestigt zu werden. Die schweren Schulterstücke, Handschuhe und Armschienen verliehen ihm ein wuchtiges massives Aussehen. Das halblange goldblonde Haar war vorne fest in zwei Zöpfe eingeflochten und mit einem festen Band umwickelt, damit sie ihn im Kampf nicht störten. Tarnis war seid langem ein guter Freund der Elfe und ihrer Schwestern. Mit Bruder aber verbanden ihn feste Bande, seid er dem schweigsamen Schurken einstmal das Leben gerettet hatte. Obwohl er eines Menschen Sohn war, stand er dem Volk der Kaldorei sehr nahe. Dieses hatte ihn vor langer Zeit in den Tempel geführt, um den Segen der Mondgöttin aus der Hand der ältesten der drei Schwestern zu erbitten. So hatte die Geschichte einer wundervollen andauernden Freundschaft begonnen.

Am heutigem Tage war er mit dem Morgengrauen erschienen. Der Krieger, dessen Streben nach dem Schutz der ihm Anvertrauten galt, hatte erfahren, das die noch recht junge Priesterin zu einer Studienreise aufbrechen sollte, die durch unwegsames Gelände und gefährliche Gegenden führen sollte. Es war ihr Auftrag,seltsame Vorgänge zu erforschen, die aus einem kleinen abgelegenen Dorf im Siberwald berichtet worden waren,. Anscheinend standen die dort lebenden Dorfbewohner unter einem seltsamen Fluch, der sie des Nachts in reißende Bestien verwandelte und sie zu einer Gefahr für die umliegenden Siedler werden ließen. Das Oberhaupt des Dörfchens selbst hatte sich in seiner Verzweiflung an den Tempel zu Darnassus gewand, nachdem selbst die Kirche der Menschen hatte keine Hilfe bringen können. Als Tarnis erfahren hatte, das Morgana dazu auserkoren war, den Menschen dort wenn möglich Hilfe zu bringen, hatte er darauf bestanden, sie zu begleiten. Es war ihm zu gefährlich, die junge Dienerin Elunes alleine ziehen zu lassen. Zwar verfügte sie über eine hervoragende Ausbildung und hatte sich im Kampf bewährt, doch das konnte dem blonden Recken die Sorge um die Freundin nicht nehmen. Er hatte seine Heimat verlassen und war mit deutlichen klaren Worten zu ihr gekommen, um ihr bei ihrer gefahrvollen Mission beizustehen.

Sie hatte sein Angebot dankbar angenommen, scheute sie sich doch ein wenig vor der langen Reise und der Einsamkeit, die sie würde ertragen müssen. Mit flinken Händen hatte Morgana ihnen ein einfaches Frühstück bereitet, Wegzehrung und Proviant in Säcken verstaut und alles auf dem Rücken der mächtigen Katzen befestigt, die ihnen als treue Reittiere dienen würden. Nun tranken sie in friedlicher Gemeinsamkeit eine letzte Tasse Tee, um dann gemeinsam aufzubrechen, wohin auch immer ihre Aufgabe sie führen würde. Lächelnd sah Morgana zu ihm auf. „Ich danke dir noch einmal, das du mich begleitest.“ sprach sie mit warmer Stimme. Er winkte nur ab und schenkte ihr ein Lächeln aus seinen blauen Augen. „ Ich komme gerne mit. Es ist mal eine wunderbare Abwechlung zum eintönigen Alltag.“ erwiderte er und trank die Tasse mit wenigen beherzten Schlucken leer. Mit leisem Klirren stellte er sie zurück auf die Untertasse und lehnte sich entspannt zurück. Er nahm sein Schild und ließ mit einer routinierten Bewegung den Arm in die Lederschlaufe gleiten, die von langjähriger Übung und sicherer Handhabung sprach.

Mit einer kraftvollen Bewegung erhob sich der Mann und nahm die letzten Bündel mit den Reiseutensilien zur Hand. „ Was um Elune willen hast du vor? Willst du da einziehen?“ scherzte er beim Anblick des doch recht umfangreich gewordenen Gepäcks. „ Eigentlich nicht.“ gab die Elfe lachend zurück. „Aber da ich nicht weiss, was mich erwartet, bin ich auf alles mögliche vorbereitet.“ Die Priesterin schloß den Reiseumhang mit einer Spange und schulterte ihre Tasche. „ Lass uns aufbrechen. Der Weg ist weit und wir sollten noch ein gutes Stück heute voran kommen.“ bat sie und ließ einen letzten Blick prüfend durch den Raum gleiten. Alles war peinlich sauber aufgeräumt. Es gab nichts mehr zu tun, als Fenster und Türen zu verschließen und sich auf den Weg zu machen. Hinter dem Krieger verließ sie ihr kleines beschauliches Heim.
Keiner der beiden ahnte, das sie es so nie wieder betreten würden.

Mit kraftvoller Eleganz bestiegen die beiden so unterschiedlichen Freunde die Rücken der mächtigen Säbler und lenkten sie mit sicherer Hand auf den kleinen Pfad, der sich durch den Wald erstreckte.

Nachdem sie ein paar Tage unterwegs gewesen waren, stellte sich zwischen den beiden so unterschiedlichen Freunden diese eigenartige Verbundenheit ein, wie man es oft erlebt. Sie unterhielten sich, wenn sie das Bedürfnis dazu hatten oder ritten in stillem Einvernehmen nebeneinander her. Nachts rasteten sie oft in kleinen Gasthöfen , doch noch öfter schlugen sie ihr einfaches Lager dort auf, wo sie einen schönen Platz fanden. Am Ufer kleiner Seen oder im Windschatten karger Felsen sah man beim Einbruch der Dunkelheit das kleine Lagerfeuer in die Nacht hinein leuchten und einen kleinen Kreis gemütlicher Wärme schaffen. Während der Krieger das Zelt aufbaute, entfachte die junge Priesterin mit geschickten Händen das Feuer und bereitete auf einem Dreibein, das darüber gestellt wurde und in das man einen Kessel einhängen konnte, ein einfaches, doch schmackhaftes Mahl für sie beide zu. Wenn Tarnis die beiden Säbler versorgt hatte, setzte er sich zu ihr. Gemeinsam aßen sie, was immer die Satteltaschen oder die kurze Jagd während der Reise ihnen beschert hatten. Gemeinsam sahen sie dem aufgehenden Mond und den Sternen zu, die über ihnen am nächtlichen Firmament erstrahlten.

In der letzten Nacht, bevor sie das kleine Dorf im Silberwald erreichen würden, rasteten sie auf einer kleinen Lichtung, die von hohen Tannen gesäumt wurde. Dunkel hoben sich die Schatten der alten Baumriesen im Licht des Mondes von ihrer Umgebung ab. Die junge Kaldorei saß in ihren Reiseumhang gehüllt am Feuer . In ihren Händen drehte sie eine Tasse dampfenden Tees. Ein beklommenes Gefühl hatte sich ihrer bemächtigt. Fast schien eine stählerne Faust sich um ihr junges Herz zu legen. Mit nachdenklichem Blick sah sie schweigend in die Glut. „ Was hast du?“ fragte der blonde Mann seine Reisegefährtin. Er hatte seine Rüstung abgelegt und mit leichtem Lederzeug vertauscht. Schild und Schwert lagen unweit von ihm vor dem kleinen Zelt. Bisher waren sie gefahrlos ihrem Weg gefolgt. Nichts hatte die ruhige friedliche Stimmung der beiden getrübt. Er hatte zuvor in einem der kleinen eiskalten, aber glasklaren Gebirgsbäche ein Bad genommen und sich den Staub der Reise von Haar und Haut gespült. Das noch feuchte Haar hing ihm leicht strähnig um den Kopf und gab ihm ein ungewohnt verwegenes Aussehen zu seiner ansonsten sehr gepflegten Erscheinung. Morganas Haare waren im Nacken mit einem Band zusammengebunden. Auch sie waren noch nicht trocken und einzelne freche Strähnen ringelten sich verspielt um die rosig angehauchten Wangen der jungen Frau.
„ Ich weiss es nicht.“ seufzte sie und sah zu ihm hinüber. „ Es .. ich kann es nicht beschreiben...“ Sie stockte, als trotz der Glut, die die Umgebung wohlig erwärmt hatte, ihr ein eisiger Schauer über den Rücken ran. Fast übermächtigt wurde das Gefühl drohenden Unheils in ihr. Morgana presste die Lippen fest zusammen und schüttelte den Kopf.
„ Es ist nichts..Mach dir keine Sorgen.“ versuchte sie den doch recht besorgt zu ihr sehenden Mann zu beruhigen und lächelte ein wenig gezwungen. Sie reckte sich und rutschte ein wenig näher ans Feuer, um die Kälte aus ihren Gliedern zu vertreiben. Doch es war nicht die Kälte der Nacht, die sie zittern ließ und so umfassten ihre Finger den Becher mit heißem Tee eine Spur zu fest, als das sie ihren Gefährten hätte beruhigen können.

Sie sah lange schweigend ins Feuer. Ruckartig erhob sie sich nach endlosen Minuten und trank mit einer entschlossen Bewegung ihren Becher leer. „ Ich leg mich hin, Tarnis. Irgendwie.. finde ich keine Ruhe.“sagte sie, stellte den leeren Becher neben den Holzklotz, auf dem sie gesessen hatte und wandte sich dem Zelt zu. Die junge Frau verschwand darin und legte sich auf ihr Lager. Tarnis blieb nachdenklich am Feuer sitzen. Warum war sie nur so verstörrt gewesen. Das war doch sonst nicht ihre Art. Seufzend griff er nach einem Umhang und schlang ihn fest um seine Schultern. Ein leises Knacken erklang hinter ihm im Wald. Er stand auf, sah sich um.. und wollte zum Zelt hinüber gehen.
Das war die letzte Bewegung, die der blonde Krieger in seinem Leben machen sollte. Er spürte noch, das ihn etwas schwer am Hinterkopf traf. Sein Schädel schien zu explodieren. Bunte Ringe kreisten vor seinen Augen. Seine Beine machten noch ein paar Schritte in die Richtung, in die er gestanden hatte, dann brach er blutüberströmt zusammen. Die Schatten der Finsternis begannen zu leben. Wogend brachen sie lautlos aus dem dichten Unterholz hervor. Das Flackern des Feuers erstarb.
Die Dunkelheit senkte sich über die Lichtung, auf der das reisende Paar Halt gemacht hatte. Wogend wie die Wellen des Meeres brach die Schwärze über das kleine Zelt. Der angstvolle Schrei einer jungen Frau erscholl noch einmal. Dann senkte sich die Stille über das Land.

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