Freitag morgen
von Roman Biewer

 

Freitag morgen. Furchtbar früh. Oder spät – wie man es nimmt. Wieviel Uhr genau? Nein, ich sehe nicht nach. Würde alles nur schlimmer machen. Mein Gott, schon wieder so lange wach gelegen? Wie schlimm kann es noch werden? Andere Leute schlafen jetzt jedenfalls. Nicht alle. Aber die, die es nicht tun, haben gute Gründe. Arbeit. Party. Spaß. Lebensfreude. Zumindest Bejahung.

Warum schlafe ich nicht? Zu viele Gedanken? Nein. Zu viel Streß? Nein. So fing das vielleicht an. Aber das ist es längst nicht mehr. Hat sich verselbständigt. Lege mich oft ins Bett, fühle mich dabei relaxt, entspannt, und vor allem müde. Klar, der Gedanke „werde ich schlafen können?“ ist immer dabei. Wie auch nicht, wenn das mittlerweile zu einem zentralen Wunsch im Leben wird, da es selten klappt. „Wenn man müde genug ist, kann man auch schlafen“, „Ablenkung“, „müde machen“. Ja, alles wahr, und alles falsch. Das, was in mir nicht schlafen will, ist stark, verdammt stark. Tagsüber Sport machen, oder meditieren, arbeiten, entspannende und beruhigende Mittel nehmen: Alles schlaffördernd, schon richtig. In dem Sinn, daß man jetzt sogar noch besser schläft. Vorausgesetzt: Man hätte ohnehin schlafen können. Schaltet der Einschlafmechanismus aber auf stur, kann man körperlich plattgemacht, geistig entspannt, und mit Mitteln vollgepumpt sein. Es läuft einfach nicht. Natürlich würde eine chemische Keule helfen. Aber unter diesen Umständen in erster Linie, um möglichst schnell ein Medikamentenabhängiger zu werden.

Am Anfang denkt man: Wie furchtbar, unter etwas zu leiden, was einem alle Energie raubt. Nach einer Weile denkt man: Erstaunlich, mit wie wenig Schlaf man doch irgendwie bestehen kann, also was soll’s? Und die seltsame Entrückheit, in der man sich ständig befindet, hat schließlich auch was für sich!
Dieses Denken ist unheimlich wichtig. Man braucht diese scheinbare Scheißegalhaltung, um überhaupt wieder zur Normalität – und damit zu normalem Schlaf zurückzufinden. Man nimmt sich die furchtbare Beklemmung, die alles zu einer Abwärtsspirale werden läßt.

Hat man auch diese Phase hinter sich und schläft immer noch nicht, denkt man nichts mehr, höchstens: Scheiße, ich will nicht mehr.
Doch der nächste Tag kommt, die nächste Qual, ein weiterer Hoffnungskeim auf die kommende, möglicherweise Erlösung spendende Nacht. Wird es diese sein? Egal, muß nicht, dann eben die nächste. Ich brauch‘ keinen Schlaf! Ich nicht! Doch? Wenn, dann werde ich schon schlafen, spätestens, wenn ich umfalle und tot bin, und dann hole ich alles nach.


rest in peace

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