Der Autor sitzt an seinem Schreibtisch. Vor ihm die Geschichte, die er geschrieben hat. Viele Seiten. Eine sehr dramatische und auch schöne Geschichte. Ein langes hin und her. Viele Gefühle. Viele Bilder. Jetzt muss sie bearbeitet werden. Er schraubt die Flasche mit dem Tipp Ex auf und beginnt den Text zu lesen. Unpassende, unangenehme Stellen werden gestrichen. Gekürzt. Eventuell später ersetzt. Los geht´s.

Hand in Hand spazierten sie durch die Altstadt. Sie betrachteten die Häuser und malten sich aus, wie es wäre einmal in diesen Häusern zu wohnen. Die Kinder könnten im Garten spielen und dort würde die Schaukel stehen.
Die Blätter raschelten unter ihren Füssen und es war einer der schönsten Herbsttage des Jahres. Alles schimmerte irgendwie golden...
- Eine blöde Stelle. Viel zu kitschig. Der Autor setzt den Pinsel an und streicht sie vorerst ersatzlos. Weiter. Weiter vorne anfangen.
Sie liegen beide auf seinem Bett. Beide ein bisschen beschwipst. Plötzlich sagt er zu ihr:“ Ist das nicht komisch? Am Donnerstag hast Du mir noch gesagt ich solle mir bitte keine Hoffnungen machen und dass wir bitte einfach gute Freunde bleiben sollten und fünf Tage später sieht es so aus als wären wir zusammen. Jedenfalls haben wir uns gerade geküsst.“ Sie:“ Ja, und ich glaube ich habe am Donnerstag etwas vorschnell reagiert. Glaubst Du dass dies hier eine gute Idee ist?“ Er:“ Ja, ich glaube schon. Mir geht es jedenfalls sehr gut. Ich bin wahnsinnig glücklich.“ Sie:“ Ja, ich auch.“ Und sie sanken zurück in die Kissen und küssten sich noch inniger als beim ersten Mal um ihre Liebe zu besiegeln.
- Pinsel angesetzt und gestrichen. Wer glaubt einem denn so eine haarsträubende Geschichte. Das ist ja völlig unecht.
Der Autor liest weiter. Dann wäre da noch der Sommer. Der gemeinsam bestaunte Sonnenuntergang vor dem Kornfeld. Die regnerischen Tage, die die beiden gemeinsam im Bett verbrachten. Die vielen Spaziergänge. Schöne Abende mit Freunden. Ewig lange Gespräche. Sie liest ihm Gedichte vor. Er schreibt ihr Gedichte....Alles wird vorerst ersatzlos gestrichen. Die geschriebenen Seiten füllen sich immer mehr mit Tipp Ex.
Als der Autor fertig ist überfliegt er seinen Text noch einmal. Ihm fällt auf, dass er alle schönen Elemente seiner Geschichte gestrichen hat. Das Tipp Ex überwiegt gegenüber dem Geschriebenen. Zufrieden legt er sich in sein Bett.
Als er am nächsten Morgen aufwacht fühlt er sich leicht gerädert. Er geht zu seinem Schreibtisch. Vor ihm liegt seine Geschichte. Komplett. Bis auf jeden Buchstaben. Keine Spur von Tipp Ex. Mit einem verzweifelten Seufzer setzt er sich und beginnt erneut die Stellen zu streichen. Eine Sisyphosarbeit. Das Tipp Ex ist nicht gut. Er beschliesst beim nächsten Mal das von Jack Daniel´s zu kaufen. Nicht das von Martini.

Das (-) bedeutet eine negative und das (+) eine positive Bewertung.