Schygulatz Rönthgenstraal hat keinen Bock mehr
von Roman Biewer

 

Irgenwann hatte Schygulatz Rönthgenstraal keinen Bock mehr. Die Welt, in der er lebte, war ihm einfach zu öde geworden. Er wollte endlich "Party machen", wie wir vielleicht sagen würden, doch dort, wo Schygulatz herkam, gab es weder Partys noch das Wort dafür. Im Grunde genommen war es ja auch nur so ein Gefühl, was ihn trieb.

Was für Schygulatz öde und abgedroschen war, mag dem geneigten Leser jedoch überaus spannend und reizvoll erscheinen, wie vieles, von dem man zuvor noch nie etwas gehört hat. Schygulatz Rönthgenstraal wohnte nämlich in einer abartig weit entfernten Galaxie auf einem Planeten, der aus Sicht der meisten Bewohner dieser Galaxie nicht gerade als der Hit an Spannung angesehen wurde, im Vergleich zu unserer Erde aber doch so anders war, daß es uns vermutlich wie Holiday Park vorkommen würde, könnten wir jetzt ein Bild sehen.

Vieles war anders, manches aber auch ziemlich gleich, was verwundern mag, wie zum Beispiel, daß die Namensgebung recht ähnlich war. "Schygulatz Rönthgenstraal", so könnte auch auf der Erde jemand heißen, wenn auch nicht gerade in diesem Land, und ich hoffe, daß der Dolmetscher, der mir seinen Namen sagte, keine Scheiße gebaut hat. Keiner auf Schygulatz' Planeten, der übrigens Kaalü heißt, kann nämlich sprechen. Zumindest nicht so, daß unsere Ohren in der Lage wären, es zu erfassen. Auch Schrift in der Form, wie die Menschen auf der Erde sie kennen, gibt es nicht.

Kaalüaner, das sind Wesen, deren Kopfform an eine Aubergine erinnert, allerdings orangefarben, statt einem Mund gibt es eine unbewegliche Schallaustrittsöffnung, sonst gibt es keine Haare, keine Nase, keine Augen und keine Ohren, oder doch: Acht Schalleintrittslöcher sind rings um die Partie angeordnet, wo man sonst die Augen vermuten würde. Diese gibt es allerdings nicht. Durch die Schalleintrittslöcher hören sie aber nicht, denn es gibt keine Schallereignisse auf Kaalü, außer denen, die die Bewohner selbst mit ihren Schallaustrittsöffnungen erzeugen. Vielmehr "sehen" sie durch ihre Löcher. Und zwar ähnlich, wie etwa eine Fledermaus einen Ultraschallton abgibt, und durch den reflektierten Schall ihre Umgebung "sieht", stoßen die Kaalüaner ein dumpfes Rülpsen aus, und "sehen" dadurch sogar , welche Farbe zum Beispiel ein Sofa hat. Die gibt's auf Kaalü aber gar nicht, denn die Bewohner können weder sitzen noch liegen. Ach ja, der Rest des Körpers: Eine Art orangefarbener Knödelteig, mit aber - und das wundert einen - exakter Ähnlichkeit mit dem Körper eines Menschen. Nur, daß sie keine Knochen haben, alles nur dieser Teig, keine Ahnung, wie so was leben kann, aber da herrschen ja auch ganz andere Lebensbedingungen, also wird's schon irgendwie gehen.

Schygulatz hatte jedenfalls keinen Bock mehr auf Kaalü. Irgendwas mußte schiefgelaufen sein mit ihm, denn "keine Böcke haben" gab's auf seinem Planeten eigentlich gar nicht. Als also mal wieder Kaalü mit Rotos, einem anderen Planeten der Galaxie, der zum Glück, wie Kaalü auch, aus so was ähnlichem wie Gummi bestand, so daß der Zusammenprall nichts Schlimmes zur Folge hatte, außer ein bisschen Durcheinander vielleicht, zusammenstieß, hielt sich Schygulatz einfach an einem der Haken fest, die zahlreich auf Rotos wuchsen. Das war durchaus ein kühne Tat, so etwas hatte noch nie ein Kaalüaner gewagt.

Rotos war allerdings jetzt auch nicht gerade der Brüller, was Partytauglichkeit anging. Auf dem Planeten gab es nämlich nichts außer dieser Haken. In dem Planeten gab es allerdings eine Menge, denn die etwa 83.000 Einwohner waren in der Gummimasse, aus der Rotos bestand, eingewachsen. Sie kamen weder raus, noch konnte man rein zu ihnen, aber es ging das Gerücht um, dort drinnen würden die besten Partys gefeiert. Zwar mußte dort drin alles ganz langsam gehen, weil die nicht ganz feste, aber furchtbar zähe Masse des Planeten keine schnellen Bewegungen zuließ, aber als Bewohner von Rotos kannte man es ja eh nicht anders. Manchmal platzte irgendetwas an die Oberfläche, und dann roch es säuerlich - wovon Schygulatz nichts merkte, denn er konnte ja nicht riechen. Das bedeutete, daß vor langer Zeit einmal wieder jemand dort drinnen gekotzt haben mußte, und jetzt, vielleicht war der Kotzende inzwischen längst tot, hatte das Zeug die Oberfläche erreicht. Daher auch das Gerücht über die besten Partys. Vielleicht stimmte das aber auch gar nicht, und den Leuten war nicht vom Saufen schlecht, sondern von der schlechten Luft dort drinnen. Die Kotze jedenfalls hatte sich im Laufe der Jahrhundertmillion einigermaßen gleichmäßig über die Planetenoberfläche verteilt und diente nun diesen seltsamen Haken, die natürlich nichts anderes waren als eine extrem witterungsresistente Pflanzenart, als Nährboden.

So spannend das Innere des Planeten vielleicht auch sein mochte, Schygulatz konnte nicht rein, also mußte er weiter, denn hier draußen war es langweilig, und er mußte doch seine Party finden. Zum Glück stieß Rotos recht bald mit einem weiteren Planeten zusammen, und Schygulatz wagte es...

Rechdfäär hieß dieser Planet, der eigentlich keiner war, denn er bestand ausschließlich aus Bewohnern. Ja, richtig gelesen, dieser Planet war in der Tat ein Gewusel von Millionen und Abermillionen von Lebewesen, ein Schmelztiegel aller Lebewesen der Galaxie, und ständig stand man jemandem auf dem Kopf oder sonstwo. Klar, das war ja auch das Prinzip des Planeten! Alle mußten sich irgendwie aneinander festhalten, damit man als Planet zusammenhielt und nicht einzeln ins All geschleudert wurde. Sich fortbewegen auf Rechtfäär hieß: Sich in klammernder Weise an Lebensformen vorbeiwühlen. Schygulatz fand das total cool, endlich war mal was los, und welch' größere Party könnte es schon geben als diese? Und so wühlte und wühlte er sich durch's Gewühl.

Das Problem aber war, daß hier überhaupt niemand Bock auf Party hatte, hier wollte jeder nur seine Ruhe. Es gab zwar keinen Planeten weit und breit, der dichter bevölkert und auf dem so gesehen mehr los war, aber auch definitiv keinen, auf dem die Leute griesgrämiger umher liefen. Der größte Luxus hier war Privatsphäre, und jeder versuchte nur, endlich mal ein bisschen für sich sein zu können. Hinzu kam, daß Schygulatz alle mit dem Knödelteig seines Körpers beschmierte, und dummerweise hielt es jeder für Scheiße, denn aufgrund der unausgewogenen Ernährungssituation auf Rechtfäär sonderten einige Lebensformen tatsächlich Extremente ab, die fast genauso aussahen und vor allem genauso rochen. Das nervte die Bürger ungemein, denn sie mußten ohnehin schon total oft Scheißbollen zum Nächsten durchgeben, damit es der Letzte der Kette ins All werfen konnte. Und nun kam einer daher und beschmierte sie so einfach damit, und hier gab's noch nicht mal Duschen!

Kurz, man mochte Schygulatz nicht, und es dauerte nicht lange, da hatte er schon die ersten paar auf der Fresse, und er mußte schauen, daß er wegkam von diesem Planeten, was sogar überaus schnell ging, denn die Leute schubsten ihn mehr und mehr zum äußeren Rand des Planeten, bis er schließlich einen finalen Arschtritt bekam und in's All hinausgeschleudert wurde.

Nun trieb er durch die Weiten des All's, und zwar für lange Zeit. Allerdings störte ihn das gar nicht allzu sehr, denn im Gegensatz zu den Menschen können Kaalüaner auf Wunsch einschlafen, und schlafen, so lange sie wollen. Und so schlief Schygulatz, und träumte. Von der Party, seiner Party, wie sie sein könnte, und wie schön es doch sein würde , wenn er sie endlich gefunden haben würde. Es flog ihn bereits jetzt schon eine Ahnung an, daß Träume mitunter die schönsten Galaxien mit den schönsten Partys sind, und daß die Suche nach ihrer Entsprechung in der realen Welt ein ziemlich unlukratives Geschäft ist.

Vielleicht waren es Jahre, die er schlief, und er erwachte erst wieder, als er grob auf einem neuen Planeten aufschlug.

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