Ein Lied vom Exitus
von Rutz Rische

 

Vergiss den Wodka nicht!

Das menschliche Wrack lächelt
verzerrt in das Schaufenster.
Ich erschreck mich, denn das Wrack bin ja ich.
Wir sind um die Häuser gezogen.
Was ist das für eine Flasche in meiner Hand?
Der Typ neben mir beugt sich. Ich starre auf seinen gekrümmten Rücken.
Dann wird mir übel. Denn er übergibt sich.
Vergiss den Wodka nicht, rufe ich ihm noch zu, während ich weitergehe.

Die Freunde- oder besser die, die sich selbst so nennen, - kehren ein.
Und lallen. Eine Alte kreischt.
Ist das Sonja?
Vergiss den Wodka nicht- ruft sie Alfi zu, denn der steht ja noch an der Bushaltestelle und kotzt in den Papierkorb.
"An Eurer Stelle würde ich jetzt nicht nach rechts gucken!" Meint Alex. Alle drehen die Köpfe und sind gezwungen, einen Blick auf Alfis Malheur zu werfen.
Mein Kreislauf sackt zusammen, aber das alternde Wrack lächelt, denn es wird von anderen Wracks weitergezogen.
Irgendwer setzt mich in ein Taxi und Du zerrst mich die Treppe herauf.
In gebeugter Haltung versuche ich, die Übelkeit zu unterdrücken.
Der Taxifahrer kommt hinterher gelaufen.
Die Flasche in der Hand.
Vergiss den Wodka nicht, scherzt er.
Später in der Nacht schmiege ich mich an Deine Bauchfalten.
Und noch später hältst Du mir die Haare aus dem Gesicht, während ich vor dem Klo knie.
Als es mir besser geht, reichst Du mir trockenes Brot zum Aufsagen.
Vergiss doch den Wodka! Mahnst Du und das gesundende Wrack lächelt,
denn es wird zu Bett getragen.

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