Ein Sonntag im Juli
von Rutz Rische
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"Kannst ja mal anrufen, wenn Du Bock hast..." sage ich, kippe den lauwarmen Kaffee herunter und ziehe die Tür hinter mir ins Schloss. Er schaut mir nicht hinterher. Noch nicht einmal vom Fenster aus. Gute Durchschnittstechnik, denke ich, während ich das Fahrrad aufschließe. Jedenfalls konnte ich noch duschen.
Es ist heiß und die Luft staubig.
Wieso hatte ich mich nur in die hohen Schuhe gezwängt?
Hunger. Ich rolle mit gemütlichem Rückenwind den Eigelstein entlang. Hier einen Döner zum Brunch?
Oder doch lieber zum Hauptbahnhof zu dem leckeren Inder? "Zum leckeren Inder", sagt die innere Stimme:"Haste Dir verdient."
Menschen, überall Menschen. Ach-ja! CSD.
Jedes Jahr immer wieder an meiner Haustür vorbei und jedes Jahr auf`s Neue von mir vergessen.
Straßensperre. Ein Männerpärchen dreht sich empört um. Ich bin ihnen in die Wadeln gefahren.
Wadeln! Das Wort muss ich wohl bei meinem ONS, wie man so schön in Kontaktanzeigen schreibt, aufgeschnappt haben. Wadeln.
Ich lache. Die beiden lachen mit und schenken mir eine Bierdose.
Na, bitte! Gibt es doch noch Hoffnung an diesem Tag.
Überredet. Ich kette mein Rad an. Stunden später vergesse ich, dass ich überhaupt ein Fahrrad besitze.
Das gute Rad von Oma? Wird meine Mutter Wochen später schimpfen.
Cool sehe ich ja aus. Auch wenn ich mir noch nicht die Zähne geputzt habe.
Mary Roos. Cool. Ich dränge mich zwischen die Menschen.
Zischend sprudelt mir das Bier aus der Dose entgegen. Please don't let me be misunderstood. Meine Knie werden elastisch und federn den Beat mit.
"Ej, Du hier!" Schnulli steht vor mir. Einen Kopf kleiner als ich. Sein Bauch in den vergangenen Jahren etwas dicker geworden. Das Haar spärlicher, aber immer noch in blonden Locken. Schnulli! Wir fallen uns um den Hals. Und Ante! Sein Freund, der kleinen Kindern Fußballtraining gibt. "Ej!Ilona!" sagt er und legt mir einen Arm um die Hüfte.
"Heide, meine Freundin!" Stellt Schnulli vor. Und Heide weiß wo die Klos sind. Und Schnulli holt Bier.
Sein Freund winkt begeistert den vorbeifahrenden Wagen zu.
Ein Hengst trabt auf uns zu. Richtig mit Hufen und langer Mähne und langem Schweif. Selbstverliebt verlagert er sein Gewicht vom rechten auf den linken Huf. Ein Brasilianerin tanzt auf ihn zu. Mein Kopf dreht sich. Brasilianer, denke ich und verdränge die Erinnerung an das zurückliegende Endspiel. "Vielleicht hätte ich mir doch einen Döner reinziehen sollen!" Denke ich stattdessen.
Es beginnt zu regnen. Schnulli lacht. "Ej, Ilona! Du hier!" sagt er und legt mir einen Arm um die Schulter.
"Woher weißt Du's so genau?" Summt mir eine Schöne ins Ohr.
Wir lachen.
Es regnet stärker. Die Jeans-Jacke verfärbt sich. Druckt braune Flecken auf das weiße T-Shirt. Schmuddel-Look.
Denk ich zufrieden und ziehe die hochhackigen Schuhe aus.
"Tritt bloß nicht in Hundescheiße!" Scherzt Schnulli. "Oder in Kotze!" Fügt seine Freundin Heide hinzu. "Ej, Ilona!" Lallt Ante.
"Ist dir kalt?" Fragt Schnulli mit Blick auf meine obere Körperhälfte. Ich knöpfe die nasse Jeansjacke zu.
Der Regen hört auf.
Ein Wagen fährt an mir vorbei. Eine Elfe winkt mir zu. "Ich habe Durst!" Ruft sie.
Ich reiße Schnulli die Dose aus der Hand, die er gerade öffnen will. Währenddessen zeigt ein Techno-Mädel ihre Schamrasur. Ante, Schnullis sportlicher Kumpel,ist wie vom Donner gerührt. "Wohl doch nicht alles Homos hier." Stellt Heide fest. "Ja, ja es gibt sicherlich ein paar Trittbrettfahrer, die nur gesehen werden wollen", mutmaßt Schnulli.
Ich laufe hinter dem Wagen her und halte die Bierdose in die Höhe. Ein Dutzend Frauenarme reckt sich mir entgegen. "Nein! Nicht Ihr!" Wehre ich mich.
Die Elfe lächelt mir zu. Einen kurzen Augenblick lang umfassen sich unsere Hände. "Ist Dir kalt?" Flüstert sie und steckt mir eine Visitenkarte zu.
Ilona, steht darauf. Eine Namensvetterin, wer hätte das gedacht?Ich sehe ihr winkend nach. Werde ich anrufen? Eine Namensvetterin! "Woher weißt Du's so genau?" Summe ich und zücke allem Lärm zum Trotz mein Handy.