india_11
von riemsche

 

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Bollywood boomt, jeder in Indien ist Entertainer. Da lässt auch ein Opa vom Land mal den Wasserbüffel stehen, spurtet in seine Hütte, bindet sich blitzschnell den farbenprächtigsten seiner Rajasthani-Turbane, setzt die mannshohe Wasserpfeife unter Dampf und stützt sich auf den verstohlen hustenden Enkel, währen Oma (95) - beide Hände auf den respektvoll geneigten Köpfen ihrer erwachsenen Söhne - breitbeinig und kerzengerade auf einem Schemel daneben sitzt. Stolz und Schalk blitzen in den Augen mit milchblauen, großen Steinen um ihren Hals um die Wette. Die nach ein paar Minuten versammelte Dorfgemeinschaft baut unter viel Geschubse und ohne Berührungsängste übermütig halsbrecherisch wackelige Menschenpyramiden. Als Fotograf ist man ruckzuck umzingelt - erste Bilder auf dem Digi-Display gehen die Runde, werden kritisch beäugt, belacht und dann im Chor der Wunsch "please send me foto" geäußert.

Heilige Männer, gerade eben noch geistig abwesend, meditierend und züchtig verhüllt, reissen sich an den Ghats an Pushkar´s heiligem See zur Überraschung aller schon mal das orange Outfit von trotz hohem Alter begnadet definierten Körpern, stecken ihren Schniedel nach hinten durch die Beine, fixieren das Konstrukt mittels beider Arme und einer dicken Bambusstange hinter dem Rücken und balancieren darauf jedes europäische Schwergewicht, das wissen will, wo der Hammer hängt - von Nachahmungsversuchen in europäischen Schlafzimmern wird dringlich abgeraten. Ähnlich gefährlich wirds für den Hobbykoch beim Versuch daheim den frischen Kingfish wegen einer Fachjury aus hungrigen Zuschauern wie in hiesigen Restaurants mit wirbelnden Riesenmesssern auf haarscharf berechnete Tellergrösse zu trimmen. Für Applaus nach dem Schluss mit Tatusch auf Pfannendeckel brauchts im Optimalfall nun mal zehn gesunde Finger. Für den frechen Klick zwar nur einen aber man sollte sich auch da Zeit nehmen. Sogar bei Frauen, die sich anfangs wenig begeistert ruckartig ein Stück Tuch vors Gesicht ziehen, lüftet ein freundliches Gesicht, kleines Kompliment, nettes Um-Erlaubnis-Fragen so manchen Schleier vor Schönheit, die keines Krönchens, keiner Schärpe bedarf. So wird jeder öffentliche Platz, Gehsteig, Hausflur für den höflich aufmerksamen Kavalier zur Privatshow ohne Programm.
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