Von Helden und Schurken
von Carsten Maday

Kapitel
[ 1 ]  [ 2 ]  [ 3 ] 
 

Vor den Toren wartete ein Bote des Meisters. Wichtige Dinge geschahen in den Freien Reichen. Der Meistern wollte uns unbedingt sehen. Urlaubssperre.
Wir schwangen uns auf unsere schwarzen Rösser und ritten zur Süßen Gnade, die uneinnehmbare Zwingburg im Norden des Imperium, wo der Meister im Hohen Turm der Sicht Hof hielt.
>Wenn ich nur daran denke, tun mir meine Knie jetzt schon weh<, jammerte Mord, als wir im gestreckten Galopp über die Aufmarschstraßen preschten. Wir verheizten sechsunddreißig Pferde, ehe wir endlich ankamen.

Da man als Ewiger, von gespaltenen Persönlichkeiten gebeutelter Handlanger weiß, was sich gehört, knieten wir vor dem Meister nieder. Wir hörten Mord schmerzhaft zischen: >Shit!<
Der Meister sah auf. Die Krone der Macht umschattete seine Liderhöfe. Die drei Steine von Kretzak funkelten wild in ihren güldenen Einfassungen.
Der Meister, der letzte Überlebende eines von mysteriösen Todesfällen heimgesuchten Dämonengeschlechts würdigte uns, indem er das Wort an uns richtete. Seine Stimme war grollend tief, unheilig und erschütterte selbst uns Schattenwesen.
>Die Prophezeiung ist nahe, meine getreuen Diener.<
Als Williger Vollstrecker erkannte man gleich, wenn die guten Zeiten zu Ende gingen. Die Prophezeiung. Es gab immer irgendwelche Prophezeiung und niemals verkündeten sie etwas Gutes. Für mich zumindest.
>Der Sohn der Hekuba und des Atreus wurde gefunden. Das Geschlecht der Könige erwacht.<
>Das ist wohl nicht gut, oder<, flüsterte Blut.
>Brr. Mir fließt ein eiskalter Schauer den Rücken runter<, meinte Frost.
>Weiß, was du meinst<, stimmte Eis bei.
>Der Junge muss gefunden und...< Der Meister machte eine eindeutige Handbewegung mit einem klauenbewehrtem Finger am Hals vorbei.
>Huar, Huar, Huar.<
>Meister<, rief Heinz pathetisch. >Wir sind bereit. An der Spitze deiner Armee werden wir tief ins Herz der Freien Reiche vorstoßen und den Königsknaben vernichten.<
Wir warteten gebannt. Es war einen Versuch wert.
>Nein<, sagte der Meister.
Verdammt.
>Ich mache das lieber mit ganz kleinen Stoßtrupps. Findet den Knaben. Jericho wird Euch briefen. Gehet nun.< Der Gedanken Pflug zog tief Furchen über des Meisters Stirn, als er über Dinge nachsann, die uns Untoten unverständlich waren.
Wir gingen.
>Son Mist<, meinte Klaus. >Wozu haben wir eigentlich diese ganzen Armeen, hä? Ich weiß schon, wie die Sache läuft. Wir finden den kleinen Pisser und dann taucht der Ewige Held auf, vielleicht noch ne ganze Bande von Gefährten dabei und Schwups....ehe wir´s uns versehen, haben die auch schon zwei, drei von uns alle gemacht. Nur um zu zeigen, dass sie ´s können. So sieht ´s aus.<
Wir nickten beklommen.

Jericho war ein Ork. Ein richtiges Prachtexemplar und bestimmt das größte militärische Genie im Imperium. Kein Wunder, dass seine Stammesbrüder wenig von ihm hielten.
Jericho spazierte mit dem Zeigestab hinter dem Rücken vor der Karte auf und ab. Hier und da zeigte er auf markante Punkte. Wir Schattenwesen waren beeindruckt.
>Hier liegt die Zwote Schützenbrigade aus Zwergisch-Gladbach. Ihre Stellung ist hervorragend befestigt. Ein Wall von zwanzig Kilometern mit Kasernen hier, hier und hier. Macht die Grenze schwer passierbar.
Späher berichten, dass die 1. Elfen-Armee unter General Bergilfinur sich hier in der Ebene massiert. Wenn mich nicht alles täuscht, würde ich sagen, dass Bergy eine Offensive in begrenztem Umfang unternehmen will, um die alte Elfenfestung hier am Ufer des Geleb zurückzuerobern. Damit könnte er uns auf einen Schlag die Nachschubroute aus dem Verdammten Wald der Finsternis abschneiden. Sie sehen meine Herren und Damen, die Lage ist ernst.<
>Aha<, meinten wir.
>Aber nicht hoffnungslos. Ich konnte den Meister davon überzeugen, sich mit den Bergmenschen von Ar zu verbünden anstatt sie auszumerzen. Hervorragende Gebirgsjäger. Die werden uns gute Dienste leisten, was? Ha, ha.<
>Sicher.<
>Gut. Zu ihrer Mission. Sobald Bergys Truppen hier, hier und hier durch den Geleb furten, werden wir drei Kilometer nördlich der dritten Furt zu einem Gegenschlag ausholen. Wir werden die Elfenhunde mit runtergelassenen Hosen erwischen. Die glauben doch, wir hätten genug mit ihrer Offensive zu tun. Ha, ha. Wir wollen ja nicht durchbrechen, sondern nur eine kleine Bresche in die Verteidigung hauen, gerade lang genug, damit Sie durchschlüpfen können. Noch Fragen? Nein? Gut. Viel Glück. Das Schicksal der ganzen verruchten Welt lastet auf ihren Schultern.<
>Vielen Dank, Sir<, riefen wir aus einem Munde. Und als wir raus waren:
>Toll, jetzt können wir ja unbeschwert vorstürmen.<

Das Nordreich war hässlich und furchtregend. Überall diese grünen Wälder und satten Wiesen, auf denen diese bedrohlichen Wesen patrouillierten. Sie riefen laut Muh oder Mäh, wenn sie uns sahen. Vermutlich ein Geheim-Kode.
Wir versuchten die Sache richtig zu machen. Wir benahmen uns unauffällig und ritten nur bei Tag. Wer rechnet schon mit mörderischen Untoten am helllichten Tag? Um unsere Augen vor der Sonne zu schützen, hatte uns Jericho jedem einen Monokel aus dunklen Glas gegeben. Die Dinger kamen aus Jerichos geheimen Forschungslabor, das sich mit der Erfindung und Herstellung von alternaiven Waffensystem beschäftigte. Irgendwie hatte er es geschafft, den Meister dazu zu überreden, ein halbes Prozent der Kontributionszahlungen der unterjochten Völker zu Forschungszwecken zu Verfügung zu stellen.
Die Monokel leisteten uns gute Dienste. Außerdem sah man so distinguiert damit aus.
Wir kamen gut voran und übernachteten aus Gründen der Tarnung sogar in Gasthöfen. Wir mussten lernen, dass die Menschen ein ziemlich verschlossenes Volk waren, das lieber unter sich blieb. Jedenfalls setzte sich abends in der Schenke niemand zu uns, um ein kleines Schwätzchen zu halten. Statt dessen rückten sie demonstrativ von uns weg und schenkten uns diese Blicke. Xenophobie erschwert doch ziemlich den kulturellen Austausch. Es war schon reichlich frustrierend, dass man aus denen nie etwas raus bekam, wenn man sie nicht bedrohte oder folterte.
Trotz dieser mangelnden Kooperation fanden wir endlich dem Aufenthaltsort des Königsknaben. Er lebte auf einer kleinen Farm, wo er als ganz normaler Junge aufwuchs, ohne von seinem Schicksal zu wissen. Sachen gibt ´s.

Wir hatten uns in dem Hügelgebiet in der Nähe der Farm verborgen. Wir spürten, dass es diesmal eine enge Sache werden würde. Einen kleinen Jungen zu massakrieren schien einfach zu leicht, als dass es klappe konnte. Der Ewige Held lauerte wahrscheinlich nur auf uns.
Auf unser Reise hatten wird jede Menge Zeit gehabt. Die haben wird genutzt, um unsere untoten Muskeln zu trainieren, um fechten zu üben. Wir wollten schließlich nicht von jedem dahergelaufenem Landstreicher mit einem Knüppel vertrimmt werden. Außerdem hatten wir unterwegs ein paar Waffen erworben. Ehrlich gekauft. Wir wollten ja nicht auffallen.
Wir gingen die Sache also vorsichtig an. Hotte und Pest waren als Kundschafter unterwegs.
Heute Nacht wollten wir zu schlagen.
>Das Warten<, sagte Mord und rieb sich die Knie. >Das Warten ist das schlimmste. Wann wird es nur endlich Nacht. Oh, dieses Warten.<
>Nerv bloß nicht<, murrte Frust. >Es ist grad mal früh am Morgen. Einer Bock auf Skat?<

Als es dunkel wurde, kamen unsere Späher zurück.
>Wir haben Spuren gefunden. Ein Lagerfeuer. Erloschen. Mindestens vier Personen.<
>Der Ewige Held, verfluchte Scheiße<, riefen wir entsetzt.
>Wir schlagen los. Jetzt sofort. Sonst holen die den Knirps noch raus. Wir machen´s wie besprochen.<

Autorenplattform seit 13.04.2001. Zur Zeit haben 687 Autoren 5378 Beiträge veröffentlicht!