Von Helden und Schurken
von Carsten Maday

Kapitel
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>Da drüben<, schrie Mord. >Dort laufen sie.<
Wir waren auf dem Hof angelangt.
>Hinter her!<
>Wartet. Wir teilen uns auf. Die eine Hälfte verfolgt sie, die andere brennt die Gebäude nieder, falls es nur ein Ablenkungsmanöver ist.<
Kaum hatte Mief die Worte geschrieen, als auch schon die Scheunentür aufflog.
>Dacht ich mir ´s doch<, brüllte Mief triumphierend.
Eine Elfe erschien. Ein Barbar. Und ein kleiner, schmieriger Typ. Zweifelsohne der Dieb. Ein kleiner Junge stand hinter einer ziemlich lässigen Gestalt in Lederzeug. Eine blauschimmernde Klinge lag in ihrer Hand.
>Der Penner!<, schrie Mord.
>Der Landstreicher!<, meinte Hotte.
>Der Ewige Held<, riefen wir anderen.
Der so Bezeichnete schob den Jungen zurück in die Scheune. Da griffen sie an. Die Elfe murmelte furchtbare elfische Zauber. Ihre Fingerspitzen sprühten vor grünlichen Flammen. Sie waren beinahe heran.
>Jetzt!<, brüllte Frost.
Unsere schwarzen Gewänder waren nicht nur ungemein kleidsam, nein, sie boten auch jede Menge Stauraum. Wir zogen die Armbrüste hervor und feuerten.
Die Elfe fiel getroffen zu Boden. Zwölf Bolzen ragten aus ihrer Brust.
>Ihr Idioten<, rief Frust. >Ihr habt alle auf die Gleiche gefeuert!<
>Ja, du doch auch<, meinte Mief noch, ehe das Schwert des Ewigen Helden sie spaltete.
Es war eine üble Schlächterei. Der Barbar brach Karl das Rückgrad, ehe Eis ihm von hinten erdolchen konnte. Der Ewige Held erwischte Heinz, Hotte, Frost und Ruth. Dann hatte Mord ihre Armbrust nachgeladen und verpasste dem Helden eine in die Stirn. Als der Dieb sah, dass alles verloren war, rannte er davon.
>Sieg, Sieg!<, schrie Eis wie wahnsinnig. >Ich kann ´s nicht glauben. Wir haben gesiegt!<
>Ha, ha<, lachte Mord. >Und der Dieb hat sich “davon gestohlen”, hahaha. Versteht ihr. Stehlen? Dieb? Lustig? Nein?<
Eis sah Pest an.
>Die Arme<, meinte Eis. >Kampfstress. Einfach zuviel für sie.<
>Habt ihr nicht was vergessen?<, gab Blut zu bedenken. >Der Knabe!<
Als wir den Stall betraten, hatte sich der Junge natürlich aus dem Staub gemacht.

Es folgte ein wilde Jagd durch den nächtlichen Wald. Unsere Nachtsicht gereichte uns zum Vorteil, die bessere Ortkenntnis ihm. Der kleine Drecksack hielt uns auf Distanz. Wir versuchten ihn einzukreisen. Wir trieben ihn Richtung Schlucht. Dort stellten wir ihn.
>Jetzt haben wir dich<, kreischten wir blutrünstig. Wir ließen es uns nicht nehmen, ihm ordentlich Angst einzujagen.
Als er sah, dass es kein Entkommen gab, zeigte uns der Königssprössling seinen Mittelfinger und sprang hinab.
>Also so was<, empörte sich Mord. >Das ist doch keine Art. Wie unhöflich. Also von einem Jungen von so hohem Geblüt hätte ich mir schon etwas mehr Anstand erwartet.<
Wir blickten in die Schlucht hinab und schwiegen eine Zeit lang.
>Der ist doch bestimmt tot, oder<, meinte Ernst endlich.
>Bestimmt<, sagte Blut. >Wenn ihn der Sturz nicht umgebracht hat, so ist der bestimmt ertrunken. Was für ein Pech, haha, dass ausgerechnet ein Fluss da unten ist, was?<
>Allerdings<, sagte Mord. >Sagt mal, ich hatte da gerade so einen Gedanken. Was wenn der Knabe in Wirklichkeit der Ewige Held war. Als Ewiger Held könnte man so einen Sturz natürlich durchaus überleben.<
>Hm<, meinte Eis. >Das ist ein Punkt.<
>Ach, was<, sagte Mord. >Ist doch auch egal. Selbst wenn. Immerhin wird´s noch dauern, bis der Hund erwachsen wird. Heute haben wird uns gut und gerne zehn weitere Handlangerjahre dazu gewonnen. Wer weiß, was für fiese Gegenmaßnahmen Jericho bis dahin erfunden hat.<
>Stimmt<, meinte Ernst. >Zehn Jahre. Das ist doch was. Und vielleicht ist er ja doch tot. Wisst ihr, nun da die Hälfte von uns vernichtet ist, fühle ich mich gleich doppelt so wirklich.<
>Klar<, stimmte Mord ein. >Wir müssen unseren Charakter ja nur noch durch sechs teilen und nicht mehr durch zwölf. Da bleibt für jeden mehr übrig unterm Strich.<
>Ja<, meinte Ernst. >Ich habe sogar genug freie Kapazitäten um, na ja, um neue Gefühle zu entdecken.< Er bedachte Mord mit einem Blick.
>Ich meine, he, Mord, irgendwie finde ich dich auf einmal recht anziehend...<
>Aha. Das ist aber schon ein bisschen krank oder? Immerhin sind du und ich doch nur Teile ein und der selben Figur. Meine Güte, das ist ja... Die Liebe an und für sich, hahahaha.<
Wir stützten Mord, da ihre Knie so gar nicht mehr mitmachen wollten. So gingen wir zurück durch die Nacht, froh ein wenig länger dem absolut Bösem dienen zu können. Außerdem hatten wir ja noch unseren Resturlaub. Unklar allerdings war, ob die Urlaubstage von Mief, Karl, Horst, Heinz, Frost und Ruth auf uns andere übergingen.

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