Landung in der Schwertbucht
von Carsten Maday

Kapitel
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Im Nebel schimmerte dumpf ein erstes Glimmen des Morgens auf. Ich griff nach meinem Doppelmonokel aus getöntem Glas und setzte ihn mir auf. Auch eine Erfindung aus Jerichos Waffenschmiede, die es uns Untoten und den Orks, die traditionelle das Sonnenlicht fürchteten, erlaubte, auch bei Tage zu kämpfen. Außerdem sah man damit ziemlich lässig aus.
Das bestätigte auch Mord, die den Bunker betrat. Ich hörte ihr Eintreten am Angstschlottern der Orks. Obwohl sie unsere Nähe gewohnt waren, fürchteten sie uns Schattenwesen noch immer, insbesondere Mord, deren Name Programm war und deren Grausamkeit im Kampf wenig hinter der ihres Humors stand.
Mord begrüßte mich freudig:
>He, Eis! Siehst cool aus mit dem Doppelmonokel.<
Schweigen.
>Ähm. Eis? Cool? Wortwitz. Nein?<, sagte Mord beinahe schüttern.
>Lachen?<
Die Orks versuchten sich ein Lachen abzuringen, aber aus ihnen würden nie gute Schauspieler werden.
Ich reichte Mord meine gestaltlose Hand.
>Nun quäl nicht meine Männer, Mord. Was treibst du denn hier. Solltest du nicht in der Flugabwehrzentrale stecken.<
Mord grunzte, was meine Orks noch furchtsamer machte.
>Öde<, sagte Mord gelangweilt. >Das ist voll öde da. Du stehst den ganzen Tag rum, was meine Knie kaum aushalten, und siehst den adrett gekleideten Ork-Fräuleins zu, wie sie irgendwelche Spielzeugfiguren auf Karten hin und her schieben. Und dauernd sagt einer irgendwas wie: Pegasi-Reiter nähern sich Planquadrat Sowieso und Eis-Drachen im Anflug. Alarm für Dampfkanonenstellung Trallala. Echt öde, sag ich Dir.<
>Wir machen ein paar Schritte<, schlug ich Mord vor und zog sie am Arm aus dem Bunker, ehe sie die Moral meiner Orks noch mehr zersetzten konnte.
Wir schritten am nebeligen Strand entlang. Mord schwieg eine Zeit lang. Dann brach es aus ihr heraus.
>So´n blöder Arsch!<, knurrte sie.
>Blöder Arsch? Meinst du General Bergilfinur, den Kommandant der albischen Widerständler?<, versuchte ich es, obwohl ich wusste, wen Mord meinte.
>Nein<, sagte sie. >Nicht den blöden Bergy. Unseren Meister. So´n Arsch!<
>Na, aber, das ist doch keine Ausdrucksart...<, versuchte ich Mord zu beschwichtigen, aber ihr Unmut hatte längst die Dämme der vorsichtigen Zurückhaltung eingerissen.
>Ach, ist doch wahr. Erst verheizt er meinen Ernst und dann ersetzt er uns durch so´n paar dahergelaufene Subdämonen! Erst heute habe ich versucht, den Meister zu erreichen, aber die Subdämonen haben mich nicht durchgestellt. Angeblich, weil der Meister ein Opferritual vollzieht. Also dem Meister sollte man mal die Fingernägel auf links biegen.<
>Mord!<, rief ich entgeistert. >Besinn Dich! Wir haben einen Treueeid auf den Meister abgelegt...<
>Hab damals die Finger hinterm Rücken gekreuzt<, meinte Mord.
>Ach so. Na dann, ja...< Mord war ein nie versiegender Quell von trivialen Lösungen für vermeintlich unlösbare Probleme.
>Weißt du<, meinte Mord schließlich, nachdem sie sich ausgiebig über den Meister ausgelassen hatte. >Vielleicht hat der Meister ja recht, dass er uns nicht mehr vertraut. Ich meine, nachdem die anderen gestorben sind...<
Ich nickte:
>Weiß, was du meinst, Mord. Früher, als wir noch zu zwölft waren, da waren wir noch richtige willenlose Vollstrecker ohne, na ja, viel freien Willen eben. Aber jetzt wo die anderen tot sind, brauchen wir das bisschen freien Willen nur noch durch sechs und nicht mehr durch zwölf zu teilen. Jetzt sind wir gleich doppelt so wenig willenlos.<
>Jawohl<, stimmte Mord zu. >Das ist doch nicht unsere Schuld. Da hab ich nie drum gebeten, um einen freien Willen. Und ein Individuum wollte ich auch nie sein. Das war doch so was wie ein Arbeitsunfall. Und nun sind wir berufsunfähig.<
Ich nickte erneut:
>Da gibt´s auch keine Versicherung dagegen.<
>Nee, gibt es nicht. Und nun, nun habe ich immer diese, ach ich trau mich kaum es auszusprechen. Diese Skrupel eben.<
Ich legte ihr mitfühlend die Hand auf die Schultern.
>Es tut mir leid, Mord.<
Ich hörte Mord schluchzen.
>Danke für dein warmes Mitgefühl, Eis. Weißt du, ich...ich mag auch gar keine Leute mehr umbringen...Also versteh das nicht falsch, wenn mich ein Alb anmacht, den pump ich um, einfach so. Kein Problem. Aber, ich meine, wenn die Alben mir nichts tun, warum soll ich dann zu denen nach Hause gehen und sie alle umbringen? Macht doch keinen Sinn, oder?<
>Ach, Mord<, sagte ich leise. >Wir haben doch alle mal unsere Zweifel. Die vergehen auch irgendwann. Wirst es schon sehen.<
>Hoffentlich<, sagte Mord, doch es klang nicht überzeugt. Sie packte mich an den Schultern:
>Hör mal, Eis<, sagte sie im Verschwörerton und wechselte in unsere uralte, widerliche Sprache der gestaltlosen Untoten, die niemand sonst verstand.
>Ich habe mich schon mit Klaus und Blut getroffen...<
>Und Pest?<, hakte ich nach.
>Zur Zeit krank. Liegt kzh auf Stube.<
>Ah, verstehe.<
>Also, die beiden und ich als selbstdritte haben uns überlegt, dass, na ja, dass der Meister weg muss.<
>Aha<, sagte ich. >Und wohin?<
>Ähm, an einen besseren Ort?<, fragte Mord verwirrt. >Also mit „weg“ meine ich eher...krrg< Sie machte eine Bewegung mit dem Finger an ihrer Kehle vorbei.
>Was<, rief ich entsetzt. >Das wäre Mord, Mord!<
>Genau<, sagte Mord. >Ich hätte kein Problem damit. Und du?<
Ehe ich antworten konnte, brach die Hölle los.

>Was soll das heißen? Scheinangriff?<, brüllte ich gegen das Tosen der Einschläge in den Kommunikationsstein.
Ein Zittern ging durch den Bunker, als ein Feuerball in kurzer Entfernung einschlug. Gestein rieselte von der Decke. Mord und ich hatte uns unterhalb der Schießscharte hingekauerte, derweil uns der Alb mit allem bepflasterte, was er hatte.
>Der hat´s ja, der Alb, was?<, brüllte Mord vor Vergnügen. Sie schien in ihrem Element zu sein. Die Mordlust hatte die Zweifel vertrieben.
Meinen KomMag hatte es als ersten erwischt, kaum dass Mord und ich uns unversehrt aus dem Inferno, in das sich der Strandabschnitt von einer Sekunde auf die nächste verwandelt hatte, in die relative Sicherheit des Bunkers gerettet hatten.
Ich hatte den Kommunikationsstein an mich genommen und versuchte mir einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Von überall in unserem Abschnitt kamen Meldungen von massiven Feuerballschlägen. Aus dem Hinterland kamen beunruhigende Nachrichten über Operationen albischer Luftlandekommandos. Alles deutete deutete auf einen Landungsversuch der Alben hin. In der OHL sah man das freilich anders.
>Scheinangriff<, brüllte ich. Was? Soll das ein Scherz sein? Hört sich das wie ein Scheinangriff an?< Ich hielt den Kommunikationsstein an die Schießscharte. Netter Weise krachte ein dicker Brummer in unmittelbarer Nähe ein. Ein Ork der Dampfkanonen-Besatzung fiel mit einen Splitter im Kopf um.
>Was?<, brülle ich erneut. Die Subdämonen, die nun den Takt in der OHL angaben, hatten augenscheinlich alle Schwachköppe unseres Imperiums der Finsternis dort versammelt.
>Ja! Ja. Natürlich. Ich weiß auch, dass die Entfernung von Angerlund bis zur Schwertbucht zu weit ist, um sie mit einem Regenbogen zu überbrücken....Was? Sie mich auch! Nein, Schiffe! Ja! Genau! Schiffe! Die Dinger mit denen man übers Meer... Ja! Ja doch! Eine ganze beschissene Flotte...Was? Wie viele?< Ich wandte mich an Mord.
>Was meinst du, wie viele es sind, Mord?<
Mord schob sich vorsichtig zur Schießscharte und blickte hinaus auf die Flotte, deren unglaubliche Größe sich im verfliegenden Nebel mehr und mehr offenbarte.
Der Albenhund hatte uns mit heruntergelassenen Hosen erwischt. Statt mit einer Regenbogenbrücke am Nadelöhr überzusetzen, hatte er sich mit den Seeschäumern des Nordens verbündet, die ihn mit ihrer Flotte von niedrigtiefgehenden Schiffen direkt an unseren Strand brachten, während Magier von schweren Galeeren aus die Küste beharkten.
>Mord! Wie viele?<, brüllte ich.
>Moment, zähle noch...drei, vier, fünf, sechs, sieben...<
>Schätz einfach<, kreischte ich ungehalten über Mords beispiellose Fähigkeit, andere in den Wahnsinn zu treiben.
Mord kam wieder herunter gerutscht. Sie legte mir beruhigend die Hände auf die Schultern.
>Ist ein ganzer Arsch voll<, schrie sie erfreut. Sie konnte es kaum noch erwarten, bis der Feind endlich landete.
Ich gab es an die OHL durch:
>Was? Ja! Nein, ich kann „Einen ganzen Arsch voll“ nicht näher definieren...Wie? Nein! Ja, ja, das weiß ich auch...Jetzt hören sie mir mal zu. In ein paar Minuten wird der Alb hier landen und der Mensch auch... Ja, genau. Der Ewige Held ist auch da...Wir müssen schnellsten die Ollifanten-Reserve hierher verlegen! Was! Bitte? Unverschämtheit! Was soll das heißen, „ich bin eine hysterische Kreische“? Mit wem rede ich da eigentlich...he? Verflucht!<
>Wasn?<, fragte Mord, die ihre Mordwerkzeuge vor sich ausgebreitet hatte und überlegte, welche sie heute gebrauchen konnte.
>Aufgelegt<, schrie ich gegen das Gurgeln der Geschosse an. >So ein Arsch!<
Mord schüttelte den Kopf.
>Leute gibt´s. Was ist mit der Ollifantenreserve?<
>Die weigern sich die Ollifanten ohne Genehmigung des Meisters frei zu geben. Und der Meister opfert noch immer und darf nicht gestört werden.<
Ich zuckte mit den Schultern.
>Ja<, sagte ich.
>Ja?<, erkundigte sich Mord. >Ja wozu?<
>Zu deiner Frage am Strand.<
Mord nickte. Wir reichten uns die Hände.
>Aber darum kümmern wir uns, wenn wir das hier überleben<, brüllte ich. >Wird ein langer Tag heute.<
Mord nickte wieder:
>Der längste<, schrie sie.

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