In Blechlawinen
von Carsten Maday

Kapitel
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Ich orientierte mich, schritt dem Rennenden entgegen, rief etwas närrisches wie Stehen bleiben oder so! Er schlug einen Haken, beschleunigte.
Dann packte es mich. Ich war hungrig, aber mein Magen war angenehm leer. Prima Voraussetzung für die folgende Hatz. Ich setze hinterher, dachte hier und da mit Schaudern, was denn erst würde, wenn ich ihn hatte! Mitten über die eifrig befahrene Oxfordstrasse, auf die eine Seite, auf die andere. Jagte ihn zum Comicshop. Auf den Gehweg. Er rannte weiter. Alles im Sprint. Ich glaube, ich sah oder dachte wirklich: Der ist schnell, aber dem geht gleich die Puste aus. Ich hatte ja doch eine gewisse Ausdauer. Er war etwas größer und viel breiter, vielleicht fetter. Zumindest im Laufen kein Problem. Richtung Littfassäule (wie schreibt man das richtig)) vorm Comicladen. Nur ein, zwei Schritt hinter ihm. Er verlor unentwegt Geld, oder Papierschnipsel. Die Beute?
Ein Passant auf dem Gehweg war super. Rammte dem Flüchtenden den Ellenbogen nach Footballmanier gegen den Körper. Er prallte an die Wieauchimmersäule, fing sich aber, rannte torkelnd weiter, quer über die Strasse. Autos bremsten, eines versuchte ihm den Weg abzuschneiden. Ich sah es mit Schrecken, war ich doch nur kurz dahinter in Reichweite des Kühlers. Ein Stück über den Fußweg. Passanten versperrten den Weg, aber ich war der einzige, der die ganze Zeit hinterher lief. Ich hechelte ordentlich. Er schlug Haken, trickste mich aus, hielt mich auf Distanz. In die Hinterhof neben den Plus. Da war es aus. Er war fertig, stolperte, fiel. Ich über ihm. Er stank nach bitterem Schweiß. Ich schrie ihn an. Kasernenhofbrüllen! Liegen blieben. Er blieb liegen. Was jetzt. Ich keuchte, meine Beine Zitterten vor Erschöpfung und Aufregung. Hoffentlich kommt jemand. Es war mir unangenehm ihn anzufassen. Ich war so froh, dass er so fertig war. Kein Gedanke an Handgreiflichkeiten. Er war wohl auch klug genug. Und, nun, ein Taschendieb ist ja noch längst kein Schläger, Flucht keine Straftat. Er war auch nicht gefährlich, denke ich, hoffe ich, obwohl, allein, bei Nacht? Wer weiß! Nur die Auto, die hätten einen doch erwischen können. Doch es ist fast lustig, während ich rannte, dachte ich an sie, doch ich dachte stets: hey, da sitzt einer, der sieht uns und stoppt. Interessante Überlegung, die sicherlich einem Adrenalin überschüttenden Gehirn entsprungen sein musste.
Endlich kam Hilfe! In den Hof. Der Mann, der beraubt worden war. Älter, ca. 50-60. Graues Haar, Bauch, schwarzes Hemd darüber gewölbt. Keine Sprinternatur. Mehr Menschen. Gott sei Dank. Endlich konnte ich Angst haben. Ich zitterte immer weiter, hoffte das man den Kerl von mir nehmen würde. Eine freundlicher (zu mir jedenfalls) Mann kam. Der Dieb erhob sich (lehnte sich ans Auto) Wir bewachten ihn. Der Beraubte schimpfte, Dieb schimpfte zurück. Der Freundliche schimpfte auch. Er war auch Ausländer und meinte, der Dieb würde die Ausländer aus Ganze in Verruf bringen, womit er eine hervorragende Menschenkenntnis an den Tag legte. Vorurteile WOLLEN ja bestätigt werden.
Polizei wurde gerufen. Ich atmete heftig, schwer, mein allzu leerer Bauch ging auf und ab.
Man wartete immer noch, man schimpfte und ich dachte mir, der versucht noch zu türmen. Ich dachte es wirklich, aber ich dachte an so vieles, oder so vieles raste durch meinen Kopf, dass dieser Gedanke nur einer war, dem ein weiterer Gedanke folgte: was soll es. Wenn die Bullen nicht kommen. Egal. noch ein Gedanke: Na und, denn hol ich eh wieder ein.
Es kam zu Wortgefechten, Schubsen und ich sah mit Sorge, wie zornig alle waren, nur ich nicht. Ich war erschöpft und hatte Angst, ich glaube es war Angst. Ich war wohl so schnell gelaufen, dass die Angst mich erst jetzt einzuholen begann. Vielleicht hatten die anderen auch Angst. Vielleicht waren sie deshalb zornig. Der Dieb war trotzig, nachdem der wieder atmen konnte. Das dauerte aber eine Zeit. Der setzte sich auf einen die formschönen Betonblumenkästen, beteuerte, dass er nicht wiederum zu fliehen versuchen wollte und passte dann den richtigen Moment ab, um aufzuspringen und abzuhauen. Ich hatte ja damit gerechnet, aber nicht fest, weil ich ja immer vom schlimmsten ausgehe... und ich muß es gestehen, der Gedanke war mir gekommen, ihn auf den Boden zu drücken, ihm zu Befehlen niederzuknien, eine fluchtsichere Haltung einzunehmen, aber der Gedanke war mir widerwärtig einen Menschen am Boden zu sehen oder Knien, die klassische Genickschuss-Haltung. Ekelhaft. Besser er rannte wieder. Der Freundliche stellte ihm ein Bein. Das klappte nicht, da sein Bein leider einen halben Meter zu kurz war. Der Dieb rannte (sprinten konnte er nicht mehr. Untrainiert. Echt traurig) durch den zweiten Ausgang in die Seitenstrasse. Oxfordstrasse. Fußweg. Der Freundliche hinterher. Hatte meine Rolle nun: der Verfolger. Es ist leicht jemanden einzuholen, schwer ihn zu stoppen. Bei mir brachte ihn einfach seine Erschöpfung zu Fall. Nun wiederholte sich die Sache. Dieb rannte und schlug jedes Mal einen Haken, wenn der Freundliche näher kam. Aber dies Mal waren wir zu zweit. Quer über die Straße. Dort stand ein Lieferwagen, d. h. man sah nichts. Die Beiden nach links. Ich sah, dass der Freundliche dem Dieb den Weg nach links, also Richtung Berti-Vogts-Platz abschneiden wollte. Der Dieb musste also nach rechts. Hinter dem parkenden Lieferwagen auf dem Fußweg. Ich rannte über die Straße (ich konnte auch nicht mehr sprinten. peinlich). Autos wieder egal, obwohl es echt unangenehm war, da die Straß nicht richtig eingesehen werden konnte. Ich nach recht, zum anderen Ende des Lieferwagens. Da packte ich den Dieb. Schlagen kam mir nicht in den Sinn. Anders als dem mittlerweile nur noch medium- freundlichen Mann. Der begann den Dieb auf den Boden zu zwingen, zu schubsen, endlich auch zu schlagen. Der Beraubte kam wenig konstruktiv zur Hilfe und ich schrie bald wie einen Wahnsinniger, dass sie den Dieb in Ruhe lassen sollten. Die zwei waren ordentlich aufgebracht, ich ja auch, doch Gewalt hat ja keinen Sinn und wenn man einen Dieb schon schlägt, was soll man dann erst mit den richtigen Verbrechern tun? Er wurde zu Boden gezwungen. Der Freundliche hatte sein Knie auf seinen Hals. Hilfeschreie des Diebes. Ich schrie die zwei an, sie sollen den Mann in Ruhe lassen. Endlich frei, konnte der sich sitzend an die Hauswand lehnen. Der Freundliche ging sein Auto wegfahren. Er war es glaub ich, der dem Dieb mit seinem Fahrzeug den Wegabschneiden wollte (vielleicht auch nicht). Der Beraubte war sauer, wurde aber ruhiger. Der Dieb blutete. Aber nur nen Kratzer am Ellebogen. Da hat man sich schon schlimmeres eingefangen auf dem Spielplatz. Er jammerte, aber keiner nahm ihn zur Kenntnis. Mir tat er Leid. Gefangen. Am Boden. Einige Menschen kamen. Ein netter Schwarzer. Der war sauer. Meinte auch durch den Dieb in Misskredit gebracht worden zu sein. Noch ein Älterer Herr kam. Sprach mit dem Beraubten. Der Dieb hatte mittlerweile sein Handy gezückt und telephonierte! Der Gedanke HandyhabenabereinenaltenMannausraubenfüreinpaarMark drängte sich mir auf. Jeder hat ein Handy nur ich nicht, war der zweite Gedanke!
Warteten noch immer auf die Polizei, die ja nur ein paar Steinwürfe entfern in der Bornheimer ne Wache hat. Endlich: Tatütata. Zwei Beamte. Im Bus. Der eine steigt aus, noch ne Kippe im Maul. Dürfen die im Dienstwagen rauchen? Unerhört. Handschellen. Drei Jungen, den die Sache wohl richtig Spaß machte, gaben ihre Personalien stolz dem Beamten. Ob sie noch etwas Zeit hätten auf die Wache zu kommen. Nein, nein, meinte die Mutter des einen besorgt... Bestimmt eine von diesen Gaffern, die der Erd...

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