Ich mag nicht mehr - beendete Kurzgeschichte
von Kai - Olav Zander

 

Ich mag nicht mehr

1,
Mein Freund,
das Leben war kurz,
er starb in meinen Armen
sein Leib war naß
nur eine Träne rann aus dem geschlossenen Auge
in ihr spiegelte sich meine eigene Angst,
ich sah den Tod lächeln.....1..........................................


Es war als hörtest nur Du deine Worte, obwohl Du gar nichts sprachst


LIEBES TAGEBUCH 2.Okt. 1997

Heute war ein anstrengender Tag. Ich war das erste mal wieder in der Schule. In Chemie habe ich wieder überhaupt nichts verstanden. Werde wohl wieder Nachhilfe bei Sandra nehmen müssen.
Mutter hat mir verboten weiterhin Flyer auszuteilen.
Jetzt wo die Haupttouristenzeit um ist, hätte ich eh' nicht mehr lang dort gearbeitet.
Aber irgend etwas muß ich ja tun, obwohl ich das Geld jetzt auch
nicht mehr brauche.
Da ich des Schreibens müde bin, werde ich nun die Einsamkeit meines Bettes aufsuchen.


LIEBES TAGEBUCH 4.Okt. 1997

Heute schreibe ich nichts über die Schule, ist ja doch jeden Tag das gleiche.
Sandra bot mir an, wenn ich Lust habe, könnte ich mit Ihr auf einem Ponyhof reiten gehen. Sie pflegt dort Pferde. Der Hof liegt in einem Vorort von Prag.
Mutter fand die Idee gut. Sie würde mich sogar fahren.
Wenn ich erst einmal sechzehn bin und meinen Mopedführerschein habe, braucht Sie das nicht mehr zu tun.
Oh' , gerade hat Malek's Rose ein Blütenblatt verloren... Ich habe es aufgehoben
und in meine Schmuckschatulle gelegt.
Die Rose ist immer noch wunderschön.
Ich sehe es vor mir, als Malek sie mir überreichte: "Ich liebe Dich. Auch unsere junge Liebe wird keimen, wie der Samen aus dem diese Blume entstanden ist. Mit jedem Tag, dem ich bei Dir bin, öffnet der Schlüssel deiner Liebe mein Herz, wie die Sonne diese Rose. Das waren seine Worte, er lächelte dabei. Ich liebte sein Lächeln, es sah aus, als ob die Grübchen in seinem Gesicht, den Glanz in seinen Augen zum Tanze auffordert. Das war der schönste Tag in meinem Leben. Auch die Nacht gehört dazu. In jener Nacht erforschten wir gemeinsam die verschlungenen Pfade der Liebe, auf denen wir zuvor noch nie gewandelt waren.
Die Erinnerung schnürt mir die Gelenke zu. Ich schreibe morgen weiter.
Ich möchte die Einsamkeit meines Bettes spüren. Malek, wo bist du jetzt??????


SANDRA: "Ich habe Dolores gestern angeboten, mich auf dem Ponyhof zu besuchen. Sie hat mir noch nicht zugesagt. Manchmal können Tiere helfen, die Trauer der Menschen aufzusaugen. Mit Ihrem schweigendem Trost kommen sie näher an die Seele heran, als es beflügelte Worte je könnten."
MARINA: " Du hast recht. Das Ereignis ist so ungerecht. ((KICKT EINEN STEIN WEG) Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß in unserem schönen Prag solche Verbrechen geschehen können. Ich hab" meinen Zettelverteilerjob sofort gekündigt. Wenn sowas einmal passiert, passiert es auch ein zweites Mal.
Das nächste Mal wird vielleicht ein Mädchen vergewaltigt!"
SANDRA: "Der Schmerz ist der gleiche. Nun können wir nichts mehr daran ändern.
Wir können Dolores nur beiseite stehen."
MARINA: "Die Zeit wird Ihre Wunden heilen. Kanntest Du Malek gut??"
SANDRA: "Er hat zusammen mit Ihr die Flyer ausgeteilt, dort hat Sie ihn kennengelernt. So wie Dolores aufblühte, muß er schon ein lieber Mensch gewesen
sein".


LIEBES TAGEBUCH 7.Okt. 1997

Heute hatte ich einen seltsamen Traum. Malek führte mich durch die dunklen Gassen Prags. Er brachte mich an die Orte an denen junge Prager einen gewaltsamen Tod starben. Es waren so viele, doch welche existieren wirklich? Was existiert wirklich? Vielleicht war jener Abend nur ein Traum?
Ich war heute abend mal wieder auf dem Hradschin Turm. Oft war ich mit Malek dort gewesen. An klaren Tagen haben wir lange dort gestanden und er hat mir Geschichten aus längst vergangenen Zeiten erzählt. Wir haben uns auch über die Touristen lustig gemacht. Wie sie Ameisenscharen gleich auf dem Domvorplatz umherwuselten, um ja auch noch ein Stück der Kultur zu erhaschen.
Heute waren nicht viele Touristen dort.
Ich habe sie auch nicht richtig wahr genommen. Mir fielen nur Ihre Schatten auf, die wie eigenständige Organismen ziellos umherirrten. Vielleicht ist es mit dem Bösen im Menschen gleichwie mit den Schatten. Es tritt auf, wird [scheinbar] eigenständig und verschwindet wieder.
Vielleicht gibt es aber auch Menschen, die von Grund auf böse sind?
Vielleicht sind Diese nicht die personifizierte Liebe zweier Menschen, sondern der fleischgewordene Hass.
Ich weiß es nicht.


(Im Wohnzimmer, abends, der Fernseher läuft, Vater sitzt im Sessel, Mutter streift ziellos im Zimmer umher)

MUTTER: "Ich mache mir Sorgen um Dolores..... mmh, Sie scheint mir so verschlossen, seit dem Geschehenen. Es ist verständlich, sie muß den Schock erstmal verarbeiten."
VATER: "Mach Dir keine Sorgen. Dolores ist ein starkes Mädchen. Hast du Sie jemals weinen gesehen? Nein."
Sie wird es verkraften, gib Ihr Zeit."
MUTTER: "Du magst recht haben. Aber ich glaube es verhält sich wie mit den Gebäuden in unserem Prag.
Die Fassade blitzt und glänzt, doch schaue dahinter, graue traurige Gebäude."
VATER: "Naja!?! Haben Sie den Schweinehund von Verbrecher schon gefaßt??"
MUTTER: "Nein, es fehlt jede Spur!"
VATER: "Mit den gefundenen Spermaresten muß sich doch ein genetischer Fingerabdruck erstellen lassen."
MUTTER:"Die Polizei ist dabei, aber die grausamsten Verbrechen stehen unter dem Schutz des Teufels. Ich habe wenig Hoffnung, daß der Täter gefaßt wird. Dolores Aussagen sind keine große Hilfe. Sie kann sich nur noch an eine Fratze erinnern. Konnte diese aber nicht näher beschreiben. Ich habe mich jetzt auch mit Maleks Familie zusammengesetzt. Wir werden uns an der Beerdigung beteiligen und helfen, wo wir nur können."
VATER: "Ja, ja."

(Gespräch ausblenden)


LIEBES TAGEBUCH 9.Okt. 1997

Es bereits Abend. Was ist daran schon besonders? Ich fühle mich ausgelaugt, obwohl ich überhaupt nicht "schwer" gearbeitet habe.
Wenn ich morgens aufwache, ist meine Stimmung am tiefsten. Ich habe das Gefühl in einem Labyrinth gefangen zu sein, das sich in meinem Bewußtsein immer mehr ausbreitet. Wo ist der Ausgang???
Den Tag über bessert sich meine Stimmung. Abends fühle ich mich noch am wohlsten. Das "ausgelaugt sein" läßt sich am einfachsten ertragen. Die Nächte, in denen der Bruder des Todes das Zepter führt, sind voller Angst und Alpträumen.
Aber wenigsten Schlaf.
Schluß mit dem Selbstmitleid.
Heute ist etwas merkwürdiges geschehen. Ich kam von der Schule nach Hause. Keiner war da, die Leere der Wohnung fraß mich auf und erfüllte mein Herz. Ich saß am Tisch, schnitt Brot. Es lief alles wie mechanisch ab, das ist nicht weiter verwunderlich, liebes Tagebuch, so waren die letzen Wochen auch. Aber als ich dort saß, das saubere Messer in der Hand.... Seine silberne Aura hauchte ihm Leben ein. Mir war als sprach es zu mir, doch die Stimme kam aus meinem Inneren. "Ich kann dich öffnen, dir helfen, laß das Leid aus dir fließen. All den Schmerz, der dein Blut verunreinigt hat."
Ich nahm das Messer fester in die Hand.........

2,
die klaffende Wunde
schelmisch grinsend sprudelte das Blut
und in der Blutlache spiegelte sich erneut
meine eigene Angst
Und wieder..........ich sah den Tod lächeln 2.

Zum Glück ist die Verletzung unterm Pulli, ich möchte meine Eltern nicht beunruhigen. Jetzt brennt sie ein wenig.
Was ist bloß passiert?
Sollte ich mit Sandra darüber reden?
Es tat so gut das süße Blut fließen zu sehen.



LIEBES TAGEBUCH 10.Okt. 1997

Das Schreiben fällt mir heute schwer. Ich bin so lustlos und kann mich für nichts motivieren. Obwohl mein Kopf voll von Wörten ist, kann ich mich nicht auf sie konzentrieren. Ein Ereignis liegt mir doch schwer auf dem
Herzen, so daß ich dir davon berichten will.
Heute war ich im Wallenstein Park. Es war bereits spät am Nachmittag.
Die dunklen Wolken verhangen die Sonne mit allerlei grotesken Formen. Der Wind flüsterte ein Lied von Traurigkeit, als er einsam durch die Büsche und Bäume streifte.
Vereinzelte graue Gestalten versuchten vergeblich mit ihrer Anwesenheit dem Park Leben einzuhauchen.
Malek hätte es geschafft.
Ich kann es nicht einmal versuchen.
Ich ließ mich auf einer einsamen Bank nieder und beobachtete den bizarren Tanz der Blätter.
Der Winter wird kommen.
Auf einmal fiel mir ein junger Vogel auf, der sterbend vor dem Baume lag. Eine Katze hatte ihn wohl zum Spielball des Schicksals gemacht.
Ich trat näher..................................

3,
................plötzlich war es still

meine Liebe kam zu spät
kein Atemzug asperite das Leben
die Augen angsterfüllt geöffnet
leere starre Pupillen
spiegelten meine eigene Angst
Und wieder.............ich sah den Tod lächeln 3.


LIEBES TAGEBUCH 11. Okt. 1997

Heute bin wieder einmal allein zu Hause und das ist gut so.
Der Tag nähert sich endlich seinem Ende. Vorhin malte ich ein Bild von dem Ort, an dem Malek jetzt sein könnte.
"Nangiala" nannte er ihn.
Irgendwie habe ich das Gefühl, Malek ist heute näher um mich, als sonst.
Warum bloß....?
Gedanken ziehen wie hungrige Wölfe durch das Labyrinth meines Bewußtseins.
Gestern Nacht träumte ich, daß Malek sich vor meinen Augen das Herz herausriß. Er gab es mir,
als Zeichen das Liebe länger währt, auch wenn das nackte Fleisch schon längst verrottet ist.
Traum und Realität verschwimmen immer mehr.
Tränen bilden einen See der Flucht, in dem ich versinke.
Fünfzehn
Fünfzehn...........
ist eine schöne Zahl..........................................................
............................................................................................

...........
....ich mag nicht mehr......

4.......... Die Kacheln frösteln weiß den Hauch des Winters

obwohl es warm ist zittere ich vor Kälte
meine Hand erhält den Befehl zu greifen
Wasserflecken
stören die Reinheit der weißen Kacheln
Wer sie wohl angefertigt hat ?
Die Lampe gibt nur wenig Licht
trotzdem ist es grell
mein Spiegel ist längst zerbrochen
nur diese Scherbe ist geblieben
leicht liegt sie in meiner Hand
scharfkantig - gleichzeitig spiegelglatt
und wieder spiegelt sich meine eigene Angst
Ich seh den Tod zum letzten Mal lächeln
Die zweite Eigenschaft
dringt in meine Kehle
röchelnd wird mir die Angst genommen
Ich sehe den Tod lächeln .4..............
....................
.................
.................
..........


WICHTIGE FUSSNOTE:

Alle Textpassagen die in dem Schriftbild "Times News Roman" geschrieben sind und mit einer Ziffer versehen sind stammen nicht aus meiner Feder. Es sind Strophen aus dem Lied "Ich möchte nicht länger" von der Band
-Goethes Erben - aus dem Jahr 1992 von dem Album "Das Sterben ist ästhetisch bunt"
Ich habe Strophen des Liedes verwendet, jedoch nicht in ihrer ursprünglichen Reihenfolge, sondern je nach Bedarf des Textes. Ich würde mich über konstruktive Kritik über mein erstes Werk (1997) sehr freuen. Ich bitte eventuelle Rechtschreibfehler zu entschuldigen.
Zur Vervollständigung der Quellen liefere ich noch den Original Liedtext Text in ursprünglicher Reihenfolge
Ich möchte nicht länger

... mein Freund ...
Das Leben war kurz
er starb in meinen Armen
sein Leib war naß
die Augen angsterfüllt geöffnet
leere starre Pupillen spiegelten meine eigene Angst
Ich sah den Tod lächeln

... meine Eltern ...
Die zähe Lache geronn langsam
meine Liebe kam zu spät
die klaffenden Wunden an den Häuptern
schelmisch grinsend sprudelte das Blut
und in der Blutlache spiegelte sich
erneut meine eigene Angst
Ich sah den Tod lächeln

Wir gehen eine Tür weiter
in das Kinderzimmer

... mein Kind ... Plötzlich war es still
aus der Wiege drang kein Laut
kein Atemzug aspirierte das Leben
nur eine Träne rann aus den geschlossenen Augen
in ihr spiegelte sich erneut meine eigene Angst
Ich sah den Tod lächeln

Ich möchte nicht länger mit der Angst vor dem Sterben leben.

Die Kacheln frösteln weiß den Hauch des Winters

obwohl es warm ist zittere ich vor Kälte
meine Hand erhält den Befehl zu greifen
Wasserflecken stören die Reinheit der weißen Kacheln
Wer sie wohl angefertigt hat ?
Die Lampe gibt nur wenig Licht
trotzdem ist es grill
mein Spiegel ist längst zerbrochen
nur diese Scherbe ist geblieben
leicht liegt sie in meiner Hand
scharfkantig - gleichzeitig spiegelglatt
und wieder spiegelt sich meine eigene Angst
Ich seh den Tod zum letzten Mal lächeln
Die zweite Eigenschaft dringt in meine Kehle
röchelnd wird mir die Angst genommen
Ich sehe den Tod lächeln ...




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